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Beschluss vom 12.04.2023 · IWW-Abrufnummer 235681

Landesarbeitsgericht Hamburg - Aktenzeichen 7 Ta 4/23

1. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG grundsätzlich erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Unter den Begriff "nach Lage des Falles" fallen sämtliche Umstände des Einzelfalles, insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, Verfahrensdauer und zeitlicher Aufwand der Verfahrensbevollmächtigten.

2. Der in § 23 Abs. 3 Satz 2 formulierte Wert ist weder als Regelwert, von dem nur bei besonderen Umständen abgewichen werden darf, noch als Wertuntergrenze zu verstehen.

3. Bei Streitigkeiten um Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG bietet die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Bedeutung der Angelegenheit. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen es um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts geht, als auch in solchen Fällen, in denen die Einhaltung, Durchführung oder Reichweite einer Betriebsvereinbarung im Streit sind.

4. Bei der Wertermittlung gibt die Staffel des § 9 BetrVG eine Orientierung: Der gesteigerten Bedeutung einer Angelegenheit bei der Betroffenheit einer größeren Zahl von Arbeitnehmern kann im Regelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass ausgehend vom Grundfall (bis zu 20 Arbeitnehmern) für die weiteren in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffeln jeweils zusätzlich der Hilfswert von 5.000,00 € zu berücksichtigen ist.

5. Auch ein Streit über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs und damit über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ist hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswerts regelmäßig nach den Grundsätzen über den Streit um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts oder die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zu behandeln.


Tenor:

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2022 - 16 BV 18/22 - wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren stritten die Beteiligten über die Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs.

Die Arbeitgeberin, in deren Betrieb in Hamburg ca. 236 Arbeitnehmer beschäftigt sind, befasst sich mit der Dialyse von Patienten. Es besteht ein Betriebsrat, Antragsteller im vorliegenden Ausgangsverfahren. Zur Regelung von Arbeitszeiten führten die Betriebsparteien ein Einigungsstellenverfahren durch. In der Sitzung der Einigungsstelle am 12. Juli 2022 wurde durch Spruch der Einigungsstelle eine "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit" (Anlage A2, Bl. 10 ff. d.A.) beschlossen.

Der Betriebsrat leitete daraufhin beim Arbeitsgericht Hamburg das vorliegende Verfahren ein und kündigte den Antrag an, festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit" vom 12. Juli 2022 rechtsunwirksam ist. Hinsichtlich der betriebsratsseits geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe des Spruches der Einigungsstelle wird auf Seiten 4-10 (Bl. 3 ff. d.A.) der Antragsschrift vom 3. August 2022 Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2022 nahm der Betriebsrat den Antrag zurück und das Arbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 08. September 2022 - 16 BV 18/22 - das Verfahren eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2022 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Festsetzung eines Gegenstandswertes auf 500.000,00 € und führte aus, es gebe das Beispiel, bei der Wertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG bei der Anfechtung von Einigungsstellensprüchen an die Honorarforderung des Einigungsstellenvorsitzenden anzuknüpfen. Dieser habe vorliegend ein Honorar von 15.000,00 € netto erhalten, dies zugrunde gelegt entspräche (bei einer 2,5 Gebühr netto) einem Gegenstandswert von 1,25 Mio. €. Vor dem Hintergrund des § 23 Abs. 3 RVG sei der Gegenstandswert vorliegend auf den Höchstwert von 500.000,00 € beschränkt.

Mit Schreiben vom 20. September 2022 wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass der Streit über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs und damit über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswerts nach den Grundsätzen über den Streit um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts oder die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zu behandeln sei. Zunächst sei von der Anzahl der betroffenen Beschäftigten auszugehen, um sich sodann an der Staffel des § 9 BetrVG zu orientieren. Dabei sei regelmäßig der Grundfall von bis zu 20 Beschäftigten mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in Höhe von 5.000,00 € in Ansatz zu bringen; für die weiteren in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffeln seien jeweils zusätzlich 5.000,00 € zu berücksichtigen.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats führte daraufhin aus, die Ausgangsposition des Gerichts sei nicht tragbar. Vielmehr sei die entscheidende Problematik, wie der Ausgangsfall von den grundlegenden Kriterien für die Festsetzung des Gegenstandswertes zu bemessen sei. Dies seien die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens, der Umfang der Angelegenheit, wobei beispielhaft von Gerichten der Umfang der Akten, der gewechselten Schriftsätze, der Termine, Dauer des Rechtsstreits und gegebenenfalls Beweisaufnahmen genannt würden, insbesondere aber auch die Zahl der in den Beschlussverfahren anzusprechenden und oder aufzuklärenden Sachverhalte. Entscheidend sei der objektive Schwierigkeitsgrad der Sache, auch sei der Arbeitsaufwand der Verfahrensbevollmächtigten als einer von mehreren Bemessungsfaktoren zu bewerten. Die Bedeutung der Angelegenheit betreffe vor allem die inhaltliche und wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, nicht etwa nur die Zahl der möglicherweise Betroffenen bzw. die Zahl der Beschäftigten im Betrieb. Im vorliegenden Fall sei zudem die Zahl und Bedeutung der rechtlichen Problemstellungen zu berücksichtigen, die bezüglich der Anfechtbarkeit des Einigungsstellenbeschlusses zu behandeln gewesen seien und vom Gericht zu behandeln gewesen wären. Dies betreffe die Punkte:

- Ausschluss einer gesamten Gruppe (Ärzte und Ärztinnen) von der Regelung der Arbeitszeit insgesamt

- formale Aufnahmen von Arbeitszeiten (Rufbereitschaft), ohne dass deren Zulässigkeit, deren Vorgaben und Inhalte in dem Beschluss der Einigungsstelle selbst geregelt worden seien

- nicht wirksame Regelung für die zu berechnende Zeit für Dienstreisen

- rechtsunwirksame Regelung einer pauschalen Anordnung von bestimmten Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrats

- Einräumung eines Rechts des Arbeitgebers zum mitbestimmungsfreien Wechsel vom Zweischichtsystem auf ein Dreischichtsystem und zurück

- Zulassung einer extrem hohen Belastbarkeit der Beschäftigten durch vom Arbeitgeber zu entscheidende mögliche Zuordnung einer unbeschränkten Anzahl von Dialyse-Patienten pro beschäftigter Pflegekraft

- Unterlassung der Vorgabe, Pausen ordnungsgemäß vor Aufnahme der Arbeit zu bestimmen

- Zulassung bisher geübter und rechtswidriger Verstöße gegen gesetzliche Regelungen in der Zeit bis zum 31. Oktober 2022

Diese Vielzahl von rechtlichen Problemstellungen sei maßgebend für die Festsetzung des Gegenstandswertes. Der auf Basis der tatsächlichen und rechtlichen Problemstellungen gefundene Ausgangswert könne dann gegebenenfalls in Anwendung der Beschäftigtenzahl des Betriebes nach § 9 BetrVG erhöht werden. Die Zugrundelegung des Hilfswertes von 5.000,00 € und dann unter folgender Erhöhung unter Anwendung der Staffel des § 9 BetrVG erscheine inhaltlich nicht ordnungsgemäß.

Ein Gegenstandswert von 25.000,00 € sei zudem in einem anderen Verfahren mit den gleichen Beteiligten durch Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. September 2021 - 29 BVGa 1/21 - festgesetzt worden, wobei es um einen Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen eine einseitige Änderung der Dienstpläne im elektronischen Dienstplanprogramm durch den Arbeitgeber gegangen sei. Dort seien die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten geeignet gewesen, diesen beschränken Gegenstandswert festzusetzen.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2022 - 16 BV 18/22 - hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 25.000,00 € festgesetzt.

Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 9. Dezember 2022 zugestellt worden.

Mit der am 21. Dezember 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes und trug zur Beschwerdebegründung vor, jedenfalls eine Untergrenze von 100.000,00 € könne vorliegend nicht berechtigt unterschritten werden. Die Grundauffassung des Arbeitsgerichts, für die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Verfahrens den Hilfswert zugrunde zu legen und auf diesen aufbauend je nach Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nach der in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffel um je 5.000,00 € zu erhöhen, sei nicht vertretbar. Auf die Zahl der Beschäftigten könne höchstens in den Fällen abgestellt werden, in denen es um die Problematik des Falles einer Person gehe und von weiteren Arbeitnehmer, bei denen eine identische Fallkonstellation zu beurteilen sei. In Situationen wie der Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten oder der Anfechtung von Beschlüssen von Einigungsstellen sei die entscheidende Situation der Ausgangswert des zu behandelnden Verfahrens, also wie die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Ausgangssituation zu bewerten seien. Die Größe des Betriebes und damit Zahl der Beschäftigten könne dann irgendwann für die Bemessung der Bedeutung der Angelegenheit eine Rolle spielen, aber nicht den Ausgangswert allein berühren. Der Gegenstandswert müsse nach den rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Verfahrens bestimmt werden. Diese bestimmten sich nach dem Inhalt des Verfahrens, nicht nach der Tätigkeit des Gerichts. Je nach Konstellation könne diese Bewertung völlig unterschiedlich sein. Es sei ein Unterschied, ob ein Einigungsstellenbeschluss aus verschiedensten inhaltlichen Gründen angefochten werde, oder ob es schon ausreiche, dass der Vorsitzende der Einigungsstelle seine Unterschrift vergessen habe. Für Letzteres sei der Gegenstandswert sicherlich ein anderer als bei der ersten Konstellation. Im vorliegenden Fall könne auch kaum auf die Tätigkeit des Arbeitsgerichts abgestellt werden, da das Gericht sich mit der inhaltlichen Seite des Verfahrens nicht einmal ansatzweise habe beschäftigen müssen. Eine inhaltliche Beschäftigung des Gerichts mit der Problematik sei schon deshalb nicht notwendig gewesen, weil kein einziger inhaltlich stellungnehmender Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin bei Gericht einging. Die Bewertung des Gegenstandswertes habe an den Inhalten des Anfechtungsverfahrens anzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 16. Januar 2023 - 16 BV 18/22 - der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, da sich der Gegenstandswert aus besonderen Vorschriften nicht ergebe, sei er nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Streit über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs und damit über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung sei hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswerts nach den Grundsätzen über den Streit um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts oder die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zu behandeln. Bei der Bemessung der wertmäßigen Bedeutung, den eine Auseinandersetzung um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts habe, sei von der Anzahl der betroffenen Beschäftigten auszugehen und sich dabei an der Staffel des § 9 BetrVG zu orientieren; das Gleiche gelte, soweit es um die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung gehe. Dabei sei regelmäßig der Grundfall von bis zu 20 Beschäftigten mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in Höhe von 5.000,00 € in Ansatz zu bringen; für die weiteren in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffeln seien jeweils zusätzlich 5.000,00 € zu berücksichtigen.

Unter Anwendung dieser Grundsätze sei - unter Berücksichtigung der Anzahl der von der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer von 236 - der Wert nach billigem Ermessen auf den fünffachen Hilfswert festzusetzen, mithin auf 25.000,00 €. Anlass für eine abweichende Entscheidung habe nicht bestanden. Es handele sich vorliegend weder um eine Angelegenheit, die eine besondere Schwierigkeit aufweise, noch um ein besonders umfangreiches Verfahren.

Der Arbeitgeberin und dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist Gelegenheit gegeben worden, zur Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts bis zum 17. Februar 2023 Stellung zu nehmen.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats führte daraufhin aus, der Gegenstandswert sei auf mindestens 100.000,00 € festzusetzen. Die Anfechtung des Einigungsstellenspruchs sei aus einer Vielzahl von Gründen erfolgt, die im Antrag genannt und eingehend detailliert begründet worden seien. Die Auffassung des Arbeitsgerichts berücksichtige nicht die gesetzliche Grundlage des § 23 Abs. 3 RVG. Dieser Regelung sei zu entnehmen, dass die tatsächlichen rechtliche Schwierigkeit eines Verfahrens als die wichtigsten von mehreren Kriterien für die Festsetzung des Gegenstandswertes gelten, es seien dabei insbesondere der Umfang der behandelten Problematik, der objektive Schwierigkeitsgrad der Sache, die Bedeutung der Angelegenheiten für die Beteiligten (einschließlich wirtschaftlicher Bedeutung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer), die Zahl der von der Problematik betroffenen Beschäftigten zu berücksichtigen. § 23 Abs. 3 RVG habe gerade nicht in den Wortlaut, dass alle Streitigkeiten im Beschlussverfahren bezüglich der Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs oder der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung mit dem Hilfswert zu bemessen seien und ausschließlich um die Zahl der im Betrieb Beschäftigten zu erhöhen sei.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin führt aus, der Wertfestsetzung liege eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zugrunde. Auch wenn man die Auffassung, dass ein Verfahren über die Anfechtung eines Spruchs der Einigungsstelle stets eine nichtvermögensrechtliche Auseinandersetzung darstelle, ablehne und eine Differenzierung nach dem Gegenstand des Einigungsstellenspruches befürworten sollte, läge im vorliegenden Fall dennoch eine nichtvermögensrechtliche Auseinandersetzung vor, denn auch unter Berücksichtigung aller hier in Betracht kommenden Bewertungsfaktoren ließe sich kein objektiver Wert der Inhalte des angegriffenen Spruchs der Einigungsstelle feststellen. Die Wertfestsetzung für eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit sei nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG vorzunehmen. Ausgehend vom Hilfswert in Höhe von 5.000,00 € könne dieser unter Heranziehung der vom Beschwerdeführer genannten Kriterien erhöht bzw. vervielfacht werden. Hierbei werde die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter, die sich in der Zahl der Betriebsratsmitglieder wiederspiegele, zu berücksichtigen sein.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt, da die Festsetzung des begehrten Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit gegenüber dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Wert zu um mehr als 200,00 € differierenden rechtsanwaltlichen Gebührenansprüchen führen würde.

b) Die Beschwerde ist frist- und formgerecht beim Arbeitsgericht eingelegt worden, an das die Beschwerde nach § 33 Abs. 7 Satz 3 RVG zu richten ist.

c) Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats ist durch den angegriffenen Beschluss beschwert, weil sich die von ihm zu beanspruchende Anwaltsvergütung nach dem festgesetzten Wert richtet.

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Festsetzung eines Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit iHv. 25.000,00 € vorgenommen.

a) Bei der Streitigkeit der Beteiligten hat es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gehandelt.

Der Betriebsrat hat die Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruches und damit die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung geltend gemacht. Dabei stritten die Beteiligten über die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BetrVG. Streitigkeiten, bei denen es um die Wahrung oder die Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte geht, haben keinen vermögensrechtlichen Charakter (LAG Hamburg, Beschluss vom 28. Dezember 2015 - 6 Ta 24/15 -, Rn. 11, juris).

b) Die Wertfestsetzung für das vorliegende Verfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Der Antrag des Betriebsrats betraf einen Anspruch betriebsverfassungsrechtlicher, also kollektiver Art, und ist nichtvermögensrechtlicher Natur (s.o.).

aa) In Ermangelung spezifischer Wertvorschriften ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 RVG mit 5.000,00 € nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 € anzunehmen.

Die Bestimmung des Wertes für nichtvermögensrechtliche Gegenstände hat zunächst von einer individuellen Bewertung auszugehen. Nur wenn diese nicht möglich ist, kann auf den Wert von 5.000,00 € zurückgegriffen werden. Dieses folgt daraus, dass das Gesetz eine Bewertung "nach Lage des Falles" anordnet, so dass der Wert von 5.000,00 € nur dann Bedeutung erlangen kann, wenn der Fall keine individuellere Wertfestsetzung ermöglicht (LAG Hamburg, Beschluss vom 7. Mai 2020 - 1 Ta 21/20 - n.v.).

Allerdings kommt die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG grundsätzlich erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Unter den Begriff "nach Lage des Falles" fallen sämtliche Umstände des Einzelfalles, insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, Verfahrensdauer und zeitlicher Aufwand der Verfahrensbevollmächtigten (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 19. Mai 2016 - 7 Ta 8/16 -, Rn. 12, juris).

Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes im Vordergrund der Bewertung stehen muss (LAG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 - 2 Ta 8/13 -, Rn. 13, juris).

Der in § 23 Abs. 3 Satz 2 formulierte Wert ist dabei weder als Regelwert, von dem nur bei besonderen Umständen abgewichen werden darf, noch als Wertuntergrenze zu verstehen. Vielmehr handelt es sich bei dem Betrag um einen Hilfswert für den Fall des Fehlens individueller Anhaltspunkte, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind.

Bei Streitigkeiten um Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG bietet die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Bedeutung der Angelegenheit. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen es um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts geht, als auch in solchen Fällen, in denen die Einhaltung und Reichweite einer Betriebsvereinbarung im Streit sind. Bei der Wertermittlung gibt die Staffel des § 9 BetrVG eine Orientierung: Der gesteigerten Bedeutung einer Angelegenheit bei der Betroffenheit einer größeren Zahl von Arbeitnehmern kann im Regelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass ausgehend vom Grundfall (bis zu 20 Arbeitnehmern) für die weiteren in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffeln jeweils zusätzlich 5.000,00 € zu berücksichtigen sind (LAG Hamburg, Beschluss vom 28. Dezember 2015 - 6 Ta 24/15 -, Rn. 15, juris; vom 10. Februar 2012 - H 6 Ta 1/12 - juris; vom 30. November 2009 - 4 Ta 12/09 - juris). Auch ein Streit über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs und damit über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ist hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswerts regelmäßig nach den Grundsätzen über den Streit um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts oder die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zu behandeln (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 31. März 2021 - 5 TaBV 12/19 -, Rn. 6, juris).

bb) Unter Zugrundelegung der Zahl der von der vorliegenden Streitigkeit betroffenen Arbeitnehmer führt dieser Ansatz zur Festsetzung des fünffachen Hilfswertes, also zur Festsetzung des Gegenstandswertes auf 25.000,00 €. Damit ist jedenfalls die Bedeutung für die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ebenso wie die wirtschaftliche Bedeutung für die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall hinreichend berücksichtigt

cc) Die Lage des Falles gebietet keine andere Wertfestsetzung. Eine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit ist vorliegend ebenso wenig erkennbar wie besonders gelagerte Verfahrensdauer oder zeitliche Aufwände der Verfahrensbevollmächtigten.

(1) Vorliegend stritten die Beteiligten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches zu einer Betriebsvereinbarung Arbeitszeit.

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten sind nicht erkennbar. So ist nicht erkennbar, weshalb von einem streitigen Sachverhalt auf Tatsachenebene im vorliegenden Verfahren auszugehen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Verfahren nicht darum ging, auf tatsächlicher Ebene Regelungen zu schaffen (dies bliebe dem - ggf. fortzusetzenden - Einigungsstellenverfahren vorbehalten), sondern vornehmlich nur um die Kontrolle eines Einigungsstellenspruches auf Rechts- und/oder Ermessensfehler.

Auch ist nicht ersichtlich, dass sich angesichts der geltend gemachten Anfechtungsgründe besondere rechtliche Schwierigkeiten ergeben (hätten).

Wenn geltend gemacht wird, dass der Einigungsstellenspruch für Ärztinnen und Ärzte keine Regelung der Arbeitszeit enthält, ergibt sich daraus nur die rechtliche Frage, ob die Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag vollständig nachgekommen ist. Dies lässt sich unschwer durch den Abgleich mit dem der Einigungsstelle gegebenen Regelungsgegenstand feststellen.

Wenn geltend gemacht wird, dass der Einigungsstellenspruch eine Rufbereitschaft nicht geregelt hat, ergeben sich daraus auch keine komplizierten rechtlichen Schwierigkeiten.

Gleiches gilt für eine etwaige nicht wirksame Regelung über nicht vollständige Regelung für Dienstreisen.

Auch soweit geltend gemacht wird, dass bestimmten Überstunden nicht durch Spruch der Einigungsstelle eine Vorabzustimmung erteilt werden könne, ist nicht ersichtlich, welche besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BetrVG sich stellen würden. Dies gilt auch hinsichtlich der etwaigen Einräumung eines Rechts des Arbeitgebers zum mitbestimmungsfreien Wechsel vom Zweischichtsystem auf ein Dreischichtsystem und zurück.

Hinsichtlich des geltend gemachten Anfechtungsgrundes, dass der Einigungsstellenspruch eine extrem hohe Belastbarkeit der Beschäftigten durch vom Arbeitgeber zu entscheidende mögliche Zuordnung einer unbeschränkten Anzahl von Dialyse-Patienten pro beschäftigter Pflegekraft zulasse, mag sich zwar die Frage stellen, ob die Einigungsstelle eine ermessengerechte Regelung aufgestellt habe. Dass das Arbeitsgericht aber Regelungen einer Einigungsstelle auf Ermessensfehler zu überprüfen hat, ist einem Anfechtungsverfahren immanent und führt für sich genommen noch nicht zu einer besonders gelagerten rechtlichen Schwierigkeit.

Die Frage, ob Pausen ordnungsgemäß vor Aufnahme der Arbeit zu bestimmen sind, ist angesichts der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls nicht rechtlich schwierig.

Soweit geltend gemacht wird, die Einigungsstelle habe für die Zeit bis zum 31. Oktober 2022 keine (ggf. Übergangs-) Regelungen aufgestellt, stellt sich auch die schlichte Frage, ob die Einigungsstelle ihren Regelungsauftrag vollständig erfüllt hat.

Schließlich mag sich einem befassten Arbeitsgericht im Verfahren ggf. noch die Frage stellen, ob unter der Annahme, dass verschiedene Einzelregelungen unwirksam oder unvollständig seien, dies ggf. zu einer nur teilweisen oder aber vollständigen Unwirksamkeit der mittels Spruches getroffenen Regelung der Einigungsstelle führte. Auch diese Fragestellung ist für sich genommen aber keine rechtliche Besonderheit in einem Anfechtungsverfahren.

(2) Eine besonders gelagerte Verfahrensdauer war ebenfalls nicht gegeben. Die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens vom Antragseingang am 3. August 2022 bis zur Antragsrücknahme am 7. September 2022 stellt sich auch nicht als außergewöhnlich lang dar, sondern eher als außergewöhnlich kurz. Auch fand kein Sitzungstermin statt.

(3) Auch der anwaltliche Aufwand rechtfertigt im vorliegenden Einzelfall keine höhere Wertfestsetzung. Zwar bezog sich der Aufwand des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf die Erstellung einer zehnseitigen Antragsschrift, die auf ca. sechs Seiten unter Ziff. 3.2 bis 3.9 acht verschiedene Anfechtungsgründe anführt. Weitere inhaltliche Schriftsätze zum Streitgegenstand wurden nicht gewechselt. Ein überdurchschnittlicher Arbeitsaufwand ergibt sich aus alledem aber noch nicht.

III.

1. Da die Beschwerde keinen Erfolg hatte, war die Gebühr nach Nr. 8614 Kostenverzeichnis als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nicht zu ermäßigen oder zu bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben wäre.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens einander keine Kosten zu erstatten haben (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

3. Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nicht statt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Hinweise

Rechtskraft: ja

Vorschriften§ 23 Abs. 3 RVG, § 9 BetrVG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 33 Abs. 7 Satz 3 RVG, § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BetrVG, § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG, § 87 Abs. 1 BetrVG, § 3 Abs. 2 GKG, § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG