Beschluss vom 21.10.2022 · IWW-Abrufnummer 235526
Landesarbeitsgericht Sachsen - Aktenzeichen 4 TaBV 9/22
1. Ein Headset, welches nur der innerbetrieblichen Kommunikation dienst, stellt keine technische Überwachungseinrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar.
2. Bei unternehmensweiter Einführung ist die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates gegeben.
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 09.12.2021 -5 BV 29/21- wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten zweitinstanzlich weiterhin über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Anordnung zum Tragen von Headsets während der Arbeit.
Die Beteiligte zu 2 ist ein international tätiges Bekleidungsunternehmen. Die Firmen zentrale befindet sich in Dublin. In Deutschland unterhält die Beteiligte zu 2 zahlreiche Betriebe, unter anderem am Standort .... Der Beteiligte zu 1 ist der örtliche Betriebsrat am Standort .... Bei der Beklagten zu 2 besteht ein Gesamtbetriebsrat.
Die Beteiligte zu 2 beabsichtigte unternehmensweit die Ablösung der bislang verwendeten Walki Talki`s durch Headsets. Die verwendete Software für die Headsets der Firma ... wird über die zentrale IT-Abteilung der Beteiligten zu 2 in Dublin betreut.
Die Betreuung und Überprüfung erfolgt über das sog. ...-Portal. Bei Einsatz der Geräte werden Headset - Registrierungsdaten (ID, IPEI, Bezeichnung des Geräts und Zeitpunkt der Verbindung) zur IT-Abteilung in Dublin übertragen. Weiterhin werden die Betriebsdaten der Headsets, die DECT- Verbindungen mit der Basisstation im Store und generelle Systeminformationen weitergegeben. Im Help-Desk der IT-Abteilung der Beteiligten zu 2 in Dublin kann auch die zuletzt ausgeführte Aktion aus der Gerätekonfigurationsseite der Headsets ausgelesen werden. Die gespeicherten Daten werden an den Konzernsitz in Dublin übermittelt.
Am Standort ... besteht keine eigene IT-Abteilung der Beteiligten zu 2.
Mit dem Gesamtbetriebsrat bei der Beteiligten zu 2 wurde eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung von IKT-Systemen, Datenschutz und Informationssicherheit am 11.09.2018 abgeschlossen (Anl. A1, Bl. 13-22 d.A.). Gegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung ist die Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Bei der Gesamtbetriebsvereinbarung handelt es sich um eine Rahmenvereinbarung. Die einzelnen mitbestimmungspflichtigen IKT-Systeme werden zu der Gesamtbetriebsvereinbarung als Anlage, sog.Systemabsprachen,genommen, § 2 Abs. 1 GBV.
Mit der Anl. A3 (Bl. 35-36 d.A.) hat der Gesamtbetriebsrat mit der Beteiligten zu 2 eine solche Systemabsprache zum Einsatz von Headsets (Software) am 27.01.2021 abgeschlossen. Unter Ziff. 3 dieser Systemabsprache ist es festgelegt, dass die Headsets nicht zur Verhaltens - und Leistungskontrolle eingesetzt werden (Anl. A3, Bl. 36 d.A.).
In einzelnen Betrieben der Beklagten zu 2 erfolgten Betriebsvereinbarungen mit den örtlichen Betriebsräten zum Einsatz von Headsets. Diese Betriebsvereinbarungen sind überwiegend im September 2020 abgeschlossen worden. Diese Betriebsvereinbarungen sehen in der Regel eine Freiwilligkeit beim Einsatz der Headsets vor und schließen eine Verwendung gewonnener Daten zur Verhaltens- und Leistungskontrolle aus.
Beispielsweise hat der Betriebsrat des Betriebes ... am 05.04.2022 mit der Beteiligten zu 2 eine Regelungsabrede zum Einsatz von Headsets abgeschlossen (Anl. AA8; Bl. 98 d.A.). Die Regelungsabrede besteht aus lediglich 2 Punkten:
"1. Die Nutzung von Headsets ist für alle Mitarbeiter freiwillig.
2. Die Headsets dürfen nicht zur Verhaltens- und Leistungskontrolle eingesetzt werden."
Der Beteiligte zu 2 ist am 25.08.2020 mit dem Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Einführung von Headsets auch an den Beteiligten zu 1 herangetreten. Zwischen den Parteien gab es hierzu umfangreiche Erörterungen. Mit E-Mail vom 18. Juni 2021 (Anl. A5; Bl. 39 d.A.) schrieb der Beteiligte zu 1 auszugsweise an seine prozessbevollmächtigte Rechtsanwaltskanzlei:
"Im Januar gab es dann den Auftrag vom AG im GBR zum Thema Software (ersichtlich im Anhang, der AG hat dort auch schon gesagt "es geht da nur um Software").
Habe auf die Schnelle nur die nicht unterschriebene GBV gefunden, kann aber im weiteren Verfahren noch nachgereicht werden. Anschließend haben wir als örtlicher BR einige Gespräche mit dem AG vor Ort geführt. Die offenen Fragen die wir als BR hatten, wurden alle beantwortet und es wurde quasi eine "Einigung" erzielt. Unser Wunsch ist bis heute, dies in eine Form zu gießen und zu verschriftlichen, da wir die Mitbestimmung der Hardware örtlich sehen."
Zu einer abschließenden Einigung der Betriebsparteien ist es nicht gekommen. Der Beteiligte zu 1) hat am 01.07 2021 den Beschluss gefasst ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren zur Klärung der Mitbestimmungspflichtigkeit bezüglich der Einführung von Headsets durchzuführen.
Der Beteiligte zu 1) sieht eine Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahmen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnung des Betriebes).
Es finde eine Leistungs-und Verhaltenskontrolle statt. Durch das "Mithören" der gesamten Kommunikation könne der einzelnen Mitarbeiter überwacht werden. Darüber hinaus werde das Ordnungsverhalten der einzelnen Mitarbeiter geregelt.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,
1.der Beteiligten zu 2) zu untersagen, ohne Zustimmung des Beteiligten zu 1) oder einen die Zustimmung der Beteiligten zu 1) ersetzenden Spruch der Einigungsstelle in dem Betrieb in Dresden das Tragen von Headsets anzuweisen oder zu dulden.
2.der Beteiligten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu 1. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge werden zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, dass eine betriebsübergreifende Regelung aufgrund der zentralen Abwicklung in der IT-Abteilung in Dublin zwingend erforderlich sei. Damit liege die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats vor. Eine Überwachung sei technisch nicht möglich. Die Headsets seien keinem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet.
Das Arbeitsgericht Dresden hat mit Beschluss vom 09.12.2021 - 5 BV 29/21 - die Anträge des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Dresden sind die Headsets technische Überwachungseinrichtungen i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts sei allerdings der Gesamtbetriebsrat zuständig. Es bestehe eine überbetriebliche Regelungsnotwendigkeit. Die technische Betreuung erfolge zentral über die in Dublin ansässige IT-Abteilung der Beteiligten zu 2.
Der Beteiligte zu 1 greift den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vollumfänglich an und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Das Mitbestimmungsrecht liege beim örtlichen Betriebsrat. Mit den Headsets finde keine betriebsübergreifende Kommunikation statt. Die Kommunikation erfolge ausschließlich betriebsintern. Deshalb liege die Zuständigkeit beim ordentlichen Betriebsrat. Es würden lediglich die bisherigen Lautsprecherdurchsagen sowie die bisherigen Walky Talky`s ersetzt werden.
Es bestünde auch keine zwingende Notwendigkeit einer unternehmenseinheitlichen Regelung
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 09.12.2021 - 5 BV 29/21 - wird aufgehoben.
1. der Beteiligten zu 2) zu untersagen, ohne Zustimmung des Beteiligten zu 1) oder einen die Zustimmung der Beteiligten zu 1) ersetzenden Spruch der Einigungsstelle in dem Betrieb in ... das Tragen von Headsets anzuweisen oder zu dulden.
2. der Beteiligten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu 1. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
Die Beteiligte zu 2 beantragt,
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 9. Dezember 2021 - 5 BV 29/21 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden und vertieft ihren Vortrag. Die Headsets seien als Teil der Telekommunikationslösung unternehmensweit einheitlich unter Verwendung der Kommunikationssoftware der Firma ... eingeführt worden. Diese Software werde ausschließlich zentral durch die IT - Abteilung in Dublin gesteuert. Ein Abweichen hiervon sei nicht möglich. Hieraus folge die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats.
Soweit der Beteiligte zu 1 einerseits bestätigt, dass die Headsets ausschließlich von Dublin aus technisch betreut werden, andererseits behauptet, es würde sich dennoch um eine örtliche Angelegenheit handeln, so spalte er das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf. Der Beteiligte zu 1 lasse unberücksichtigt, dass die Headsets mittels weltweit installierter Software der Firma ... betrieben würden. Nur so könne die aufgenommene Sprache in digitale Signale umgewandelt und über den Controller über Hubs an das Empfängerheadset übermittelt werden. Ohne Software seien die Headsets vor Ort als Kommunikationsmittel gar nicht nutzbar. Um die Software einschließlich der Headsets nutzen zu können, bedürfe es einer Betreuung durch die IT-Abteilung in Dublin. Der Beteiligte zu 1 übersehe, dass eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nicht aufgespalten werden könne.
Da am Standort ... keine eigene IT-Abteilung der Beklagten zu 2 bestehe, könne allenfalls die zentrale IT-Abteilung in Dublin etwaige Daten auslesen. Demnach könne nur eine zentrale Speicherung der Daten außerhalb der jeweiligen Filiale erfolgen. Damit die zentral in Dublin sitzende IT-Abteilung betriebsübergreifend über das ...- Portal prüfen und betreuen könne, bedürfe es einer unternehmenseinheitlichen Regelung.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Anhörung vom 21.10.2022 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 09.12.2021 wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist zulässig.
I.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 ist zulässig.
Ein Streit der Betriebspartner darüber, ob der Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht hat, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats mit einem Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse des Betriebsrats ist nicht etwa deshalb entfallen, weil die Arbeitgeberin das System ... bereits einsetzt. Bei dessen weiterer Anwendung kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht noch ausüben (z.B. BAGE 51, 143, 146 = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B I der Gründe; Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1992 - 1 ABR 17/92 - AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu A II der Gründe, BAG Beschluss vom 26.07.1994 - 1 ABR 6/94 - Rn. 16).
Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Bei einem Streit über bestehende Mitbestimmungsrechte muss der Betriebsrat diejenige Maßnahme des Arbeitgebers, für die er ein Mitbestimmungsrecht beansprucht, so genau bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche Maßnahmen das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist (Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1992, AP, aaO). Dieses Erfordernis ist hier erfüllt.
Dem Antrag liegt ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss des Beteiligten zu 1 zugrunde. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Dresden in dem angefochtenen Beschluss wird Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unbegründet. Dem örtlichen Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung der zu verwendenden Headsets kein Mitbestimmungsrecht zu.
1.
a)
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Zur Überwachung "bestimmt" sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (vgl. etwa BAG 11. Dezember 2018 - 1 ABR 13/17 - Rn. 24 mwN, BAG Beschluss vom 08.03.2022 - 1 ABR 20/21 - Rn. 30.).
Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat, stellt Computer-Software in Verbindung mit dem Rechner, der mit ihr betrieben wird, eine technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar. Dabei ist es unerheblich, ob der verwendete Rechner bereits vor der Anschaffung der im Streit befindlichen Software im Betrieb vorhanden war und in anderer Weise genutzt wurde (vgl. BAGE 46, 367, 374 [BAG 14.09.1984 - 1 ABR 23/82] = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B III der Gründe; BAGE 51, 217, 226 [BAG 11.03.1986 - 1 ABR 12/84] = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B II 3 a der Gründe). Erst die entsprechende Software ermöglicht die Nutzung einer EDV-Anlage zu einem bestimmten Zweck (BAG Beschluss vom 26.07 1994 - 1 ABR 6/94 - Rn. 19).
Nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. BAGE 51, 143, 147 ff. = AP, aaO) stellt die technische Auswertung von Leistungsdaten zwar im Grundsatz nur dann ein Überwachen durch eine technische Einrichtung i.S. dieser Vorschrift dar, wenn die Leistungsdaten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, die betreffenden Arbeitnehmer also identifizierbar sind. Das Auswerten der Leistung einer ganzen Abteilung oder Gruppe reicht nicht aus, um das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu begründen (BAG Beschluss vom 26.7.1994 - 1 ABR 6/94 - Rn. 25).
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Überwachung durch technische Einrichtungen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auch voraussetzt, dass die ermittelten und aufgezeichneten Verhaltens- und Leistungsdaten auch einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, der einzelne Arbeitnehmer also identifizierbar sein muss. Mitbestimmungspflichtig ist nicht die Erhebung von Verhaltens- und Leistungsdaten schlechthin, sondern die Erhebung solcher auf den Arbeitnehmer bezogener Daten, weil deren Persönlichkeitsbereich vor einer technisierten anonymen Überwachung geschützt werden soll. Das Erfassen der Leistung oder des Verhaltens einer ganzen Abteilung oder Gruppe reicht nicht aus (Galperin/Löwisch, aaO, § 87 Rz 145; Denck, aaO, RdA 1982, 297; Ehmann, aaO, S. 111; Moll, aaO, ZIP 1982, 894; Schwarz, aaO, S. 102 f.; Jobs, aaO, DB 1983, 2310, BAG Beschluss vom 06.12.1983, 1 ABR 43/81 Rn. 179).
Auf welche Weise erfasste Leistungs- und Verhaltensdaten bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden können, diese Arbeitnehmer also identifizierbar sind, ist gleichgültig. Die Identifizierung muss nicht durch die technische Einrichtung selbst erfolgen. Es genügt nach der Rechtsprechung des Senats vielmehr, dass die erfassten Leistungs- und Verhaltensdaten auch in Verbindung mit anderen bekannten oder außerhalb der technischen Einrichtung gewonnenen Daten die Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitnehmer erlauben. So werden etwa die durch einen Fahrtenschreiber aufgezeichneten Daten einem Arbeitnehmer erst dadurch zugeordnet, dass festgestellt wird, welcher Arbeitnehmer das Fahrzeug während des Aufzeichnungszeitraumes gefahren hat (Beschluss vom 9. September 1975 - BAG 27, 256 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, BAG, 1 ABR 43/81 Rn.180).
b)
In Anwendung der zitierten Rechtsprechung liegt keine Verletzung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor.
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass Verhaltens - und Leistungsdaten der Arbeitnehmer überwacht werden. Eine Leistungskontrolle ist durch die Sprachübertragung per Headset objektiv nicht durchführbar. Objektive Leistungsdaten der Arbeitnehmer werden durch die Teilnahme der Arbeitnehmer an der betrieblichen Kommunikation nicht gewonnen. Das Arbeitsergebnis der beteiligten Arbeitnehmer wird nicht durch die Teilnahme an der betrieblichen Kommunikation beeinflusst. Es werden keine relevanten Leistungs- oder Verhaltensdaten erhoben. Die bloße Erleichterung des Zugangs zur betrieblichen Kommunikation beinhaltet nicht automatisch eine Leistungsüberwachung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Nach der oben zitierten Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, unterliegt die Einführung und Anwendung von Headsets im Betrieb nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Es fehlt eine Individualisierbarkeit der Arbeitnehmer, die ein Headset verwenden. Unstreitig sind die Headsets keinem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet. Die Benutzung erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Es werden keine Daten oder Codes verwendet, welche Rückschlüsse auf einen bestimmten Arbeitnehmer zulassen. Die Zuordnung der Daten in der Zentrale der Beteiligten zu 2 in Dublin zu einem bestimmten Arbeitnehmer erscheint nicht möglich. Der durch die Beteiligte zu 2 verwendeten technischen Einrichtung fehlt bereits die objektive Überwachungseignung.
2.
Soweit man ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bejaht, ist der örtliche Betriebsrat für dessen Ausübung unzuständig
a)
Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass die Ausübung des Mitbestimmungsrechts in dieser Angelegenheit nach § 50 BetrVG in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fällt. Zwar ist der Gesamtbetriebsrat nicht nach § 50 Abs. 2 BetrVG von den Betriebsräten der beiden betroffenen Betriebe mit der Behandlung der Angelegenheit beauftragt worden. Seine Zuständigkeit ergibt sich aber nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG daraus, dass die Angelegenheit verschiedene Betriebe des Unternehmens betrifft und durch deren Betriebsräte nicht geregelt werden kann (BAG 30.08.1995 - 1 ABR 4/95 - Rn. 24).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschluss vom 18. Oktober 1994 - 1 ABR 17/94 - AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II der Gründe; Beschluss vom 28. April 1992 - 1 ABR 68/91 - AP Nr. 11 zu § 50 BetrVG 1972, zu B II 1 b der Gründe; Beschluss vom 11. Februar 1992 - 1 ABR 51/91 - AP Nr. 50 zu § 76 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe) ist der Gesamtbetriebsrat allerdings nicht nur für solche Angelegenheiten zuständig, deren Regelung den einzelnen Betriebsräten objektiv unmöglich ist; vielmehr genügt es, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht, wobei auf die Verhältnisse des Unternehmens und seiner Betriebe abzustellen ist. Die bloße Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Regelung reicht aber nicht aus. Auch das Verlangen des Arbeitgebers kann eine einheitliche Regelung nur dann notwendig machen, wenn der Arbeitgeber allein unter dieser Voraussetzung zu der regelungsbedürftigen Maßnahme bereit ist und insoweit mitbestimmungsfrei entscheiden kann, z.B. bei der Gewährung freiwilliger Zulagen. Dagegen kann der Arbeitgeber nicht schon dadurch die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen, dass er bei seiner mitbestimmungspflichtigen Entscheidung eine betriebsübergreifende Regelung verlangt. Eben so wenig können Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat gemeinsam die Zuständigkeit der einzelnen Betriebsräte abbedingen, denn die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung ist zwingend (BAG a.a.O. Rn. 27).
Danach handelt es sich bei dem Softwarepaket Office 365 um eine technische Einrichtung in diesem Sinn. Die im Zusammenhang mit einer Verwendung der Desktop-Anwendungen Office 365 ProPlus und den einzelnen Diensten erstellten, anfallenden oder erhobenen Daten können für eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer genutzt werden. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit (BAG Beschluss vom 08.03.2022 - 1 ABR 20/21 - Rn. 31).
Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist der Gesamtbetriebsrat zuständig.
Bei der Einführung und Anwendung der neuen Software handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann (BAG aaO. Rn 32).
Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat.
Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht (BAG 12. Juni 2019 - 1 ABR 5/18 - Rn. 32, BAGE 167, 43; 18. Juli 2017 - 1 ABR 59/15 - Rn. 19 mwN, BAGE 159, 360). Ob ein zwingendes Erfordernis gegeben ist, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Gegebenheiten im Unternehmen und in den einzelnen Betrieben. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu begründen (BAG 18. Juli 2017 - 1 ABR 59/15 - aaO mwN; 17. März 2015 - 1 ABR 48/13 - Rn. 29 mwN, BAGE 151, 117 BAG aaO.Rn 33).
Unerheblich ist, dass in der Sache für die Nutzung einzelner Module betriebsspezifische Regelungen getroffen werden können. Nach dem Grundsatz der Zuständigkeitstrennung obliegt die Regelung einer Angelegenheit entweder ausschließlich den einzelnen Betriebsräten, dem Gesamtbetriebsrat oder dem Konzernbetriebsrat.
Diese gesetzliche Kompetenzverteilung ist zwingend und unabdingbar (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - Rn. 34 mwN, BAGE 120, 146). Ist der Gesamtbetriebsrat zuständig, muss er die gesamte Angelegenheit mit dem Arbeitgeber regeln (vgl. BAG 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - Rn. 33, aaO). Die Betriebsparteien dürfen sich dabei nicht auf diejenigen Aspekte oder Inhalte beschränken, die zwingend einer unternehmenseinheitlichen Ausgestaltung bedürfen. Sie haben vielmehr selbst ggf. bestehende örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Ob der Gesamtbetriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht oder - wie der antragstellende Betriebsrat meint - nicht im erforderlichen Maß ausübt, ist für die Zuständigkeitsverteilung nicht entscheidend (BAG Beschluss vom 08.03.2022 - 1 ABR 20/21 - Rn. 37).
b)
Nach den oben genannten Rechtsgrundsätzen, denen sich die Kammer anschließt, ist für die Einführung der Headsets der Gesamtbetriebsrat allein zuständig.
Bei der Einführung der Headsets besteht die technisch bedingte Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung. Die Notwendigkeit einer solchen betriebsübergreifenden Regelung ergibt sich aus der alleinigen Zuständigkeit der zentralen IT-Abteilung in Dublin. Unstreitig besteht am Sitz der Beteiligten zu 1 in ... keine eigene IT-Abteilung. Soweit eine Auswertung oder Speicherung von Daten überhaupt in Betracht kommen, ist dies technisch allein in der zentralen IT-Abteilung in Dublin möglich. Dort wird der Einsatz der Software für die Headsets betreut und gesteuert. Ein Betreiben der Headsets ohne die Software ist technisch nicht möglich. Daher ist eine betriebsübergreifende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die Einführung der Headsets i.V.m. der verwendeten Software der Firma ... gegeben.
Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist nicht aufspaltbar in den Bereich Softwareeinsatz und Hardwareeinsatz der Headsets. Weder der Softwareeinsatz noch der Hardwareeinsatz als solcher, machen allein für sich allein betrachtet Sinn. Die Hardware des Headsets bestehend aus Bügel, Ohrmuscheln und Mikrofon ist für sich alleine nicht funktionstüchtig. Erst die Verwendung der Software ... führt zu einer hörbaren Stimmübertragung. Nur die Hardware i.V.m. der dazugehörigen Software erlauben das technisch gewünschte Ergebnis der Stimmübertragung per Headset. Die Software ... kann aus zwingenden Erfordernissen nur unternehmensweit zur Anwendung gelangen. Die Beteiligte zu 2 unterhält ausschließlich an der IT Zentrale in Dublin die technischen Voraussetzungen hierfür. Im Betrieb in Dresden besteht unstreitig keine eigene IT - Abteilung.
Aus diesem Grunde schließt sich die Kammer nicht dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 14. Januar 2022, 7 TaBVGa 2/21 in einem Parallelverfahren an. Tatsächlich liegt eine technisch zwingende Notwendigkeit für eine einheitliche Regelung vor. Für die Beantwortung der Frage, ob eine technisch zwingende Notwendigkeit für eine betriebseinheitliche Regelung besteht, ist auf die konkret vom Arbeitgeber beabsichtigte technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abzustellen. Für die Beurteilung dieser Frage ist auf die technische Lösung abzustellen, welche der Arbeitgeber für die Erreichung seiner Zwecke gewählt hat.
Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bezieht sich auf diejenige technische Einrichtung, die der Arbeitgeber einführen möchte. Dabei handelt es sich um eine einheitliche Angelegenheit, deren Aufspaltung im Bestandteile, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen, und solche, für welche die örtlichen Betriebsräte zuständig sein könnten, nicht möglich ist (BAG Beschluss 08.03.2022 - 1 ABR 20/21 - Rn. 39).
Die Beteiligte zu 2 hat unternehmenseinheitlich Headsets mit einer zentral verwalteten Software durch die IT-Abteilung in Dublin eingeführt. Dies bildet die maßgebliche technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Eine andere technische Einrichtung steht nicht zur Mitbestimmung an. Lediglich diese technische Einrichtung unterliegt der Prüfung der § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Für die Ausübung dieses Mitbestimmungsrechtes ist jedoch der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 BetrVG zuständig.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 blieb aus diesem Grunde erfolglos.
Gegen die Entscheidung war die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zu zulassen. In dem Beschluss sind entscheidungserhebliche Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung entschieden worden, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.