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Urteil vom 22.11.2022 · IWW-Abrufnummer 235768

Landesarbeitsgericht München - Aktenzeichen 6 Sa 275/22

Die Klägerin macht auch im Berufungsverfahren erfolglos die Zahlung eines (weiteren) 13. Monatsgehaltes geltend. In ihrem Arbeitsvertrag wird zunächst auf die tariflichen Regelungen auch hinsichtlich der Vergütung Bezug genommen. Der nachfolgende Satz, die Vergütung werde im Jahr 13 Mal bargeldlos ausbezahlt, betrifft die Zahlung des tariflichen Urlaubs- und Vergütungsanspruches dar; ihr kommt nur deklaratorischer Charakter zu. Dies folgt aus der Auslegung des Vertragspassus. Das Auslegungsergebnis lässt keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit dieses Ergebnisses offen.


Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29. März 2022 - 20 Ca 11062/21 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines 13. Monatsgehalt.

2

Die Klägerin ist seit 1. Oktober 1989 bei der Beklagten gemäß Arbeitsvertrag vom 18. September 1989 (Anlage K2, Bl. 47 d. A.) beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 3071,04 €. Im Arbeitsvertrag ist u. a. geregelt:

"...

3. Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der C. Im Hinblick auf die sine Tätigkeit erfolgt eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 03. ...

4. Entsprechend der in Ziffer 3 vorgenommenen Eingruppierungen belaufen sich die monatlichen Bezüge auf:

...

5. Die Bezüge werden 13 mal jährlich bargeldlos bezahlt.

..."

3

Auf das Arbeitsverhältnis wenden die Parteien den Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2007 - einschließlich des Änderungstarifvertrages Nr. 13 (nachfolgend: MTV Nr. 14 Boden, Anlage B2, Bl. 123 ff. d. A.) an. Diese enthält unter Ziffer V ("Vergütung") auszugsweise folgende Regelungen:

"...

§ 13 Anspruch auf Vergütung

(1) Der Mitarbeiter hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarte Vergütung.

(2) Als Vergütung werden eine Grundvergütung und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, folgende Aufschläge gezahlt ...

§ 14 Grundvergütung

(1) Die Grundvergütung wird, soweit dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt, nach dem Wert der Leistung bemessen. Zu diesem Zweck ist jeder vom Tarifvertrag erfassten Mitarbeiter in eine Vergütungsgruppe einzuordnen.

...

§ 26 Auszahlung der Vergütung

(1) Die feststehenden monatlichen Vergütungsbestandteile (Grundvergütung und Zulagen, ausgenommen Schicht- und nach Zulagen) werden für den laufenden Monat in der Weise bargeldlos bezahlt, dass Sie am 27. eines jeden Monats den Bank-, Sparkassen- oder Postgirokonto des Mitarbeiters gutgeschrieben werden können.

..."

4

Unter Ziffer VI ("Sozialbezüge") enthält der Manteltarifvertrag in § 30 u. a. nachfolgende Regelungen:

"§ 30 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

(1) Alle Mitarbeiter erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je einer halben Grundvergütung zuzüglich des halben Betrages eventuell zustehender Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen. Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für den Monat Mai, des Weihnachtsgeldes nach der für den Monat November des betreffenden Jahres zugrunde liegenden vollen Vergütung (Grundvergütung zuzüglich eventueller Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen).

...

(4) Das Urlaubsgeld wird mit der Maivergütung, das Weihnachtsgeld mit der Novembervergütung gezahlt."

5

Der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Manteltarifvertrag Nr. 13 in der Fassung vom 14. Juni 1988 (Anlage B4, Bl. 192 ff. d. A.) enthielt entsprechende Regelungen. Die Tarifverträge enthalten keine Regelungen zu einem "13.".

6

In der Vergangenheit erhielt die Klägerin ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bis Mai 2020 jeweils mit dem Gehaltslaufe für Mai und November zusätzlich eine Leistung, deren Höhe den Vorgaben nach § 30 Abs. 1 MTV Nr. 14 Boden bzw. MTV Nr. 13 Boden entsprach.

7

Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Luftverkehr e. V. (AGVL), der sich vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie seit April 2020 in Verhandlungen u. a. mit der Gewerkschaft ver.di über Maßnahmen zur Reduktion der Personalkosten befand. Am 10. November 2020 einigten sich die AGVL und die Gewerkschaft ver.di auf ein "Eckpunktepapier für eine Krisenvereinbarung ("Kurzläufer")" (Anlage B5, Bl. 235 ff. d. A.). Unter Nr. 2 mit der Überschrift "Einsparmaßnahmen" waren u. a. die Punkte "Streichung Weihnachtsgeld [mit Ausnahme Mitarbeiter in ATZ] gültig in 2020 und 2021" und "Streichung Urlaubsgeld [mit Ausnahme Mitarbeiter in ATZ] gültig in 2021" angeführt. Unter Nr.7 mit der Überschrift "Wirksamkeit" war ein Inkrafttreten des Eckpunktepapiers erst nach positiver Erklärung binnen einer Erklärungsfrist zum 8. Dezember 2020,12:00 Uhr geregelt.

8

Am 16. Dezember 2020 schlossen der AGVL und die Gewerkschaft ver.di den "Tarifvertrag zur Bewältigung des Corona-Krisenfall" für das Bodenpersonal (nachfolgend: C IV CoronaKrise, Anlage K5, Bl. 57 ff. d. A.). Dieser regelt in § 4 Abs. 1 unter der Überschrift "Urlaubs- und Weihnachtsgeld":

"Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß § 30 MTV Nr. 14 ... werden für die Laufzeit dieses Tarifvertrages nicht ausgezahlt. Der Anspruch besteht für die Dauer der Aussetzung nicht und die Auszahlung wird ... nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt."

9

Der Tarifvertrag trat gemäß § 9 TV Corona-Krise am 10. November 2020 in Kraft und endete am 31. Dezember 2021.

