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Beschluss vom 09.01.2023 · IWW-Abrufnummer 235673

Landesarbeitsgericht Hamburg - Aktenzeichen 7 Ta 32/22

Wird der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch als unechter Hilfsantrag - mithin für den Fall des Obsiegens mit der Klage nach § 4 KSchG - gestellt, ist dieser gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nur dann streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn über ihn eine Entscheidung ergeht. Dies gilt auch im Falle eines Vergleichsschlusses.


Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. November 2022 - 25 Ca 254/22 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für die Klage auf 17.502,00 € festgesetzt.

Für den Vergleich vom 04. November 2022 wird ein Mehrwert von 5.834,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die befristete Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit, hier gegen die erfolgte Festsetzung eines Wertes für einen Weiterbeschäftigungsantrag in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren.

Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien über eine Kündigungsschutzklage wegen einer von der Beklagten ausgesprochenen Beendigungskündigung vom 15. September 2022. Der Kläger war bei der Beklagten als Marketing Manager zu einer Bruttomonatsvergütung von 5.834,00 € beschäftigt. Mit Klage vom 30. September 2022 kündigte der Kläger einen Kündigungsfeststellungsantrag bzgl. der Kündigung vom 15. September 2022 (Feststellungsantrag zu 1.), einen allgemeinen Feststellungsantrag sowie den Antrag an, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu unveränderten Bedingungen als Marketing Manager entsprechend dem im Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2021 vorgesehenen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterzubeschäftigen.

Mit gerichtlichem Vergleich vom 04. November 2022 - 25 Ca 254/22 - vereinbarten die Parteien ua. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Oktober 2022, ferner unter Ziff. 3 eine Zeugnisregelung mit guter Leistungs- und Verhaltensbeurteilung.

Mit Schriftsatz vom 08. November 2022 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Mitteilung des Streitwerts.

Mit Schreiben vom 08. November 2022 teilte das Arbeitsgericht mit, es sei eine Gegenstandswertfestsetzung für die Klage iHv. 23.336,99 € und für den Vergleich auf einen Mehrwert von 5.834,00 € beabsichtigt.

Mit Schriftsatz vom 21. November 2022 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, die Rechtsschutzversicherung des Klägers vertrete die Auffassung, dass der Streitwert für die Klage 17.502,00 € betragen müsse.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Beschluss vom 22. November 2022 - 25 Ca 254/22 - den Gegenstandswert für die Klage auf 23.336,00 € und für den Vergleich auf einen Mehrwert iHv. 5.834,00 € festgesetzt.

Gegen den am 25. November 2022 ihm über seinen Prozessbevollmächtigten zugestellten Beschluss hat der Kläger mit einem am 28. November 2022 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt die Beschwerde aus, die Rechtsschutzversicherung habe die Anweisung zur Einlegung der Beschwerde erteilt. Der Streitwert für die Klage ergebe sich aus § 42 Abs. 2 GKG und belaufe sich auf 17.502,00 €.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Beschwerde durch Beschluss vom 02. Dezember 2022 - 25 Ca 254/22 - nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Parteien hätten um die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung (Klagantrag zu Ziff. 1), sowie um Weiterbeschäftigung (Klagantrag zu Ziff. 3) gestritten. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers sei mit 5.834,00 € angegeben worden. Ausgehend hiervon habe das Gericht für den Klagantrag zu Ziff. 1 als Kündigungsschutzantrag einen Gegenstandswert von drei Bruttomonatsgehältern zu je 5.824,00 € = 17.502,00 € und für den Weiterbeschäftigungsantrag zu Ziff. 3 ein Bruttomonatsgehalt (im Nichtabhilfebeschluss insoweit mit 6.828,00 € beziffert) festgesetzt. Der allgemeine Feststellungsantrag zu Ziff. 2 habe sich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt. Der Weiterbeschäftigungsantrag zu Ziff. 3 habe sich indes streitwerterhöhend ausgewirkt, da er als echter Klagantrag angekündigt und mit der Klage rechtshängig gemacht worden sei.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme zur Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts. Eine weitergehende Äußerung ist nicht erfolgt.

II.

Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Sie ist zulässig und unbegründet.

1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden.

a) Die Beschwerde ist statthaft, weil sie von einem Beschwerdeberechtigten eingelegt worden ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).

aa) Beschwerde einlegen können die Antragsberechtigten. Dies ist ua. der Auftraggeber (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG).

bb) Der Beschwerdewert ist der Unterschiedsbetrag zwischen derjenigen entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gesamtvergütung des Rechtsanwalts (Gebühren und Auslagen einschließlich Umsatzsteuer), die sich aufgrund der bisherigen Festsetzung ergibt und derjenigen entstandenen und voraussichtlichen Gesamtvergütung, die sich nach dem behaupteten und mit der Beschwerde erstrebten Wert ergibt (Touissant, Kostenrecht, 52. Aufl., § 33 RVG Rn. 27 mwN.). Dieser Unterschiedsbetrag beläuft sich auf mehr als 200,00 € und erreicht damit den erforderlichen Beschwerdewert. Der erstrebte Wert von nur 17.502,00 € für die Klaganträge führt - gegenüber dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Wert von insgesamt 23.336,00 € - zu einer um mehr als 200,00 € geringeren anwaltlichen Gesamtvergütung.

b) Die Beschwerde ist in der gesetzlichen Frist und Form bei dem dafür zuständigen Arbeitsgericht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3, Abs. 7 Satz 1 und 3 RVG). Gegen den am 25. November 2022 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger innerhalb von zwei Wochen einen am 28. November 2022 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz eingereicht, der den angefochtenen Beschluss bezeichnet und die Erklärung enthält, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde.

2. Die Beschwerde ist begründet. Der auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers festzusetzende Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) beträgt für die Klageanträge insgesamt lediglich 17.502,00 €.

Für den Vergleich ist - mit der Beschwerde nicht angegriffen - ein Mehrwert von 5.834,00 € anzusetzen, wie auch vom Arbeitsgericht zutreffend festgesetzt.

Für den Klagantrag zu 1. hat das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung von § 42 Abs. 2 GKG zutreffend einen Wert in Höhe eines Vierteljahresverdienstes von (3 x 5.834,00 € =) 17.502,00 € angesetzt. Auch war - wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt - der allgemeine Feststellungsantrag nicht werterhöhend.

Für den mit Klage angekündigten Weiterbeschäftigungsantrag war hingegen kein eigenständiger Wert anzusetzen.

a) Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ein unechter Hilfsantrag.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Antrag explizit nur "für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1." angekündigt worden ist

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch nur zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Dies gilt auch für einen unechten Hilfsantrag (BAG, Beschluss vom 13. August 2014 - 2 AZR 871/12 -, Rn. 3, juris).

Der unechte Hilfsantrag ist gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 GKG nur dann streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn über ihn eine Entscheidung ergeht; dies gilt auch im Falle eines Vergleichsschlusses (LAG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2015 - 4 Ta 17/15 -, Rn. 9, juris). Wird mit der Kündigungsschutzklage der unbedingte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch als Hauptantrag geltend gemacht, wirkt sich dieser streitwerterhöhend aus. Wird der Anspruch jedoch nur als unechter Hilfsantrag, also für den Fall des Obsiegens mit der Klage nach § 4 KSchG geltend gemacht, ist er für die Anwaltsgebühren nur zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden wird (LAG Hamburg, Beschluss vom 30. April 2014 - 1 Ta 6/14 -, Rn. 19, juris). Das ist vorliegend nicht geschehen, denn der Rechtsstreit ist von den Parteien vor Stellung der Anträge durch Vergleich vom 04. November 2022 erledigt worden.

Echte Hilfsanträge führen nur dann zu einer Streitwerterhöhung, wenn über sie entschieden wird, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. Entsprechendes gilt auch für unechte Hilfsanträge. Nur dann wenn in dem Vergleich eine Regelung über die Weiterbeschäftigung erfolgt, erhöht sich der Vergleichswert. Einer Streitwertaddition sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Kostennormen entgegenstehen. Denn die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG setzt voraus, dass sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder dass es an einem solchen Wert fehlt. Ein solcher ist hier aber gegeben. § 32 Abs. 1 RVG bestimmt, dass dann, wenn der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt wird, die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgeblich ist. Daraus ist zu folgern, dass § 32 RVG hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Wertvorschriften verweist, die für die Gerichtsgebühren gelten, also auch auf § 45 Abs. 1 S. 2 GKG. Der Zweck des § 45 Abs. 1 S. 2 GKG besteht offensichtlich darin, dass für Anträge, mit denen sich das Gericht nicht befasst hat - wie hier -, Gebühren nicht erhoben werden sollen. Zudem hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Kostenrechts - obwohl ihm der Streit um die Bewertung des unechten Hilfsantrages bekannt war - diesen nicht ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des § 45 Abs. 1 GKG herausgenommen. Es spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber die einzelnen Arten des Hilfsantrages kostenrechtlich nicht unterschiedlich behandeln wollte. All dies spricht für die hier vertretene Auffassung (LAG Hamburg, Beschluss vom 17. April 2014 - 2 Ta 2/14 -, Rn. 11-13, juris, unter Verweis auf LAG Niedersachsen, Beschluss vom 09. März 2009 - 15 Ta 53/09 -, juris).

b) Aus den - nicht bindenden - Empfehlungen im sog. "Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit" (vgl. zuletzt: NZA 2018, S. 498) der errichteten sog. "Streitwertkommission" ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. Zwar ist nach dort unter Ziffer I.26. der Wert eines Weiterbeschäftigungsantrages mit einem Bruttomonatsgehalt aufgeführt. Wenn jedoch - wie vorliegend - ein unechter Hilfsantrag vorliegt, geht auch der sog. Streitwertkatalog ausweislich dessen Ziffer I.18. davon aus, dass dann § 45 Abs. 1 S. 2 und 3 GKG gilt. Dies bedeutet, dass auch nach dem sog. Streitwertkatalog jedenfalls Anträge, über die keine Entscheidung ergeht, nicht werterhöhend zu berücksichtigen sind.

III.

1. Da die Beschwerde Erfolg hatte, war dem Beschwerdeführer keine Gebühr nach Nr. 8614 Kostenverzeichnis als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG aufzuerlegen.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens einander keine Kosten zu erstatten haben (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

3. Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nicht statt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Hinweise

Rechtskraft: ja

Vorschriften§ 42 Abs. 2 GKG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 3, Abs. 7 Satz 1 und 3 RVG, § 33 Abs. 1 RVG, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, § 45 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 4 KSchG, § 32 Abs. 1 RVG, § 32 RVG, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG, § 45 Abs. 1 GKG, § 45 Abs. 1 S. 2 und 3 GKG, § 3 Abs. 2 GKG, § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG