Urteil vom 08.02.2023 · IWW-Abrufnummer 235209
Landesarbeitsgericht Thüringen - Aktenzeichen 4 Sa 114/21
Arbeitnehmer*innen tragen bei gerichtlichen Abfindungsvergleichen zur Beendigung des Rechtsstreits und des Arbeitsverhältnisses typischerweise das Risiko der späteren Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeber*in. Sie können sich deshalb bei nachträglich eintretender Zahlungsunfähigkeit nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage ( § 313 Abs. 1 BGB ) berufen.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 14.4.2021 - 1 Ca 229/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Fortsetzung eines Kündigungsrechtsstreits vor dem Hintergrund, dass sie den im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 25.05.2020 abgeschlossenen Vergleich für nichtig/unwirksam hält.
Die am 12.05.1982 geborene Klägerin war ledig und gegenüber drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.07.2016 war sie als Mitarbeiterin Verwaltung aufgrund des Vertrages vom selben Tage bei der ... (fortan kurz: Schuldnerin) beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 4 bis 6 d. A.) Bezug genommen. Ihre Vergütung betrug zuletzt 2.900,00 € brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.
Nach 2 Abmahnungen vom 29.01., wegen deren Inhalt es im Einzelnen auf die zu den Akten gereichten Kopien hiervon (Bl. 18 - 21 d. A.) Bezug genommen wird, kündigte die Schuldnerin der Klägerin mit Schreiben vom 27.02.2020, zugegangen der Klägerin am 28.02.2020, ordentlich mit Wirkung zum 31.03.2020.
Hiergegen richtet sich die der Schuldnerin am 10.03.2020 zugestellte Klage.
Im Gütetermin vom 25.05.2020 schlossen die Parteien einen Vergleich folgenden Inhalts:
"1. Es besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund arbeitgeberseitiger ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 27.02.2020 mit Ablauf des 31.03.2020 beendet worden ist.
2. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 9.500,00 € brutto.
3. Die Beklagte erteilt der Klägerin unter dem 31.03.2020 ein wohlwollend und berufsfördend formuliertes qualifiziertes Arbeitszeugnis, das in der Leistungsbeurteilung "gut" ausfällt und in der Verhaltensbeurteilung mit "stets einwandfrei".
4. Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich welchen Rechtsgrundes, ob bekannt oder unbekannt, erledigt. Die Parteien sind insbesondere darüber einig, dass der Urlaubsanspruch der Klägerin in Natur gewährt und genommen worden ist.
5. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
6. Der Beklagten bleibt vorbehalten, diesen Vergleich schriftlich bis spätestens zum 02.06.2020, eingehend bei Gericht, zu widerrufen."
Am 03.06.2020 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts die Rechtswirksamkeit des Vergleiches festgestellt, weil kein Widerruf erfolgt sei.
Im ersten Quartal 2020 blieben der Schuldnerin geschuldete Zahlungen aus. Stattdessen gaben die Zahlungsverpflichteten eine Zusage über die Ausstattung der Schuldnerin mit Investitionsmitteln in Höhe von 1 Million €. Diese Zusage wurde am 09.06.2020 zurückgezogen. Dadurch sah die Schuldnerin die Zahlungsunfähigkeit als eingetreten an. Am 22.06.2020 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag ging ursprünglich beim Amtsgericht Frankfurt/Main ein und wurde von dort an das Amtsgerichts Gera verwiesen, wo es am 02.07.2020 einging. Mit Vollstreckungsandrohung vom 23.06.2020 forderte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten die Schuldnerin zur Zahlung bis 26.06.2020 auf. Mit dem Beschluss vom 08.07.2020 ordnete das Amtsgericht Gera die vorläufige Insolvenzverwaltung an und mit Beschluss vom 01.09.2020 eröffnete das Amtsgericht Gera das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den nunmehrigen Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Mit am 03.07.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin den ursprünglichen Kündigungsschutzantrag und einen allgemeinen Feststellungsantrag gestellt sowie auch konkret den Antrag, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den gerichtlichen Vergleich vom 25.05.2020 geendet habe.
Sie focht ihre Zustimmungserklärung zum Vergleich wegen arglistiger Täuschung an und behauptet dazu, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vom 25.05.2020 vorgelegen habe und dies ihr, der Klägerin, verschwiegen worden sei. Vorsorglich berufe sie sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und trete vom Vergleich zurück. Mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hätten sich die Umstände, die Grundlage des Vergleichsabschlusses gewesen seien, schwerwiegend geändert.
Sie bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen und den Zugang einer weiteren betriebsbedingten Kündigung.
Wegen des Weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 - 4 des Entscheidungsabdrucks - Bl. 203 - 105 d. A.) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 14.04.2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 25.05.2020 geendet habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 5 - 8 des Entscheidungsabdrucks (Bl. 106 - 109 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 11.05.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 28.05.2021 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach dem das Gericht auf den am Montag, den 12.07.2021, eingegangenen Antrag hin mit Beschluss vom 13.07.2021 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.08.2021 verlängert hat, ist die Berufungsbegründung an diesem Tag beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen.
Das Arbeitsgericht habe aus dem Umstand, dass die Zusage der Investition von 1 Million € am 09.06.2020 zurückgenommen worden sei, geschlussfolgert, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die Schuldnerin noch nicht habe wissen können, dass Zahlungsunfähigkeit eintreten werde. Aus den Angaben der Beklagten sei jedoch ersichtlich, dass bereits eine Zahlungsunfähigkeit im ersten Quartal 2020 eingetreten sein müsse, da schon zu diesem Zeitpunkt die zugesagten Investitionen nicht mehr erbracht worden seien. Zahlungsunfähigkeit sei bereits eingetreten gewesen und habe nur durch die zugesagte Investition wieder beseitigt werden können. Weil die zugesagte Investition ausgeblieben sei, habe die schon vorher vorhanden gewesene Zahlungsunfähigkeit lediglich fortbestanden. Hierauf basiere ihre, der Klägerin, Behauptung, schon zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Diese Behauptung sei nicht erheblich bestritten worden, sodass sie der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt hätte werden müssen. Das Arbeitsgericht habe ihre, der Klägerin, Tätigkeit im Backoffice-Bereich auch falsch bewertet. Hieraus könne nicht geschlussfolgert werden, dass sie Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gehabt habe. Dies sei nicht der Fall gewesen. Schließlich stelle das Gericht fest, dass die im Vergleich vereinbarte Abfindung hätte gezahlt werden können, wenn die Investitionssumme geflossen wäre. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Schuldnerin, da nur eine Zusage und noch nicht die Zahlung vorgelegen habe, tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei, die Abfindung zu zahlen. Darauf hätte diese hinweisen müssen. Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen Vergleichsabschluss und der Zahlungsunfähigkeit spräche für das Vorliegen einer solchen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Auch die Ausführungen dazu, dass ihr, der Klägerin, trotz Veränderung der Geschäftsgrundlage ein Festhalten am Vergleich zumutbar sei, überzeugten nicht. Wiederum unterstelle das Arbeitsgericht lediglich ihr, der Klägerin, Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit, weil sie im Backoffice gearbeitet habe, ohne sich damit zu beschäftigen, dass Ihre Aufgaben nichts mit der Vermögenslage der Schuldnerin, sondern mit Nachhaltigkeit und Qualitätssicherungsgesichtspunkten zusammengehangen habe. Auch die als Vorteile gewerteten Gesichtspunkte, dass man sich statt auf eine verhaltensbedingte auf eine betriebsbedingte Kündigung geeinigt hätte und ein gutes Zeugnis habe erteilt werden müssen sowie ein Anspruch auf eine Zahlung der Abfindung in Höhe einer Insolvenzquote bestehe, führe nicht zur Zumutbarkeit des Festhaltens am Vergleich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gera abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom 25.05.2020 mit Ablauf des 31.03.2020 beendet worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.02.2020 nicht aufgelöst worden ist;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Tatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.03.2020 hinaus fortbesteht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Hervorhebung des Gesichtspunkts, das Risiko einer Insolvenz eines Vertragspartners gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko und deswegen könne nicht aufgrund der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu Vertragsanpassungen oder Rücktritt vom abgeschlossenen Vergleich führen.
Die ursprünglich angegriffene Kündigung beruhe auf weiterem Fehlverhalten nach Ausspruch der Abmahnungen. Die weitere Kündigung sei betriebsbedingt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Die Anträge der Klägerin sind zulässig. Die Bedenken dahingehend, mit dem Antrag zu
2. eine gesonderte Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches könne eine unzulässige Zwischenfeststellungsklage vorliegen, greifen letztendlich nicht durch, weil der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass er die Anträge so gemeint hat und verstanden wissen wolle, wie das BAG im Urteil vom 11.07.2012, 2 AZR 42/11, entsprechende Anträge ausgelegt und verstanden habe. Da die Anträge in diesem Sinne als gestellt angesehen werden müssen, sind sie zulässig.
Die Klage ist unbegründet. Der Rechtstreit hat durch Vergleich vom 25.5.2020 geendet.
Die Beendigungswirkung ist gem. Ziffer 5 des Vergleiches eingetreten. Die in Ziffer 4 erwähnte Erfüllung des Vergleiches war nur Voraussetzung für die Erledigung aller zwischen den Parteien bestehenden Ansprüche. Die Erledigung des Rechtsstreits ist in Ziffer 5 unbedingt geregelt.
Die von der Klägerin erklärte Anfechtung ihrer zum Vergleichsabschluss führenden Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung greift nicht durch.
Ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor, weil die Schuldnerin nicht gehandelt hat und die bei Vergleichsabschluss für die Schuldnerin handelnde Rechtsanwältin nicht arglistig getäuscht hat. Die Klägerin vermochte keine Tatsachen darzulegen, die darauf schließen lassen, dass die damalige Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin wusste oder billigend in Kauf genommen hat, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sein könnte und durch Verschweigen dieses Umstandes die Klägerin zu einer Zustimmung zum Vergleich gebracht wurde. Fahrlässigkeit würde diesbezüglich nicht ausreichen. Die Beweislast und auch die Darlegungslast für das Vorliegen von Arglist in diesem Sinne trägt die anfechtende Klägerin. Dass es sich um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vergleiche zu alledem BAG 11.07.2012, 2 AZR 42/11, NJW 2012, 3390).
Ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 2 BGB liegt ebenso nicht vor.
Satz 1 der Vorschrift setzt voraus, dass ein Dritter im Sinne dieser Vorschrift arglistig getäuscht hat. Prozessbevollmächtigte sind wie Vertreter im Allgemeinen nicht Dritte i. S. d. Vorschrift (Münchener Kommentar BGB/Armbrüster BGB § 123 Rn. 72 - 75). § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB findet ebenso keine Anwendung. Die Vorschrift setzt voraus, dass vier Personen an den Handlungen beteiligt sind. Einmal diejenige Person, welche die anfechtbare Willenserklärung abgibt, dass wäre hier die Klägerin. Dann der oder die Erklärungsempfängerin, das wäre hier die damalige Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin. Eine weitere daran beteiligte Person ist diejenige, die unmittelbar aus der Willenserklärung Rechte herleitet, was die Schuldnerin wäre. Es müsste eine weitere Person, eine dritte in dem Sinne, die Täuschung begangen haben. Derartiges ist nicht vorgetragen. Über § 166 Abs. 2 BGB ergibt sich kein anderes Bild, denn konkrete Weisungen der Schuldnerin an die damalige Prozessbevollmächtigte sind nicht vorgetragen.
Ein Rücktrittsrecht besteht weder nach § 323 Abs. 1 1. Alternative BGB noch nach § 326 Abs. 5 BGB. (vergleiche insoweit nur BAG 11.07.2012 - 2 AZR 42/11, NJW 2012, 3390).
Die Klägerin kann die Unwirksamkeit des Vergleiches oder ein Rücktrittsrecht vom Vergleich auch nicht auf § 313 Abs. 2 BGB stützen.
Danach kann kurzgefasst bei Fehlen der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung oder ein Rücktritt vom Vertrag erfolgen (ehemaliges Institut des Fehlens der Geschäftsgrundlage dazu Jauernig/Stadler BGB § 313 Rn. 14). Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem*der Geschäftsgegner*in erkennbaren und von ihm*ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem zukünftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (vgl. nur statt vieler BGH 25.2.1993 - VII ZR 24/92, NJW 1993, 1856, 1859). Als solcher Umstand käme die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses in Betracht. Die Klägerin hat nicht ausreichend Anhaltspunkte dargelegt, um eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt feststellen zu können. Aufgrund der Investitionszusage wäre ggf. die Abfindungsforderung der Klägerin finanzierbar gewesen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 313 Abs. 1 BGB berufen.
Danach kann Vertragsanpassung oder Rücktritt vom Vertrag erfolgen, wenn sich die Geschäftsgrundlage im o.g. Sinne nach Vertragsabschluss wesentlich ändert und die Parteien bei Vorhersehen der Entwicklung den Vertrag nicht oder nicht so abgeschlossen hätten (ehemaliges Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - Jauernig/Stadler BGB § 313 Rn. 14).
Zwar kann nicht schon deshalb eine unvorhergesehene, schwerwiegende nachträgliche Veränderung der Umstände verneint werden, weil beide Parteien bereits bei Vergleichsabschluss das Risiko des Eintritts einer Zahlungsunfähigkeit kannten. Die Klägerin verneint Kenntnis davon und es spricht auch nichts dafür, dass Sie hiervon Kenntnis hätte haben können. Sie hat ausdrücklich mitgeteilt, dass sie bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihr Entgelt bekommen hat, sodass hier kein Umstand liegt, der sie hätte misstrauisch werden lassen müssen. Als Nachhaltigkeitsbeauftragte und Angestellte die sich mit Qualitätssicherungsproblemen befasst, musste sie auch nicht über die Vermögenslage im Einzelnen der Schuldnerin Bescheid wissen. Jedenfalls ist ihre Erkenntnis nicht mit der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Sicherheit feststellbar.
Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bzw. ihre Insolvenz stellt keinen nachträglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB dar. Schon tatbestandlich ist die Anwendung von § 313 BGB ausgeschlossen, wenn die wesentliche Veränderung gerade in der Verwirklichung eines Risikos besteht, welches nach dem vereinbarten oder typischen Vertragsinhalt der*diejenige trägt, welche*r sich auf den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrundlage beruft (BGH 25.2.1993 - VII ZR 24/92, NJW 1993, 1856, 1859; dazu auch MüKo-BGB/Finkenauer § 313 Rn. 59 mwN.; Erman/Böttcher BGB § 313 Rn. 19; Jauernig/Stadler BGB § 313 Rn. 20).
Eine ausdrückliche Regelung zur Risikoverteilung bezüglich der Zahlungsfähigkeit fehlt hier. Hier hat sich aber das geschäftstypische Risiko eines Beendigungsvergleiches mit Abfindungsregelung verwirklicht. Dieses besteht darin, dass Arbeitnehmer*innen mit ihrer Leistung in Vorleistung gehen und deshalb typischerweise das Risiko des Ausfalls der Gegenleistung tragen, jedenfalls das Insolvenzrisiko.
Sowohl ein Aufhebungsvertrag als auch ein Beendigungsvergleich sind sogenannte Risikogeschäfte, weil hierbei die Arbeitnehmer*innen immer in Vorleistung gehen. Die Leistungen der Arbeitnehmer*innen besteht gerade darin, auf Kündigungsschutz und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu verzichten. Diese Wirkung, quasi die Erfüllung der Leistung, tritt mit Abgabe der Erklärung ein. Demgegenüber tritt die Gegenleistung, die Zahlung einer Abfindung, faktisch zwingend notwendigerweise immer erst nachträglich ein, weil diese Zahlung, wenngleich sie auch sofort fällig sein kann, erst faktisch bewirkt werden muss, was zeitlich nur nach Vergleichs- oder Vertragsabschluss liegen kann. Jedenfalls dann, wenn nicht die Zahlung der Abfindung in bar Zug um Zug gegen Abgabe der Erklärung der Arbeitnehmer*innen vereinbart wird, was praktisch kaum vorkommen dürfte und hier jedenfalls nicht vorgekommen ist.
Da die Klägerin hier in Vorleistung gegangen ist, trifft Sie als allgemeines typisches von ihr zu tragendes Risiko das Risiko des späteren Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ihrer Schuldnerin. Sie kann sich daher nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.
Die Klägerin trägt die Kosten ihrer erfolglosen Berufung (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Die Kammer sah Anlass für die Zulassung der Revision.