10

Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften AGVL und ver.di wurde im Intranet "eBase", auf das alle Beschäftigten des Konzerns Zugriff haben, am 12. Mai 2020 ein Artikel veröffentlicht, der über einen gemeinsamen Tarifgipfel am 30. April 2020 und die dort gefundene Einigung informiert (Anlagenkonvolut B7, Bl. 269 ff d. A.). In ihm ist auszugsweise ausgeführt (Anlagenkonvolut B7, Bl. 274 ff. d. A.):

"Für wie lange müssen die Maßnahmen abgeschlossen werden?

Die zu verhandelnden Maßnahmen will das Unternehmen für den Zeitraum bis voraussichtlich Ende 2023 abschließen, bzw. bis zu diesem Zeitpunkt, wenn sich das "New Normal" einstellt. Je nach Verlauf der Krise kann sich dieser Zeitpunkt verändern.

Wie könnten solche Maßnahmen aussehen?

Die nötige erhebliche Einsparung von Personalkosten erfordert es, unvoreingenommen auch schwierige Themen anzusprechen. Folgende Maßnahmen hat die Lufthansa im Rahmen der Verhandlungen gefordert:

...

Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld inkl. Zuschlägen ..."

11

Im Mai 2020 zahlte die Beklagte der Klägerin eine Leistung in Höhe der halben monatlichen Grundvergütung sowie einer hälftigen monatlichen Überleitungszulage (132,65 € brutto), insgesamt einen Betrag i.H.v. 1.535,52 € brutto. Weder im November 2020 noch im Mai bzw. November 2021 erhielt die Klägerin weitere zusätzliche Leistungen als "Weihnachts- oder Urlaubsgeld" oder als (jeweils hälftiges) "13. Monatsgehalt".

12

Mit ihrer am 14. Dezember 2021 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 2. Dezember 2021 zugestellten Klage vom 14. Dezember 2021 begehrt sie die Zahlung eines 13. Monatsgehaltes, zahlbar zu je ein halb mit den Gehaltsläufen November 2020, Mai 2021 und November 2021.

13

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, diese Zahlungen seien gemäß Nr. 4 und 5 des Arbeitsvertrages geschuldet. Ihrer Ansicht nach handelt es sich nicht nur um eine deklaratorische, sondern um eine konstitutive Regelung, was sich aus einer Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ergebe. Der Wortlaut von Nr. 5 des Arbeitsvertrages, insbesondere die Formulierung "werden ... gezahlt", spreche für eine eigene Anspruchsgrundlage.

14

Aus der Gesamtsystematik des Vertrages ergebe sich nichts Abweichendes. Die in Nr. 3 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahme Klausel sei Nr. 5 nicht prominent vorangestellt. Zudem enthalte Nr. 5 nicht lediglich die Wiederholung der tariflichen Regelung, denn im Manteltarifvertrag findet sich keine mit Nr. 5 korrespondierende Regelung zu einem 13. Monatsgehalt. Auch wäre die Regelung als deklaratorische Bestimmung überflüssig; ausreichend wäre dann die Tarifbezugnahme in Nr. 3 gewesen. Das Argument, die Klausel mit einem Informationsbedürfnis hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen, sei unschlüssig und werde dadurch widerlegt, dass die Beklagte die Klausel vergleichbar Nr. 5 des vorliegenden Arbeitsvertrages bei zeitlich später verwendeten Formulararbeitsverträgen ersatzlos habe entfallen lassen.

15

Es sei nicht zu erkennen, weswegen für den Empfänger erkennbar gewesen sein sollte, dass eine konstitutive Regelung von der Beklagten nicht gewollt sei. Auch die jahrzehntelange gelebte Praxis belegen nicht, dass die Parteien von derselben Anspruchsgrundlage ausgegangen seien.

16

Das Auslegungsergebnis "konstitutive Regelung" sei mindestens ebenso gut vertretbar, wie die Annahme einer deklaratorischen Bestimmung. Demnach wäre die Klausel mindestens mehrdeutig im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB . Dies belegten auch unterschiedliche erstinstanzliche Entscheidungen im Parallelverfahren.

17

Jedenfalls folge ein entsprechender Zahlungsanspruch zumindest aus § 611a BGB i.V.m. § 30 MTV Nr. 14 Boden. Ihr schutzwürdiges Vertrauen steht der rückwirkenden Streichung des Weihnachtsgeldes 2020 durch den am 10. November 2020 (rückwirkend) in Kraft getretenen TV Corona-Krise entgegen.

18

Sie hat b e a n t r a g t:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto 1.535,52 € nebst Zinsen i.H.v. 5% Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto 1.535,52 € nebst Zinsen i.H.v. 5% Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit 28.05.2021 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto 1.535,52 € nebst Zinsen i.H.v. 5% Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2021 zu zahlen. Die Beklagte hat b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

19

Sie hat die Ansicht vertreten, Nr. 5 des Arbeitsvertrages stelle lediglich eine deklaratorische Regelung ohne anspruchsbegründenden Charakter und insbesondere keinen vom Tarifvertrag losgelösten Anspruch dar. Schon der Wortlaut der Vereinbarung spreche für eine deklaratorische Darstellung der Auszahlungsmodalitäten. Dies bestätige sich durch Betrachtung des gesamten Arbeitsvertrages. Wesentlich sei die Nr. 3 enthaltene uneingeschränkte zeitdynamische Tarifbezugnahmeklausel. Eine Bezugnahmeklausel wie die vorliegende, ohne Einschränkung oder Klarstellung, belege, dass die nachfolgenden Vertragsklauseln keinen abweichenden Anspruch einräumen sollten.

20

Nr. 5 sei insbesondere auch nicht überflüssig, da Arbeitnehmer auch im Falle der Tarifbindung des Arbeitgebers ein Informationsbedürfnis hinsichtlich der wesentlichen Vertragsbedingungen hätten. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in späteren Formularverträgen die Klausel gestrichen habe. Es sei eine Wertungsentscheidung, welches Informationsbedürfnis bei den Mitarbeitern bestehe und wie dieses voll erfüllt werden könne. Diese Entscheidung habe sie im Laufe der Jahre anders getroffen.

21

Die vertragliche Regelung sei auch nicht mehrdeutig. Nach Wortlaut und Systematik sei lediglich eine Auslegung dahingehend vertretbar, das Arbeitsverhältnis solle insgesamt den tariflichen Regelungen unterworfen sein.

22

In Ihrem Unternehmen würden die Begriffe "13. Monatsgehalt" und "Weihnachts- und Urlaubsgeld" seit Jahrzehnten Synonym verwendet. Sie gewährte der Klägerin keinen einzelvertraglichen Anspruch auf eine derartige Zahlung, unabhängig von den tariflichen Regelungen. So sei es bei ihr auch jahrzehntelange Praxis gewesen, neben den 12 Monatsgrundgehältern lediglich das tarifliche Urlaubsgeld im Mai und das tarifliche Weihnachtsgeld im November auszuzahlen. Es sei lebensfremd, dass die Klägerin diese Handhabung "hingenommen" habe und trotzdem von einer eigenständigen Anspruchsgrundlage eines "echten 13. Monatsgehaltes" in Ihrem Arbeitsvertrag ausgegangen sei.

23

Dem Entfall des tariflichen Anspruchs aufgrund des TV Corona-Krise stehe kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin entgegen. Durch die Kommunikation im Unternehmen, spätestens mit der Mitteilung im Intranet vom 25. Mai 2020, sei den Mitarbeitern hinreichend bekannt gewesen, dass auch über die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes verhandelt werde.

24

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil 29. März 2022 (Bl. 419 ff. d. A.) auf Kosten der Klägerin abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 4.606,56 € festgesetzt. Wegen des (un-)streitigen Sachvortrags der Parteien im Übrigen und der maßgeblichen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

25

Im Wesentlichen führt das Arbeitsgericht aus, die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt als Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Dabei schließe sich die Kammer den Entscheidungen des Arbeitsgerichts München (23 Ca 9984/21) und des Arbeitsgerichts Hamburg (14 Ca 65/21, Anlage B1, Bl. 100 ff. d. A.) an.

26

Der geltend gemachte Anspruch lasse sich nicht aus dem Arbeitsvertrag ableiten. Nr. 5 des Arbeitsvertrages enthalte keine konstitutive Regelung, wie sich aus dessen Auslegung ergebe. Weder aus dem Wortlaut der Nr. 5 des Arbeitsvertrages noch aus den übrigen Bestimmungen lasse sich ein anspruchsbegründender Charakter dieser Vereinbarung entnehmen. Ein eigenständiger, tarifunabhängiger Anspruch der Klägerin ergebe sich daraus nicht. Weder enthalte die Vereinbarung den Begriff des "Anspruchs" noch den korrespondierenden Begriff einer "Verpflichtung" der Beklagten. Unmittelbar würden lediglich die Zahlungsmodalitäten beschrieben; ebenso lasse sich aus der Gesamtbetrachtung kein konstitutiver Charakter der Vereinbarung entnehmen. Aus der Sicht eines "redlichen" und "verständigen" Vertragspartners mache es keinen Sinn, zunächst umfassend mittels einer uneingeschränkten Bezugnahmeklausel auf tarifliche Regelungen zu verweisen, und dann zugleich die umfassende Bezugnahme wieder abzubedingen. Anhaltspunkte für eine Entkoppelung der Nr. 5 des Arbeitsvertrages vom Tarifvertrag seien nicht zu erkennen. Auch die unbestrittene Vertragspraxis der Parteien seit Vertragsschluss spreche nicht für die Begründung eines zusätzlichen Anspruches. Die Beklagte habe bis zum streitgegenständlichen Zeitraum unbestritten im November eines Jahres zusätzliche Leistungen in Höhe von jeweils einem halben Monatsgrundgehalt bezahlt, wie es der tariflichen Regelung in § 30 MTV Nr. 13 bzw. 14 Boden entsprach. Die Zahlung eines weiteren monatlichen Grundbezugs sei nicht erfolgt. Schließlich folge auch aus der Unklarheitenregelung nichts anderes.

27

Nach Ansicht der Kammer ergebe die Auslegung der Nr. 5 des Arbeitsvertrages allein eine deklaratorische, nicht aber auch eine konstitutive Regelung. Die entfernte Möglichkeit zu einem anderen Ergebnis zu gelangen reiche für die Anwendung von § 305c Abs. 3 BGB nicht aus. Der tarifliche Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei anteilig für 2020 und für das gesamte Jahr 2021 wirksam durch § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise ausgeschlossen worden. Diese Regelung verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Dafür sei die Veröffentlichung im Intranet "eBase" ausreichend gewesen. Mit Erscheinen dieser habe den Mitarbeitern klar sein müssen, dass auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld Gegenstand der Tarifverhandlungen seien.

28

Gegen diese der Klägerin am 25. April 2022 zugestellte Entscheidung wendet sie sich mit ihrer Berufung vom 20. Mai 2022, die am 23. Mai 2020 über einen sicheren Übermittlungsweg beim Landesarbeitsgericht München eingegangen war, und begründet diese nach der auf ihren Antrag hin erfolgten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 25. Juli 2022 (Beschluss vom 22. Juni 2022, Bl. 467 d. A.) mit Schriftsatz vom 20. Juli 2022, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen war.

29

Sie hält daran fest, bei Nr. 5 des Arbeitsvertrages handle es sich um eine konstitutive Regelung. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Formulierung "gezahlt" klar für eine eigene Anspruchsgrundlage spreche und eindeutig sei.

30

Weiterhin nehme das Erstgericht fehlerhaft an, auch aus dem Arbeitsvertrag insgesamt ergebe sich kein konstitutiver Charakter der Nr. 5. In der Gesamtbetrachtung werde anhand der Nr. 4 des Arbeitsvertrages deutlich, dass die Begriffe der "Bezüge" jeweils Unterschiedliches beschrieben. Ein synonymes Begriffsverständnis könne dem nicht entnommen werden. Auch enthalte die Vereinbarung der Nr. 5 entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sehr wohl einen Hinweis auf eine "zusätzliche Leistung", nämlich mit der gewählten Formulierung, "die Bezüge" bzw. durch das Unterlassen einer Formulierung wie "die tatsächlichen Bezüge", obschon in Nr. 4 des Arbeitsvertrages zwischen Bezügen und tatsächlichen Bezüge unterschieden werde. Wenn das Arbeitsgericht auf die fehlende Einschränkung der Nr. 5 und einen fehlenden Hinweis auf zusätzliche tarifunabhängige Leistungen abstelle, so greife dies zu kurz, da gerade in Nr. 4 tarifunabhängige Leistungen genannt seien und der Arbeitsvertrag nach seinem Wortlaut zwischen Tarifbezügen und Bezügen unterscheide.

