Beschluss vom 07.12.2022 · IWW-Abrufnummer 235664
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 3 Sa 898/22
1. Zum Vermögen im Sinn des § 115 Abs. 4 ZPO gehören auch Entschädigungszahlungen, die auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG geleistet werden.
2. Der Einsatz von Entschädigungen, die auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG geleistet werden, stellt auch nicht grundsätzlich eine Härte im Sinn des § 90 Abs. 3 SGB XII dar.
In dem Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren zu dem Berufungsverfahren
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 3. Kammer,
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende
ohne mündliche Verhandlung am ... beschlossen:
Tenor:I. Der Antrag des Klägers und Berufungsklägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger und Berufungskläger begehrt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für ein Berufungsverfahren.
I. Gemäß § 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO (Zivilprozessordnung) erhält die Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gilt entsprechend (§ 115 Absatz 4 ZPO). Das Gericht kann nach § 118 Absatz 2 Satz 2 ZPO Erhebungen anstellen. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (§ 118 Absatz 1 Satz 4 ZPO).
II. Danach ist der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen. Denn der Kläger hat innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Frist die Frage zu dem Verbleib der Entschädigungen nicht genügend beantwortet. Es kann daher hier nicht abschließend geprüft werden, ob der Kläger die Prozesskosten nicht aus seinem Vermögen bestreiten kann beziehungsweise ob sich der Kläger nicht so behandeln lassen muss, als ob er noch über ein ausreichendes Vermögen zur Tragung der Prozesskosten verfügt. Demnach kann eine Bedürftigkeit des Klägers nicht angenommen werden.
1. Zum Vermögen im Sinn des § 115 Absatz 4 ZPO gehören auch Entschädigungszahlungen, die auf der Grundlage des § 15 Absatz 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) geleistet werden. § 115 Absatz 4 ZPO verweist lediglich auf § 90 SGB XII. Unerheblich ist daher, ob eine Entschädigungszahlung gemäß § 15 Absatz 2 AGG nach § 11a Absatz 2 SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch) nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Der Einsatz von Entschädigungen, die auf der Grundlage des § 15 Absatz 2 AGG geleistet werden, stellt auch nicht grundsätzlich eine Härte im Sinn des § 90 Absatz 3 SGB XII dar. Die Regelung in § 90 Absatz 3 SGB XII gibt keinen Anhalt dafür, weshalb die Verwertung beziehungsweise der Einsatz einer Entschädigungszahlung allgemein eine Härte für den Antragsteller bedeuten soll. Bei Entschädigungszahlungen nach § 15 Absatz 2 AGG handelt es sich um pfändbare Ansprüche. Bereits hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Zahlungen nicht generell bei dem Antragsteller verbleiben müssen. Die Entschädigungszahlung gemäß § 15 Absatz 2 AGG hat eine Doppelfunktion: Sie dient einerseits der vollen Kompensation des immateriellen Schadens und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist (BAG (Bundesarbeitsgericht) 28. Oktober 2021 - 8 AZR 371/20 - Randnummer 16; 27. August 2020 - 8 AZR 62/19 - Randnummer 86). Diese Zweckrichtung rechtfertigt nicht per se, den Einsatz einer Entschädigung als Härte für den Antragsteller zu bewerten. Anders als bei einem Schmerzensgeld steht hier gerade nicht die schadensausgleichende Funktion und opferbezogene Merkmale wie Umfang und Dauer der Schmerzen, Entstellungen, Leiden und Eingriffe in das Leben des Opfers im Vordergrund. Für eine Entschädigungszahlung nach § 15 Absatz 2 AGG kommt es nicht darauf an, ob dem Benachteiligten konkrete Einbußen in seiner Lebensführung entstanden sind (vergleiche zu einer Entschädigung wegen einer Persönlichkeitsverletzung auch BGH (Bundesgerichtshof) 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05 - Randnummer 13 fortfolgende; vergleiche ferner LAG (Landesarbeitsgericht) Rheinland-Pfalz 21. Februar 2022 - 5 Ta 13/22 - Juris-Randnummer 12 fortfolgende).
