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Urteil vom 21.03.2023 · IWW-Abrufnummer 235562

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 2 Sa 132/22

1. Ein Anspruch auf Fortsetzung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens kann allein im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens, erreicht werden. Ein entsprechendes Hauptsacheverfahren ist ausgeschlossen.

2. Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, darf der Dienstherr nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (BAG, Urteil vom 12.12.2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 41, BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 - 2 A 3/13 - Rn. 24, juris) darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung verfolgt.

3. Durch einen rechtswidrigen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens wird eine Stellenbesetzung nicht unmöglich. Der Schadensersatzanspruch entsteht als Sekundäranspruch erst dann, wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch erloschen ist und der Bewerber damit nicht mehr verlangen kann, auf die ausgeschriebene Stelle gesetzt zu werden (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6/11 - Rn. 12, juris).

4. Ist der Abbruch des Auswahlverfahrens rechtswidrig erfolgt, wird damit - jedenfalls solange der Abbruch nicht rechtsbeständig ist - der grundrechtsgleiche Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Dem einzelnen Bewerber steht die prozessuale Möglichkeit offen, die Maßnahme einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Es ist sogar dessen Obliegenheit, Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. BAG, Urteil vom 27.07.2021 - 9 AZR 326/20 - Rn. 25, juris).

5. Der öffentliche Arbeitgeber entscheidet in Ausübung seiner Organisationsgewalt und nach seinen Bedürfnissen, ob, in welcher Gestalt und zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt werden soll. Die organisatorische Entscheidungshoheit des öffentlichen Arbeitgebers über die zeitliche Dimension der Stellenbesetzung wird - abgesehen von Missbrauchsfällen - nicht durch subjektive Rechtspositionen des Bewerbers eingeschränkt.


Tenor:1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird die Entscheidung des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.08.2022 zum Aktenzeichen 6 Ca 445/22 abgeändert und die Klage abgewiesen.2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Fortsetzung eines Stellenbesetzungsverfahrens sowie Schadensersatz wegen unterlassener Stellenübertragung.

Der im März 1958 geborene Kläger erwarb im Januar 1991 die Lehrbefähigung für Gymnasien in den Fächern Sport und Englisch. Nachdem er bereits als Lehrer befristet für das beklagte Land tätig gewesen war, schlossen die Parteien für das zum 09.08.2021 begründete Arbeitsverhältnis einen Aufhebungsvertrag, nach welchem das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2021 aufgehoben wurde. Der Kläger bewarb sich auf die im Januar 2022 erfolgte Stellenausschreibung 04_75535851_12860, nach welcher eine Stelle am Gymnasium in G-Stadt im Fach Englisch mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L zum 22.03.2022 besetzt werden sollte. Für den Kläger würde sich hieraus eine Vergütung in Höhe von 4.619,20 € brutto ergeben.

Nachdem sich die Schulleiterin des betreffenden Gymnasiums zunächst gegenüber dem Kläger erfreut über seine Bewerbung gezeigt hatte, teilte sie ihm per E-Mail vom 26.01.2022 mit, dass sich seine Neueinstellung in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund des geschlossenen Aufhebungsvertrages verbiete. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter wandten sich an das beklagte Land, um eine Berücksichtigung der klägerischen Bewerbung zu erreichen. Das Staatliche Schulamt S-Stadt teilte daraufhin per E-Mail vom 03.02.2022 (Anlage K 9, Bl. 24 d.A.) mit, dass aufgrund einer geänderten Personalplanung die vom Kläger in Bezug genommene Stellenausschreibung aufgehoben sei. Nach dem Schreiben der Schulleiterin des Gymnasiums in G-Stadt (Anlage K 10, Bl. 26 d.A.) wurde die Stelle aufgrund neuer schulorganisatorischer Bedingungen zurückgezogen. Die veränderte Situation ergebe sich durch:

- Werdende Mutter nicht mehr im Beschäftigungsverbot, sondern im Homeoffice/Distanzunterricht, somit flexibler Einsatz mit Videokonferenzen möglich (Bekanntwerden dieser Info am 28.01.2022).

- Ehemalige Kollegin (Rentnerin) erprobte nach schwerer Krankheit, ob sie Vertretungsunterricht leisten kann (17.01. - 04.02.2022).

Entscheidung für weiteren Vertretungsunterricht im gesamten 2. SHJ am 01.02.2022 getroffen.

- Stand 26.01.2022 Lehramtsstudent übernimmt Vertretungsunterricht am GAT

- Drei Teilzeitkollegen erhöhen die Vertragsstunden (Stand: 02.02.2022)

Im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht verfolgte der Kläger den Antrag:

Der Beklagten wird im Wege der einstweiligen Anordnung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € untersagt, die im Schreiben der Schulleitung Frau A. G. vom 03.02.2022 benannte ehemalige Kollegin (Rentnerin) sowie den im vorgenannten Schreiben benannten Lehramtsstudenten weder direkt noch indirekt im Rahmen einer Vertretungskette mit Vertretungsunterricht am Gymnasium "Am Tannenberg" G-Stadt zu beschäftigen, solange nicht rechtskräftig über die Wirksamkeit der Einstellung des Stellenbesetzungsverfahrens 04_75535851_12860 entschieden ist.

Dieser Antrag wurde durch das Arbeitsgericht ablehnend unter dem 02.03.2022 beschieden mit der Begründung, dass eine anderweitige Stellenbesetzung nicht erfolgen solle und deshalb ein Freihalten der Stelle nicht erforderlich ist. Die Zustellung des begründeten Urteils ist unter dem 17.03.2022 erfolgt. Der Kläger hat ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht eingelegt.

Mit der am 19.04.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens für die Stellennummer 04_75535851_12860 unter seiner Berücksichtigung geltend gemacht. Mit der Klageerweiterung vom 20.07.2022 hat er die Verurteilung des beklagten Landes zur Leistung von Schadensersatz an ihn begehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die seitens des beklagten Landes genannten Gründe könnten den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nicht rechtfertigen. Eine Bedarfsabdeckung sei damit nicht dargetan. Folglich liege ein sachlicher Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nicht vor. Der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens verletze daher seinen Bewerbungsverfahrensanspruch. Es sei Schadensersatz an ihn zu leisten, da ihm als einzigem Bewerber bei rechtmäßigem Verhalten des beklagten Landes zum 21.03.2022 ein Vertragsangebot durch das beklagte Land habe unterbreitet werden müssen, welches er angenommen hätte. In Höhe entgangener Vergütung sei ihm ein durch das beklagte Land zu ersetzender Schaden entstanden.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Stellenbesetzungsverfahren für die Stellen-Nr. "04_75535851_12860 - Lehrer/in an einem Gymnasium in G-Stadt" fortzusetzen und die Bewerbung des Klägers zu berücksichtigen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für den Zeitraum 21.03.2022 - 30.04.2022 in Höhe von 6.258,27 € brutto abzüglich auf Sozialleistungsträger übergegangener Forderungen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für den Zeitraum 1. Mai - 30.06.2022 in Höhe von 698,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, es habe das Stellenbesetzungsverfahren wegen Änderung der Rahmenbedingungen und einer anderweitigen Bedarfsdeckung abbrechen dürfen. Selbst bei Fortsetzung desselben habe der Kläger nicht über einen Einstellungsanspruch verfügt. Ein solcher entstehe nicht allein aufgrund des Umstandes, dass es sich bei dem Kläger um den einzigen Bewerber gehandelt habe. Eine Prüfung der klägerischen Bewerbungsunterlagen sei infolge des Verfahrensabbruchs nicht erfolgt. Möglicherweise hätten sich daraus Einstellungshindernisse ergeben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das beklagte Land verurteilt, das vom Kläger benannte Stellenbesetzungsverfahren unter seiner Berücksichtigung fortzuführen, für den Zeitraum 21.03. - 30.04.2022 einen Schadensersatz in Höhe von 6.258,27 € brutto abzüglich auf Sozialträger übergegangener Forderungen sowie für den Zeitraum 01.05. - 30.06.2022 698,40 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es angeführt, das Stellenbesetzungsverfahren sei fortzuführen, weil das beklagte Land dieses nicht aus sachlichen Gründen abgebrochen habe, denn eine Bedarfsdeckung habe es nicht substantiiert vorgetragen. Ein Schadensersatzanspruch folge aus § 823 Abs. 2 BGB, Art. 33 GG. Der Kläger sei einziger Bewerber, erfülle die in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen und allein der Abbruch des Verfahrens habe eine Stellenbesetzung durch ihn verhindert.

Gegen das ihm am 05.09.2022 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit am 12.09.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist mit am 05.12.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Hierzu führt es aus, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft sowohl eine Verpflichtung zur Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens wie auch gleichzeitig einen Sekundäranspruch in Form eines Schadensersatzanspruches zugesprochen. Zudem habe es die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sachlicher Gründe bei Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens verkannt. Der Kläger habe es auch unterlassen, seine Ansprüche im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen, sondern habe lediglich ein Hauptsacheverfahren eingeleitet. Deshalb könne bereits kein Schadensersatzanspruch bestehen. Es habe die Entscheidung über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtsfehlerfrei im Rahmen des ihm zustehenden organisations- und verwaltungspolitischen Ermessens getroffen und den Kläger rechtzeitig in geeigneter Form hierüber in Kenntnis gesetzt.

Das beklagte Land beantragt:

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird die Entscheidung des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.08.2022 zum Aktenzeichen 6 Ca 445/22, dem beklagten Land zugegangen am 05.09.2022, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt die Auffassung, Ansprüche auf Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens und auf Schadensersatz bestünden nebeneinander. Unrichtig sei, dass die Geltendmachung der Fortführung eines Stellenbesetzungsverfahrens im einstweiligen Verfügungsverfahren habe durchgeführt werden müssen. Dafür habe kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Ein solches habe vielmehr lediglich für eine anderweitige Stellenbesetzung vorgelegen. Eine wirksame Abbruchverfügung bestehe nicht, so dass auch nicht gegen eine solche habe vorgegangen werden können. Gründe für einen Verfahrensabbruch seien immer noch nicht substantiiert vorgetragen. Indem ihm die Stelle nicht zum 21.03.2022 übertragen worden sei, sei ihm ein durch das beklagte Land zu ersetzender Schaden entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie die streitbefangene erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage war abzuweisen. Dem Kläger ist es verwehrt, sich auf einen Anspruch auf Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens zu berufen, weil er dies lediglich mit einem Hauptsacheverfahren, nicht jedoch - wie erforderlich - durch das betreffende Eilverfahren geltend gemacht hat. Ein Schadensersatzanspruch als Sekundäranspruch kommt allein in Betracht, wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch als Primäranspruch untergegangen ist und der Bewerber es nicht versäumt hat, diesen Untergang durch Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz zu verhindern. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgerecht eingereicht sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Der auf Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens unter seiner Berücksichtigung gerichtete klägerische Antrag ist unzulässig. Ein Anspruch auf Fortsetzung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens kann allein im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens, erreicht werden. Ein entsprechendes Hauptsacheverfahren ist ausgeschlossen. Ihm fehlt das Rechtsschutzinteresse.

Gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen es öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Der Bewerbungsverfahrensanspruch erlischt in der Regel mit Besetzung der Stelle. Der Bewerbungsverfahrensanspruch kann aber auch dadurch erlöschen, dass das Stellenbesetzungsverfahren ohne Ergebnis, d.h. ohne Besetzung der Stelle, abgebrochen wird. Wie eine Übertragung der Stelle an einen Konkurrenten zieht auch ein Abbruch diese Rechtsfolge nur dann nach sich, wenn er rechtsbeständig ist (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6/11 - Rn. 11, juris). Der Abbruch kann aus der dem Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des öffentlichen Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Danach hat der öffentliche Arbeitgeber darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter zur Besetzung bereithält. Deshalb kann er das Verfahren abbrechen, weil er die Stelle, die dem erfolgreichen Bewerber übertragen werden sollte, nicht mehr besetzen will. Ebenso stellt es einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch dar, wenn der öffentliche Arbeitgeber sich entschlossen hat, die Stelle neu zuzuschneiden. Im Übrigen bedarf der Abbruch eines Auswahlverfahrens eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt. In formeller Hinsicht müssen die Bewerber von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen. Der öffentliche Arbeitgeber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Stellenbesetzungsverfahren ohne Stellenbesetzung endgültig beenden will. Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen.

Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen (BAG, Urteil vom 12.12.2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33 ff, juris).

§ 839 Abs. 3 BGB, demzufolge die in § 839 Abs. 1 BGB normierte Ersatzpflicht nicht eingreift, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht gilt. Die Vorschrift ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der Primärrechtsschutz im Vordergrund stehen. Dem Betroffenen soll die von der Rechtsordnung missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder das rechtswidrige Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber ihn hinzunehmen und zu liquidieren, dh. untätig zu bleiben und sich den Schaden finanziell abgelten zu lassen. Vielmehr soll nach der Wertung des § 839 Abs. 3 BGB nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat (BAG, Urteil vom 01.12.2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 30, juris).

§ 839 Abs. 3 BGB steht einem Schadensersatzanspruch ausnahmsweise nicht entgegen, wenn der öffentliche Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. So greift die in § 839 Abs. 3 BGB geregelte Obliegenheit nicht zu Lasten des Stellenbewerbers ein, wenn es der öffentliche Arbeitgeber unterlässt, den Stellenbewerber über die Behandlung seiner Bewerbung und für den Fall, dass er ihn in den Bewerberkreis einbezieht, über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens in Kenntnis zu setzen. Der Arbeitgeber hat dabei den erfolglosen Bewerber - jedenfalls auf sein Verlangen hin - über die für seine Entscheidung wesentlichen Erwägungen zu informieren (BAG, Urteil vom 01.12.2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 35, juris).

Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen die unberechtigte Nichtberücksichtigung der Bewerbung kann im Wege einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff ZPO erwirkt werden, indem der Bewerber die zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens unter Einbeziehung seiner Person in den bestehenden Bewerberkreis verlangt. Der Verfügungsgrund für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergibt sich aus dem Rechtsschutzbegehren, das auf eine sofortige Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers gerichtet ist und daher bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann.

Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folgt auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Der öffentliche Arbeitgeber braucht Klarheit darüber, unter welchen Bewerbern er die ihm obliegende Auswahlentscheidung zu treffen hat. Gleichzeitig hat der Bewerber ein rechtliches Interesse daran, seinen grundrechtsgleichen Anspruch auf Teilnahme am Auswahlverfahren gerichtlich durchzusetzen, bevor der Arbeitgeber eine Entscheidung getroffen und das Amt an einen Mitbewerber vergeben hat (BAG, Urteil vom 01.12.2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 33, 34, juris).

Zudem benötigen sowohl der öffentliche Arbeitgeber als auch die Bewerber Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Der zeitliche Parallellauf mehrerer auf dieselbe Stelle bezogener Verfahren mit unterschiedlichen Bewerbern würde zu schwierigen Vergabe- und Rückabwicklungsproblemen führen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs muss daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben wird. Primärrechtsschutz ist mithin im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend zu machen (BAG, Urteil vom 12.12.2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 40 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 - 2 A 3/13 - Rn. 23, juris).

Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, darf der Dienstherr nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (BAG, Urteil vom 12.12.2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 41, BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 - 2 A 3/13 - Rn. 24, juris) darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung verfolgt. Die Monatsfrist ist aus dem für das öffentliche Dienstrecht, aus dem für Beamte generell geltenden Rechtsmittelsystem abgeleitet. Sie folgt damit anderen Grundsätzen als die dem Dienstherrn bzw. dem öffentlichen Arbeitgeber vor der endgültigen Besetzung der begehrten Stelle mit einem Konkurrenten auferlegte Wartefrist, mit der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes für die unterlegenen Bewerber erst ermöglicht werden soll. Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt.

Gemessen an vorgenannten Grundsätzen ist es dem Kläger verwehrt, sich in einem Hauptsacheverfahren gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens zur Wehr zu setzen, denn der Kläger hat den Abbruch des Verfahrens nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angegriffen. Das beklagte Land hat den Kläger mit der E-Mail des Schulamtes C-Stadt vom 03.02.2022 darüber in Kenntnis gesetzt, dass die vom Kläger in Anspruch genommene Stellenausschreibung aufgehoben ist. Durch das Schreiben der Schulleiterin des Gymnasiums in G-Stadt vom 03.02.2022 wird ebenfalls mitgeteilt, dass die Stelle zurückgezogen ist und es werden die Gründe dafür aufgelistet. Danach war für den Kläger klargestellt, dass das Stellenbesetzungsverfahren nicht mehr fortgeführt, sondern stattdessen abgebrochen wurde. Es hätte nunmehr dem Kläger oblegen, gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens um einstweiligen Rechtsschutz auf Fortführung des bisherigen Verfahrens nachzusuchen. Dies hat der Kläger in vorwerfbarer Weise unterlassen, obwohl es ihm zumutbar gewesen ist. Die Obliegenheit, gegen den Abbruch durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorzugehen, ist spätestens aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.2012 (- 2 C 6/11 - juris) ablesbar. Die darin entwickelten Grundsätze können deshalb als Maßstab für eine vom anwaltlich vertretenen Kläger zu beachtende Sorgfalt herangezogen werden (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 44, juris).

Soweit der Kläger in einem gerichtlichen Eilverfahren die Untersagung der Beschäftigung einer Kollegin sowie eines Lehramtsstudenten erstrebt hat, handelt es sich um ein Eilverfahren mit einer anderen Zielrichtung als die der Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens. Dass insoweit eine Stellenvergabe an die Kollegin oder den Lehramtsstudenten erfolgen sollte, ergibt sich aus dem Parteivorbringen nicht. Das Land hat vielmehr mit der Stellungnahme der Schulleiterin vorgetragen, dass die Stelle "zurückgezogen" ist. Damit wird klargestellt, dass keine Stellenbesetzung erfolgen soll. Unerheblich ist, ob eine wirksame Abbruchverfügung besteht. Dem Kläger ist der Verfahrensabbruch selbst und ihm sind die Gründe dafür mitgeteilt worden. Ob der Abbruch wirksam geschah und durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, bildet eine Frage der Begründetheit, wirkt sich jedoch auf die Frage eines Rechtsschutzbedürfnisses für ein Eilverfahren nicht aus.

2.

Unabhängig von der Frage, ob ein Antrag auf Verurteilung zur Schadensersatzleistung in Höhe von 6.258,27 € brutto abzüglich auf Sozialträger übergegangener Forderungen vollstreckbar, hinreichend bestimmt und damit zulässig ist, besteht vorliegend jedenfalls kein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen das beklagte Land wegen unterlassener bzw. verspäteter Stellenübertragung.

Der Kläger kann aus dem unstreitigen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen das beklagte Land herleiten.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Artikel 33 Abs. 2 GG als Schutzgesetz für den übergangenen Bewerber wegen seiner Nichtberücksichtigung, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Artikels 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Er richtet sich gemäß § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB auf Geldersatz (BAG, Urteil vom 01.12.2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 28, juris; BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 - 2 C 12/20 - Rn. 24 ff, juris).

Aus dem Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens kann sich jedoch ein derartiger Schadensersatzanspruch nicht ergeben. Dafür ist es unerheblich, ob das Stellenbesetzungsverfahren rechtmäßig oder rechtswidrig abgebrochen wurde. War der Abbruch des Bewerbungsverfahrens rechtmäßig, sind Ansprüche des einzelnen Bewerbers nicht verletzt, so dass ein Schadensersatzanspruch nicht erwachsen kann. Ist der Abbruch des Auswahlverfahrens hingegen rechtswidrig erfolgt, wird damit - jedenfalls solange der Abbruch nicht rechtsbeständig ist - der grundrechtsgleiche Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Dem einzelnen Bewerber steht die prozessuale Möglichkeit offen, die Maßnahme einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Es ist sogar dessen Obliegenheit, Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. BAG, Urteil vom 27.07.2021 - 9 AZR 326/20 - Rn. 25, juris). Durch einen rechtswidrigen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens wird eine Stellenbesetzung nicht unmöglich. Der Schadensersatzanspruch entsteht als Sekundäranspruch erst dann, wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch erloschen ist und der Bewerber damit nicht mehr verlangen kann, auf die ausgeschriebene Stelle gesetzt zu werden (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6/11 - Rn. 12, juris). Beim Abbruch kann jeder Bewerber eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel anstreben, den Dienstherrn zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens zu verpflichten. Damit kann er verhindern, dass ohne tragfähigen Grund ein neues Verfahren eingeleitet, die Stelle also nochmals ausgeschrieben wird. Bestand eine solche Rechtsschutzmöglichkeit und wird von ihr erfolglos Gebrauch gemacht, kann ein Bewerber Fehler im Stellenbesetzungsverfahren, die seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt haben, dann nur noch im Wege des Sekundärrechtsschutzes, das heißt über Schadensersatzansprüche verfolgen. Hat er von der Möglichkeit, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, keinen Gebrauch gemacht, ist er von anschließenden Schadensersatzansprüchen in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6/11 - Rn. 12, juris).

Im Fall eines rechtwidrigen Abbruchs eines Stellenbesetzungsverfahrens kann der öffentliche Arbeitgeber dazu angehalten werden, das Bewerbungsverfahren fortzusetzen. Dass diese Möglichkeit in vorliegender Fallkonstellation nicht (mehr) besteht, geht allein auf das klägerische Verhalten zurück. Der Kläger hat es versäumt, seinen Bewerbungsverfahrensanspruch in Form der Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens unter seiner Berücksichtigung im Eilrechtsschutz geltend zu machen. Dieses Versäumnis ist jedoch nicht dem beklagten Land anzulasten und hat zudem zunächst nicht zum Untergang des Bewerbungsverfahrensanspruchs geführt, sondern zu dessen Verwirkung. Untergegangen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch erst mit Rechtsbeständigkeit des Abbruchs des Bewerbungsverfahrens. Diese Folge resultiert jedoch aus dem Verhalten des Klägers, Eilrechtsschutz zu unterlassen. Es liegt damit kein Verhalten des beklagten Landes vor, welches den Untergang des klägerischen Bewerbungsverfahrensanspruchs und damit einen Schaden bewirkt haben könnte. Ein Ersatzanspruch des Klägers scheidet daher aus.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das beklagte Land nicht gehalten war, die Stelle zu dem in der Ausschreibung genannten Zeitpunkt 21.03.2022 zu besetzen. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Stelle hätte zu diesem Zeitpunkt ihm übertragen werden müssen, ist dies unzutreffend.

Der öffentliche Arbeitgeber entscheidet in Ausübung seiner Organisationsgewalt und nach seinen Bedürfnissen, ob, in welcher Gestalt und zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt werden soll. Die Schaffung und Besetzung von Planstellen dient grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des öffentlichen Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Subjektive Rechte etwaiger Bewerber auf den Erlass einer solchen Entscheidung bestehen nicht, sondern setzen sie voraus. Der öffentliche Arbeitgeber ist grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter vorhält und auch darin, wann er diese endgültig besetzen will. Die organisatorische Entscheidungshoheit des öffentlichen Arbeitgebers über die zeitliche Dimension der Stellenbesetzung wird - abgesehen von Missbrauchsfällen - nicht durch subjektive Rechtspositionen des Bewerbers eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch des Bewerbers auf eine zügige Durchführung des Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über die Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dies beruht darauf, dass bereits kein Anspruch auf Bereitstellung einer Stelle besteht (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 29, juris; BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 - 2 C 27/15 - Rn. 35, juris).

Nach allem war die Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.

Vorschriften