31

Weiter übersehe das Arbeitsgericht, dass die in Nr. 5 des Arbeitsvertrages genannte Erfüllung des Arbeitsvertrages der bargeldlosen Zahlung sich auch schon aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen der §§ 26 Abs. 1 , 30 Abs. 4 MTV Nr. 13 bzw. 14 Boden ergebe bzw. bei Vertragsschluss ergeben habe. Es übersehe und würdige nicht weiter, dass bei Vertragsschluss gerade keine Nr. 5 korrespondierende Formulierung im MTV Nr. 13 Boden enthalten gewesen sei. Dort sei ein Weihnachts- und Urlaubsgeld in § 30 MTV formuliert gewesen. Auch würdige das Erstgericht nicht, dass Nr. 4 des Arbeitsvertrages eine tarifunabhängige Ausgleichszulage beinhalte bzw. beinhalten könne, die § 30 MTV Nr. 13/Nr. 14 Boden nicht enthalte. Im Tarifvertrag finde sich auch der Begriff Ausgleichszulage nicht.

32

Die streitbefangene Klausel wäre zudem überflüssig, käme ihr kein konstitutives Verständnis zu. Eine ausdrücklich in den Vertrag aufgenommenen Klausel komme grundsätzlich Vorrang gegenüber einer pauschalen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zu. Zwar könnten die Parteien auch die Bezugnahme gleichsam ausformulieren, also eine deklaratorische Klausel aufnehmen, sie sei hier aber nicht geschehen.

33

Bestätigt werde dies durch die zweckorientierte Auslegung des Vertrages in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der redlichen Interessen der typischerweise beteiligten und

"verständigen" Vertragsparteien. Es gebe keinen Grundsatz, dass bei vorangestellter dynamischer Bezugnahmeklausel kein von der Tariflage abweichender Anspruch konstitutiv eingeräumt werden könne. Vorliegend zeichne der Arbeitsvertrag nicht lediglich den Wortlaut des Tarifvertrages nach. Deswegen sei nicht nachzuvollziehen, weswegen Nr. 5 des Arbeitsvertrages nur deklaratorischen Inhalt haben solle. Auch Nr. 4 des Arbeitsvertrages gebe nicht nur die Bezifferung der in Nr. 3 S. 2 des Arbeitsvertrages vorgenommenen Eingruppierung in die Vergütungsgruppe wieder, sondern beinhalte darüber hinaus eine zu den derzeitigen Tarifbezügen zu zahlende (widerrufliche) Ausgleichszulage. Die Beklagte habe damit bewusst die Begrifflichkeiten unterschieden. Wenn nun in Nr. 5 von "Bezügen" die Rede sei, sei dieser Begriff im Kontext der Begrifflichkeiten mit Nr. 4 zu sehen. Wenn in Nr. 5 von 13 Mal/Jahr zu zahlenden Bezügen die Rede sei, so könnten damit nur die Bezüge gemäß Nr. 4 des Arbeitsvertrages gemeint sein. Damit unterscheide sich der Wortlaut des Arbeitsvertrags von dem des Tarifvertrags. Erst durch die Annahme eines synonymen Begriffsverständnisses von "13. Gehalt" und "Urlaubs- und Weihnachtsgeld" erfolge eine Verknüpfung von Nr. 5 des Arbeitsvertrages mit dem Inhalt des § 30 MTV Nr. 13/Nr. 14 Boden.

34

Mindestens seit Geltung des MTV Nr. 10 seit den 1970er Jahren sei die Auszahlungsmodalitäten "bargeldlos" tariflich geregelt. Einer Klarstellung dieser aus Zahlungsmodalität habe es daher nicht bedurft. Gerade wegen der Zusage eines eigenständigen und tarifunabhängigen Anspruchs sei erst diese erwähnte Auszahlungsmodalität sinnhaft.

35

Aus Nr. 4 des Arbeitsvertrages ergeben sich die monatlichen Bezüge, nicht jedoch ein jährlicher 13. Monatsbezug. Nr. 5 setze daher allein die Existenz von Ansprüchen voraus, wobei es nicht um die Monatsbezüge nach Nr. 4 des Arbeitsvertrages gehe. Durch den Satzeinschub "13 mal jährlich" werde der 13. Monatsbezug konstituiert. Im Falle einer durch Nr. 5 des Arbeitsvertrags primär erstrebten Information, es erfolge eine bargeldlose Abwicklung sämtlicher Gehaltszahlungen, hätte es dieses Einschubs "13 mal jährlich" nicht bedurft. Im Arbeitsvertrag niedergelegte Bestimmungen sprechen dafür, diese hätten Bedeutung bzw. umgekehrt, wenn kein einzelvertraglich konstituierender Anspruch gewollt gewesen sei, werde Nr. 5 des Arbeitsvertrags nicht in den Vertragstext aufgenommen worden.

36

In der Gesamtschau ergebe sich, dass nicht lediglich Nr. 3-5 des Arbeitsvertrages für eine konstitutive Regelung sprechen. Die Bezugnahmeklausel werde im Arbeitsvertrag nicht vorangestellt, schon gar nicht "prominent". Nr. 2 des Arbeitsvertrages regele eine Probezeit und stelle auch eine konstitutive Regelung dar. Erst Nr. 3 enthalte eine Bezugnahmeklausel.

37

Auch die Vertragspraxis der Parteien stehe einer konstitutiven Regelung nicht entgegen. Sie habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, sie habe eine jährlich einmalige Zahlung in Höhe eines vollen monatlichen Grundgehalts als 13. Zahlung erhalten. Es sei nicht unstreitig, dass es eine jährlich einmalige Zahlung nicht gegeben habe, vorsorglich werde dies erneut mit Nichtwissen, hilfsweise einfach bestritten. Sie habe sich vor dem streitgegenständlichen Zeitraum in keiner vergleichbaren Situation befunden, da erstmals ab November 2020 der halbe Monatsbezug vollständig entfallen sei. Es bleibe bestritten, dass bereits bei Vertragsschluss klar gewesen sei, mit der 13-maligen bargeldlosen Zahlung würden die 12 Grundgehälter und das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld entrichtet. Bei Vertragsschluss habe es noch kein Intranet gegeben. Der Tarifvertrag sei nicht vorgelegt worden.

38

Selbst wenn man die streitbefangene Klausel entgegen der von ihr vertretenen Rechtsauffassung nicht eindeutig als konstitutiv auslegen könne, so handle es sich bei ihr jedenfalls nicht nur um eine deklaratorische Regelung. Zumindest sei die Annahme der konstitutiven Regelung vorzugswürdig. Soweit nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verblieben, geht dies zulasten des Verwenders.

39

Sie b e a n t r a g t:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.03.2022, Az. 20 Ca 11062/21, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto € 1.535,52 nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto € 1.535,52 nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2021 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto € 1.535,52 nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2021 zu zahlen.

40

Die Beklagte b e a n t r a g t,

die Berufung zurückzuweisen.

41

Sie verweist auf eine Vielzahl arbeitsgerichtlicher Entscheidungen aus Hamburg, Düsseldorf, D-Stadt, München und Stuttgart, die sämtlich vergleichbare Klagen abgewiesen hätten. Mittlerweile liege mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. August 2022 - 4 Sa 10/22 auch die erste, die Klageabweisung bestätigende zweitinstanzliche Entscheidung vor, die keine Revision zugelassen habe.

42

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und nimmt vorweg auf ihren gesamten Vortrag erster Instanz Bezug.

43

Die Berufungsbegründung trage keine durchgreifenden tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen vor, die eine Änderung des erstinstanzlichen Urteils rechtfertigten. Das Arbeitsgericht sei zutreffend vom Wortlaut der Nr. 5 des Arbeitsvertrages ausgegangen und habe diesem keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Auslegung der Klausel als konstitutive Anspruchsgrundlage entnommen. Diese Regelung sei kürzer als die übrigen Vertragsbestandteile zudem in Passivform gehalten. Daraus folge, dass sie an die Formulierung der Nr. 4 des Arbeitsvertrages anknüpfe, was für eine Regelung aus der Zahlungsmodalität entspreche. Auch sei sie so vage gehalten, dass ihr nicht ein erforderlicher Anspruchscharakter auch nur ansatzweise entnommen werden könne. Bei Begründung eines eigenständigen Anspruches wäre zudem die Zahlungsmodalität "bargeldlos" nicht erwähnt worden. Vielmehr wäre auf die maßgeblichen Parameter, wie die Berechnung, den Stichtag, die Fälligkeit, eine etwaige Aufteilung etc. abgehoben worden. Die Erwägungen der Klägerin, welche Bedeutung der Streichung einzelner Wörter bzw. Passagen in Nr. 5 des Arbeitsvertrages zukommen könnte, brächten keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn.

44

Das hier vertretene Auslegungsergebnis werde durch die gebotene Berücksichtigung des vertraglichen Gesamtkontextes bestätigt. Hier sei anerkannt, dass eine vorangestellte Tarifbezugnahmeklausel dafür spreche, die Vertragsparteien hätten ihr Arbeitsverhältnis insgesamt den Regelungen der einschlägigen Tarifverträge unterstellen wollen. Dies gelte umso mehr, wenn in der Vergangenheit die vollständige Anwendung der tariflichen Regelungen nicht umstritten gewesen sei. Die Klägerin verkenne, dass bei einer vorangestellten Bezugnahmeklausel nach der Rechtsprechung besondere Anhaltspunkte im Wortlaut erforderlich wären, käme ihr nicht nur deklaratorischer Charakter zu. Es handele sich bei ihr um eine Mitarbeiterinformation, nicht aber um eine Individualzusage. Für ein konstitutives Verständnis spreche auch nicht, dass Nr. 5 des Arbeitsvertrages ansonsten überflüssig sei.

45

Der Klausel sei eine Informationsfunktion zugekommen.

46

Inhalt und Aufbau der Nr. 3-5 des Arbeitsvertrages belegten den lediglich deklaratorischen Charakter der Nr. 5. Angesichts der Systematik des Vertrages sei es auch nicht überzeugend, dass gerade eine einzelne Klausel konstitutiv sein sollte, während die anderen erkennbar nur deklaratorischen Charakter besäßen. Ihre Relevanz sei, dass die tariflichen Begrifflichkeiten wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag sich nicht wörtlich wiederfänden. Das synonyme Verständnis zwischen diesem Begriff und dem des "13. Gehalts" werde durch die Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien aus dem Jahr 2002 bestätigt.

47

Auch die in Nr. 4 des Arbeitsvertrags erwähnte Ausgleichszulage sei nicht zielführend. Entgegen des Vortrags der Klägerin handle es sich dabei nicht um einen zur umfassenden Bezugnahmeklausel der Nr. 3 in Widerspruch stehenden Vergütungsbestandteil. Vielmehr seien unter diesem Begriff verschiedene tarifliche Vergütungsbestandteile im Laufe der Jahrzehnte zusammengefasst worden.

48

Soweit die Klägerin geltend machen wolle, Nr. 5 des Arbeitsvertrages meine nicht das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sondern es handelt sich um unterschiedliche Anspruchsgrundlagen, so findet das nicht nur keine Grundlage im Wortlaut und im Chor Kontext des Vertrages, sondern stehe auch im klaren Widerspruch zu einer jahrzehntelangen Vertragspraxis. Diese sei bei der Auslegung des Vertrages zu berücksichtigen.

