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Urteil vom 23.03.2023 · IWW-Abrufnummer 235776

Landesarbeitsgericht München - Aktenzeichen 3 Sa 497/22

§ 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA findet auf den gesetzlichen Mindesturlaub keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des gesetzlichen Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. (Rn. 18)


Tenor:1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30.08.2022 - 5 Ca 2418/22 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch über die Frage, ob dem Urlaubskonto des Klägers acht Tage gesetzlicher Urlaub aus dem Jahr 2020 gutzuschreiben sind.

2

Der Kläger ist bei der beklagten A.-Stadt auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 29.03.1985 im Rahmen einer 5-Tage-Woche beschäftigt, und zwar zuletzt als Mitarbeiter im Warenmanagement (Lagerist). Nach § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags findet der TVöD-VKA Anwendung, der für den Erholungsurlaub auszugsweise bestimmt:

"§ 26 Erholungsurlaub

(1) Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage. ... Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

(2) Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetzt mit folgenden Maßgaben:

a) Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten. (...)"

3

Der Kläger erkrankte am 19.03.2020 arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 05.01.2021 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass ihm aus dem Jahr 2020 ein Resturlaub im Umfang von 22 Tagen zustehe, den er bis zum 31.03.2021 antreten müsse. Sollte er über den 31.03.2021 erkranken, würden noch bestehende Resturlaubsansprüche automatisch bis zum 31.05.2021 übertragen werden. Zu diesem Zeitpunkt verfiele der Resturlaub aus 2020 ersatzlos.

4

Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand bis zum 30.04.2021 fort. Für den Zeitraum 31.05.2021 bis 04.06.2021 beantragte der Kläger Urlaub, den die Beklagte gewährte.

5

Mit Schreiben vom 12.08.2021 beantragte der Kläger, den gesetzlichen und tariflichen Urlaub aus 2020 bis zum 31.03.2021 zu übertragen. Dies lehnte die Beklagte ab.

6

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Regelung in § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA werde durch § 7 Abs. 3 BUrlG verdrängt, der unionsrechtskonform dahin auszulegen sei, dass der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfalle. Wegen der dauernden Erkrankung des Klägers über den dreimonatigen Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG hinaus sei der Urlaub in den Übertragungszeitraum bis 31.03.2022 zu übertragen.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags bestritten, dass der gesetzliche und tarifliche Urlaub aus 2020 zu übertragen sei. Eine Übertragung des Urlaubs käme nur dann in Betracht, wenn der Kläger seinen Resturlaub aus 2020 nicht bis zum 31.05.2021 aufgrund der Arbeitsunfähigkeit hätte antreten können. Dies sei nicht der Fall gewesen, da er ab 03.05.2021 wieder gearbeitet und spätestens am 31.05.2021 seinen Resturlaub insgesamt und nicht nur im Umfang von vier Tagen hätte antreten können.

8

Das Arbeitsgericht München hat die Beklagte durch Urteil vom 30.08.2022 - 5 Ca 2418/22 - verurteilt, dem Urlaubskonto des Klägers acht Tage gesetzlichen Urlaub gutzuschreiben, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe zu Beginn des Jahres 2020 einen gesetzlichen Urlaubsanspruch im Umfang von 20 Arbeitstagen und einen tariflichen Mehrurlaub im Umfang von 10 Arbeitstagen erworben. Der tarifliche Mehrurlaub sei gemäß § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA verfallen. Die in Bezug genommene Rechtsprechung des EUGH/BAG sei auf die tariflichen Urlaubsansprüche nicht anwendbar, da durch die Regelungen in § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA ein eigenständiges, vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Fristenregime vorliege (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 575/10 -). Jedoch stehe dem Kläger der gesetzliche Mindesturlaub, soweit dieser nicht teilweise im Umfang von acht Tagen in 2020 und vier Tagen in 2021 erfüllt worden sei, noch in Höhe von acht Tagen zu. Dies folge aus § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, der nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unionrechtskonform so auszulegen sei, dass gesetzliche Urlaubsansprüche arbeitsunfähiger Arbeitnehmer nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig sei. Der Kläger sei daran gehindert gewesen, seinen gesetzlichen Resturlaub aus 2020 bis zum 31.03.2021 in natura einzubringen, weil er in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Für diesen gesetzlichen Urlaubsanspruch gelte § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA nicht. Die Regelung beziehe sich nur auf den tariflichen Mehrurlaub. Würde § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA auch für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten, wäre die Bestimmung nach § 13 BUrlG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Die tarifliche Regelung greife in § 7 Abs. 3 BUrlG ein, weil sie zum Verfall von gesetzlichem Urlaub, der krankheitsbedingt nicht habe eingebracht werden können, noch vor Ablauf des ersten Quartals des zweiten Folgejahres führe. Nach allem verbliebe ein gesetzlicher Resturlaub aus 2020 in Höhe von acht Urlaubstagen, die am 31.03.2022 gem. § 7 Abs. 3 BUrlG zwar untergegangen, aber als Schadensersatzanspruch in Form der Naturalrestitution gem. §§ 275 Abs. 1 u. 4, 280 Abs. 1, 283 S. 1, 286 Abs. 1 S. 11, 249 Abs. 2 BGB dem Urlaubskonto des Klägers gutzuschreiben seien. Die Beklagte habe sich im Zeitpunkt des Untergangs des Urlaubsanspruchs mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befunden, da der Kläger mit Schreiben vom 12.08.2021 die Erfüllung seines Resturlaubsanspruchs geltend gemacht, die Beklagte dies aber abgelehnt habe.

9

Gegen dieses, ihr am 16.09.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.10.2022 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese am 15.11.2022 begründet.

10

Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Urlaubskonto des Klägers acht Urlaubstage gutzuschreiben. Der gesetzliche Mindesturlaub aus 2020 sei gemäß § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA wie der tarifliche Mehrurlaub zum 31.05.2021 verfallen. Für eine Anwendung der 15-Monats-Regel des BAG sei in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation kein Raum, weil der Kläger zum Ende des Übertragungszeitraums am 31.05.2021 gerade nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA enthalte eine gegenüber § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG günstigere Regelung hinsichtlich des Übertragungszeitraums. Für die Auffassung der Beklagten sei auch der Wortlaut der Tarifvorschrift anzuführen, der nicht von Tarifurlaub spreche, sondern ausdrücklich auf das Bundesurlaubsgesetz Bezug nehme. Dessen Regelungen sollten durch die tariflichen Regelungen lediglich modifiziert werden. Bei Rückkehr eines Arbeitnehmers aus der Arbeitsunfähigkeit zwischen dem 01. April und dem 31. Mai müsse deshalb der tarifliche als auch der gesetzliche Urlaub aus dem Vorjahr bis zum 31. Mai angetreten werden. Andernfalls verfalle er. Nur bei einer nochmaligen Arbeitsunfähigkeit am oder über den 31. Mai hinaus sei für den gesetzlichen Urlaub auf die unionrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG zurückzugreifen, so dass der gesetzliche Urlaub in diesem Fall nach der 15-Monats-Rechtsprechung nochmals bis längstens zum 31. März des folgenden Jahres übertragen würde.

11

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30.08.2022 - 5 Ca 2418/22 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Dem Kläger stünden acht Tage gesetzlichen Urlaub aus 2020 gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG zu, der § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA verdränge. Die Argumentation der Beklagten, dass der Übertragungszeitraum des gesetzlichen Urlaubs aus 2020 in das Jahr 2021 am 31.05.2021 ende, ginge fehl. Die Beklagte nehme hier eine unzulässige Verknüpfung von gesetzlichen und tariflichen Regelungen vor. Es finde eine deutliche Trennung zwischen den gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüchen statt.

14

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

I.

16

Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.

II.

17

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gutschrift von acht gesetzlichen Urlaubstagen aus 2020 auf sein Urlaubskonto gem. §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 287 Satz 2, 249 Abs. 1 BGB. Der Urlaubsanspruch ist nicht nach § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA mit Ablauf des 31.05.2021 verfallen.

18

1. § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA gilt nur für den tariflichen Mehrurlaub und erfasst nicht den gesetzlichen Mindesturlaub (vgl. BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 21). Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht den Verfall von in Vorjahren entstandenen gesetzlichen Urlaubsansprüchen nicht nach § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA beurteilt, sondern hierfür die Rechtsprechung des EuGHs in der KHS-Entscheidung vom 22.10.2011 - C-214/10 - zugrunde gelegt (vgl. BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 21). Danach ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und es ihm deshalb nicht möglich ist, den Urlaub zu nehmen. Der aufrecht erhaltene Urlaubsanspruch tritt in diesem Fall zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu und ist damit erneut nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet. Er erlischt allerdings bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit fünfzehn Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs (vgl. etwa BAG, Urteil vom 07.09.2021 - 9 AZR 3/21 (A) - Rn. 23).

19

2. Dieser Auffassung ist zuzustimmen (ebenso Bredemeier/Neffke/Cerff, TVöD/TV-L, 6. Aufl. 2022, § 26 TVöD Rn. 37 b) bis d); Carb in Konze/Carb/Wölk/Reidel, Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst, 7. Aufl. 2021 "Urlaub" Rn. 3365 bis 3369; NollertBorasio in Burger, TVöD-TV-L, 4. Aufl. 2020, § 26 TVöD Rn. 51 und 53, aber widersprüchlich in den Beispielsfällen; Schiefer in Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 5. Aufl. 2023, § 1 Arbeitsvertrag Rn. 3992 ff.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TVL, 105. Lieferung, Stand März 2021, § 26 TV-L Rn. 663, 735 f. für den wortgleichen § 26 Abs. 2 a) TV-L; a. A.; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, 136. Aktualisierung 5/2022 § 26 Rn. 779 und 780 ohne Begründung und im Widerspruch zu Rn. 772; BeckOK TVöD/Winter, 63. Ed. Stand 01.01.2016, TVöD-AT § 26 Rn. 16; Rundschreiben der Geschäftsstelle der VKA vom 12.05.2015 - R 125/2015 - und vom 26.11.2020 - R 232/2020 - zitiert nach Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, a.a.O., § 26 TV-L, Rn. 666). Sie rechtfertigt sich daraus, dass mit § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA ein eigenständiges Fristenregime gegenüber § 7 Abs. 3 BurlG ("antreten" statt "gewährt und genommen werden"; "31.05." statt "31.03.", vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 11 ff.) vorliegt, aus dem zu schließen ist, dass die Tarifvertragsparteien einen "Gleichlauf" des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub bzgl. des Verfalls nicht gewollt haben (vgl. BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 21). Die tarifliche Regelung betrifft deshalb nur den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA geregelten Gesamturlaubsdauer (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 18 zum vergleichbaren § 26 Abs. 2 a) TV-L).

20

3. Für dieses Normverständnis spricht auch die Auslegung des § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA nach den für Tarifverträge geltenden Auslegungsgrundsätzen.

21

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften.

22

Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, die praktische Tarifübung und die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse berücksichtigen (StRpr., vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2021 - 3 AZR 363/20 - Rn. 23 m .w. Nachw.). Dabei sind Tarifnormen grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht geraten. Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigen Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben. Lässt eine Tarifnorm eine Auslegung zu, die zu einem mit höherrangigem Recht zu vereinbarenden Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden (vgl. BAG, Urt. v. 20.09.2016 - 9 AZR 429/15 - Rn. 17). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (stRspr, vgl. BAG Urteil vom 10.2.2015 - 3 AZR 904/13 - Rn. 27).

23

b) Danach ist § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA nicht auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch anzuwenden.

24

Mit dem Einleitungssatz "Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben" haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, dass die Grundlage des allgemeinen Urlaubsrechts und die dort geltenden Grundsätze prinzipiell auch für das Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes gelten (vgl. Germelmann in MünchHdAR, Bd. 2, Individuelles Arbeitsrecht II, 5. Aufl. 2021, § 155 Rn. 43). Hierdurch ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und EuGH zur Übertragbarkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs - wie vorstehend dargestellt - grundsätzlich in Bezug genommen. Aus dem Wort "Maßgaben" statt "Einschränkungen" lässt sich zudem schließen, dass die Tarifvertragsparteien die Grundsätze des Bundesurlaubsgesetzes in ihrer Geltung nicht einschränken wollten.

25

Tatsächlich enthält § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA gegenüber der an sich strengen Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes günstigere Regelungen. Während der in das Folgejahr übertragene Urlaub nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bis zum 31.03. des Folgejahres tatsächlich gewährt und genommen sein muss und andernfalls verfällt, muss er nach § 26 Abs. 2 lit. a) TVöD-VKA nur angetreten worden sein. Darüber hinaus ist der Übertragungszeitraum statt dem 31.03. auf den 31.05. des Folgejahres verlängert. Dem hierin zum Ausdruck kommenden Willen der Tarifvertragsparteien, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes besser als die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG zu stellen, widerspräche es, bei einer Genesung in der Zeit vom 01.04. bis 31.05. den Urlaub verfallen zu lassen, wenn der Beschäftigte den Urlaub nicht bis zum 31.05. angetreten hat. Denn dann wäre der Beschäftigte tariflich schlechter gestellt als nach dem gesetzlichen Fristenregime (31.12. bzw. 31.03. des Folgejahres; hierauf hinweisend Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, a.a.O., § 26 TV-L Rn. 735 für § 26 Abs. 2 a) TV-L).

26

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und des BAG zu § 7 Abs. 3 BUrlG ein Verfall des Mindesturlaubsanspruchs bei fortdauernder Erkrankung nach einem Übertragungszeitraum von nur fünf Monaten bis 31.05. des Folgejahres unionsrechtlich nicht zulässig wäre (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 18 zu § 26 Abs. 2 a) TV-L). Der Übertragungszeitraum muss unionsrechtskonform soweit verlängert werden, dass er den Bezugszeitraum (das Urlaubsjahr) deutlich überschreitet (vgl. EuGH vom 22.11.2021 - C214/10 - Rn. 38). Ein nur fünfmonatiger Übertragungszeitraum überschreitet den unionsrechtlich anerkannten Übertragungszeitraum von 15 Monaten nicht deutlich, sondern unterschreitet ihn. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien in Kenntnis eines dann vorliegenden Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG mit Unwirksamkeitsfolge (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 05.08.2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 18 und 19 mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung) den gesetzlichen Urlaubsanspruch dem Fristenregime des § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA haben unterwerfen wollen. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Tarifvertragsparteien bei Vereinbarung des § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA keine Kenntnis von der späteren Rechtsprechung des EuGHs und BAG gehabt und diese deshalb nicht hätten berücksichtigen können, ist ihr entgegenzuhalten, dass dann, wenn eine Tarifnorm eine Auslegung zulässt, die zu einem mit höherrangigem Recht zu vereinbarenden Ergebnis führt, sie in diesem Sinne anzuwenden ist (vgl. BAG, Urteil vom 20.09.2016 - 9 AZR 429/15 - Rn. 17). Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 07.08.2012, dass § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA nicht den gesetzlichen Mindesturlaub erfasst (vgl. BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 21), die Tarifnorm trotz sonstiger Neuregelungen unverändert gelassen. Hieraus ist ihr Wille zu schließen, die Übertragung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit im Urlaubsjahr nicht dem tarifvertraglichen Fristenregime zu unterstellen. Ohnehin können die Tarifvertragsparteien Urlaubsansprüche nur insoweit frei regeln, als sie den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 19). Soweit durch eine Tarifregelung der Urlaubsanspruch im Umfange des gesetzlichen Urlaubs nach den §§ 1, 3 BUrlG gemindert wird, wäre sie unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 5.8.2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 19).

III.

27

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

28

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Vorschriften