Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Urteil vom 24.03.2023 · IWW-Abrufnummer 235679

Landesarbeitsgericht Sachsen - Aktenzeichen 4 Sa 75/22

Arbeitnehmer, die vorzeitig selbst gekündigt haben, dürfen aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans herausgenommen werden.


In dem Rechtsstreit
...
...
- Berufungskläger / Kläger -
Prozessbevollm.:
... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
...
gegen
... GmbH
gesetzl. vertr. d.d. Geschäftsführer ...
...
- Berufungsbeklagte / Beklagte -
Prozessbevollm.:
...
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 4 - durch den Richter am Landgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ... auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2023
für Recht erkannt:

Tenor:1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.02.2022 - 6 Ca 6186/21 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.2. Die Revision ist nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz weiterhin über Sozialplanansprüche.

Die Beklagte beabsichtigte ihren Betrieb zum 30.04.2022 stillzulegen. In einer Betriebsversammlung und durch Aushang am 25.06.2020 wurde die Belegschaft hierüber informiert. Es wurde mitgeteilt, dass ein Interessenausgleich und ein Sozialplan wegen der Betriebsschließung verhandelt werden. Der Abschluss der Verhandlungen zog sich bis in das Jahr 2021 hin. Durch Eigenkündigung vom 27.11.2020 hat der Kläger sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten zum 31.03.20201 beendet. Er ist bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt.

Am 22.03.2021 haben die Betriebspartner für die bevorstehende Betriebsschließung einen Sozialplan abgeschlossen. Der Sozialplan sieht unter Ziff. 2.2.3 einen Ausschluss für Arbeitnehmer vor, die vor dem Stichtag, am 22.03.2021 eine Eigenkündigung ausgesprochen haben.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird im Hinblick auf § 69 Abs. 2, 3 Arbeitsgerichtsgesetz abgesehen, und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen Bezug genommen. Der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist vollständig, zutreffend und erschöpfend. Tatbestandsrügen sind nicht erhoben worden.

Das Arbeitsgericht Bautzen hat die Klage mit Urteil vom 03.02.2022 abgewiesen.

Das Arbeitsgericht stützt seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass der Kläger zum Stichtag am 22.03.2021, nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zu der Beklagten stand. Er habe sein Arbeitsverhältnis bereits zuvor durch Eigenkündigung beendet. Die Stichtagsregelung im Sozialplan verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG.

Der Kläger hat das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.02.2022 - 6 Ca 6186/21 - dem Klägervertreter zugestellt am 22.02.2022 mit der Berufung angegriffen. Er begehrt die Aufhebung des Urteils und weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung i.H.v. 29.000,00 € brutto aus dem Sozialplan vom 22.03.2021.

Mit der Berufungsbegründung vom 30.05.2022 vertritt der Kläger auch weiterhin die Ansicht die Stichtagsregelung im Sozialplan sei unwirksam. Nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sei der Beklagte verpflichtet, diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund eines vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrags oder einer von ihm veranlassten Eigenkündigung ausscheiden, mit denjenigen gleich zu behandeln, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird.

Die getroffene Stichtagsregelung sei daher unwirksam. Durch Aushang der Schließungsentscheidung am 25.06.2020 habe die Beklagte die Eigenkündigung des Klägers herbeigeführt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.02.2022, Az. 6 Ca 618521,

abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v.29.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.06.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Stichtagsregelung sei zulässig. Eine Stichtagsregelung bringe naturgemäß Härten mit sich. Der Ausschluss von Arbeitnehmern, welche zum Stichtag bereits selbst gekündigt hätten, sei zulässig und liege im Rahmen des Ermessens der Betriebsparteien. Ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 24.03.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.02.2022 wurde dem Klägervertreter am 20.02.2022 zugestellt. Die Berufungsfrist von einem Monat gemäß §§ 64,66 Arbeitsgerichtsgesetz wurde mit der am 21.03.2022, einem Montag, beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung gewahrt.

Mit Beschluss vom 22.04.2022 wurde die Frist zur Berufungsbegründung auf den 30.05.2022 verlängert. Am 30.05.2022 ging die Berufungsbegründung des Klägers beim Sächsischen Landesarbeitsgericht ein. Die Berufung wurde damit form - und fristgerecht erhoben und begründet, § 64,66 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Richtig und mit den zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht in Bautzen die Klage abgewiesen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im Urteil vom 03.02.2022 wird Bezug genommen, § 69 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz. Eine Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt nicht vor.

a)

Der Kläger fällt nicht unter den Geltungsbereich des Sozialplans vom 22.03.2021.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes bereits gekündigt. Der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2021 gekündigt.

Damit war der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans am 22.03.2021 bereits in einem gekündigten Arbeitsverhältnis. Damit fiel der Kläger nicht mehr unter die Regelungen des Sozialplans.

Der Kläger unterfällt darüber hinaus nicht dem sachlichen Geltungsbereich des Sozialplans vom 22.03.2021.Der Sozialplan gilt gemäß seiner Ziff. 2.1 für alle Arbeitnehmer, die am 22.03.2021 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stehen und deren Arbeitsverhältnis aufgrund der im Interessenausgleich vom 22.03.2021 beschriebenen betriebsändernden Maßnahme endet.

Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zum Stichtag, am 22.03.2021 bestand kein ungekündigtes Arbeitsverhältnis mehr zwischen den Parteien. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 31.03.2021. Damit liegt bereits die erste Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des Sozialplans nicht vor.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete nicht aufgrund der im Interessenausgleich vom 22.03.2021 beschriebenen betriebsändernden Maßnahme. Der Kläger wurde nicht betriebsbedingt durch die Beklagte infolge der Betriebsschließung gekündigt. Der Kläger bereits zuvor sein Arbeitsverhältnis zum 31.03.20201 selbst gekündigt. Eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Betriebsänderung ist nicht eingetreten. Es fehlt die Kausalität der Betriebsschließung. Der Kläger ist der Betriebsschließung durch eigene Initiative zuvorgekommen. Die zweite Tatbestandsvoraussetzung des Sozialplans ist ebenfalls nicht erfüllt.

b)

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Die Regelungen im Sozialplan sind sachgerecht und angemessen. Der Ausschluss von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans beendet ist, ist sachlich begründet.

Der Gleichheitssatz mit den Inhalten der Rechtsanwendungs- und Rechtsetzungsgleichheit ist ein allgemeiner Rechtssatz, der schon aus dem Wesen des Rechtsstaats und dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folgt. Er verbietet rechtliche Differenzierungen gleichliegende Fälle. Er gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich (verschieden) zu behandeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung oder eine Gleichbehandlung nicht finden lässt, wenn also die Behandlung als willkürlich bezeichnet werden muss (Jacobs,GK-BetrVG 12. Auflage § 75 Rn. 41 mit weiteren Nachweisen).

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt nicht eine schematische Gleichbehandlung, sondern ist rechtstechnisch als Verbot unsachlicher Differenzierungen im Sinne einer sachfremden Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen zu verstehen. Praktisch bedeutet das vornehmlich, dass die Gruppenbildung, die zur Schlechterstellung einer Gruppe führt, nicht sachfremd sein darf. Das ist sie, wenn es für die Differenzierung keinen billigenswerten Grund gibt. Knüpft die Ungleichbehandlung an personenbezogene Merkmale an, ist der Gleichheitssatz schon dann verletzt, wenn es keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht gibt, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Maßgeblich hierfür ist jeweils vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, kommt den Betriebsparteien bei der Bestimmung des Stichtags ein weiter Ermessensspielraum zu; sie dürfen pauschalieren und unter Umständen unvermeidliche Härten für eine verhältnismäßig kleine Zahl von Arbeitnehmern in Kauf nehmen (Jacobs, a.a.O. Rn. 43 mit weiteren Nachweisen).

Regelungen einer Betriebsvereinbarung verstoßen gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG, wenn mit ihnen der einer zwingendgesetzlichen Norm zugrundeliegende Zweck vereitelt wird. Denn die Normsetzungsbefugnis der Betriebsparteien kann sich nicht darauf beziehen, einen gesetzlich missbilligten Erfolg durch Umgehung des entsprechenden Gesetzes zu erreichen (BAG 15.12.2020,1 AZR 499/18, Rn. 37).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebspartner bei der Aufstellung eines Sozialplans grundsätzlich einen weiten Spielraum für die Bestimmung des angemessenen Ausgleichs für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Sie haben innerhalb der Grenzen von Recht und Billigkeit darüber zu befinden, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern wollen (vgl. Senat 15. Dezember 1998 - 1 AZR 332/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 126 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 103, zu 2 c dd der Gründe mwN; BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 86, zu II 2 a der Gründe mwN; 24. Januar 1996 - 10 AZR 155/95 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 98 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 83, zu 2 b der Gründe). Sie können von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen und bei ihrer Regelung nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden (vgl. Senat 28. September 1988 - 1 ABR 23/87 - BAGE 59, 359, 365, zu B II 2 der Gründe mwN; BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - aaO, zu II 2 a der Gründe). Die Betriebspartner sind insbesondere nicht gehalten, alle erdenkbaren Nachteile zu entschädigen. Der Inhalt des Sozialplans muss aber - nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung - dem Normzweck von § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entsprechen, die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder doch zu mildern, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - aaO, zu II 2 a der Gründe mwN). Die Sozialplanabfindung hat danach eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion hinsichtlich der - künftigen - Nachteile, die durch eine geplante Betriebsänderung entstehen können (BAG 9. November 1994 - 10 AZR 281/94 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 78, zu II 2 c der Gründe, BAG 14.08.2001 1 AZR 760/00 Rn.23).

c)

Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen liegt keine unsachliche Differenzierung bei der getroffenen Stichtagsregelung im Sozialplan vom 22.03.2021 vor.

Sinn und Zweck eines Sozialplans ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in erster Linie eine zukunftsbezogene Überbrückungsfunktion. Abfindungen sind daher kein Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste. Eine Sozialplanregelung, die den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigt, ist nicht mehr vom Zweck des Sozialplans gedeckt. Sie kann nur Inhalt einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein (Oetker/Schubert, GK- Betriebsverfassungsgesetz, 12. Aufl., §§ 112, 112a BetrVG, Rn. 120 mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger hat ein neues Arbeitsverhältnis begründet. Dies war Hintergrund seiner Eigenkündigung. Einer Überbrückung für die Zukunft bedarf es unter diesen Umständen nicht. Der Kläger ist bereits durch das neue Arbeitsverhältnis wirtschaftlich hinreichend abgesichert.

Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die am 22.03.2021 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis standen, ist sachgerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Sozialplanleistung als zukunftsbezogene Überbrückungsleistung angelegt. Dieser Überbrückungsfunktion bedarf es im Falle des Klägers nicht. Die wirtschaftlichen Nachteile, die im Zusammenhang mit der Betriebsänderung eintreten, betreffen ihn nicht. Damit bestehen sachliche Gründe, den Kläger von der Sozialplangeltung auszuschließen.

Sinn und Zweck einer Sozialplanregelung ist es Nachteile, die der Arbeitnehmer in Zukunft erleidet, abzufedern. Hierfür wird in der Regel ein gewisses Sozialplanvolumen durch den Betrieb zur Verfügung gestellt. Die Betriebsparteien ist ein weites Ermessen eingeräumt, wie sie dieses Sozialplanvolumen zum Nachteilsausgleich verwenden wollen. Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Beeinträchtigung des Arbeitnehmers, welche durch die Betriebsänderung herbeigeführt wird. Diese wirtschaftliche Beeinträchtigung ist naturgemäß geringer, wenn bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Soweit der Kläger rügt, dass die wirtschaftlichen Konditionen in seinem neuen Arbeitsverhältnis schlechter sind, als bei der Beklagten, überzeugt diese Argumentation nicht. Der Kläger hat sich den neuen Arbeitgeber selbst ausgesucht. Damit hat er auch selbst über die Frage der Zumutbarkeit der neuen Arbeitskonditionen entschieden. Diese von ihm selbst getroffene Entscheidung kann er nicht der Beklagten vorhalten. Die Beklagte hatte keinen Einfluss auf die von ihm getroffene Wahl.

Die Betriebsparteien stehen bei Abschluss eines Sozialplans stets vor einem gewissen Dilemma. Sie müssen ein von vornherein begrenztes Sozialplanvolumen möglichst sinnvoll zur Abmilderung von wirtschaftlichen Nachteile bei zahlreichen Arbeitnehmern einsetzen. Maßgeblich sind dabei die erst zukünftig eintretenden wirtschaftlichen Nachteile. Dehnen die Betriebsparteien den Anwendungsbereich des Sozialplans zu weit aus, fällt die jeweilige individuelle Höhe der Abfindung deutlich geringer aus. Dies stellt dann die Effektivität des Nachteilsausgleichs als solchen infrage. Es erscheint deshalb sinnvoll, ein von vornherein begrenzte Sozialplanvolumen auf diejenigen Arbeitnehmer zu beschränken, die tatsächlich von der konkreten Betriebsänderung erfasst werden, sprich auch eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung erhalten. So gewährleisten die Betriebsparteien, dass sie dem Sinn und Zweck einer Sozialplanabfindung, künftige wirtschaftliche Nachteile abzufedern, möglichst nahekommen. Dieses Ziel ist nicht mehr sichergestellt, wenn die Betriebsparteien quasi nach dem Gießkannenprinzip das begrenzte Sozialplanvolumen auf eine möglichst große Kopfzahl verteilen. Der Ausschluss von Arbeitnehmern deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, hält sich damit im Rahmen jenes Ermessens, welches den Betriebsparteien bei Abschluss eines Sozialplanes zugestanden wird.

Die Betriebsänderung hatte zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers noch keine greifbaren Formen angenommen. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass durch die Belegschaftsversammlung und den betrieblichen Aushang die Betriebsschließung bereits bekannt war. Faktisch war die Betriebsänderung gemäß §§ 111, 112 und 112 a BetrVG allerdings bis zum Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans ausgesetzt. Erst nachdem ein Sozialplan zustande gekommen war bzw. durch den Spruch einer Einigungsstelle herbeigeführt worden ist, sollte die beabsichtigte Betriebsänderung durchgeführt werden. Zuvor war die Durchführung der Betriebsänderung nicht beabsichtigt.

Der Kläger hat damit zu einem Zeitpunkt gekündigt, als die Betriebsänderung noch nicht umgesetzt war. Der Ausschluss derartiger Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem Abschluss des Sozialplans beendet worden sind, ist sachgerecht. Die Beendigung derartiger Arbeitsverhältnisse ist nicht durch die konkrete Betriebsschließung verursacht. Es fehlt an der Kausalität der erst noch bevorstehenden Betriebsschließung.

d)

Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 38, BAG 14.12.2010 1 AZR 279/09 Rn. 15).

Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung durften die Betriebsparteien davon ausgehen, dass Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis vor Abschluss des Sozialplans selbst gekündigt haben, durch die geplante Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den anderen Arbeitnehmern (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 26, BAGE 125, 366). Es ist daher nicht sachwidrig, dass sie bereits ausgeschiedene frühere Beschäftigte, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beendet haben, nicht in den Geltungsbereich des Sozialplans einbezogen haben (BAG a.a.O. Rn. 18).

Nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sind die Betriebsparteien grundsätzlich verpflichtet, diejenigen Arbeitnehmer, die auf Grund eines vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrags oder einer von ihm veranlassten Eigenkündigung ausscheiden, mit denjenigen gleich zu behandeln, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird (BAG 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06 - Rn. 13 mwN, ZIP 2007, 1575). Es ist ihnen allerdings nicht verwehrt, eine typisierende Beurteilung dahin vorzunehmen, dass Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis "vorzeitig", also zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten, selbst kündigen, durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den anderen Arbeitnehmern (vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 163/06 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 185 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 20; 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06 - Rn. 16 mwN, aaO). Auch können sie zur Herstellung von Rechtssicherheit über die Frage, ob eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber veranlasst war, Regelungen vorsehen, wonach der Arbeitgeber der Kündigung des Arbeitnehmers widersprechen und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbieten kann (BAG 19.02.2008 1 AZR 1004/06 Rn. 26, BAG 26. Oktober 2004 - 1 AZR 503/03 - AP BetrVG 1972 Nr. 171 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 11, zu I 2 a der Gründe mwN,).

Auch die durch eine Stichtagsregelung erfolgende Gruppenbildung muss mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Stichtagsregelungen finden sich häufig in Sozialplänen und sind grundsätzlich zulässig (BAG 16. Oktober 1996 - 10 AZR 276/96 -, zu II 2 b der Gründe). Den Betriebsparteien kommt bei ihrer Festlegung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Meist dienen sie der Rechtssicherheit. Die mit ihnen bisweilen verbundenen Härten müssen hingenommen werden, wenn die Wahl des Zeitpunkts sich am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft (BAG 14. Dezember 1999 - 1 AZR 268/99 -, zu II 1 der Gründe; 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - BAGE 114, 179, zu 3 a der Gründe). In einem Sozialplan sind Stichtagsregelungen insbesondere dann gerechtfertigt, wenn sie dem Zweck dienen, die Leistungen auf diejenigen Arbeitnehmer zu beschränken, die von der Betriebsänderung betroffen sind und durch diese Nachteile zu besorgen haben (BAG a.a.O. Rn. 27,vgl. BAG 24. August 2004 - 1 ABR 23/03 - BAGE 111, 335, zu B III 3 a der Gründe)

e)

Aus den oben genannten Gründen war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Stichtagsregelung in Ziffer haben 2.1 bis 2.2.3 des Sozialplans knüpft mit dem 22.03.2021 an den Tag des Abschlusses der Vereinbarung an. Die Betriebsparteien regeln alle in der Zukunft durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile. Nach Abschluss des Interessenausgleichs und des Sozialplans am 22.03.2021 war die Beklagte befugt, die beabsichtigte Betriebsänderung umzusetzen. Es erscheint durchaus sachgerecht und naheliegend, als Stichtagsdatum das Datum des Abschlusses des Sozialplans festzulegen. Erst zeitlich nach diesem Datum können durch die Betriebsschließung wirtschaftlichen Nachteile durch betriebsbedingte Arbeitgeberkündigungen bei den Arbeitnehmern eintreten.

Der abgeschlossene Sozialplan vom 22.03.2021 findet auf den Klägern damit keine Anwendung. Seine tatbestandlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Ausschluss beendeter Arbeitsverhältnisse aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans bewegt sich in den zulässigen Ermessensgrenzen der Betriebsparteien bei Abschluss derartiger Vereinbarungen. Dies hat das Arbeitsgericht Bautzen zutreffend festgestellt.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen war daher aufrechtzuhalten.

Die Berufung blieb aus diesem Grunde erfolglos.

Der Kläger trägt gemäß § 97 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels.

Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nicht. Das Gericht hat einen Einzelfall auf der Basis obergerichtlicher Rechtsprechung entschieden. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG wird hingewiesen.

Verkündet am 24.03.2023

Vorschriften§ 69 Abs. 2, 3 Arbeitsgerichtsgesetz, § 75 Abs. 1 BetrVG, § 247 BGB, §§ 64, 66 Arbeitsgerichtsgesetz, § 64, 66 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz, § 69 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, §§ 111, 112, 112 a BetrVG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 97 ZPO, § 72a ArbGG