49

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 14. Dezember 2021 (Bl. 34 ff. d. A.), vom 17. März 2022 (Bl. 294 ff. d. A.), vom 25. März 2022 (Bl. 385 ff. d. A.), vom 20. Mai 2022 (Bl. 439 ff. d. A.), vom 20. Juli 2022 (Bl. 468 ff. d. A.) und vom 17. Oktober 2022 (Bl. 537 ff. d. A.), der Beklagten vom 4. Februar 2022 (Bl. 84 ff. d. A.), vom 21. März 2022 (Bl. 358 ff. d. A.), vom 28. März 2022 (Bl. 403 ff. d. A.), vom 19. September 2022 (Bl. 497 ff. d. A.) und vom 21. Oktober 2022 (Bl. 544 ff. d. A.) - jeweils einschließlich evtl. Anlagen - sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 29. März 2022 (Bl. 415 ff. d. A.) und vom 25. Oktober 2022 (Bl. 556 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

50

Die statthafte Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. I. Die Klage ist zulässig.

51

Sie ist nach § 64 Abs. 1 , 2b ArbGG statthaft sowie in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden ( § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG , § 519 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG , § 222 ZPO ).

52

II. In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.

53

Das Arbeitsgericht hat zutreffend und mit zutreffender Begründung die von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche verneint und die Klage abgewiesen. Dieser steht kein von den tariflichen Vergütungsregelungen unabhängiger Anspruch auf ein 13. Gehalt aus dem Arbeitsvertrag zu. Vielmehr ist der Arbeitsvertrag nach seiner Nr. 3 dahingehend zu verstehen, dass die Arbeitnehmer der Beklagten und damit auch die Klägerin, ihre Vergütung entsprechend der tariflichen Vergütungsregelungen erhalten. Die vertraglich angesprochene 13. Zahlung entspricht damit der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld gem. § 30 MTV Nr. 14 Boden, dessen Zahlung aber gerade durch § 4 Abs. 1 TV CoronaKrise ausgeschlossen worden war. Entgegen der Annahme der Klägerin war auch im Berufungsverfahren nicht dargetan worden, dass in Nr. 5 des Arbeitsvertrags ein vom Tarifvertrag unabhängiger Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt geregelt worden war. Dem steht eine vom Tarifvertrag unabhängige Individualregelung in Nr. 2 des Arbeitsvertrages nicht entgegen. Insbesondere entspricht das hier und bereits erstinstanzlich zugrunde liegende Verständnis der bislang geübten Vertragspraxis; die Klägerin hatte auch in der Vergangenheit keine 14 Gehälter jährlich (13 Gehälter aus dem Arbeitsvertrag sowie das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach § 30 MTV Nr. 14 Boden bzw. der Vorgängertarifverträge) gefordert, was belegt, dass sie selbst den Arbeitsvertrag in der hier vertretenen Weise verstanden hatte.

54

Vorweg wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen ( § 69 Abs. 3 ArbGG ). Hinsichtlich der Berufungsangriffe ist ergänzend auszuführen:

55

1. Ein selbstständiger Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehalts ist Nr. 5 des Arbeitsvertrages nicht zu entnehmen. Das Arbeitsgericht geht zutreffend davon aus, diese als allgemeine Geschäftsbedingung anzusehende vorformulierte Regelung ( § 305 Abs. 1 BGB ) enthalte keinen konstitutiven Inhalt.

56

a. Das Arbeitsgericht begründet zutreffend, dass es sich bei Nr. 5 des Arbeitsvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Auf diese Ausführungen unter II 1 a des angegriffenen Urteils wird ausdrücklich Bezug genommen.

57

b. Aus Nr. 5 des Arbeitsvertrags unmittelbar bzw. unter Einbeziehung auch der weiteren vertraglichen Regelungen ist allerdings kein anspruchsbegründender Charakter dieser Vertragsvereinbarung zu entnehmen, kraft derer sich ein Anspruch auf ein zu zahlendes 13. Gehalt, zusätzlich zum tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeld folgte.

58

Aus der Auslegung des Arbeitsvertrages folgt, dass mit der Regelung in Nr. 5 kein von den tariflichen Vergütungsregelungen unabhängiger (zusätzlicher) Anspruch auf 13 Bezüge im Jahr begründet werden sollte und wurde. Solches folgt weder unmittelbar aus Nr. 5 des Arbeitsvertrages, noch unter Einbeziehung auch der weiteren vertraglichen Regelungen. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Regelungen als Bezugnahme auf den geltenden Tarifvertrag einschließlich der Regelungen zum tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu verstehen, die lediglich deklaratorisch sind und informativen Charakter haben.

59

aa. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass es sich bei den Klauseln Nr. 3 - 5 des Arbeitsvertrages um allgemeines Geschäftsbedingungen handelt ( § 305 Abs. 1 , § 310 Abs. 3 Nr. 1, 2 BGB ). Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Maßgeblich für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist primär der Vertragswortlaut. Bei einem nicht eindeutigen Wortlaut des Formularvertrages kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise, unter Berücksichtigung des Vertragswillens verständiger und redlicher Vertragspartner, zu verstehen ist. Daneben ist der verfolgte Regelungszweck und die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen ( BAG v. 25. 8. 2010 - 10 AZR 275/09 , NZA 2010, 1355 Rz. 19 m.w.N.). Die weiteren, den Vertragsschluss begleitenden Umstände sind zu berücksichtigen, wenn die Auslegung nach dem Wortlaut nicht eindeutig ist und diese für den Vertragspartner erkennbar waren und auf einen verallgemeinerbaren Willen des Verwenders schließen lassen ( BAG v. 9. 12. 2015 - 7 AZR 68/14 , NZA 2016, 695 Rz.17; BAG v. 18. 5. 2010 - 3 AZR 373/08 , NZA 2010, 935 Rz. 50; LAG München v. 27.10. 2022 - 5 Sa 221/22 ).

60

Nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders, sofern die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt, von denen keines den klaren Vorzug verdient. Es bedarf "erheblicher Zweifel" an der richtigen Auslegung, eine lediglich entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, reicht für die Anwendung der Bestimmung nicht hin. Der Verwender muss dann bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG v. 25. 8. 2010, a.a.O., Rz. 20 m.w.N.).

61

(1) Nach dem Wortlaut der Nr. 5 des Arbeitsvertrages ist kein eigener Vergütungsanspruch eingeräumt. Nr. 5 des Vertrages weist mit seiner Formulierung nicht auf einen begründeten Anspruch hin, sondern eher auf eine Zahlungsmodalität, wie die Vergütung des jeweiligen Beschäftigten zu erbringen ist. Die Bezüge, nicht expressis verbis ein 13. Gehalt, sind bargeldlos 13 Mal im Jahr zu entrichten. Der Passus "die Bezüge" rekurriert auf die voranstehende Nr. 4 des Vertrages, also auf die nach erfolgter tariflicher Eingruppierung sich ergebende Vergütung. Dem Arbeitsgericht ist damit zuzustimmen, dass so die Existenz eines Zahlungsanspruches bereits vorausgesetzt und nicht mit Nr. 5 des Vertrages erst begründet wird.

62

(2) Zutreffend gelangt das Arbeitsgericht bei seiner Auslegung nach den vorstehend genannten Methoden zum Ergebnis, dass kein Anspruch mit Nr. 5 des Arbeitsvertrages hatte begründet werden sollen. Insoweit ist auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug zu nehmen. Nicht behebbare Zweifel an der Richtigkeit des gefundenen Auslegungsergebnisses wurden zu Recht verneint.

63

cc. Nichts Anderes folgt aus der Gesamtbetrachtung der vertraglichen Regelungen. In Nr. 3 des Vertrages ist eine umfassende zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweils gültigen Tarifverträge der Beklagten vorangestellt. Damit bildet Nr. 5 des Vertrages keine Auffangregelung für die Fälle nicht erfolgter individueller Regelungen der Parteien, sondern die Basis der vertraglichen Beziehung. Dies bestätigt sich auch aus der Handhabung der Regelung zwischen den Parteien in der Vergangenheit.

64

(1) Denn einmal enthält, worauf bereits das Arbeitsgericht hinweist, Nr. 5 des Arbeitsvertrages keine Einschränkung oder Klarstellung, wie etwa "im Übrigen" oder "soweit nichts anderes vereinbart ist", aus der sich ergäbe, dass diese Vereinbarung neben der aus der Bezugnahme auf die Tarifverträge folgenden Vergütungsansprüche stehen sollte.

65

Anhaltspunkte dafür, dass gerade Nr. 5 des Arbeitsvertrags konstitutiv gelten sollte und damit tarifvertragliche Regelungen - seien sie günstiger oder ungünstiger - insoweit keine Anwendung finden sollten, gibt es nicht. Ohne besondere Anhaltspunkte, an denen es hier gerade fehlt, gibt es keinen Anlass, von einer Besser- oder Schlechterstellung gegenüber den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen auszugehen ( BAG v. 10. 7. 2013 - 10 AZR 898/11 , AP BGB § 305c Nr. 16 Rz. 23, unter Hinweis auch auf BAG v. 12. 12. 2007 - 4 AZR 998/06 , NZA 2008, 649). Sohin ist Nr. 5 des Arbeitsvertrages dahingehend zu verstehen, dass auch das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld in die erwähnten 13 Monatsentgelte einzubeziehen ist.

66

(2) Dies entspricht auch dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien in der Vergangenheit. Wenngleich die tatsächliche Praxis des Vollzugs einer vertraglichen Regelung durch die vertragschließenden Parteien den bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten objektiven Gehalt der wechselseitigen Vertragserklärungen nicht mehr beeinflussen kann, so bietet sie aber Anhaltspunkte für den bei Vertragsschluss bestandenen tatsächlichen Vertragswillen und kann so Bedeutung für die Auslegung von Vertragsvereinbarungen erlangen ( BAG v. 21. 10. 2015 - 4 AZR 649/14 , AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 134 Rz. 27; BAG v. 7. 6. 2006 - 4 AZR 272/05 , AP TVG § 1 Nr. 37 Rz. 43 m.w.N.).

67

Beim tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeld handelt es sich zwar nicht um einen eigentlichen 13. Monatsbezug. Das Urlaubsgeld war im Mai, das Weihnachtsgeld im November eines Jahres jeweils als hälftiger Monatsbezug zu entrichten. Dies war ersichtlich seitens der Klägerin in der Vergangenheit nie moniert worden. Und: Hätte die tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung nicht den in Nr. 5 des Arbeitsvertrages vereinbarten 13. Bezug dargestellt, sondern es wäre, wie die Klägerin nunmehr geltend macht, mit Nr. 5 des Arbeitsvertrages ein vertragliches 13. Monatsentgelt vereinbart gewesen, so wäre zu erwarten gewesen, dass sie bereits in der Vergangenheit dieses 13. Monatsentgelt gegenüber den Beklagten verlangt hätte. Der Umstand, dass dies nicht geschehen war, spricht dafür, dass die Parteien die Vereinbarung in Nr. 5 des Arbeitsvertrages übereinstimmend so verstanden hatten, das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld stelle den 13. Bezug dar. Insbesondere führt die Klägerin auch nicht aus, dass allein sie und ggf. einige wenige andere Beschäftigte aus bestimmten Gründen von der Geltendmachung des vertraglichen 13. Monatsentgelts abgesehen hätten, während andere Arbeitnehmer mit vergleichbarer Arbeitsvertragsregelung dieses gerichtlich gefordert hätten.

68

(3) Andererseits enthält der Arbeitsvertrag in Nr. 3 - wie ausgeführt - eine umfassende Bezugnahmeklausel auf die jeweils gültigen Tarifverträge der Beklagten, die damit auch die Entgelttarifverträge umfasst. Es verwunderte aber, wenn einerseits in Nr. 3 des Arbeitsvertrages die Anwendung einer tarifvertraglichen Regelung vereinbart wären und nachfolgend sogleich - nämlich in Nr. 5 des Arbeitsvertrages, im Sinne der Auslegung des Klägers - diese formularmäßig wieder abbedungen würden. Dies spricht in gleicher Weise für eine lediglich zusätzliche Information der Klägerin durch Nr. 5 des Arbeitsvertrages (vgl. BAG v. 1. 8. 2001 - 4 AZR 7/01 , EzA BGB § 133 Nr. 23 , unter II 1 c (2) cc der Gründe).

