Beschluss vom 18.04.2023 · IWW-Abrufnummer 235431
Landesarbeitsgericht Nürnberg - Aktenzeichen 2 Ta 37/23
Der Streit über das Bestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann regelmäßig nach Dauer und Höhe der hieraus zu zahlenden Karenzentschädigung bemessen werden.
Tenor:
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.11.2022, Az. 6 Ca 1833/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Streitwert wird von Amts wegen auf 51.000,- € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Parteien stritten im Wege der Feststellungsklage vom 06.05.2022 um das Bestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.
Die monatliche Fixvergütung des Klägers betrug laut Arbeitsvertrag vom 10.06./17.06.2020 3.850,- €. Basis dafür war lt. Ziffer IV. 1 Arbeitsvertrag ein Jahresbruttoentgelt von 51.000,- €. Der Kläger hat sein Jahresbruttoentgelt auch selbst mit 51.000,- € angegeben.
Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund Befristung zum 30.06.2022. Der Kläger hat im Anschluss bei einem Wettbewerber ein Arbeitsverhältnis aufgenommen. Dort liegt der Verdienst höher.
Das Verfahren endete durch Vergleich vom 06.10.2022 dahingehend, dass das Wettbewerbsverbot unverbindlich war und der Kläger zu Beginn des Karenzzeitraums erklärt hatte, sich nicht an das Wettbewerbsverbot zu halten und er keine Ansprüche auf Karenzentschädigung habe bzw. haben werde.
Mit Beschluss vom 08.11.2022 änderte das Arbeitsgericht den ursprünglichen Streitwertbeschluss vom 06.10.2022 (Festsetzung auf 5.000,- €) ab und setzte den Streitwert auf 51.000,- € fest. Dies sei der Wert der zweijährigen Karenzentschädigung.
Hiergegen legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.11.2022 Beschwerde ein. Sie hält einen Wert von 5.000,- € für richtig, hilfsweise die 24-fache Vergütungsdifferenz zwischen dem alten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und dem neuen Arbeitsverhältnis beim Wettbewerber.
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 23.03.2023 insoweit ab, als es den Streitwert auf Grund eines Rechenfehlers auf 46.200,- € herabsetzte (24 × 0,5 × 3.850,- €), und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den Teilabhilfebeschluss vom 23.03.2023 Bezug genommen.
Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme bis 14.04.2023 ein. Soweit Stellungnahmen erfolgt sind, wird auf diese verwiesen.
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Vielmehr war der Streitwert von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG) auf 51.000,- € festzusetzen.
Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar. Eine Empfehlung, wie der Streit um ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu bewerten ist, enthält der Streitwertkatalog allerdings nicht.
1. Das Arbeitsgericht ist grundsätzlich zu Recht vom Wert der im Falle der Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots anfallenden Karenzentschädigung ausgegangen (LAG Hamm 26.10.2022 - 8 Ta 198/22; LAG Berlin-Brandenburg 17.02.2020 - 26 Ta (Kost) 6112/19; LAG Schleswig-Holstein 31.12.2012 - 6 Ta 86/12; LAG Köln 12.11.2007 - 7 Ta 295/07; Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 A Rn. 585). Denn die Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2 HGB) bezweckt, die für den Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot entstehenden Nachteile angemessen auszugleichen (vgl. im einzelnen LAG Schleswig-Holstein a.a.O.).
Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, hiervon abzuweichen. Die wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger liegt im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten nicht darin, dass und wieviel er beim neuen Arbeitgeber mehr verdient als beim alten Arbeitgeber. Die wirtschaftliche Bedeutung liegt vielmehr darin, überhaupt ein neues Arbeitsverhältnis eingehen zu dürfen, ohne gegen ein Wettbewerbsverbot zu verstoßen. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kommt ja überhaupt nur zum Tragen, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber beendet ist.
Die grundsätzliche Angemessenheit der Bewertung des Streitwerts nach der Karenzentschädigung zeigt auch folgende Kontrollüberlegung: Hält sich der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot, hat er Anspruch auf die Karenzentschädigung, ggf. unter Anrechnung anderweitigen Erwerbs (§ 74 c HGB). Hält er sich nicht daran und geht ein wettbewerbswidriges Arbeitsverhältnis ein, so erhält er die Vergütung beim neuen Arbeitgeber. Der Vorteil besteht in der Differenz zur ansonsten zu zahlenden Karenzentschädigung von 50 % der vertragsmäßigen Leistungen (§ 74b HGB). Erzielt der Arbeitnehmer in etwa dieselbe Vergütung beim neuen Arbeitgeber, entspräche die Differenz wiederum in etwa der Höhe der Karenzentschädigung. Im vorliegenden Fall hat der Kläger keine näheren Angaben über die höhere Vergütung gemacht, so dass eine Heraufsetzung des Wertes nicht angezeigt ist.
Auch eine höhere Bewertung im Hinblick auf die vereinbarte Vertragsstrafe von einem Monat für jeden angefangenen Monat des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot erscheint im vorliegenden Fall nicht angezeigt. Zwar könnte die Vertragsstrafe maximal für zwei Jahre anfallen. Die Vertragsstrafe selbst ist aber nicht streitgegenständlich, und die Dauer des neuen Arbeitsverhältnisses beim Wettbewerber ist etwa im Hinblick auf eine vereinbarte Probezeit oder eine Befristung regelmäßig nicht absehbar. Im Übrigen hält auch der Kläger die Bewertung des Rechtsstreits in Höhe der Karenzentschädigung für angemessen und hat keine Angaben zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses beim Wettbewerber gemacht.
2. Die Parteien haben ein Wettbewerbsverbot von zwei Jahren vereinbart. Somit war auch dieser Zeitraum für die Bewertung zu Grunde zu legen (LAG Schleswig-Holstein 31.12.2012 - 6 Ta 86/12; LAG Köln 12.11.2007 - 7 Ta 295/07; LAG Berlin-Brandenburg 17.02.2020 - 26 Ta (Kost) 6112/19).
3. Angesichts der schon gesetzlich und auch vertraglich vorgegebenen Anhaltspunkte ist für eine Festsetzung in Anlehnung an den Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (5.000,- €) kein Raum.
4. Der Streitwert war von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG) auf 51.000,- € festzusetzen. Die Höhe der Karenzentschädigung bestimmt sich nicht nach der der Hälfte der monatlichen Fixvergütung. Abzustellen ist nach § 74 Abs. 2 HGB auf die Jahresvergütung. Diese haben die Parteien im Arbeitsvertrag mit 51.000,- € angegeben. Auch der Kläger hat sie mit 51.000,- € angegeben.
5. Ein Abschlag ist im Hinblick darauf, dass der Kläger keine Leistungsklage, sondern eine Feststellungsklage erhoben hat, nicht zu machen (BAG 22.09.2015 - 3 AZR 391/13 (A); LAG Berlin-Brandenburg 17.02.2020 - 26 Ta (Kost) 6112/19).
C.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.