2. Dem Kläger ist gemäß § 118 Absatz 2 Satz 2 ZPO aufgegeben worden, bis zum 21. November 2022 alle Entschädigungen, die der Kläger seit August 2021 - im August 2021 hat sich der Kläger bei dem Beklagten beworben - bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erhalten hat, anzugeben, und zu dem Verbleib dieser Vermögenswerte im Einzelnen vorzutragen. Die Verfügung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. November 2022 zugestellt worden. Der Kläger hat innerhalb der Frist angegeben, dass er Entschädigungen in Höhe von insgesamt ... Euro erhalten hat. Der Kläger hat aber zum Verbleib dieses Vermögens nicht im Einzelnen vorgetragen. Er beschränkt sich auf den Vortrag, die Entschädigungszahlungen seien aufgebraucht worden, dies ergebe sich aus den Kontoauszügen, er habe Rückstände bei seinen Darlehensgebern oder habe Rechtsanwaltskostenvorschüsse zahlen müssen. Aus den Kontoauszügen ergibt sich bereits lediglich ein Zufluss von Entschädigungszahlungen in Höhe von ... Euro. Da dem Kläger aufgegeben wurde, im Einzelnen zu dem Verbleib der Entschädigungen vorzutragen, genügt ein allgemeiner Hinweis auf Kontoauszüge und/oder auf Zahlung von Darlehensrückständen und/oder von Rechtsanwaltskostenvorschüssen zudem nicht. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass und welche konkreten bereits fälligen Verbindlichkeiten der Kläger mit Einsatz der Entschädigungen getilgt haben will. Hierbei ist auch zu beachten, dass eine Partei, die einen Prozess führt, ihre finanziellen Dispositionen so gestalten muss, dass sie ihr vorhandenes Vermögen für die Tragung der Prozesskosten einsetzt. Wird ein Prozess eingeleitet, darf die Partei vorhandenes Vermögen, welches möglicherweise für die Prozesskosten benötigt wird, grundsätzlich nur für unbedingt notwendige Ausgaben verwenden. Unbedingt notwendig sind die Tilgung fälliger Forderungen und alle Ausgaben, die für einen beim Bezug einer Sozialleistung angemessenen Lebensstandard benötigt werden (vergleiche hierzu etwa BGH 20. Juni 2018 - XII ZB 636/17 - Randnummer 7 fortfolgende; MüKoZPO/Wache, 6. Auflage 2020, ZPO § 115 Randnummer 75, 76).
3. Bei einem Vermögen in Höhe von ... Euro wäre der Kläger aber in der Lage die voraussichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen. Als Schonvermögen ist ein Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro zu berücksichtigen (vergleiche aber auch BGH 20. Juni 2018 - XII ZB 636/17 - Randnummer 9, wonach dann, wenn Rechtsverfolgungskosten absehbar sind, vorhandenes Vermögen nicht mehr leichtfertig für nicht unbedingt notwendige Zwecke ausgegeben werden darf und wenn dies gleichwohl geschieht, sich der Antragsteller die ausgegebene Summe als fiktives Vermögen anrechnen lassen muss und sich insoweit auch nicht mehr auf den Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII berufen kann). Selbst wenn als fällige Verbindlichkeit die Forderung in Höhe von ... Euro (Zwangsvollstreckungssache DR II .../22) in Abzug gebracht würde, verbliebe ein einzusetzendes Vermögen in Höhe von ...Euro. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen Verbindlichkeiten, die in Raten zurückzuzahlen sind und noch nicht fällig sind. Der Betrag von ... Euro übersteigt aber deutlich die voraussichtlichen Prozesskosten in Höhe von ... Euro (bei einem Streitwert von 6.000,00 Euro entstehen Gerichtsgebühren in Höhe von 582,40 Euro (3,2 Gebühren in Höhe von 182,00 Euro) und Anwaltsgebühren in Höhe von 1.319,49 Euro (Verfahrensgebühr in Höhe von 624,00 Euro (1,6 Gebühren in Höhe von 390,00 Euro), Terminsgebühr in Höhe von 468,00 Euro (1,2 Gebühren in Höhe von 390,00 Euro), Mehrwertsteuer 207,48 Euro und 20,00 Euro Auslagen).
4. Der Einsatz seines Vermögens in Höhe von ... Euro wäre dem Kläger auch zumutbar. Der Kläger ist unter Berücksichtigung seines sonstigen Einkommens auf diesen Betrag zur adäquaten Lebensführung nicht angewiesen.
B. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil Gründe für ihre Zulassung nach § 78 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Absatz 2 ArbGG nicht gegeben sind.
C. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.