69

(a) Der Arbeitsvertrag enthält im Übrigen keine Anhaltpunkte, die Parteien hätte in seiner Nr. 5 eine zusätzliche Zahlung eines 13. Monatsgehalts neben den tariflichen Leistungen vorsehen und die Klägerin entsprechend in statthafter Weise besserstellen wollen. In diesem Vertragspassus findet sich keine den Nrn. 4 und 6 des Arbeitsvertrages vergleichbare Formulierung, da über die tariflichen Leistungen eine Ausgleichszulage (Nr. 4 des Arbeitsvertrages) und eine Zusatzversicherung (Nr. 6 des Arbeitsvertrages) vereinbart worden war.

70

(b) Aus dem Umstand, dass in Nr. 4 des Arbeitsvertrages die Worte "Bezüge" und "Tarifbezüge" nebeneinander verwendet werden, folgt entgegen der klägerischen Annahme keineswegs, es liege kein synonymes Begriffsverständnis zugrunde. Der Begriffswahl in Nr. 5 des Arbeitsvertrages, die auf "monatliche Bezüge", nicht aber auf Tarifbezüge abhebt, kommt sonach keine entscheidende Bedeutung zu, solange der Vertrag - wie in Nr. 6 - nicht ausdrücklich zum Ausdruck bringt, über die tariflichen Leistungen hinaus etwas gewähren zu wollen. Denn in Nr. 3 des Arbeitsvertrages war bereits eine Unterstellung der Vergütung unter den Tarifvertrag erfolgt. Damit war hinreichend deutlich, dass die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmerin (Klägerin) stets nur die Tarifvergütung darstellten, weswegen es auf den jeweils verwandten Begriff nicht ankommt.

71

(c) Nr. 4 des Arbeitsvertrages spricht von der Eingruppierung, welche nur als Eingruppierung in ein tarifliches Vergütungsschema verstanden werden kann. Selbst hier spricht der Arbeitsvertrag von Bezügen, was nur darauf hindeuten kann, dass entgegen der klägerischen Ansicht die (Tarif-)Bezüge synonym verwendet wurden.

72

(d) Der Vertragszweck ist ausreichend berücksichtigt. Wenn der Vertrag - entgegen der tariflichen Begrifflichkeit - von 13 Monatsgehältern spricht und nicht - wie der Tarifvertrag, der kein 13. Monatsgehalt begrifflich benennt - von 12 Monatsgehälter zzgl. je eines halben Monatsgehaltes als Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeldes, so ändert dies den Vertragszweck in keiner Weise. Insbesondere haben die Parteien, wie vorstehend unter (2) ausgeführt, den Vertrag insoweit auch in gleicher Weise verstanden.

73

2. Auch aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB folgt kein von der Klägerin geltend gemachter Anspruch. Eine von der Klägerin gesehene "Unklarheit" ist gerade nicht gegeben. Das Auslegungsergebnis, es sei gerade kein individueller Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt neben den tariflichen Entgeltansprüchen begründet worden, folgt zwangslos aus der gerade vorgenommenen Auslegung. Auch wenn man - aus diesseitiger Sicht: theoretisch - zu einem gegenteiligen Auslegungsergebnis gelangen könnte, folgt daraus keine "Unklarheit" i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB . Eine solche wäre allein bei nicht behebbaren Zweifeln an der zutreffenden Auslegung gegeben, wenn also die Auslegung einer Norm zwei oder mehrere Auslegungsergebnisse zuließe, ohne dass eines davon den klaren Vorzug verdiente; eine entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, reicht nicht hin ( BAG v. 19. 11. 2019 - 3 AZR 83/18 , juris Rz. 27; BAG v. 19. 11. 2019 - 3 AZR 414/18 , juris Rz. 33; LAG München v. 27. 10. 2022 - 5 Sa 221/22 ).

74

Unbehebbare Zweifel im Sinne einer Mehrdeutigkeit sind nicht gegeben. Nr. 5 des Arbeitsvertrages kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Insbesondere lassen sich solche Zweifel nicht daraus begründen, dass Nr. 5 des Arbeitsvertrages als konstitutive Regelung überflüssig wäre. Hierzu und auch zu der Tatsache, dass die Klausel in späteren Verträgen des Beklagten nicht mehr beinhaltet war, hat das Arbeitsgericht zur Überzeugung des Berufungsgerichts bereits zutreffend Stellung genommen (unter II 1 c (2) der Entscheidungsgründe).

75

Damit kann für eine etwaige Anwendung der Unklarheitenregelung offen bleiben, dass der Arbeitsvertrag auf den 10.11.1988 datiert, also einen Altvertrag darstellt und bei Vertragsschluss die §§ 305 ff. BGB noch keine Anwendung auf Arbeitsverhältnisse gefunden hatten.

76

3. Die Zahlung von tariflichem Urlaubs- und Weihnachtsgeld gem. § 30 MTV Nr. 14

77

Boden anteilig für 2020 und für das gesamte Jahr 2021 war durch § 4 Abs. 1 TV CoronaKrise ausgeschlossen worden. Darin ist kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot zu sehen. Hier ist ebenso auf die umfassende und zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts Bezug zu nehmen (unter II 2 der Entscheidungsgründe). Die Klägerin greift die arbeitsgerichtliche Entscheidung insoweit auch nicht mit ihrer Berufung an.

78

III. Die Kostenentscheidung fußt auf § 97 Abs. 1 ZPO .

79

IV. Umstände, welche die Zulassung der Revision bedingten ( § 72 Abs. 2 ArbGG ), sind nicht gegeben.

Vorschriften§ 64 Abs. 1, 2b ArbGG, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO, § 30 MTV, § 69 Abs. 3 ArbGG, § 305 Abs. 1 BGB, § 305 Abs. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 1, 2 BGB, § 305c Abs. 2 BGB, §§ 305 ff. BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG