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Beschluss vom 26.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235663

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 12 TaBV 1/23

Die Ermittlung des Vergleichsentgelts für ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrats gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG stellt auch dann keine mitbestimmungspflichtige Ein- bzw. Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar, wenn infolge der Vergütungsbestimmung ein Entgelt gemäß einer tariflichen Vergütungsgruppe gezahlt wird.


Im Beschlussverfahren mit den Beteiligten
pp...
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - 12. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Bader, den ehrenamtlichen Richter Kling und den ehrenamtlichen Richter Schächtele auf die Anhörung der Beteiligten am 26. Mai 2023
für Recht erkannt:

Tenor:I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 7. Dezember 2022, Az. 2 BV 3/22, wird zurückgewiesen.II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Vergütungsbestimmung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden.

Die Beteiligte Ziff. 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) produziert am Standort M. .... . Sie beschäftigt derzeit ca. 500 Arbeitnehmer sowie ca. 60 Auszubildende. Bei dem Beteiligten Ziff. 1 (im Folgenden: Betriebsrat) handelt es sich um den aus elf Mitgliedern bestehenden Betriebsrat am Standort M..

Im Unternehmen gilt ein zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Haustarifvertrag (im Folgenden: HTV). Dieser enthält in Anlage 21 ein Vergütungsgruppenverzeichnis mit 14 Vergütungsgruppen. Jede Vergütungsgruppe enthält allgemeine Tätigkeitsmerkmale sowie Regelbeispiele zur tariflichen Eingruppierung der Mitarbeiter (siehe ABl. 111). Daneben besteht ein Vergütungstarifvertrag (im Folgenden: VTV), aktuell mit einer Laufzeit bis 30. Juni 2023 (ABl. 78 f der erstinstanzlichen Akte).

Der heutige Vorsitzende des Betriebsrats, Herr L., ist seit 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist ausgebildeter Dreher. Mit Wirkung ab dem 1. Juni 1992 wurde er als Schlosser eingesetzt. Die Vergütung erfolgte zunächst nach dem HTV iVm. dem jeweils geltenden VTV. Im Jahr 1994 wurde Herr L. in den Betriebsrat gewählt, seit dem Jahr 1998 ist er für seine Betriebsratsarbeit von Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Im März 2002 erfolgte die Wahl zum Vorsitzenden des Betriebsrats. In dieser Funktion ist Herr L. bis heute tätig.

Zu Beginn seiner Freistellung erhielt Herr L. zunächst weiter eine Vergütung unter Bezugnahme auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Nach der Übernahme des Betriebsratsvorsitzes wurden ihm außerdem eine "Sonderpauschale" sowie eine "Funktionspauschale" gezahlt. Im Jahr 2002 betrug das monatliche Gehalt ausgehend von der tariflichen Vergütungsgruppe 8/10 insgesamt 4.207,35 EUR brutto. Seit dem 1. April 2006 wurde der Betriebsratsvorsitzende dann als außertariflicher Angestellter geführt. Die Vergütung wurde in den Folgejahren mehrfach erhöht. Die Gesamtvergütung belief sich im Jahr 2021 schließlich auf 162.919,57 EUR brutto (mithin im Durchschnitt auf 13.576,63 EUR brutto pro Monat). Darin enthalten war auch ein geldwerter Vorteil für den zur Privatnutzung freigegebenen Dienstwagen.

Bereits im Jahr 2014 war es zu einer ersten Überprüfung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden gekommen, ohne dass im Folgenden eine wesentliche Veränderung vorgenommen wurde. Ende 2021 sah sich die Arbeitgeberin wiederum veranlasst, die Bezüge von Herrn L. zu überprüfen.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2022 teilte die Arbeitgeberin Herrn L. Folgendes mit:

Die Vergütungsanpassung wurde mit der Abrechnung für den Monat Mai 2022 umgesetzt. Eine vorherige Beteiligung des Betriebsrates erfolgte nicht.

Der Betriebsratsvorsitzende geht gegen die Kürzung seiner Vergütung im Urteilsverfahren vor. Das Arbeitsgericht Mannheim wies seine Klage mit Urteil vom 13. April 2023 (7 Ca 139/22) ab. Die Berufung ist beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg anhängig unter dem Aktenzeichen 19 Sa 34/23.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, vor Umsetzung der Vergütungsanpassung habe das Verfahren gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durchgeführt und seine Zustimmung eingeholt bzw. gerichtlich ersetzt werden müssen. Die mit Schreiben vom 14. Juni 2022 vorgenommene Festsetzung der Vergütung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG stelle eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung dar. Denn die Vergütungsbestimmung anhand der in der Vorschrift genannten Vergleichsmitarbeiter beinhalte denklogisch auch eine Eingruppierung in die tarifliche Entgeltordnung. Die Arbeitgeberin habe eine wertende Zuordnung zur tariflichen Vergütungsgruppe 8/25 jedenfalls auf Basis der Tätigkeiten der Vergleichsmitarbeiter vorgenommen. Die Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden ändere am Vorliegen einer Umgruppierung nichts. Würde der Betriebsrat bei der Umgruppierung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nicht beteiligt, bestünde eine Schutzlücke. Dann würden diese Betriebsratsmitglieder gegenüber den anderen Mitarbeitenden im Betrieb unzulässig benachteiligt. Auch der gesetzliche Zweck des Beteiligungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG spreche dafür, dass ein Betriebsrat die zutreffende Anwendung der §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG überprüfen könne. Denn die Betriebsratsvergütung auf Grundlage dieser Vorschriften stehe nicht außerhalb und losgelöst von der kollektiven tariflichen Vergütungsordnung, es bestehe vielmehr einer Wechselwirkung. Strafrechtliche Konsequenzen drohten der Arbeitgeberin nicht, solange sie das Verfahren gemäß §§ 99 ff. BetrVG einhalte. Notfalls könne ein Antrag gemäß § 100 BetrVG gestellt werden. Schließlich sei die Vergütungskürzung auch in der Sache rechtwidrig. Der Betriebsratsvorsitzende habe unmittelbar aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 78 Satz 2 BetrVG einen Anspruch auf Zahlung der bisherigen Vergütung. Die neueste strafgerichtliche Rechtsprechung, wonach das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht nur das Benachteiligungsverbot, sondern auch das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG konkretisiere und "Sonderkarrieren" unzulässig seien, widerspreche der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dies sei den Betriebsparteien mehrfach gutachterlich bestätigt worden.

Der Betriebsrat hat beantragt:

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, sie habe die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden rechtlich zwingend auf das gesetzlich zulässige Maß zurückführen müssen. Andernfalls drohe eine Strafbarkeit, weshalb die Einhaltung eines Mitbestimmungsrechts bereits unzumutbar sei. § 100 BetrVG helfe insoweit nicht, da die Vorschrift bei Ein- bzw. Umgruppierungen nicht herangezogen werden könne. Die Anwendung von § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG stelle keine Ein- bzw. Umgruppierung dar. Vielmehr sei ein Durchschnittswert im Hinblick auf das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gebildet worden. Die Vergleichsgruppe bestehe aus zehn Arbeitnehmern, die nach Qualifikation, Betriebszugehörigkeit und Vergütung zum Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Freistellung im Jahr 1998 mit dem Betriebsratsvorsitzenden vergleichbar seien. Von den zehn Vergleichspersonen seien insgesamt sieben Arbeitnehmer in der Vergütungsgruppe 8/25 eingruppiert, zwei Arbeitnehmer in der Vergütungsgruppe 7/25 und ein Arbeitnehmer in der Vergütungsgruppe 9/25. Alle Vergleichspersonen würden zuzüglich zu ihrer Grundvergütung eine 4-prozentige Leistungszulage sowie regelmäßig eine finanzielle Kompensation für Überstunden erhalten, letztere in schwankender Höhe. Von den zehn Vergleichspersonen bezögen ferner sieben Arbeitnehmer eine Fachkarrierezulage und neun Arbeitnehmer Erschwerniszulagen in unterschiedlicher Höhe. Zwei Arbeitnehmer in der Vergleichsgruppe erhielten darüber hinaus Bereitschaftszulagen. Hinzu kämen bei allen Arbeitnehmern die allgemeinen sozialen Zulagen und vermögenswirksame Leistungen. Einen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit fahre niemand in der Vergleichsgruppe; die Bereitstellung von Dienstwagen sei im Unternehmen dem Vorstand und mit Prokura versehenen Personen auf der ersten Führungsebene vorbehalten.

Die Vergütungsbestimmung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG habe mit der Tätigkeit des Betriebsratsvorsitzenden nichts zu tun und sei deshalb keine Ein- bzw. Umgruppierung. Der wesentliche Inhalt einer Ein- bzw. Umgruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bestehe darin, die (aktive) Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu bewerten und einer Vergütungsgruppe zuzuordnen. Bei bloßen hypothetischen Betrachtungen und Durchschnittsbewertungen bestehe danach kein Mitbestimmungsrecht.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei der Anpassung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden handele es sich nicht um eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Soweit die Arbeitgeberin zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Betriebsratsvorsitzende als Grundvergütung eine solche nach der Entgeltgruppe 8/25 zu beanspruchen habe, beruhe dies nicht auf der Zuordnung einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Betriebsratsvorsitzenden zu dieser Vergütungsgruppe. Die mittelbare Heranziehung der bestehenden Eingruppierungen der Vergleichsmitarbeiter im Rahmen des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ändere am Fehlen einer Ein- bzw. Umgruppierung nichts. Wollte man ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch im Rahmen der Vergütungsbestimmung nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG annehmen, würde dies zudem zu einer nicht sachgerechten Übertragung der an sich im Urteilsverfahren zu klärenden Streitfragen in das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren und einer damit einhergehenden Kostenprivilegierung wie auch einer wesentlichen Veränderung der Darlegungs- und Beweislastverteilung führen. Zudem drohe den handelnden Personen der Arbeitgeberin eine Strafbarkeit, falls man sie auf die Durchführung des Verfahrens nach den §§ 99 ff. BetrVG verweise. Allein die Unsicherheit einer letztlich durch die Strafgerichte zu beurteilenden strafrechtlichen Relevanz stelle eine mit dem Schutzzweck des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht zu rechtfertigende Belastung der Arbeitgeberin dar. Hingegen drohe eine Schutzlücke für Herrn L. nicht. Der Betriebsratsvorsitzende könne sich im Urteilsverfahren gegen die Kürzung zur Wehr setzen und habe dies auch getan.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 13. Dezember 2022 zugestellt. Er hat namens und in Vollmacht des Betriebsrats am 13. Januar 2023 Beschwerde eingelegt. Mit Verfügung vom 8. Februar 2023 wurde die Frist zur Begründung der Beschwerde bis 13. März 2023 verlängert. Die Beschwerdebegründung ging am 10. März 2023 bei Gericht ein.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags begehrt der Betriebsrat die Abänderung der Entscheidung. Herrn L. stehe die bis April 2022 gezahlte Vergütung zu. Dieser habe zwei Vertragsangebote der Arbeitgeberin, eine hoch dotierte, neu geschaffene Stabsstelle direkt unterhalb des Vorstands zu besetzen, allein wegen seiner Betriebsratstätigkeit abgelehnt. Das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG rechtfertige deshalb das Gehalt. Das Arbeitsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff der Ein- und Umgruppierung falsch angewandt und deshalb ein Mitbestimmungsrecht verneint. Vorliegend habe die Arbeitgeberin aufgrund einer - unzutreffenden - neuen Beurteilung der Rechtslage festgestellt, dass die Vergütung von Herrn L. nur nach Tarifgruppe 8/25 und nicht mehr außertariflich zu bestimmen sei. Die Anwendung der §§ 37 Abs. 4 Satz 1, 78 Satz 2 BetrVG beinhalte auch die Eingruppierung in die tarifliche Entgeltordnung. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf den Anlass der neuen Einreihung in die tarifliche Ordnung ankomme. Auch die Berichtigung einer vermeintlich unzutreffenden Rechtsauffassung stelle eine Umgruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Bei dieser erneuten Eingruppierung solle mit der Beteiligung des Betriebsrats eine größere Gewähr für die Richtigkeit der vorgenommenen Umgruppierung und der gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsgruppenordnung im Betrieb erreicht werden. Eine Strafbarkeit drohe genauso wenig wie eine Umgehung der Darlegungs- und Beweislastregelungen aus dem Urteilsverfahren.

Der Betriebsrat beantragt:

Die Arbeitgeberin beantragt,

Die Arbeitgeberin ist - unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags - der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bei der Vergütungsbestimmung nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG verneint. Das Arbeitsgericht habe durch sein Urteil vom 13. April 2023 in der Sache 7 Ca 139/22 mittlerweile ihre Auffassung bestätigt, dass eine Vergütungsanpassung zur Vermeidung von Strafbarkeitsrisiken dringend notwendig und rechtlich zulässig gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen ergänzend auf die zwischen den Beteiligten in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag ist zwar zulässig (1.), jedoch unbegründet (2.).

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Wie die gebotene Auslegung des Antrags ergibt, ist dieser darauf gerichtet, die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Zustimmung des Betriebsrats zu der behaupteten Ein- bzw. Umgruppierung des namentlich genannten Arbeitnehmers L. in das Vergütungsgruppensystem gemäß Anlage 21 des bei der Arbeitgeberin geltenden HTV einzuholen und - im Falle der beachtlichen Zustimmungsverweigerung - das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Dieses Verständnis entspricht im Wesentlichen dem Wortlaut des Antrags und der Antragsbegründung.

Ein derartiger Antrag ist statthaft. Zwar kann ein Betriebsrat grundsätzlich nicht verlangen, dass ein Arbeitgeber bei Verletzung der Rechte aus § 99 BetrVG nachträglich ein Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einleitet. Denn für einen derartigen, im BetrVG nicht vorgesehen Antrag besteht regelmäßig kein Bedürfnis, weil den Interessen des Betriebsrats durch die in § 101 BetrVG ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Aufhebung der personellen Maßnahme hinreichend und abschließend Rechnung getragen wird (BAG 2. März 2004 - 1 ABR 15/03 - Rn. 16 [alle Rechtsprechungsnachweise zitiert nach juris, soweit nicht anders angegeben]).

Für die hier in Rede stehende Ein- bzw. Umgruppierung gilt jedoch eine Ausnahme, da es sich hier nicht - wie bei der Einstellung und Versetzung - um einen tatsächlichen Vorgang, sondern um reine Rechtsanwendung handelt. Der Arbeitgeber kann eine Ein- oder Umgruppierung nicht tatsächlich aufheben. Sie ist entweder richtig oder falsch (Buschkröger, in: Hamacher/Antragslexikon ArbR, Mitbestimmung in speziellen personellen Angelegenheiten [Einstellung, Versetzung, Eingruppierung] Rn. 19). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat deshalb in Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, über den Wortlaut des § 101 BetrVG hinaus zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen (BAG 20. Oktober 2021 - 7 ABR 14/20 - Rn. 21 mwN; 17. Juni 2008 - 1 ABR 37/07 - Rn. 14 mwN).

b) Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt iSv. §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist klar, was unter der Einholung der "Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Arbeitnehmers L." zu verstehen ist.

Dafür spielt es insbesondere keine Rolle, dass die Annahme einer Eingruppierung näherliegt als eine Umgruppierung, weil der im Antrag namentlich benannte Arbeitnehmer vor dem (vermeintlichen) Eingruppierungsakt zuletzt über mehrere Jahre unstreitig keinem betrieblichen Entgeltschema zugeordnet war. Damit dürfte eine (erneute) Einreihung des Arbeitnehmers in die tarifliche Vergütungsordnung gemäß der Anlage 21 zum HTV - und damit eine Eingruppierung - vorliegen und keine Änderung einer bereits bestehenden Einreihung (zur Abgrenzung Eingruppierung/Umgruppierung siehe BAG 20. Oktober 2021 - 7 ABR 14/20 - Rn. 22 mwN).

Es ist indes nach der Antragstellung und -begründung hinreichend klar, dass der Betriebsrat sich eines Mitbestimmungsrechts bei dem wertenden Akt der Zuordnung zu einer kollektiven Vergütungsordnung berühmt und die Wahrung dieses Mitbestimmungsrechts einfordert, ganz gleich, ob es sich dabei um den Mitbestimmungstatbestand der Eingruppierung oder Umgruppierung in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt. Für die Mitbestimmung des Betriebsrats und einen auf ihre Sicherung gerichteten Antrag ist letztlich nicht ausschlaggebend, ob der vom Betriebsrat mit zu beurteilende gedankliche Akt des Arbeitgebers eine Eingruppierung oder eine Umgruppierung ist. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses stattfinden (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 4/20 - BAGE 174, 87 ff Rn. 27). Dies ist im Schreiben vom 14. Juni 2022 geschehen.

2. Der Antrag ist unbegründet. Bei der Bestimmung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden gemäß Schreiben vom 14. Juni 2022 handelt es sich zwar um einen Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses durch die Arbeitgeberin. Indes liegt "nur" eine Rechtsanwendung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG vor. Dies stellt keine Eingruppierung bzw. Umgruppierung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat deshalb zurecht nicht beteiligt. Die Kammer folgt insoweit der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in den wesentlichen Teilen der Begründung.

Im Einzelnen:

a) Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Ein- oder Umgruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die - erstmalige oder erneute - Einreihung eines Arbeitnehmers in eine betriebliche Vergütungsordnung. Eine Umgruppierung ist jede Änderung dieser Einreihung. Das Mitbestimmungsrecht bei Ein- und Umgruppierungen ist ein Mitbeurteilungs- und kein Mitgestaltungsrecht. Das folgt daraus, dass Ein- oder Umgruppierungen in eine betriebliche Entgeltordnung keine konstitutiven Maßnahmen sind, sondern Akte der Rechtsanwendung (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 4/20 - BAGE 174, 87 ff, Rn. 25). Bei der Ein- bzw. Umgruppierung handelt es sich um einen rein geistigen Akt der wertenden Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsordnung (BAG 17. Dezember 2020 - 6 AZR 639/19 - Rn. 15). Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass diese Rechtsanwendung möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen und damit der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit sowie Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 4/20 - BAGE 174, 87 ff, Rn. 25).

Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll sicherstellen, dass die Bewertung der Tätigkeit eines Arbeitnehmers und deren Zuordnung zu einer (tariflichen) Entgeltgruppe möglichst zutreffend sind (LAG Düsseldorf 19. März 2019 - 8 TaBV 70/18 - Rn. 47). Charakteristisch für die Eingruppierung bzw. Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die Subsumtion einer Tätigkeit unter abgrenzende und abstufende Tatbestandsmerkmale einer kollektiven Vergütungsordnung (LAG Berlin-Brandenburg 24. Juni 2010 - 26 TaBV 174/10 - Rn. 36). Die Verfolgung und Durchsetzung des individualrechtlichen Anspruchs eines Arbeitnehmers ist hingegen nicht Sinn und Zweck des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG (BAG 12. Juni 2003 - 8 ABR 14/02 - Rn. 66). Nicht in jedem Fall steht dem Betriebsrat gemäß der Vorschrift eine Überprüfungsmöglichkeit der zutreffenden Vergütung eines Arbeitnehmers zu (LAG München 5. Dezember 2018 - 11 TaBV 50/18 - Rn. 42). Sofern eine Vergütungsbestimmung nichts über die aus der Tätigkeit resultierende Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der kollektiven Vergütungsordnung aussagt, besteht kein Mitbestimmungsrecht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 24. Juni 2010 - 26 TaBV 174/10 - Rn. 36). Eine Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt nur vor, wenn allein das betreffende Entgeltschema und nicht die weiteren Teile der betrieblichen Entlohnungsgrundsätze oder andere Vergütungsbestimmungen Gegenstand der Rechtsanwendung des Arbeitgebers sind (vgl. BAG 28. April 2009 - 1 ABR 97/07 - BAGE 131, 1 ff, Rn. 19 f). Nur dann steht dem Betriebsrat das Recht zur Überprüfung der Rechtsanwendung wegen des kollektiven Interesses an der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit zu (vgl. BAG 12. Juni 2003 - 8 ABR 14/02 - Rn. 66).

b) Gemessen hieran hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die von der Arbeitgeberin vorgenommene Bestimmung des Vergleichsentgelts gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG für den freigestellten Betriebsratsvorsitzenden im Schreiben vom 14. Juni 2022 keine Ein- bzw. Umgruppierung darstellt. Hierfür sprechen im Wesentlichen folgende Erwägungen:

aa) Bei der Bestimmung des Vergleichsentgelts gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG erfolgte vorliegend nicht die für die Eingruppierung bzw. Umgruppierung charakteristische Subsumtion der ausgeübten Tätigkeit des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden unter abgrenzende und abstufende Tatbestandsmerkmale der kollektiven Vergütungsordnung in der Anlage 21 zum HTV. Eine arbeitsvertragliche Tätigkeit, die wertend den Tätigkeitsmerkmalen der maßgeblichen Vergütungsgruppen zugeordnet werden könnte, erbringt Herr L. nicht. Die Nennung der Tarifgruppe 8/25 im Schreiben vom 14. Juni 2022 erfolgte nicht aufgrund einer Bewertung konkret erbrachter Tätigkeiten anhand der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe 8. Vielmehr wird in der im Schreiben vom 14. Juni 2022 genannten Vergütungsgruppe sowie den dort aufgeführten weiteren Entgeltbestandteilen lediglich der Durchschnittswert des Lohns der Vergleichsarbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung ausgedrückt.

Die Arbeitgeberin hat nach ihrem unwidersprochenen Vortrag die Vergütungsentwicklung von zehn Arbeitnehmern, die sie mit dem Betriebsratsvorsitzenden aufgrund ihrer Qualifikation, der ähnlich langen Betriebszugehörigkeit und der ähnlich hohen Vergütung zu dem Zeitpunkt unmittelbar vor dem Eintritt des Betriebsratsvorsitzenden in die Freistellung ab April 1998 für vergleichbar hält, ausgewertet. Da sieben von den zehn Vergleichspersonen nunmehr in der Vergütungsgruppe 8/25 eingruppiert sind, zwei Arbeitnehmer in der Vergütungsgruppe 7/25 und ein Arbeitnehmer in der Vergütungsgruppe 9/25, hat sie die Vergütungsgruppe 8/25 bei einer Durchschnittsbetrachtung als betriebsübliche berufliche Entwicklung angesehen.

Ob dies eine rechtliche zutreffende Anwendung des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG etwa im Hinblick auf die herangezogenen Vergleichspersonen war, spielt für die hier allein interessierende Frage nach der Existenz eines Mitbestimmungsrechts keine Rolle. Entscheidend ist lediglich, dass die Rechtsanwendung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG keine Anwendung einer betrieblichen Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darstellt.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass bei § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG hinsichtlich der nicht freigestellten Vergleichsarbeitnehmer eine wertende Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu dem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsordnung erfolgte.

Denn erstens würde eine solche mittelbare Eingruppierung schon generell nicht ausreichen. Der Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG ist immanent, dass sie sich auf einen einzelnen Arbeitnehmer betreffenden Gestaltungs- oder Rechtsanwendungsakt bezieht (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 4/20 - BAGE 174, 87 ff, Rn. 38). Ein- oder Umgruppierungen im Sinne der Norm sind deshalb stets personenbezogene Einzelmaßnahmen und nicht Durchschnittsbetrachtungen von Eingruppierungsvorgängen einer Vielzahl anderer Arbeitnehmer.

Zweitens regelt § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Mitbestimmung im Falle einer gegenwärtigen Maßnahme. Hinsichtlich der Vergleichsarbeitnehmer ist die als Eingruppierung bzw. Umgruppierung anzusehende Zuordnung ihrer Tätigkeit zu den Tatbestandsmerkmalen der kollektiven Vergütungsordnung jedoch - unstreitig unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats - bereits in der Vergangenheit abschließend erfolgt. Für eine inzidente Wiederholung der Eingruppierungsvorgänge im Rahmen des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG besteht mitbestimmungsrechtlich kein Bedürfnis. Der Zweck, eine einheitliche und gleichmäßige Anwendung der kollektiven Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen zu gewährleisten, ist durch die Mitbestimmung zu den Eingruppierungen der Vergleichsarbeitnehmer bereits erreicht.

Drittens - und eng mit dem vorangegangenen Punkt verknüpft - erfolgte hinsichtlich der Vergleichsarbeitnehmer überhaupt keine (erneute) Bewertung von deren Tätigkeiten anhand der Tätigkeitsmerkmale der einschlägigen Vergütungsgruppen. Die Arbeitgeberin fragte sich im Rahmen der Anwendung des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht etwa, ob die Vergleichspersonen anhand der ausgeübten Tätigkeiten zurecht in die Vergütungsgruppen 7/25, 8/25 oder 9/25 eingereiht worden sind. Sie stellte lediglich fest, dass diese Einreihung erfolgte und die Vergleichsmitarbeiter eine entsprechende Vergütung tatsächlich erhalten. Im Schreiben vom 14. Juni 2022 erfolgte damit überhaupt keine Subsumtion von Tätigkeiten unter die Tatbestandsmerkmale einer kollektiven Vergütungsordnung. Auch eine "mittelbare" Eingruppierung liegt mithin nicht vor.

cc) Eine Schutzlücke für freigestellte Betriebsratsmitglieder besteht entgegen der Ansicht des Betriebsrats nicht. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dient nicht dem Schutz der individuellen Vergütung eines Arbeitnehmers, auch nicht eines freigestellten Mitglieds des Betriebsrats. Es geht gemäß dem oben dargelegten Normzweck einzig um das kollektive Interesse an der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit basierend auf der allein aus der Tätigkeit des Arbeitnehmers folgenden Stellung innerhalb der kollektiven Vergütungsordnung. Abgesehen von diesem - hier nicht vorliegenden - Fall besteht auch ansonsten kein Mitbestimmungsrecht bei der individuellen Vergütungsbestimmung eines Arbeitnehmers, ohne dass deshalb eine Schutzlücke vorläge.

Aus denselben Gründen liegt auch keine Benachteiligung gemäß § 78 Satz 2 BetrVG vor. Sofern die Vergütungsbestimmung nicht allein aus der Anwendung der kollektiven Vergütungsordnung ausgehend von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers folgt, besteht auch bei sonstigen Arbeitnehmern sowie Mitgliedern des Betriebsrats, die nicht freigestellt sind, kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Hinzu kommt, dass der Akt wertender Zuordnung einer ausgeübten Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe bei Beendigung der Freistellung und der Wiederaufnahme einer konkreten Tätigkeit regelmäßig vorgenommen wird und der Betriebsrat dann - wie bei anderen Arbeitnehmern auch - mitzubestimmen hat.

dd) Soweit das Arbeitsgericht ergänzend angenommen hat, ein Mitbestimmungsrecht müsse auch deshalb ausscheiden, weil den handelnden Personen der Arbeitgeberin eine Strafbarkeit drohe, falls man sie auf die Durchführung des Verfahrens nach den §§ 99 ff. BetrVG verweise, ist dieser Aspekt für die Kammer indes genau so wenig entscheidend wie die weitere Annahme des Arbeitsgerichts (unter Verweis auf LAG Düsseldorf 19. März 2019 - 8 TaBV 70/18 - Rn. 47), es drohe eine nicht sachgerechte Übertragung der an sich im Urteilsverfahren zu klärenden Streitfragen in das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren.

Denn es bestehen bereits grundsätzliche Bedenken, ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats davon abhängig zu machen, ob ein Arbeitgeber mit einer Maßnahme sein - aus seinem Vorverhalten folgendes - Strafbarkeitsrisiko reduzieren will oder dies keine Rolle spielt. Eine derartige Annahme müsste in letzter Konsequenz dazu führen, dass selbst bei einem unstreitig bestehenden Beteiligungsrecht dieses zurücktreten müsste, sofern dem Arbeitgeber aufgrund der (temporären) Aufrechterhaltung des status quo ein (fortgesetztes) Strafbarkeitsrisiko droht. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der Beteiligungsrechte des BetrVG indes regelmäßig kaum vereinbar.

Im Übrigen ist die Vergütungsbestimmung anhand der Maßstäbe des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG als möglicher Gegenstand des Beteiligungsrechts nicht per se strafrechtsrelevant. Das fortgesetzte Risiko entsteht im konkreten Fall vielmehr einzig aus dem Vorverhalten der (ehemaligen) Vertreter der Arbeitgeberin. Für den Betriebsrat als Gremium kann aus diesem (möglicherweise rechtswidrigen) Drittverhalten kein Verlust von Beteiligungsrechten folgen.

Auch die drohende Verlagerung von im Urteilsverfahren zu klärenden Streitfragen in das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren und eine damit einhergehende Kostenprivilegierung sowie wesentliche Veränderung der Darlegungs- und Beweislastverteilung sind für die Kammer keine Argumente gegen ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Denn diese Aspekte betreffen letztlich alle Beteiligungsrechte gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Bei unstreitigem Vorliegen einer personellen Maßnahme gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat auch dann zu beteiligen und notfalls ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, wenn durch in diesem Verfahren gewonnene Erkenntnisse dem Arbeitnehmer die Durchsetzung seiner individuellen Ansprüche im Urteilsverfahren erleichtert wird. Dies ist die hinzunehmende Folge eines jeden Beteiligungsrechts und kein maßgeblicher Aspekt im Rahmen der Beantwortung der (hier aus anderen Gründen verneinten) vorgelagerten Frage nach dem Bestehen eines solchen Rechts.

ee) Die vorstehende Rechtsauffassung der Kammer, wonach bei der Vergütungsbestimmung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ein Beteiligungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht besteht, entspricht im Ergebnis der vom LAG Düsseldorf vertreten Ansicht (Beschluss vom 19. März 2019 - 8 TaBV 70/18; zustimmend Stück CCZ 2020, 338, 342). Sie steht auch nicht in inhaltlichem Widerspruch zu der Entscheidung des LAG Köln vom 17. Juli 2020 (9 TaBV 73/19).

Das LAG Köln hat entschieden, dass bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied das Vorliegen einer Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hypothetisch zu bewerten sei. Eine bloße organisatorische Neuzuordnung ohne konkrete Tätigkeitsänderung kann danach ein Mitbestimmungsrecht auslösen (LAG Köln 17. Juli 2020 - 9 TaBV 73/19 - Rn. 54).

Dies bedeutet indes nicht, dass im gesamten Anwendungsbereich des § 99 BetrVG bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern hypothetische Tätigkeiten den Mitbestimmungsrechten zugrunde zu legen wären. Denn auch das LAG Köln geht im Grundsatz davon aus, dass die betriebliche Mitbestimmung in § 99 BetrVG an eine bestimmte tatsächliche Beschäftigung anknüpft (a.a.O. Rn. 53). Es hält bei der Versetzung lediglich deshalb eine abweichende hypothetische Betrachtungsweise für geboten, weil die Entscheidungen rund um die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 38 BetrVG keine personellen Maßnahmen des Arbeitgebers seien und es deshalb bei Beendigung der Freistellung an einer tatsächlichen Maßnahme des Arbeitgebers fehle, an die das Zustimmungserfordernis nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anknüpfen könne. Zum Schutz insbesondere der anderen Arbeitnehmer des Arbeitsbereichs, dem ein freigestelltes Betriebsratsmitglied neu zugeordnet werde, müsse die bloße organisatorische "Umhängung" bereits als Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angesehen werden. Andernfalls könnten die anderen Arbeitnehmer bei Beendigung der Freistellung Nachteile iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erleiden, ohne dass der Betriebsrat dann mitzubestimmen habe (a.a.O. Rn. 56 f).

Unabhängig von der Richtigkeit dieser Annahme besteht eine vergleichbare Problematik bei Ein- bzw. Umgruppierungen nicht. Bei diesen handelt es sich - anders als bei Einstellungen und Versetzungen - nicht um tatsächliche Vorgänge, sondern um reine Rechtsanwendungen. Der Akt wertender Zuordnung einer ausgeübten Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe als Gegenstand des Mitbestimmungsrechts kann - wie gezeigt - bei Beendigung der Freistellung und der Wiederaufnahme einer konkreten Tätigkeit gleichermaßen vorgenommen werden. Es fehlt jedenfalls bei Ein- und Umgruppierung dann nicht an einer personellen Maßnahme des Arbeitgebers als Gegenstand der Mitbestimmung.

Hinzu kommt, dass Ein- oder Umgruppierungen allein keinen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG auslösen, da sie sich nicht auf andere Arbeitnehmer nachteilig auswirken können (Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 99 Rn. 239 mwN). Die vom LAG Köln im Hinblick auf die Versetzung angestellten Überlegungen sind daher nicht auf die Eingruppierung bzw. Umgruppierung übertragbar.

c) Es kann für das vorliegende Beschlussverfahren schließlich dahinstehen, ob die Arbeitgeberin individualrechtlich dazu berechtigt war, die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden auf dasjenige Maß zurückzuführen, das dem üblichen Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG entspricht oder dies vielmehr - wie der Betriebsrat meint - einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG darstellt und sein Vorsitzender deshalb weiterhin die höhere Vergütung beanspruchen kann. Denn für die hier allein interessierende Frage nach der Existenz eines Mitbestimmungsrechts ist es ohne Relevanz, ob der dem Mitbestimmungsrecht potentiell unterliegende Akt individualrechtlich rechtmäßig oder vielmehr rechtwidrig ist. Diese Klärung erfolgt ausschließlich in dem zwischen der Arbeitgeberin und Herrn L. anhängigen Urteilsverfahren.

Da die Beteiligten sich jedoch in ihren Schriftsätzen ausführlich mit dieser Frage beschäftigen und dabei insbesondere auch das Verhältnis der neueren strafgerichtlichen Rechtsprechung zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts problematisieren, merkt die Kammer obiter Folgendes an:

Es ist aus Sicht der Kammer fraglich, ob die vom Betriebsrat unter Verweis auf das erstinstanzlich vorgelegte Gutachten (Anlage AS 6) behauptete Divergenz zwischen der neueren strafgerichtlichen Rechtsprechung und derjenigen des Bundesarbeitsgerichts tatsächlich besteht. Der Bundesgerichtshof (BGH 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22 - Rn. 22) geht - wie auch das LG Braunschweig in der Vorinstanz (LG Braunschweig 28. September 2021 - 16 KLs 406 Js 59398/16 (85/19) - Rn. 179) - im Kern davon aus, dass § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht nur eine Konkretisierung des Benachteiligungsverbots des § 78 Satz 2 BetrVG beinhaltet, sondern auch eine Konkretisierung des in der letztgenannten Vorschrift enthaltenen Begünstigungsverbots. Dies wird in der Literatur - und ihr folgend in den vom Betriebsrat vorgelegten Gutachten - mitunter heftig kritisiert (vgl. Annuß, NZA 2022, 247, 248: "juristische[...] Abwege[...]"; "frappierende rechtliche Missverständnisse"; vgl. das vorgelegte Gutachten, ABl. 49 der erstinstanzlichen Akte: Abweichung von der "jahrzehntelangen... und gefestigten Rechtsprechung" des Bundesarbeitsgerichts).

In der Tat sprechen zwar insbesondere aus der Gesetzgebungshistorie folgende Gründe für die Annahme, dass § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG - jedenfalls primär - dem einzelnen Betriebsratsmitglied eine Erleichterung an die Hand geben will, um aus dem Benachteiligungsverbot resultierende Vergütungsansprüche durchzusetzen und insoweit eine Konkretisierung des Benachteiligungsverbots darstellt (zur Historie etwa Giesen RdA 2020, 155, 156; Rothballer NZA 2023, 257, 259). Dies hat das Bundesarbeitsgericht verschiedentlich betont (BAG 23. November 2022 - 7 AZR 122/22 - Rn. 41; 22. Januar 2020 - 7 AZR 222/19 - Rn. 22 mwN; 18. Januar 2017 - 7 AZR 205/15 - Rn. 16 mwN).

Der zuständige 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 29. August 2018 (7 AZR 206/17 - Rn. 34) jedoch darüberhinausgehend bereits die Ansicht vertreten, dass "[das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG ... es regelmäßig nicht zu[lässt], dem Mandatsträger wegen seiner Amtsstellung eine während der Mandatstätigkeit weiter zu zahlende Vergütung zuzusagen, die über das nach § 37 Abs. 2 bis Abs. 4 BetrVG geregelte gesetzliche Maß hinausgeht" (ebenso LAG Düsseldorf 17. April 2019 - 7 Sa 1065/18 - Rn. 149).

Auch das Bundesarbeitsgericht geht mithin - wie der Bundesgerichtshof - in der genannten Entscheidung davon aus, dass § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht nur im Rahmen des Benachteiligungsverbots, sondern auch im Rahmen des Begünstigungsverbots Bedeutung erlangt und zu berücksichtigen ist.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nach dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Rahmen der Entgeltbestimmung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG bei Vorliegen einer kollektiven Vergütungsordnung (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Dr. BaderKlingSchächtele

Verkündet am 26. Mai 2023

Vorschriften§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG, §§ 99 ff. BetrVG, § 100 BetrVG, § 611a Abs. 2 BGB, § 78 Satz 2 BetrVG, §§ 37 Abs. 4 Satz 1, § 99 Abs. 4 BetrVG, § 99 BetrVG, § 101 BetrVG, §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 2 ArbGG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 38 BetrVG, § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, § 37 Abs. 2 bis Abs. 4 BetrVG, § 2 Abs. 2 GKG, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG