Urteil vom 16.12.2022 · IWW-Abrufnummer 235306
Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 10 SaGa 1364/22
1. Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann nach § 241 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Versetzung kraft Direktionsrechts nach § 106 GewO folgen, um eine leidensgerechte Beschäftigung zu geänderten Bedingungen zu gewährleisten. Handelt es sich um eine Beschäftigungsmöglichkeit, die der Arbeitgeber nicht kraft Direktionsrecht einseitig zuweisen kann, kann auch ein Anspruch auf eine (einvernehmliche) Vertragsänderung bestehen. Der Arbeitnehmer hat aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Ausspruch einer Änderungskündigung.
2. Außerhalb des öffentlichen Dienstes ist ein Bewerberverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht anerkannt. Der Arbeitnehmer kann deshalb prinzipiell im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht verlangen, eine ausgeschriebene Stelle bei einem privaten Arbeitgeber vorläufig nicht zu besetzen.
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 31. August 2022 ‒ 10 Ga 2/22 ‒ wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Verfügungsklägerin einen Anspruch auf vorläufige Unterlassung einer Stellenbesetzung zur Wahrung eines Beschäftigungsanspruchs geltend machen kann.
Die 45jährige Verfügungsklägerin, die unverheiratet ist und ein Kind hat, ist seit 1. Januar 2003 bei der Verfügungsbeklagten als Bankangestellte auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 5. Dezember 2002 (Bl. 10 f. der Akte) beschäftigt. Sie ist Diplombetriebswirtin (FH) und verfügt über eine Ausbildung als Bankkauffrau.
Vor ihrer Beschäftigung bei der Verfügungsbeklagten war sie vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1998 bei der Steuerberatungskanzlei A beschäftigt, über die Beschäftigung wurde das Zeugnis vom 19.12.1998 (Bl. 17 der Akte) erteilt. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 2002 war sie als Betriebswirtin bei dem Unternehmen B beschäftigt, hierüber würde das Zeugnis vom 31. Juli 2002 (Bl. 18 der Akte) erteilt.
Gemäß § 1 Satz 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags war sie als „Bankangestellter“ angestellt und wurde tariflich zuletzt nach der Vergütungsgruppe TG 8 vergütet. Sie wurde in der Vergangenheit zunächst in C mit dem Vorgesetzten D eingesetzt, seit 19. März 2018 wird sie in E im Bereich Konsolidierung eingesetzt mit dem Bereichsleiter F. Das Team der Abteilung Konsolidierung besteht aus fünf Mitarbeitern und dem Vorgesetzten F. Die Zusammenarbeit mit diesem Vorgesetzten verlief nicht reibungslos.
Unter dem Datum 3. Juni 2020 erteilte die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin eine Abmahnung. In der Folgezeit entwickelte sich eine Korrespondenz zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten, weil die Verfügungsklägerin sich über Herrn F beim Betriebsrat beschwert hatte. Die Verfügungsbeklagte erteilte der Verfügungsklägerin ferner mit Schreiben vom dem 30. September 2020 eine Ermahnung.
Seit 23. Februar 2021 ist die Verfügungsklägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Ein BEM-Verfahren wurde eingeleitet. Am 16. März 2022 fand ein BEM-Gespräch unter Beteiligung der Rechtsanwälte beider Seiten statt.
Über die Ursache der Erkrankung liegt ein ärztliches Attest des Dr. med. G vom 17. Mai 2022 vor wie folgt:
„Bei Frau H besteht eine schwere depressive Episode. Die Patientin wird medikamentös behandelt. Die depressive Episode ist in überwiegendem Maße reaktiv bedingt, dies hat mit Bemerkungen am Arbeitsplatz durch die Vorgesetzten zu tun. Die psychische Belastung ist manchmal von ihr nicht zu schaffen. Die Arbeitssituation sollte insgesamt geändert werden. Erst dann ist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zu erwarten. Dies ist am ehesten durch einen neuen alternativen Arbeitsplatz möglich.
Einverstanden auf Grund eigener Untersuchung und Urteilsbildung.“
Zusätzlich erteilte die Betriebsärztin am 14. Juli 2022 folgendes Attest:
„Frau H stellte sich am 8.7.2022 betriebsärztlich bei mir vor. Aufgrund von ausgeprägten gesundheitlichen Beschwerden, die hauptsächlich reaktiv und auf die derzeitige Arbeitsplatzsituation bezogen sind, ist dringend ein Arbeitsplatzwechsel in eine andere Abteilung der Bank zu empfehlen entsprechend eines leidensgerechten Arbeitsplatzes. Aufgrund ihrer beruflichen Aus- und Weiterbildungen im Vorfeld ist sicherlich eine Bewerbung in der Abteilung Rechnungswesen als sinnvoll zu betrachten und wird von betriebsärztlicher Seite unterstützt. Bei Problemen oder Fragen kann sich gerne mit mir in Verbindung gesetzt werden, für ein BEM Gespräch in erweiterter Runde wenn gewünscht stehe ich auch zur Verfügung wenn es zeitlich möglich ist.“
Die Verfügungsbeklagte hat derzeit zwei Arbeitsplätze ausgeschrieben, jeweils im Rechnungswesen in Vollzeit an ihrem Standort in C. Hinsichtlich der Stellenprofile A9 und A10 wird verwiesen auf Bl. 15 und 19 der Akte. Darin wird im Wesentlichen eine Bankausbildung und idealerweise Berufserfahrung im Rechnungswesen gefordert. Beide Positionen beabsichtigt die Verfügungsbeklagte nach der Tarifgruppe TG 5 zu vergüten.
Die Verfügungsklägerin hat sich auf beide Positionen erfolglos beworben. Über die Versetzung der Verfügungsklägerin auf eine der gewünschten Stellen streiten die Parteien derzeit vor dem Arbeitsgericht Darmstadt in einem Hauptsacheverfahren.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,
Hinsichtlich der streitigen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten beider Parteien in der ersten Instanz wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.
Das Arbeitsgericht Darmstadt hat die Anträge der Verfügungsklägerin mit Urteil vom 31. August 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Verfügungsklägerin stünde kein Verfügungsanspruch auf Unterlassung der Besetzung der Stellen aus § 241 Abs. 2 BGB zu. Die zu besetzenden Stellen seien in die Vergütungsgruppe TG 5 eingruppiert, die Verfügungsklägerin erhalte derzeit allerdings Vergütung nach der Vergütungsgruppe TG 8. Der Arbeitgeber könne im Rahmen seines Direktionsrechts eine solche schlechter bewertete Stelle nicht einseitig zuweisen. Die Klägerin habe sich auch nicht eindeutig dazu erklärt, ob sie überhaupt bereit sei, die Position im Rechnungswesen zu der geringeren Vergütung auszuüben. Zudem stünde nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die Verfügungsklägerin die beiden in Rede stehenden Positionen im Hinblick auf die Stellenbeschreibungen ausüben könne. Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens könne nicht abschließend darüber entschieden werden, ob die Verfügungsklägerin die dort geforderten Kompetenzen tatsächlich aufweise. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird verwiesen auf Bl. 85 - 92 der Akte.
Dieses Urteil ist der Verfügungsklägerin am 2. September 2022 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 23. September 2022 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ist am 2. November 2022 bei dem Berufungsgericht eingegangen.
In der Berufungsinstanz vertritt die Verfügungsklägerin die Auffassung, dass ihre Anträge zu Unrecht abgewiesen worden seien. Sie meint, dass es Sache der Arbeitgeberin sei, die Bewertung der im Streit stehenden Positionen mit der Entgeltgruppe TG 5 zu begründen, ihr stünden nur die allgemein zugänglichen Informationen wie die Stellenausschreibung zur Verfügung. Ferner vertritt sie die Ansicht, dass die Verfügungsbeklagte ihr eine Vergütungssicherung nach Teil B Vergütungstarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken zubilligen müsse, da sie dem Unternehmen zehn Jahre angehörte. Sie erfülle auch die ausbildungsbezogenen Qualifikationen der Stellen, die Arbeitgeberin habe sie trotz angeblich fehlender Softskills unter Rücksichtnahme auf ihren Gesundheitszustand zu beschäftigen.
Die Verfügungsklägerin stellt die Anträge,
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
Die Verfügungsbeklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, die Verfügungsklägerin könne sich nicht auf eine Entgeltsicherung nach § 11 der Vergütungsordnung für Bestandskräfte berufen. Es fehle bereits an einem entsprechenden Angebot durch die Arbeitgeberin. Sie sei auch fachlich nicht in der Lage, die freien Stellen auszufüllen, so verfüge sie über keinerlei Erfahrungen im Meldewesen. Sie erbringe unterdurchschnittliche Leistungen und ihr fehlten auch Softskills wie Leistungsbereitschaft, Teamorientierung, sicheres Auftreten etc. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen würden im Wesentlichen die subjektive Darstellung der Verfügungsklägerin wiedergeben und seien deshalb nicht aussagekräftig. Eine der beiden Stellen sei nunmehr vergeben und werde zum 1. Januar 2023 besetzt werden. Sie meint, das Verhalten der Verfügungsklägerin sei rechtsmissbräuchlich, da sie dauerhaft die Handlungsfähigkeit der Arbeitgeberin zu blockieren versuche.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten bleibt ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Verfügungsklägerin zu Recht zurückgewiesen. Es fehlt bereits an einem Verfügungsanspruch, da aus § 241 Abs. 2 BGB kein Anspruch auf eine Vertragsänderung folgt, mit der eine unterwertigere Tätigkeit bei gleichbleibender Vergütung zugewiesen wird. Überdies geht die nach den §§ 935, 940 ZPO stets vorzunehmende Interessenabwägung nicht zugunsten der Verfügungsklägerin aus, denn außerhalb des öffentlichen Dienstes ist ein im Eilrechtsschutz zu sichernder Bewerberverfahrensanspruch grundsätzlich nicht anerkannt.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ArbGG).
II. Die Berufung ist unbegründet.
1. Die Verfügungsklägerin hat im Prozess bereits nicht dargetan, dass sie einen Anspruch auf Zuweisung der beiden Stellen gegenüber der Arbeitgeberin hat.
a) Als Anspruchsgrundlage kommt im vorliegenden Fall nur die allgemeine Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin infrage. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Ist der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und dem leistungsgeminderten Arbeitnehmer innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens eine Tätigkeit überträgt, zu deren Erbringung dieser noch in der Lage ist. Voraussetzung ist, dass dem Arbeitgeber die entsprechende Neubestimmung der auszuübenden Tätigkeit rechtlich möglich und zumutbar ist (vgl. BAG 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - Rn. 21, NZA 2020, 578). Eine Verpflichtung zu einer vertragsfremden Beschäftigung begründet das Gebot der Rücksichtnahme nicht. Der Arbeitgeber kann im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht lediglich gehalten sein, dem Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Vertragsanpassung nachzukommen, insbesondere wenn anderenfalls ein dauerhaftes Unvermögen des Arbeitnehmers droht (vgl. BAG 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - Rn. 21, NZA 2020, 578).
Der schwerbehinderte Mensch hat zudem Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung (§ 164 Abs. 4 SGB IX). Im bestehenden Arbeitsverhältnis können schwerbehinderte Menschen daher bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen. Dies führt zu einer Einschränkung der Organisationsfreiheit des Arbeitgebers, denn dieser ist zu einer behinderungsgerechten (Um-)Gestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet, um den Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen zu erfüllen(vgl. BAG 16. Mai 2019 - 6 AZR 329/18 - Rn 35, NJW 2019, 3538).
b) Nach diesen Grundsätzen folgt im vorliegenden Fall aus § 241 Abs. 2 BGB nicht die Pflicht der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmerin eine der beiden freien Stellen zuzuweisen. Zugunsten der Verfügungsklägerin kann insoweit unterstellt werden, dass es einen Arbeitsplatzkonflikt mit dem Vorgesetzten Herrn F gibt und dass es aus gesundheitlichen Gründen angezeigt ist, diesen Konflikt zu deeskalieren. Klagt die Arbeitnehmerin auf eine bestimmte Änderung der Arbeitsbedingungen, so müsste insoweit eine „Ermessensreduzierung auf null“ vorliegen. Dabei ist zu bedenken, dass es oftmals mehrere Möglichkeiten gibt, wie eine leidensgerechte Beschäftigung umzusetzen ist. Das gilt auch bei einem Konflikt mit dem Vorgesetzten. Hier z.B. denkbar, dass die Verfügungsklägerin verstärkt im Homeoffice arbeitet, dass sie - z.B. mit Hilfe des Betriebsrats - bei der Personalabteilung auf eine Verhaltensänderung des Vorgesetzten hinwirkt (vgl. § 12 AGG) etc.
Die Zuweisung einer unterwertigen Tätigkeit ist zudem - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - grundsätzlich nicht vom Arbeitsvertrag und dem Weisungsrecht nach § 106 GewO gedeckt. Die Verfügungsklägerin war zuletzt nach der Entgeltgruppe TG 8 vergütet worden, während die streitigen Stellen in dem Rechnungswesen aber lediglich nach der TG 5 vergütet werden sollen. Damit würde eine erhebliche finanzielle Einbuße einhergehen, welche der Arbeitgeber an sich nur durch eine Änderungskündigung umsetzen könnte. Es wäre sehr weitgehend, aus der Fürsorgepflicht den Ausspruch einer Änderungskündigung ableiten zu wollen. Eine Änderungskündigung wird als milderes Mittel vor einer Beendigungskündigung angesehen, aus der Fürsorgepflicht - und nicht aus dem kündigungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - eine solche Obliegenheit der Arbeitgeberin abzuleiten, wäre sehr weitgehend und letztlich auch für den Arbeitnehmer mit Risiken verbunden, da mit jeder Änderungskündigung auch eine Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses einhergeht.
Sofern die Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren anführt, dass sie verlangen könnte, auf den neuen Positionen beschäftigt zu werden bei gleichbleibenden Gehalt, weil zu ihren Gunsten die Regelung in Teil B § 11 der tariflichen Vergütungsordnung für Bestandskräfte 2019 eingreife, kann dem nicht gefolgt werden. Es fehlt schon an dem Merkmal eines Angebots einer geringer bewerteten Tätigkeit, auch hat die Arbeitgeberin keine Änderungskündigung ausgesprochen. Ferner kann hier nicht beurteilt werden, ob die Änderung nicht von der Verfügungsklägerin zu vertreten ist. Die Verfügungsklägerin sieht sich als Opfer und sieht die Schuld für ihre Erkrankungen (allein) bei der Verfügungsbeklagten und Herrn F. Die Arbeitgeberin streitet dies hingegen ab und sieht bei dem Vorgesetzten keine Versäumnisse.
Geht man - wie hier - davon aus, dass sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers prinzipiell kein Anspruch auf Ausspruch einer Änderungskündigung außerhalb eines Kündigungsschutzverfahrens ableiten lässt, bleibt gleichwohl die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer zur Sicherung einer leidensgerechten Beschäftigung einen Anspruch auf eine Vertragsänderung haben kann(vgl. BAG 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - Rn. 21, NZA 2020, 578). Für den Fall einer Vertragsänderung gilt die Regelung in Teil B § 11 der tariflichen Vergütungsordnung für Bestandskräfte 2019 jedenfalls aber nicht.
Im Übrigen erscheint es der Arbeitgeberin auch nicht zumutbar, die Verfügungsklägerin (dauerhaft) - ggf. nach einer Vertragsänderung - auf einer geringer eingestuften Position mit einer höheren (Bestands-)Vergütung zu beschäftigen. Auf einem solchen Weg würde erheblich in die wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeberin eingegriffen.
Da die Verfügungsklägerin nicht als schwerbehinderte Person anerkannt ist, folgt ein - eventuell weitergehender - Anspruch auf Anpassung der Arbeitsbedingungen auch nicht aus § 164 Abs. 4 SGB IX.
Zumindest in Bezug auf die Stelle der Bearbeitung des statistischen und aufsichtsrechtlichen Meldewesens bestehen auch Zweifel, dass die Verfügungsklägerin das Anforderungsprofil erfüllt. Denn aus ihrem Sachvortrag lässt sich nicht entnehmen, dass sie bereits früher in dem Bereich des aufsichtsrechtlichen Meldewesens tätig war. Eine entsprechende Berufserfahrung im statistischen und aufsichtsrechtlichen Meldewesens war aber in der Stellenausschreibung ausdrücklich gefordert.
2. Darüber hinaus geht die im Rahmen von den §§ 935, 940 ZPO stets vorzunehmende Interessenabwägung zulasten der Verfügungsklägerin aus.
a) Zur Sicherung des Bewerberverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG ist es im öffentlichen Dienst anerkannt, dass der Bewerber bis zum Abschluss des Verfahrens die Unterlassung der Besetzung der Stelle verlangen kann (BVerfG 20. März 2007 - 2 BvR 2470/06 - NZA 2007, 607; GK-ArbGG/Vossen Sept. 2019 § 62 Rn. 82a; BeckOK ArbR/Hamacher 01.09.2022 § 62 ArbGG Rn. 79). Der nach Art. 33 Abs. 2 GG bei der Besetzung öffentlicher Ämter unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher sog. Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (vgl. BVerfG 9. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - Rn. 75, NVwZ 2017, 46; BAG 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19 - Rn. 31, NZA 2020. 578; BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, NZA 2018, 515).
Außerhalb des öffentlichen Dienstes ist ein Bewerberverfahrensanspruch aber nicht grundsätzlich anerkannt (vgl. LAG Köln 23. Januar 2006 - 7 Ta 26/06 - BeckRS 2006, 40954 für den Bereich der Kirche; Korinth Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren 5. Aufl. Kap. I Rz. I.286). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Frage, ob und wen der Arbeitgeber einstellen will, die grundrechtlich geschützte Vertragsabschlussfreiheit aufseiten des Arbeitgebers berührt ist (vgl. Di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz GG Stand März 2022 Art. 2 Rn. 101; Müko-BGB/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 509; ErfK/Schmidt 34. Aufl. Art. 12 GG Rn. 30). Selbst bei schwerwiegenden Diskriminierungen in einem Bewerbungsverfahren kann der unterlegene Bewerber nach § 15 Abs. 6 AGG nicht verlangen, eingestellt zu werden. Die Regelung schützt insoweit die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers (vgl. BAG 18. Juli 2017 - 9 AZR 259/16 - Rn. 41, NZA 2017, 1401; Müko-BGB/Thüsing 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 42 f.; MHdB ArbR/Benecke 5. Aufl. § 32 Rn. 1 ff.). Das gilt etwa auch bei einem Verstoß gegen das Maßregelungsgebot nach § 612a BGB (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 44, NZA 2012, 317) oder bei einem „übergangenen“ Anspruch nach § 9 TzBfG (vgl. BAG 18. Juli 2017 - 9 AZR 259/16 - Rn. 41, NZA 2017, 1401). Dem Arbeitnehmer ist es dann unbenommen, einen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB oder ggf. Entschädigungsansprüche geltend zu machen.
b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann aus der allgemeinen Generalklausel nach § 241 Abs. 2 BGB und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers außerhalb des öffentlichen Dienstes grundsätzlich kein Anspruch eines sich für eine ausgeschriebene Stelle interessierenden Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber abgeleitet werden, mit der Besetzung der Stelle zuzuwarten, bis über ein Hauptsacheverfahren entschieden wird, mit dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf diese Stelle geltend macht. Es ist prinzipiell Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, welche Stellen er zur Verfügung stellt. Aufgrund der Vertragsautonomie sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer im Prinzip darin frei zu entscheiden, ob sie im Hinblick auf eine ausgeschriebene Stelle ein Arbeitsverhältnis begründen wollen oder nicht. Einen Kontrahierungszwang gibt es, bis auf die im Gesetz geregelten Ausnahmen, wie z.B. in § 78a BetrVG, § 613a BGB, § 102 Abs. 5 BetrVG oder auch Art. 33 GG, im Arbeitsrecht grundsätzlich nicht. Der Arbeitgeber kann - wie auch die Wertung aus § 100 BetrVG zeigt - ein erhebliches Interesse daran haben, Stellen zeitnah und effektiv zu besetzen, damit nicht Aufträge verloren gehen etc.
Im Übrigen erscheint eine Sicherungsverfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen gemäß § 940 ZPO nicht erforderlich. Der aus dem Beamtenrecht stammende Grundsatz der sog. Ämterstabilität, den das BAG auch auf arbeitsrechtliche Verträge im öffentlichen Dienst ausdehnt, kann außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht ohne weiteres auf Arbeitsverhältnisse zu Privatarbeitgebern erstreckt werden. Auch haushaltsrechtliche Erwägungen in Bezug auf die Einrichtung und Besetzung von Planstellen sind in der Privatwirtschaft fehl am Platz. Sollte sich in einem Hauptsacheverfahren herausstellen, dass die Arbeitnehmerin Anspruch hatte auf Übertragung einer der genannten Stellen, so wäre es der Arbeitgeberin möglich, diese Stelle - notfalls durch den Ausspruch einer Beendigungskündigung ggf. noch in der Probezeit - wieder freizumachen (vgl. LAG Köln 23. Januar 2006 - 7 Ta 26/06 - BeckRS 2006, 40954). Sofern der Vertreter der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass ein Anspruch auf eine Versetzung bzw. Vertragsanpassung voraussetzt, dass ein freier Arbeitsplatz existiert, ist dies richtig; sofern daraus abgeleitet werden soll, der fragliche Arbeitsplatz müsse durch eine einstweilige Verfügung „frei gehalten“ werden, erscheint dies indes zu weitgehend. Vielmehr dürfte nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB ggf. zu prüfen sein, ob sich der Arbeitgeber auf den Wegfall einer freien Stelle berufen kann, wenn er diese während eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Sicherung dieser Stelle anderweitig besetzt hat (vgl. BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 710/05 - Rn. 19, NJOZ 2008, 292).
Demgegenüber kann der Arbeitnehmer prinzipiell keine überwiegenden Interessen vorbringen, die das Unterlassen der Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle gebieten. Es kann offenbleiben, ob der besondere Beschäftigungsanspruch einer schwerbehinderten Person aus § 164 Abs. 4 SGB IX einen Verfügungsanspruch zur Sicherung einer behindertengerechten Beschäftigung bedingen kann; denn die Verfügungsklägerin zählt nicht zu der Gruppe der schwerbehinderten Personen. Sie kann sich im vorliegenden Fall auch nicht auf besonders geschützte Rechtspositionen, z.B. gemäß § 1 AGG, stützen. Sie kann sich damit „nur“ auf die allgemeine Fürsorgepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB stützen. In einer solchen Konstellation geht die Interessenabwägung grundsätzlich zulasten des Arbeitnehmers aus. Dies geht auch in der hier vorliegenden Konstellation, in der die Verfügungsklägerin einen Versetzungsanspruch zur Vermeidung eines Arbeitsplatzkonflikts mit dem Vorgesetzten und zur Sicherung einer leidensgerechten Beschäftigung geltend macht. Ihr wirtschaftliches Interesse, zur Erhaltung ihres Entgeltanspruchs bei der Beklagten auch arbeiten zu können, kann ggf. im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach den §§ 280 Abs. 1, 293, 615 BGB durchgesetzt werden, wenn die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen wäre, ihr rechtzeitig eine der fraglichen Stellen zuzuweisen (vgl. BAG 22. August 2018 - 5 AZR 592/17 - Rn. 21, NJW 2019, 171 [OVG Saarland 24.10.2018 - 2 A 11/18]). Die Geltendmachung solcher Sekundäransprüche ist der Arbeitnehmerin im Grundsatz auch zuzumuten.
III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung ist nach § 72 Abs. 4 ArbGG kraft Gesetzes unanfechtbar.