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Beschluss vom 06.09.2022 · IWW-Abrufnummer 235678

Landesarbeitsgericht Nürnberg - Aktenzeichen 1 TaBV 12/21

Warenserviceteams, die eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen, sind nicht in die Lohngruppe II 2 a des Lohntarifvertrags Bayern einzugruppieren. Sie sind schon wegen der Vielzahl ihrer Aufgaben keinem Beispiel dieser Lohngruppe zuzuordnen; ein Auffangbeispiel ("sonstige Arbeitnehmer") enthält nur die Lohngruppe II 2 b des Tarifvertrags.


Tenor:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 22.01.2021, Az. 12 BV 12/19, wird abgeändert.

II. Der Antrag wird abgewiesen.

III. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung mehrerer Arbeitnehmer nach einer Aufgabenänderung im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung.

Die Beteiligte zu 1.) betreibt bundesweit Warenhäuser, unter anderem in W.... Sie war bis 2019 an die Tarifverträge des Einzelhandels in Bayern gebunden, ist derzeit noch Mitglied im Verband ohne Tarifbindung. Der Beteiligte zu 2.) ist der für den Betrieb in W... gebildete Betriebsrat.

Unter dem 15.05.2019 vereinbarte die Antragstellerin mit dem Gesamtbetriebsrat einen "Interessenausgleich und freiwillige Betriebsvereinbarung Restrukturierung 2019" für sämtliche Betriebe, bezüglich dessen Inhalts auf die mit dem Antrag vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird (Anlage ASt 1, Bl.13 ff. d.A.). Teil des hierin vereinbarten unternehmerischen Sanierungskonzeptes ist die Einführung neuer Strukturen in den Filialen. Diese besteht in der Implementierung einer neuen Besetzungssystematik, die neben einer Straffung der Abteilungsleiterebene einen Wegfall der Funktionsebene Assistenten/Substituten und einen geänderten Einsatz von Verkäufen vorsieht. Insbesondere geht es um eine Aufgabentrennung zwischen Mitarbeitern mit Verkaufstätigkeit, Mitarbeitern mit Kassentätigkeit und solchen Mitarbeitern, die künftig als gewerbliche Mitarbeiter für den Warenservice zuständig sein sollen. Die entsprechenden Tätigkeiten der letztgenannten Mitarbeiter werden in einem Warenservice-Team (WST) gebündelt. Die Tätigkeit der Mitarbeiter dieses Teams beziehen sich auf alle Aufgaben im Bereich Warenvorbereitung, Warenmanipulation und Warenrepräsentation, sind aber auf diese Bereiche beschränkt.

Für die genaue Tätigkeit in den Warenserviceteams wurde eine Stellenbeschreibung erstellt (Anlage ASt 2 zur Antragsschrift, Bl. 21 ff. d.A.). In dieser ist festgelegt, dass der Bereich Warenservice abteilungsübergreifend alle Aufgaben zu übernehmen hat, die notwendig sind, um die Ware vom Zeitpunkt der Warenannahme bis zum Verkauf in einem repräsentationsfähigen Zustand präsentieren zu können. Dies umfasst Tätigkeiten wie das Auspacken, Einräumen, Nachfüllen, Abschriften, Bestandskontrollen, Ordnen und ähnliches. Zum Warenaufbau im Rahmen funktionaler Ordnungskriterien gehören etwa das Bestücken von Stamm-, Aktions- und Themenflächen oder auch die Herausstellung von Top-Angeboten mit entsprechender Warenpräsenz. Hierzu gehört auch der Transport gelieferter Ware zum Manipulationsbereich/Pufferfläche bzw. dem Filiallager und von hier in die entsprechenden Verkaufsabteilungen, zur Einlagerung oder Zwischenlagerung. Dazu kommen das Auspacken der Ware sowie das Sichern, Auszeichnen und Aufbügeln. Die Mitarbeiter haben Retouren, Rücklieferungen und Umlagerungen zu bearbeiten und zentral vorgegebene Abschriften durchzuführen. Sie ordnen und sortieren an Tischen und Regalen, überprüfen Größensortierungen, sortieren Ware wieder an den Ursprung ein, achten auf die Kabinen und entsorgen Bügel und Verpackungen. Sie sind für Sauberkeit und Ordnung in ihrem Bereich verantwortlich und reinigen Tische, Regale und Warenständer in Abstimmung mit der Erstkraft im Team oder dem Abteilungsleiter. Sie korrigieren die Bestände und führen ggf. Korrekturen durch. Sie unterstützen bei Inventuren, nehmen hierfür Vor- und Nachbearbeitungsarbeiten vor. Sie pflegen die Hand- und Reserveläger hinsichtlich Struktur, Sauberkeit und Ordnung. Sie geben Anstöße zur Größe und Lage der Läger sowie zur Optimierung der Lagerstätten. Sie arbeiten mit den Logistik-Mitarbeitern zusammen und leiten Kunden an das Verkaufspersonal weiter, mit dem sie - wie auch mit den Mitarbeitern des Kassenteams und der Schauwerbeabteilung - ebenfalls eng zusammenarbeiten.

Die Tätigkeit im WST ist zudem im Prozesshandbuch Warenserviceteam (Anlage ASt 6 zur Antragsschrift, Bl. 62 ff. d.A.) sowie im Leitfaden hierzu (ebenda, Bl. 94 ff. d.A.) im Einzelnen beschrieben.

Die Beteiligte zu 1.) bot den bisher auch mit anderen Tätigkeiten beschäftigten Mitarbeitern im Rahmen des Interessenausgleichs diese Stellen im WST an. Hierzu heißt es im Interessenausgleich vom 15.05.2019 auszugsweise wie folgt:

§ 3. II. 2.

a) Tätigkeitswechsel in das WST

...

cc) Bestandsschutz

Mitarbeiter, die aufgrund der unter aa) und bb) genannten Maßnahmen in das WST wechseln, erhalten die Zusage, dass ihre bisherigen Einkünfte unabhängig von ihrer tariflichen Neueingruppierung statisch weitergezahlt werden, d.h. sie erhalten die Differenz zwischen dem sich bei bisheriger Eingruppierung und dem bei neuer Eingruppierung ergebenden Gehalt als anrechenbare übertarifliche Zulage.

Das WST wurde auch in der Filiale W... eingeführt. Die im Antrag bezeichneten Mitarbeiterinnen haben der Änderung ihrer Tätigkeit im Rahmen des Freiwilligenprogramms schriftlich zugestimmt.

Der Beteiligte zu 2.) wurde durch die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.07.2019, bei ihm eingegangen am 11.07., unter Beifügung der Tätigkeitsbeschreibung über die beabsichtigten Versetzungen und Umgruppierungen von der bisherigen Entgeltgruppe G2 06 in die Lohngruppe L A II a unterrichtet und um Zustimmung gebeten.

Mit Schreiben vom 11.07.2019, bei der Beteiligten zu 1.) eingegangen am 16.07.2019, stimmte der Beteiligte zu 2.) den Versetzungen ausdrücklich zu, widersprach aber den beabsichtigten Umgruppierungen mit jeweils gleichlautender umfangreicher Begründung. Hierbei wies er insbesondere darauf hin, dass die Tätigkeiten nicht als leichte bezeichnet werden könne, weil nicht nur eine kurze Anweisung zur ihrer Ausübung genüge, sondern eine Einarbeitungszeit von mindestens einem Jahr oder eine betriebliche Ausbildung nötig sei und weil umfangreiche Kenntnisse über Waren- und Prozessabläufe nötig seien. Damit seien die Mitarbeiter in eine höhere Tarifgruppe einzustufen. Hinsichtlich der Anträge auf Zustimmung zur Umgruppierung und zur Zustimmungsverweigerung durch den Beteiligten zu 2.) wird auf das mit dem Antrag vorgelegte Konvolut verwiesen (Bl. 39 ff. d.A.).

Der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/innen im Einzelhandel in Bayern enthält in der Lohngruppenabteilung A unter anderem folgende Regelungen:

Lohngruppe II:

Arbeitskräfte für Tätigkeiten, die ohne berufliche Vorbildung oder Ausbildung ausgeführt werden können, die aber entweder gewisse Fertigkeiten, Übung oder Erfahrung oder in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordern.

Lohnstaffel II a)

Beispiele:

Abfüller/Abfüllerin, Abpacker/Abpackerin, Abwieger/Abwiegerin, Aufwartekräfte, Auffüller/Auffüllerin, Ausgeher/Ausgeherin, Auszeichner/Auszeichnerin, Buffetkräfte, Etikettierer/Etikettiererin, Gehilfen/Gehilfin in Imbissecken, Milchbars usw., Kaffeeverleser/Kaffeeverleserin, Wächter/Wächterin.

Lohnstaffel II b)

Beispiele:

Fahrer/Fahrerin für Elektrokarren und Hubstapler, Fahrstuhlführer/Fahrstuhlführerin, Heizer/Heizerin, Lagerarbeiter/Lagerarbeiterin, Packer/Packerin, Pförtner/Pförtnerin sowie sonstige Arbeitskräfte, soweit sie die Voraussetzungen der Lohngruppe III nicht erfüllen.

Lohngruppe III:

Arbeitskräfte, die die für ihren Berufszweig vorgesehene Lehrabschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten oder einem artverwandten Beruf beschäftigt sind sowie in diesen Berufen angelernte oder tätige Kräfte mit 4-jähriger Tätigkeit im gleichen Beruf, soweit sie die gleichen Leistungen aufweisen.

Der Gehaltstarifvertrag vom 17.07.2019 enthält - wie auch die Vorgängertarifverträge - für die Angestellten, soweit vorliegend von Interesse, folgende Regelungen:

1. Angestellte ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung

Beschäftigungsgruppe I A

Tätigkeitsmerkmale:

Tätigkeiten, für die berufsbezogene Vorkenntnisse nicht erforderlich sind: Ablegen, Einheften, Vervielfältigen, Sortieren nach einfachsten Ordnungsmerkmalen (Zahlen, Farben).

Beschäftigungsgruppe I B

Angestellte, die die Voraussetzungen der Beschäftigungsgruppe II nicht erfüllen.

2. Angestellte mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung

...

Beschäftigungsgruppe II

Tätigkeitsmerkmale:

Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten.

Beispiele:

Verkäufer/Verkäuferin, auch solche mit Kassiertätigkeit; Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit in Warenannahme, Lager und Versand; Warenausgabe mit Kontrolltätigkeit; Angestellte in der Buchhaltung, in Registratur, Kalkulation, Rechnungsprüfung, Auftragsbearbeitung, Personalkontrolle; Stenotypist/Stenotypistin, Phonotypist/Phonotypistin; Telefonist/Telefonistin; Fernschreiber/Fernschreiberin; Fakturist/Fakturistin; Kassierer/Kassiererin mit einfacher Tätigkeit; Gestalter/Gestalterin für visuelles Marketing (Dekorateur/Dekorateurin), Schauwerbegestalter/Schauwerbegestalterin.

Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben des Einzelhandels in Bayern vom 09.12.2013 lautet, soweit vorliegend von Interesse, wie folgt:

§ 9 Gehalts- und Lohnregelung

...

2. Die Beschäftigten werden im Gehalts- und Lohntarifvertrag in Beschäftigungsgruppen bzw. Lohngruppen eingruppiert (Festlegung von Beschäftigungsgruppe, Tätigkeitsjahren bzw. Berufsjahren, Lohngruppenabteilung, Lohngruppe, Lohnstaffel sowie Ortsklasse). Für die Eingruppierung kommt es auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an.

3. Übt ein Beschäftigter/eine Beschäftigte dauernd mehrere Tätigkeiten nebeneinander aus, die unter verschiedene Beschäftigungs- oder Lohngruppen fallen, erfolgt die Eingruppierung entsprechend der zeitlich überwiegenden Tätigkeit. Lässt sich eine überwiegende Tätigkeit nicht feststellen, erfolgt die Bezahlung nach der höheren Beschäftigungs- bzw. Lohngruppe.

Die Beteiligte zu 1.) hat mit Schriftsatz vom 02.12.2019, beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tag, die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2.) zu den begehrten Umgruppierungen beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die den Mitarbeitern nunmehr übertragenen Tätigkeiten könnten ohne berufliche Vorbildung oder Ausbildung ausgeführt werden, erforderten aber gewisse Fertigkeiten, Übung und Erfahrung. Das verstehe sich für das Auspacken der Ware, die Entfernung oder Sicherung von Umkartons, Folien und Papiereinlagen von selbst. Dasselbe gelte für das Aufbügeln, Umbügeln oder Falten von Kleidungsstücken nach Standardvorgaben sowie für das Sortieren der Artikel nach Größe, Farbe, Variante oder Marke. Auch das Sichern der Artikel nach vorgegebenen Wertgrenzen und Standards erfordere eine solche Ausbildung nicht. Dasselbe gelte für das Aussortieren und Separieren von Extra-Bestellungen von Kunden und des nur ausnahmsweise notwendigen Auszeichnens von Waren, bei denen in den meisten Fällen die zu verwendenden Preisetiketten beilägen. Nur wenn die Etiketten fehlten, müssten die Mitarbeiter zur Preisermittlung das System "isi" nutzen, wenn an der Ware eine EAN-Nummer vorhanden sei, und anschließend die Etiketten über den Etikettendrucker ausdrucken. Bei Fehlen einer EAN-Nummer müssten Erstkraft, Zentraleinkauf oder Lieferfirma nach dem Preis gefragt werden. Beim Verräumen von Waren müssten die Mitarbeiter strikt nach dem Prozesshandbuch und den "Visual-Merchandising"-Vorgaben vorgehen und hätten keine eigenen Spielräume. Hier gebe es Standard-Regalbelegungspläne, Vorgaben zur Warenplatzierung sowie Präsentationsrichtlinien; diese enthielten konkrete Vorgaben für die Unterteilung der Waren, zum Farbaufbau, zur Hängetechnik, zur Bestückung der Warenträger bis hin zu Falttechniken. Über Abweichungen entschieden Erstkraft oder Abteilungsleiter. Darüber hinaus gebe es zusätzliche Wocheninformationen. Auch das Ordnen, Sortieren, Aufbügeln, Falten und ähnliche Tätigkeiten vor oder während der Verkaufszeiten erforderten keine lange Einarbeitung oder Ausbildung. Erst recht gelte dies für das Aufräumen der Umkleidekabinen und die Einsortierung der dort zurückgelassenen Kleidungsstücke sowie für Reinigungsarbeiten. Entsprechende Tätigkeiten ergäben sich bei Aktionsauf- und -abbauten und bei Shop-Umbauten sowie bei Abteilungsumgestaltungen, bei denen eigene Entscheidungsbefugnisse nicht beständen. Die Durchführung von Abschriften erfolge grundsätzlich nach den definierten Standards im Benutzerhandbuch "isi Bestand und Preis pflegen". Hierzu müsse der Mitarbeiter entsprechend einer ihm von der Erstkraft übergebenen Liste den Artikel identifizieren und in mit dem Mobida-Gerät abscannen sowie mit dem WLAN-Drucker das Etikett ausdrucken und auf die Ware kleben. Die Bestandspflege beschränke sich auf Abscannen mit dem Mobida-Gerät, um abzulesen, ob die dort aufgeführten Artikel vorhanden bzw. ob fehlende Artikel im Lager vorhanden seien. Bei Retouren, Umlagerungen und speziellen Warenbearbeitungen müssten die Artikel ein- oder ausgelagert werden. Überware werde direkt beim Eingang der Ware aussortiert oder in Transporthilfsmitteln gesammelt. Retouren müssten entsprechend einer Liste herausgesucht, der Artikel eingescannt und die Ware transport- oder versandfertig gemacht werden. Auch für diese Tätigkeit seien keinerlei gesonderten Kenntnisse erforderlich. Bei Kundenkontakten finde keine Beratung statt. Allenfalls werde dem Kunden eine kurze Hilfestellung gegeben, wo eine bestimmte Ware zu finden sei. Im Übrigen würden die Kunden ans Verkaufspersonal weitergeleitet.

Die Antragstellerin trägt vor, die in den Anträgen genannten Mitarbeiterinnen seien in die Lohngruppe L II a) richtig eingruppiert. Deshalb seien die verweigerten Zustimmungen zur Umgruppierung der Arbeitnehmerinnen in die Lohngruppe L II a) zu ersetzen. Die in der Lohngruppe L II a) beispielhaft genannten Tätigkeiten entsprächen den Tätigkeiten, die die Mitarbeiter im WST verrichteten. Die Tätigkeit der Mitarbeiter im WST sei eine gewerbliche, körperlich geprägte Tätigkeit, sie werde hingegen nicht selbständig im Sinne einer kaufmännischen Tätigkeit durchgeführt. Die gewerbliche Tätigkeit ziehe eine Eingruppierung in den Lohntarifvertrag nach sich. Es handle sich um Tätigkeiten, die ohne berufliche Vor- oder Ausbildung durchgeführt werden könnten, die aber gewisse Fertigkeiten, Übung und Erfahrung im Sinne der Lohngruppe L II a) erforderten. Die Tätigkeit im WST stelle eine reine Unterstützungstätigkeit für den Verkauf dar. Eine kurze Einarbeitung zur Übernahme dieser Tätigkeit von etwa 18 Stunden mit Vorkenntnissen und etwa 47,5 Stunden ohne Vorkenntnisse reiche aus. Mindestens 95 % der Tätigkeit sei gewerblicher Natur, da sie körperlich geprägt sei. Da durch die Mitarbeiter des WST keine Kundenberatung erbracht werde, habe ihre Tätigkeit nicht dieselbe Wertigkeit wie die eines Verkäufers. Auch der gesamte Vorgang der Bestandsdatenpflege, der Retouren und der Umlagerungen und Abschriftensteuerungen sei eine rein mechanische Tätigkeit. Durch die detaillierten Vorgaben u.a. durch das Prozesshandbuch bestehe für die Mitarbeiter des WST auch kein Gestaltungsspielraum. Den Mitarbeitern verbleibe kein Entscheidungsspielraum, zum Beispiel wie die Waren zu präsentieren seien. Es bedürfe keiner eigenen Kreativität, Warenkunde oder Erfahrung der Mitarbeiter. Auch im Zusammenhang mit dem Auf- oder Umbügeln bzw. Sortieren der Ware bestehe für die Mitarbeiter kein eigener Entscheidungsspielraum. Dabei müssten die WST-Mitarbeiter die Vorgaben aus dem Prozesshandbuch auch nicht auswendig lernen oder im Einzelnen kennen, da die gemachten Vorgaben verstetigt seien und ihnen im Rahmen der Einarbeitung bekannt gemacht würden. Ein darüber hinaus anfallender Lernaufwand bestehe nicht. Einige der Aufgaben, wie zum Beispiel Kabine aufräumen, seien auch selbsterklärend.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die Tätigkeit im WST erfülle keines der Regelbeispiele der Lohngruppe II b). Insbesondere seien die Mitarbeiter im WST keine Lagerarbeiter, da sie vor allem auf der Verkaufsfläche, nicht aber im Lager tätig sein. Auch für die beispielhaft für die Lohngruppe II a) genannten Tätigkeiten müsse man allgemeine Prozessabläufe kennen. Die Tätigkeit im WST stelle jedenfalls eine einfache Tätigkeit dar, die ohne berufliche Vorbildung auszuführen sei. Die Tätigkeit sei weniger beim Verkauf als vielmehr in der reinen Warenlogistik zu verorten, da der wesentliche Teil aus Auspacken, Sichern, Auffüllen, Aufbügeln und Sortieren bestehe. Es handle sich dabei fast ausschließlich sowohl hinsichtlich des zeitlichen Anteils als auch bezüglich der Kenntnisse, Fertigkeiten und der Bedeutung der Tätigkeit um körperliche Arbeit. Der Zeitanteil an kaufmännischen Tätigkeiten sei dagegen sehr gering. Bei der Arbeit mit Retouren, den Umlagerungen und Bestandskorrekturen arbeiteten die WST-Mitarbeiter mit einem SAP-gesteuerten Programm. Dies erfordere keine weitergehenden Kenntnisse, es handele sich dabei vielmehr um einfachste Computertätigkeit, die in der heutigen Zeit ohne Probleme bewältigt werden könne. Damit sei auch die Eingruppierung in den Gehaltskatalog G ausgeschlossen.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1.) hat daher erstinstanzlich beantragt,

Die vom Beteiligten zu 2.) verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter

H...

P...

R...

D...

G...

K...

Kl...

Ho...

N...

M...

He...

E...

Ki...

S...

Kü...

in die Lohngruppe L II a nach Maßgabe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.

Der Beteiligte zu 2.) hat dagegen beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2.) hat eingewandt, die Eingruppierung in die Lohngruppe II 2 a) entspreche nicht dem anwendbaren Tarifvertragsgefüge. Die Antragstellerin berücksichtige nicht, dass im WST umfangreiche Lagertätigkeiten anfielen. Für die Tätigkeiten seien kaufmännische Kenntnisse und umfassende Kenntnisse in den Arbeitsabläufen notwendig, um die gestellten Vorgaben zu erfüllen. Es handle sich nicht um leichte Tätigkeiten, die nach Einarbeitung oder Anleitung erbracht werden könnten. Schließlich bestehe allein das Prozesshandbuch aus über 50 Seiten. In Lohnstaffel II 2 a) seien lediglich Tätigkeiten aufgeführt, die ohne Warenkenntnisse und Prozessabläufe auskämen. Dagegen müssten die Mitarbeiter im WST bei der Sicherung der Ware nach unterschiedlichen Sicherungsvorgaben, beim Aufbau der Ware nach WM-Guidelines, bei der Durchführung von Shop-Umbauten, bei der Durchführung von Abschriften/Plusschriften, bei der Bearbeitung von Retouren/Rücklieferungen/Bestandskorrekturen/Ein- und Umlagerungen, bei Zuständigkeiten im Omnichannel-Service, bei Kommissionierung/Verpackung/Versenden von Kundenbestellungen und bei der Bearbeitung von Kundenreservierungen eher kaufmännische Tätigkeiten ausführen; diese machten über 50 % des Tätigkeitsanteils aus. Gerade die Tätigkeiten am Omnichannel verlangten planerische und organisatorische Fähigkeiten, wie sich schon aus dem Handbuch Abschnitt 3 Ziff. 3.2.1 ergebe. Es müssten Listen gedruckt, kopiert und verteilt werden, Stornierungen versandt, zu versendende Artikel erfasst, Reservierungen bestätigt werden. Schon der Inhalt des Prozesshandbuchs zeige, dass die Tätigkeiten einer Einarbeitungszeit von mindestens einem Jahr bedürften. Es handle sich gerade nicht um eine reine Unterstützungstätigkeit. Auch bei Versand und Warenannahme seien umfassende Kenntnisse über den Betriebsablauf unerlässlich. Dasselbe gelte für die Warenerfassung mit dem mobilen Datensystem, bei dem verschiedene Funktionen benutzt und bedient werden müssten.

Die Antragstellerin hat sich auf die Aufschreibung von Tätigkeiten in den Filialen I... und F... berufen und erklärt, im Kaufhaus in W... gelte dies entsprechend (Schriftsatz vom 02.12.2019, Bl. 128 ff. d.A. bzw. Anlage ASt 8 zu diesem Schriftsatz, Bl. 146 f. d.A.). Sie meint, die Eingruppierung in die Gehaltsstaffel scheide aus, weil das Gepräge der Tätigkeiten durch körperliche Arbeiten bestimmt sei. Die Lohngruppe II 2 a) scheide nicht deswegen aus, weil gewisse Kenntnisse gefordert wären. Diese seien auch nach der Lohngruppe II 2 a) verlangt. Das Regelbeispiel des Lagerarbeiters nach II 2 b) sei nicht erfüllt, da die Mitarbeiter hauptsächlich in der Verkaufsfläche tätig seien. Die nur gut 18 Stunden für Mitarbeiter mit Vorkenntnissen und 47,5 Stunden für Mitarbeiter ohne Vorkenntnisse nötige Einarbeitungszeit entsprechend einer Checkliste (Anlage ASt 11, ebenda, Bl. 199 ff. d.A.) zeige, dass die allgemeinen Vorgaben der Lohngruppe II 2 a) eingehalten seien. Darüber hinaus hätten die Mitarbeiter keine Entscheidungsspielräume, benötigten keine besonderen Warenkenntnisse. Das Abarbeiten von Retouren nach einer Retourenliste, für deren Aussehen auf ein Beispiel verwiesen werde (Anlage ASt 12, ebenda, Bl. 202 ff. d.A.) zeige ebenfalls, dass besondere Kenntnisse nicht benötigt würden. Soweit Computerkenntnisse verlangt würden, seien diese einfachster Art.

Der Beteiligte zu 2.) hat eingewandt, die von der Antragstellerin vorgelegte Stellenbeschreibung sei nicht oder nicht mehr korrekt. Diese sei in etlichen Punkten geändert worden. Der Verantwortungsbereich der Mitarbeiter gehe sehr viel weiter als ursprünglich vorgesehen. Insbesondere sei auf folgende Punkte zu verweisen (Schriftsatz vom 02.12.2019, Bl. 207 ff. d.A. und Anlage AG 1 hierzu, Bl. 211 ff. d.A.):

Aufgaben

Vorbereitung/Manipulation der Ware/Auffüllen

Die Mitarbeiter übernehmen die Ware am Übergabepunkt in der Filiale und transportieren sie zum Manipulationsbereich/Pufferfläche bzw. Filiallager und in die entsprechenden Verkaufsabteilungen.

Der Mitarbeiter WST bereitet die Ware für die verkaufsfördernde Warenpräsentation unter Einhaltung der vorgegebenen Standards vor (unter anderem Zonen- und Trendkonzepte). Dies gilt auch für Werbemaßnahmen und Aktionen sowie bei Umbauten.

Der Mitarbeiter packt aus, sichert, zeichnet die Ware aus und bügelt sie auf, sofern diese Leistung nicht bereits durch die ZEWA (ZentraleWarenAufbereitung) oder den Lieferanten erbracht wurde.

Er bearbeitet Retouren, Rücklieferungen und Umlagerungen und führt zentral vorgegebene Abschriften durch.

Der Mitarbeiter hält die Verkaufsabteilung in einem verkaufsfähigen Zustand (das Ordnen und Sortieren von Tischen und Regalen, Größensortierung überprüfen, verhangene Ware wieder an den Ursprung zu sortieren, Kabinendienst, Entsorgung von Bügeln und Verpackungen). Die Reinigung von Tischen, Regalen und Warenträgern erfolgt in Abstimmung mit dem Vorgesetzten

Der Mitarbeiter räumt und sortiert die Ware nach funktionalen Ordnungskriterien im Warenaufbau (Visual Merchandising-Guidelines). Hierzu gehört auch das Bestücken von Stamm-, Aktions- und Themenflächen sowie Shopumbauten (im Rahmen der vertraglichen Regelungen).

Organisation & Prozesse/Lagerhaltung

Der Mitarbeiter WST kontrolliert die Bestände und führt ggf. Korrekturen durch. Er unterstützt bei der Durchführung sowie Vor- und Nachbereitung von Inventuren und pflegt alle Hand- und Reserveläger bzgl. der Struktur, Sauberkeit und Ordnung.

Außerdem gibt er Anstöße zur Größe und Lage der Läger sowie zu Optimierungen der Lagerbestände bzgl. der Hand- und Reserveläger an seinen Vorgesetzten weiter.

Omnichannel Prozesse

Der Mitarbeiter WST übernimmt alle Aufgaben der Omnichannel-Prozesse, Online-Filial-Versand (OFV), Click&Reserve (i. d. R. nur Such- und Pickvorgang/Kenn-zeichnung/Kundenbenachrichtigung) und Click&Collect (i. d. R. nur Paketzuführung an Service/Bearbeitung Retouren). Dies umfasst Tätigkeiten wie das Heraussuchen, Sortieren und Bereitstellen der Ware an den definierten Orten der Filiale, das Verpacken und Übergeben der Ware an den Warenausgang sowie die Bearbeitung von Belegen und der notwendigen systemischen Eingaben am PC/PAD/Smartphone. Außerdem stellt der Mitarbeiter WST eine ausreichende Versorgung/Bevorratung von Verpackungsmaterial für den Prozess OFV sicher.

Der Mitarbeiter übernimmt die Bestandsbearbeitung der Hochzeitstische und Geburtstagskisten.

Generelle Zusammenarbeit und Schnittstellen

Er arbeitet eng mit allen WST- und Logistik-Mitarbeitern zusammen, um einen schnellen Warendurchfluss zu ermöglichen. Dadurch arbeitet er eng mit den Mitarbeitern der Verkaufsabteilungen, dem Kassenteam und der Schauwerbeabteilung zusammen.

Er leitet den Kunden unter Berücksichtigung der Kundenorientierung an das Verkaufspersonal weiter.

Zur Erfüllung seiner Aufgaben arbeitet er mit den Abteilungsgruppen und Dienstleistungsbereichen der Filiale zusammen.

Die Antragstellerin hat erklärt, in der Tat handle es sich hierbei um die finale Version der Stellenbeschreibung.

Das Arbeitsgericht hat bei den tarifschließenden Parteien eine Tarifauskunft hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale, die die Tarifvertragsparteien bei der Einteilung der Tätigkeiten in die Beispiele der Lohnstaffel II a), bzw. Lohnstaffel II b) herangezogen haben, eingeholt. Hinsichtlich der jeweils erteilten Auskünfte wird verwiesen auf Bl. 235 ff. (ver.di) und Bl. 241 ff. d.A. (HBE).

Der Beteiligte zu 2.) hat die Auffassung vertreten, aus der Auskunft von ver.di ergebe sich, dass eine Eingruppierung in Lohngruppe II b nur erfolge, wenn weder die Voraussetzungen der Lohngruppe II a noch diejenigen der Lohngruppe III vorlägen. Keines der Beispiele der Lohngruppe II a treffe auf die Mitarbeiter der Warenserviceteams zu. Dasselbe gelte für die Beispiele im Gehaltsgruppentarifvertrag. Betrachte man allerdings die Beispiele, die zu den einfachen kaufmännischen Tätigkeiten aufgeführt seien, sei erkennbar, dass diese von den Mitarbeitern im Warenserviceteam erfüllt würden. Die Tätigkeiten seien ohne kaufmännische Vorkenntnisse nicht durchführbar, was sich bereits aus dem umfangreichen Handbuch erkennen lasse. Die Mitarbeiter seien bisher im Verkauf tätig gewesen; es erschließe sich nicht, warum aus einem Mehr an Aufgaben nunmehr eine niedrigere Eingruppierung folge.

Die Antragstellerin hat dem entgegengehalten, die Eingruppierung in den Gehaltstarifvertrag komme nicht in Betracht, weil überwiegend körperliche und damit gewerbliche Tätigkeiten vorlägen. Die Tätigkeiten unterfielen keinem Beispiel der Lohngruppen II a oder II b. Ein Vergleich zeige, dass die Aufgaben im Warenservice nach ihrer Wertigkeit eher den als Beispiele der Lohngruppe II a entsprächen. Der Umfang des Prozesshandbuchs lasse keine Rückschlüsse auf die Wertigkeit der Tätigkeiten zu. Auch etwa Abfüllerinnen/Abfüller hätten zahlreiche Begleitaufgaben, wie sich aus der Tätigkeitsbeschreibung der Bundesagentur für Arbeit (Anlage ASt 13, Bl. 310 ff. d.A.) ersehen lasse. Bei der Vielzahl zu beachtender Standards sei zu berücksichtigen, dass sich diese bezüglich der jeweiligen Aufgaben häufig überschnitten. Auch die Abwicklung bei Online-Bestellungen und Retouren erweise sich als nicht kompliziert (S. 6 ff. des Schriftsatzes vom 04.01.2021, Bl. 305 ff. d.A.).

Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 22.01.2021 wie folgt entschieden:

Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter

H...

P...

R...

D...

G...

K...

Kl...

Ho...

N...

M...

He...

E...

Ki...

S...

Kü...

in die Lohngruppe L II a nach Maßgabe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die Zustimmung sei zu ersetzen. Es liege eine ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens und ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Beteiligten zu 2.) vor. Die Zustimmung sei jedoch zu ersetzen. Richtigerweise gehe die Antragstellerin von der Anwendbarkeit der Lohngruppenstaffel aus. Die Tarifvertragsparteien hätten, wie die Auslegung ergebe, die Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten nach dem üblichen Sprachgebrauch verstanden. Als kaufmännische Tätigkeiten würden zum Beispiel Verkäufer/Verkäuferin, Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit in Warenannahme, Lager und Versand, Warenausgabe mit Kontrolltätigkeit, Angestellte in der Buchhaltung, in Kalkulation, Rechnungsprüfung, Auftragsbearbeitung, Personalkontrolle angesehen. Abzustellen sei auf die Verkehrsanschauung und die Natur der ausgeübten Tätigkeit. Entscheidend sei, welche der Tätigkeiten dem Arbeitsverhältnis in ihrer Gesamtheit das Gepräge gäben. Vorliegend könnten die einzelnen Tätigkeiten nicht voneinander getrennt werden, seien als ein einheitlich zu bewertender Vorgang zu betrachten. Es gehe bei allen einzelnen Aufgaben darum, die Verkaufsfläche mit verkaufsfähigen Waren zu versehen. Durchführung von Abschriften, Bearbeitung von Retouren und Umlagerungen sowie Vorbereitung der Ware zur Abholung durch den Kunden seien notwendiger Bestandteil der Zurverfügungstellung der Ware auf der Verkaufsfläche und gäben der Gesamttätigkeit nicht das Gepräge. Jedenfalls überlagerten sie nicht die Tätigkeiten des Auspackens, Verbringens der Ware in den Verkaufsraum und der Präsentation der Ware dort. Eine Interaktion mit den Kunden erfolge nicht. Warenkenntnisse seien nicht erforderlich. Die prägende Gesamttätigkeit stelle sich als überwiegend körperliche Tätigkeit dar. Eine Eingruppierung in den Gehaltsgruppentarifvertrag scheide aus. Die Eingruppierung in Lohngruppe II a sei hingegen gerechtfertigt. Die Beispielsmerkmale seien weder für Lohngruppe II a noch für II b erfüllt. Zwar könne ein Teil der Tätigkeit der Lagerarbeit zugeordnet werden, andererseits finde ein erheblicher Teil auch in der Verkaufsfläche statt. Das Einräumen, Nachfüllen, Auszeichnen und zum Teil Etikettieren sei den Regelbeispielen der Lohngruppe II a des Auffüllers, Auszeichners und Etikettierers gleich oder ähnlich. Da die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für die Lohngruppen II a und II b gleich seien, müsse auf die Beispiele abgestellt werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Beispiele in Lohngruppe II a im Verhältnis zur Lohngruppe II b einfachere Tätigkeiten abbildeten mit weniger Verantwortung und -geringerem Gestaltungsspielraum. Die Mitarbeiter im Warenserviceteam hätten kaum eigenen Handlungsspielraum, da alles bis ins Detail vorgegeben sei. Da die Vorgaben so detailliert seien, seien auch keine eigenen kaufmännischen Kenntnisse nötig. Teilbereiche wie die Bearbeitung von Retouren, bei denen ein gewisser Entscheidungsspielraum bleibe, gäben der Gesamttätigkeit nicht das Gepräge.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den anwaltlichen Vertretern des Beteiligten zu 2.) ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 22.04.2021 zugestellt worden. Diese haben mit am 11.05.2021 eingegangenem Schriftsatz selben Datums Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Beschwerde - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist aufgrund am 31.05.2021 eingegangenen Antrags bis 22.07.2021 - mit am 19.07.2021 eingegangenem Schriftsatz vom 16.07.2021 begründet.

Der Beteiligte zu 2.) hat zur Begründung seiner Beschwerde vorgetragen, das Arbeitsgericht habe nicht ausreichend beachtet, dass es sich bei der Lohngruppe II b um eine Auffanggruppe handle. Lägen die Beispiele der Lohngruppe II a nicht vor, seien die Mitarbeiter nach Lohngruppe II b einzugruppieren. Keines der Beispiele der Lohngruppe II a sei aber erfüllt. Aus diesem Grund habe etwa das LAG München im Beschluss vom 24.02.2021 - 5 TaBV 26/20 - vergleichbare Anträge abgewiesen mit der Begründung, aus diesem Grund komme eine Eingruppierung in die Lohngruppe II a nicht in Betracht. Wegen der genauen Begründung des LAG München wird auf die als Anlage zur Niederschrift vom 07.10.2021 vorgelegte Ablichtung Bezug genommen, Bl. 504 ff. d.A.). Im Übrigen handle es sich überwiegend um - einfache - kaufmännische Tätigkeiten. Diese seien zwingend erforderlich.

Der Beteiligte zu 2.) und Beschwerdeführer stellt im Beschwerdeverfahren folgende Anträge:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 22.01.2021 wird aufgehoben.

II. Der Antrag wird abgewiesen.

Die Beteiligte zu 1.) und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Antrag hinsichtlich der Mitarbeiterinnen D..., Kl... und E... zurückgenommen wird.

Der Beteiligte zu 2.) hat sich mit dieser teilweisen Rücknahme einverstanden erklärt.

Die Beteiligte zu 1.) schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Sie bleibt dabei, dass es sich bei den Tätigkeiten nicht überwiegend um kaufmännische handle. Die Beispiele der Lohngruppe II a entsprächen ihrer Wertigkeit nach den Aufgaben, die die Mitarbeiter zu verrichten hätten. Die Beispiele seien nicht als abschließend formuliert. Sie seien veraltet und gäben die Sachlage nicht mehr zutreffend wieder. Die Einarbeitungszeit für die jeweils einzelnen Tätigkeiten, aus denen sich die Gesamttätigkeit zusammensetze, sei relativ kurz.

Der Beteiligte zu 2.) hält dem entgegen, dass die Erfüllung der gesamten Arbeitsaufgabe eine große Zahl einzelner Arbeitsschritte enthalte. Schon aus diesem Grund liege kein einfacher Arbeitsvorgang vor. Das Prozesshandbuch, welches für einzelne Bereiche noch auf andere Prozesshandbücher verweise, habe für sich schon einen Umfang von 66 Seiten. Die Mitarbeiter müssten sowohl analog als auch computergestützt arbeiten. Zudem hätten die Mitarbeiter eine Vielzahl an direkten Kundenkontakten. Dies gelte schon allein deswegen, weil pro Etage mit etwa 1.500 qm durchschnittlich nur zwei Verkäufer anwesend seien.

Die Beteiligten haben auf Vorschlag des Gerichts hin einvernehmlich eine genaue Tätigkeitsaufzeichnung der betroffenen Mitarbeiter durchgeführt. Sie haben dabei die 15 Einzelvorgänge Warenvorbereitung (1), Warenauszeichnung (2), Warenverräumung (3), Warenpflege (4), Kabinendienst (5), Reinigungsarbeiten (6), Aktionsaufbau/-abbau (7), Abschriftensteuerung (ABS)/Umzeichnungslisten (8), Bestandskorrekturen/-aufnahmen, Inventuren (9), Retouren/Umlagerungen (10), Mitteilungen (11), Online-Themen (12), Kundenkontakt (Auskünfte) nur Anzahl (13), Kundenkontakt mit aktiver Einforderung durch Kunden (14) und Sonstige Tätigkeiten (15) unterschieden. Hinsichtlich des Gesamtauswertungsbogens für den vereinbarten Zeitraum wird auf die mit Schriftsatz der Antragstellervertreter vom 18.05.2022 vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Anlage BG 1, Bl. 556 ff. d.A.). Es ergäben sich Tätigkeitsanteile der Gesamtarbeitszeit von 10,88 % für Warenvorbereitung (1), 5,12 % für Warenauszeichnung (2), 33,6 % für Warenverräumung (3), 5,49 % für Warenpflege (4), 9,85 % für Kabinendienst (5), 1,31 % für Reinigungsarbeiten (6), 6,23 % für Aktionsaufbau/-abbau (7), 6,9 % für Abschriftensteuerung (ABS)/Umzeichnungslisten (8), 1,7 % für Bestandskorrekturen/-aufnahmen, Inventuren (9), 4,96 % für Retouren/Umlagerungen (10), 1,47 % für Mitteilungen an Vorgesetzte oder ähnliches, (11), 4,02 % für Online-Themen (12) und 3,17 % für Kundenkontakte (13) und (14). Einvernehmlich wurden sonstige Tätigkeiten (15) nachträglich den anderen Teilaufgaben zugeordnet.

Die Beteiligte zu 1.) erklärt, hiernach seien 72,5 % der gesamten Tätigkeit den Bereichen Warenvorbereitung, Warenverräumung, Warenpflege, Kabinendienst, Reinigung und Aktionsauf- und -abbau zuzuordnen. Dies seien einfache körperlich geprägte Aufgaben.

Der Beteiligte zu 2.) meint, wegen der Pandemie habe ein geringerer Kundenkontakt vorgelegen als normalerweise. Die Auswertung habe ergeben, dass die Tätigkeiten nicht rein unterstützend seien. Der Anteil derjenigen Tätigkeiten, in denen ein gewisser eigener Entscheidungsspielraum verbleibe, betrage 24,38 %. Dazu müsse für normale Zeiten ein etwa 30 % höherer Kundenkontakt dazugerechnet werden, wie sich aus den Vergleichszahlen des Jahres 2019 ergebe. Der diesbezügliche Anteil betrage dann 4,20 %.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung von Sachverhalt und rechtlichen Darstellungen in den Gründen des arbeitsgerichtlichen Beschlusses, auf die Tarifauskünfte von HBE und ver.di (Bl. 241 ff. bzw. Bl. 235 ff. d.A.), auf die Niederschriften über die Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht sowie auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingereichte und auch begründete Beschwerde des Beteiligten zu 2.) ist auch in der Sache begründet. Die Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter des Warenserviceteams sind nicht in Lohngruppe II a des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern einzugruppieren. Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die formellen Voraussetzungen zur Entscheidung über den nach § 99 Abs. 4 BetrVG gestellten Antrag auf Ersetzung der Zustimmung vorliegen. Die Unterrichtung des Beteiligten zu 2.) durch die Beteiligte zu 1.) ist ordnungsgemäß erfolgt. Dem Beteiligten zu 2.) ist nach seinem eigenen Vorbringen bekannt, welche Stellenbeschreibung für die Mitarbeiter zur Anwendung kommt. Der Widerspruch macht deutlich, dass und warum der Beteiligte zu 2.) eine andere Eingruppierung für zutreffend hält und stellt damit einen zulässigen Widerspruchsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Die formalen Voraussetzungen des Widerspruchs sind eingehalten.

2. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass für die Eingruppierung nach den tariflichen Bestimmungen die "tatsächlich verrichtete Tätigkeit" maßgeblich ist. Die Tätigkeit des einzelnen Mitarbeiters ist hierbei nicht in Vorgaben eingeteilt, die getrennt voneinander zu erfüllen wären. Die verschiedenen Arbeitsschritte sind nicht von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt. Die Mitarbeiter entscheiden selbst je nach Bedarf oder Vorgaben, welchen Tätigkeiten sie je nach Priorität nachkommen. Die Tätigkeiten werden nicht von vornherein tatsächlich auseinandergehalten. Sie werden als Gesamttätigkeiten für den Warenservice verstanden. Von einer einheitlichen Gesamttätigkeit gehen auch die Prozessbeteiligten aus. Die Beschwerdekammer sieht die Tätigkeit damit als einen einheitlich zu bewertenden Arbeitsvorgang (entsprechend BAG v. 16.10.2019, 4 AZR 284/18, juris; ebenso BAG v. 13.05.2020, 4 ABR 29/19, juris).

3. Diese Gesamttätigkeit ist in den Beispielen der Lohngruppe II a, die die Beteiligte zu 1.) als maßgeblich ansieht, eindeutig nicht abgebildet. Die Beschwerdekammer folgt dem LAG München in der Bewertung, dass - wenn nicht die Eingruppierung in den Gehaltstarifvertrag maßgeblich ist - damit das Beispielsmerkmal der Lohngruppe II b "sonstige Arbeitskräfte, soweit sie die Voraussetzungen der Lohngruppe III nicht erfüllen" maßgeblich ist. Insoweit ergibt sich sowohl aus der Tarifauskunft der Gewerkschaft ver.di als auch aus derjenigen des HBE, dass es sich bei der Lohngruppe II b um eine Auffanggruppe handelt (a.a.O., Bl. 236 bzw. Bl. 242 d.A.). Die Tarifparteien sind frei darin, welche Tätigkeiten sie in welcher Form bewerten. Wenn sie Beispiele wählen, ist das hinzunehmen. Wenn sich die Tätigkeiten durch neue oder geänderte Anforderungen ändern, bleibt ihnen unbenommen, auch die Beispiele zu ändern oder zu ergänzen. Die Gerichte sind nicht veranlasst oder befugt, dies anstelle der Tarifparteien vorzunehmen.

4. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1.) und des Handelsverbandes HBE besteht vorliegend keine Berechtigung der Gerichte, die Beispiele zu ergänzen oder Tätigkeiten, die in der Wertigkeit den gewählten Beispielen entsprechen, zusätzlich in bestimmte Lohngruppen aufzunehmen. Eine solche Befugnis könnte zwar aus der Verwendung des Begriffs "Beispiele" abgeleitet werden. Allerdings haben die Tarifparteien sowohl die Beispiele in Lohngruppe II a als auch diejenigen in Lohngruppe II b als Beispiele für die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale gewählt. Vergleiche hinsichtlich der Wertigkeit wären dann veranlasst, wenn die Tarifparteien es in beiden Lohngruppen bei konkreten Beispielen belassen hätten. Dies haben sie aber nicht getan. Sie haben vielmehr ausdrücklich in Lohngruppe II b "sonstige Arbeitskräfte" benannt. Dies kann sich schon nach dem Wortlaut nur auf solche Tätigkeiten beziehen, die in den Beispielen nicht aufgeführt sind. Dies zeigt auch der systematische Zusammenhang. Bei Lohngruppe II a fehlt eine solche allgemeine Erweiterung auf sonstige oder ähnliche oder gleichwertige Tätigkeiten. Sie findet sich nur in Lohngruppe II b. Hätten die Tarifparteien gewollt, dass vergleichbare Tätigkeiten, wie sie in den Beispielen der Lohngruppe II a aufgeführt sind, auch zur Eingruppierung in dieser Gruppe führen sollen, hätte es nahegelegen, eine Erweiterung wie in Lohngruppe II b vorzunehmen. Gerade der Umstand, dass die Erweiterung auf nicht in den Beispielen aufgeführte Tätigkeiten für die Lohngruppe II b normiert wurde, nicht aber für Lohngruppe II a, lässt darauf schließen, dass die Tarifparteien eine solche Erweiterung nicht beabsichtigt haben.

5. Unabhängig hiervon steht nach der Überzeugung der Beschwerdekammer aber auch fest, dass die Wertigkeit der Tätigkeit mit derjenigen, wie sie in den Beispielen der Lohngruppe II a zum Ausdruck kommt, nicht vergleichbar ist. Selbst wenn viele der Einzeltätigkeiten keine höhere Wertigkeit aufweisen sollten, ergibt sich aus der Vielzahl der Tätigkeiten, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Warenserviceteams zu verrichten haben, dass eine Vergleichbarkeit mit einem der Beispiele in Lohngruppe II a ausgeschlossen ist. Zudem gilt, dass die Tätigkeiten in der Warenvorbereitung und -verräumung und im Aktionsauf- und -abbau auch von der Wertigkeit her keinem der in Lohngruppe II a aufgeführten Beispiele zugeordnet werden können, sondern ebenso gut den in Lohngruppe II b aufgeführten Beispielen Lagerarbeiter/Lagerarbeiterin oder Packer/Packerin. Es ist nicht erkennbar, dass der in den Beispielen der Lohngruppe II b zum Ausdruck kommende weitergehende Entscheidungsspielraum größer wäre als derjenige, den die Mitarbeiter bei diesen Tätigkeiten leisten müssen.

6. Die Auffassung der Beteiligten zu 1.), dass durch das Vorschreiben umfangreichster Vorgaben die Entscheidungsspielräume eingeengt werden können, trifft zwar zu. Dies führt aber nicht dazu, dass die Wertigkeit solcher Tätigkeiten gemindert werden könnte. Wenn die Tarifparteien einen Packer oder Lagerarbeiter in Lohngruppe II b führen, gilt dies unabhängig von allgemeinen oder ganz konkreten Vorgaben des Arbeitgebers. Die Kammer kann nicht erkennen, dass und warum dies bei Tätigkeiten, die der eines Packers oder Lagerarbeiters vergleichbar sind, anders sein sollte.

7. Zurecht führt der Beteiligte zu 2.) aus, dass sich aus dem Umfang der Vorgaben für die verschiedenen Einzelschritte der Gesamttätigkeit ersehen lässt, dass eine den Beispielen der Lohngruppe II a vergleichbare geringe Wertigkeit nicht vorliegt. Der Mitarbeiter muss eine Vielzahl von Vorgaben für seine jeweilige Teilaufgabe im Kopf haben oder überblicken. Dies geht über Routinearbeiten mit geringerer geistiger Anstrengung weit hinaus.

8. Nach alldem kommt eine Eingruppierung in die Lohngruppe II a nicht in Betracht. Der Antrag der Beteiligten zu 1.) ist, soweit er hinsichtlich der ausgeschiedenen Mitarbeiter nicht zurückgenommen worden ist, abzuweisen. Demgemäß ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufzuheben.

9. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich - die Beteiligte zu 1.) verfolgt die Eingruppierungen nach einem deutschlandweiten Konzept - aus der Vielzahl der Betroffenen, für die die Auslegung der tariflichen Bestimmungen maßgeblich ist.

Vorschriften§ 99 Abs. 4 BetrVG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG