Beschluss vom 21.04.2023 · IWW-Abrufnummer 235895
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 26 TaBVGa 436/23
1. Für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand gemäß § 24 Absatz 3 Satz 1 WO die schriftliche Stimmabgabe beschließen.
2. Der Begriff der räumlich weiten Entfernung im Sinne des § 24 Absatz 3 WO ist danach entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Belegschaftsmitgliedern die Beteiligung an der Betriebsratswahl zu erleichtern, in einem weiteren Sinne zu verstehen. Ob in derartigen Fällen entweder in allen Betriebsteilen oder Kleinstbetrieben eigene Wahllokale eingerichtet werden oder für die beschäftigten Arbeitnehmer die schriftliche Stimmabgabe beschlossen wird, hat der Wahlvorstand nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 7. Mai 2021 - 5 TaBV 1160/19 , Rn. 57 mwN).
3. Der Arbeitgeber ist nur dann nicht zur Erteilung der damit verbundenen erforderlichen Informationen an den Wahlvorstand verpflichtet, wenn er mit der gleichen Argumentation, mit der er die geforderten Informationen verweigert, auch eine einstweilige Verfügung auf Untersagung bzw. Abbruch der beabsichtigten Betriebsratswahl erreichen könnte. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine nichtige Betriebsratswahl betrieben wird. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt dagegen nicht. Hierfür reicht regelmäßig weder eine Verkennung des Betriebsbegriffs noch eine solche der Anwendungsvoraussetzungen von § 24 WO (vgl. Hessisches LAG 10. August 2020 - 16 TaBVGa 75/20 , Rn. 17).
4. Die Verpflichtung zur Vorlage der durch das Arbeitsgericht im Tenor ausgewiesenen Unterlagen besteht aber auch bezüglich der Belegschaftsmitglieder im Hauptbetrieb und der in den Betriebsstätten tätigen Personen, in denen keine Briefwahl möglich bzw. vorgesehen ist. Erforderlich ist, dass dem Wahlvorstand sämtliche Daten vorab vorliegen, damit er im konkreten Einzelfall seine als Gremium getroffene Entscheidung über die Bewilligung des jeweiligen Antrags auf Briefwahl durch Übersendung der Briefwahlunterlagen umsetzen kann (Anschluss an Hessisches LAG 10. August 2020 - 16 TaBVGa 75/20 , Rn. 16).
5. Der Übergabe der persönlichen Daten stehen datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen (Fitting, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 24 WO 2001, Rn. 14). Die Daten der Belegschaftsmitglieder (Adressen) werden vom Arbeitgeber rechtmäßig verarbeitet. Der Wahlvorstand benötigt diese zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WO obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Er unterliegt insoweit der Schweigepflicht. Darauf, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollumfänglich vorhersehen lässt, ob der Wahlvorstand tatsächlich alle privaten Anschriften der Belegschaftsmitglieder benötigt, kommt es nicht entscheidend an.
6. Die Datenübermittlung durch den Arbeitgeber und die anschließende Datenverarbeitung durch den Wahlvorstand sind zur Wahrnehmung des den wahlberechtigten Beschäftigten zustehenden Rechts zur Teilnahme an den Betriebsratswahlen erforderlich und gem. § 26 Abs. 1 BDSG bzw. - soweit es um sensible Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO , etwa die Angabe der Arbeitsunfähigkeit, geht - gem. § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ohne Einwilligung der betreffenden Beschäftigten datenschutzrechtlich zulässig (BR-Drs 666/21, 20, 24, 26; Boemke/Haase NZA 2021, 1513, 1519; Richardi BetrVG/Forst, 17. Aufl. 2022, WO § 24 Rn. 10; Löwisch/Kaiser/Klumpp-Wiebauer, BetrVG, Anhang 1 Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO), Rn. 7; ebenso Klose, NZA 2021, NZA 2021, 1301, 1302).
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 13. April 2023 - 3 BVGa 5/23 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst wird:
1. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, dem Wahlvorstand die Postadressen sowie die dienstlichen E-Mail-Adressen aller in der Zentrale in Königs Wusterhausen, den Filialen und sonstigen Betriebsstätten sowie im Bereich der Remote Optic in Heimarbeit, Telearbeit oder mit mobiler Arbeit im Homeoffice beschäftigten Belegschaftsmitgliedern in Form einer alphabethisch geordneten Personenliste zur Verfügung zu stellen, in der neben den Namen die jeweilige dienstlichen E-Mail-Adresse sowie die postalische Adresse aufzuführen sind, und zwar unter zusätzlicher Angabe des jeweiligen Einsatzortes.2. Der Arbeitgeberin wird darüber hinaus aufgegeben, dem Wahlvorstand die Namen der Belegschaftsmitglieder mitzuteilen, die regelmäßig mobil im Homeoffice bzw. an Telearbeitsplätzen arbeiten.Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege eines Eilverfahrens über die dem Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl zur Verfügung zu stellenden Unterlagen.
Die Arbeitgeberin vertreibt Brillen über das Internetportal brillen.de. Sie beschäftigt insgesamt knapp 400 Personen. In den ca. 183 Filialen sind jeweils 1 bis 2 Belegschaftsmitglieder tätig. Die Zentrale mit zwischen 100 und 120 Beschäftigten befindet sich in Königs Wusterhausen. In Bayreuth gibt es eine Verwaltungsstelle mit weniger als fünf Belegschaftsmitgliedern und in Wuppertal ein Entwicklungszentrum. Ein Teil der Beleg-Seite 2 von 9 schaftsmitglieder ist im Bereich der sogenannten Remote Optic mit Telearbeitsplätzen oder mobiler Arbeit beschäftigt.
Ein Streit über eine Wahlversammlung zur Bestellung des Wahlvorstandes ist durch gerichtlich am 25. Januar 2023 festgestellten Vergleich beigelegt worden. An dem darin vereinbarten Termin (2. März 2023) ist der Wahlvorstand bestellt worden. Dieser bereitet bei der Arbeitgeberin die Betriebsratswahl vor. Der Wahlvorstand forderte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 3. März 2023 dazu auf, ihm alle nötigen Daten für die Durchführung der Wahl zur Verfügung zu stellen, insbesondere die Personaldaten für die Erstellung der Wählerliste sowie die E-Mail-Adressen und Privatanschriften aller Beschäftigten. Am 15. März 2023 übersandte das für die Angelegenheit bei der Arbeitgeberin zuständige Vorstandsmitglied A eine erste Version einer Personalliste. Es waren darin weder E-Mail-Adressen noch Postanschriften mitgeteilt worden. Mit Schreiben vom 16. März 2023 forderte der Wahlvorstand die Arbeitgeberin zur Ergänzung der Unterlagen auf. Ebenfalls am 16. März 2023 beschloss der Wahlvorstand für die ganz überwiegende Anzahl der Betriebsstätten (außer in Leverkusen) und für alle im Homeoffice bzw. mit Telearbeit Beschäftigten die Durchführung der Briefwahl.
Am 20. März 2023 erklärte Herr A für die Arbeitgeberin, man werde eine Briefwahl nicht akzeptieren, da es sich bei dieser nach dem Gesetz um einen Sonderfall handele. Außerdem sei im Rahmen der ersten gerichtlichen Auseinandersetzung bereits festgelegt worden, dass die Wahl in Präsenz am Sitz der Firma durchgeführt werden solle.
Am 23. März 2023 übersandte Herr A eine weitere Personalliste. Diese enthielt nun die Namen, die Geburtsdaten, das Geschlecht und das jeweilige Einstellungsdatum. Weiterhin nicht erkennbar war, wer in Kleinstbetriebsteilen, im Homeoffice bzw. am Teleplatz arbeitet. Bei zwei Arbeitnehmern (B und C) fehlte das Geburtsdatum. Zu Herrn B teilte die Arbeitgeberin mit, er sei minderjährig, Herr E scheide vor der Wahl aus. E-Mail- und Postanschriften wurden nicht vorgelegt. Der vorgelegten Liste war nicht zu entnehmen, wie viele Belegschaftsmitglieder in den einzelnen Filialen konkret tätig sind, wer im Homeoffice arbeitet bzw. an einem Telearbeitsplatz arbeitet. Unter den Beteiligten ist streitig, inwieweit der Wahlvorstand die Möglichkeit hat, sich diese Angaben aus dem Intranet der Arbeitgeberin selbst zusammen zu suchen.
Jedes Belegschaftsmitglied verfügt über eine eigene dienstliche E-Mail-Adresse, die grundsätzlich wie folgt zusammengesetzt ist:
- Erster Buchstabe des Vornamens.Nachname@supervista.de
Über diese E-Mail-Accounts wird die gesamte Firmenkommunikation gesteuert.
Inzwischen hat die Arbeitgeberin den Wahlvorstand über die Beschäftigten, die im Zeitraum ab dem voraussichtlichen Erlass des Wahlausschreibens bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl wegen einer bereits bekannten Arbeitsunfähigkeit Urlaubs, Mutterschutzes, Elternzeit oder aus anderen Gründen voraussichtlich nicht im Hauptbetrieb anwesend sein werden, informiert. Im Anhörungstermin vor der Kammer haben die Vertreter der Arbeitgeberin auch das Geburtsdatum des Herrn B mitgeteilt und nochmals ausdrücklich erklärt, dass Herr E aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Insoweit hat der Wahlvorstand die darauf gerichteten Anträge im Termin zurückgenommen, was im neu gefassten Tenor zum Ausdruck kommt.
Der Wahlvorstand hat die Ansicht vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm die konkreten E-Mail-Adressen vorzulegen, da er diese zur Bekanntgabe der Wählerliste und des Wahlausschreibens benötige, § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 3 Abs. 4 Satz 2 Wahlordnung (WO). Denn das Wahlausschreiben könne ergänzend oder ausschließlich in elektronischer Form übermittelt werden. Er müsse sich die E-Mail-Adressen nicht selbst zusammenstellen. Nicht alle E-Mail-Adressen seien tatsächlich aktiv bzw. würden aktiv genutzt. Es gebe Namensdopplungen. Die Zusammensetzung der E-Mail-Adresse in diesen Fällen sei nicht bekannt. Die postalischen Adressen benötige er, um die Briefwahlunterlagen entsprechend § 24 WO verschicken zu können. Der Anspruch ergebe sich nicht nur aus § 24 Abs. 2 WO, sondern auch bereits aus § 24 Abs. 1 WO. Die Arbeitgeberin wäre nur dann nicht zur Erteilung der Information verpflichtet, wenn sie mit der gleichen Argumentation auch den Abbruch der Wahl erreichen könnte. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG erlaube ausdrücklich für diese Konstellation die Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten. Er benötige die Angaben hinsichtlich der voraussichtlich am Wahltag nicht im Betrieb anwesenden Personen, aber auch hinsichtlich der übrigen Personen, da Anträge gerade von denjenigen gestellt würden, die am Wahltag nicht im Betrieb seien. Zur Überprüfung des Wahlrechts/der Wählbarkeit sei das Geburtsdatum erforderlich.
Der Wahlvorstand hat beantragt,
1. der Beteiligten zu 2) aufzugeben dem Beteiligten zu 1) die Postadressen sowie E-Mail-Adressen aller in der Zentrale, den Filialen und Betriebsstätten sowie im Bereich der Remote Optic in Heimarbeit, Telearbeit oder mit mobiler Arbeit im HomeOffice beschäftigten Arbeitnehmer*innen zur Verfügung zu stellen,
2. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, die Beteiligten zu 1) über die Beschäftigten zu informieren, die regelmäßig mobil im HomeOffice oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten sowie über die Beschäftigten, die im Zeitraum ab dem Erlass des Wahlausschreibens bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl am 11. Mai 2023 wegen einer bereits bekannten Arbeitsunfähigkeit Urlaub, Mutterschutz, Elternzeit oder aus anderen Gründen voraussichtlich nicht im Hauptbetrieb anwesend sein werden,
3. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, dem Beteiligten zu 1) über das Geburtsdatum der Mitarbeiter C und D zu informieren.
4. ...
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Der Wahlvorstand könne die E-Mail-Adressen anhand der Angaben der Personalliste selbst erstellen. Der Herausgabe aller Postadressen bedürfe es nicht. Die Belegschaftsmitglieder könnten über die Hauptstelle in Königs Wusterhausen, Niederlassungen und Filialen postalisch erreicht werden. Dem Wahlvorstand seien sämtliche Adressen der Filialen bekannt, was dieser nicht bestreitet. Sie hat außerdem die Ansicht vertreten, sie sei nur zur Herausgabe der Adressen derjenigen Personen verpflichtet, die im Betrieb nicht zu erreichen seien. Hinsichtlich aller anderen Belegschaftsmitglieder könne der Wahlvorstand über die bekannten E-Mail-Adressen die Postadressen erfragen. Sollten sich Belegschaftsmitglieder mit der Bitte um Briefwahlunterlagen an den Wahlvorstand wenden, könne dieser sie selbst nach ihrer Postadresse fragen. Das pauschale Zur-Verfügung-Stellen aller Postadressen käme einer unzulässigen Vorratsspeicherung gleich. Die Arbeitgeberin werde zu umfassenden Datenschutzverstößen gezwungen, die bußgeldbewehrt seien und Unterlassungsansprüche zur Folge haben könnten. Sie sei zur Herausgabe der Adressen bereit, wenn die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 WO vorlägen, dh Belegschaftsmitglieder vor Ort nicht zu erreichen wären.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 1) bis 3) stattgegeben und das damit begründet, dass der Wahlvorstand sich die E-Mail-Adressen nicht selbst nach der Regel "1. Anfangsbuchstabe. Nachname @ supervista.de" zusammenzustellen müsse. Es fehle an einer Regel für Namensdoppelungen, zB bei D. und E. Dem Wahlvorstand seien auch die Postanschriften aller Belegschaftsmitglieder mitzuteilen. Der Anspruch folge aus § 24 Abs. 2 WO. Soweit der Wahlvorstand beschlossen habe, für den größten Teil der Betriebsteile und Filialen und für alle im Homeoffice und mit Telearbeit Beschäftigten die Betriebsratswahl als Briefwahl durchzuführen, folge die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Mitteilung der Postanschriften bereits aus § 24 Abs. 3 Satz 2 iVm Abs. 2 WO. Der Wahlvorstand müsse sich nicht darauf verweisen lassen, die Belegschaftsmitglieder seien teilweise über die Postanschriften der Niederlassungen und Filialen zu erreichen. Aufgrund der Fristgebundenheit des Wahlverfahrens verbiete sich der "Umweg" über die Filialen und Niederlassungen. Der Wahlvorstand habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der Adressen hinsichtlich des Personenkreises, für den die unmittelbare Stimmabgabe vorgesehen sei. Insoweit hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung damit begründet, dass der Wahlvorstand zum Zeitpunkt des Eingangs eines Antrags auf Übersendung der Briefwahlunterlagen sehr kurzfristig ("unverzüglich") reagieren müsse. Das sei nicht möglich, wenn er dann erst jeweils bei der Arbeitgeberin vorstellig werden müsste. Bei der Überlassung der Postanschriften aller Belegschaftsmitglieder handele es sich auch nicht um eine unzulässige "Vorratsdatenspeicherung", die die Arbeitgeberin der Gefahr eines Bußgeldes oder von Unterlassungsansprüchen aussetze. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin bestünden insoweit gerade keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Daten der Arbeitnehmer (Adressen) würden vom Arbeitgeber rechtmäßig und im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern verarbeitet. Der Wahlvorstand benötige diese zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WahlO Betriebsverfassungsgesetz obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Im Übrigen habe der Wahlvorstand gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 WO auch einen Anspruch darauf, dass ihn die Arbeitgeberin darüber informiere, welche Belegschaftsmitglieder regelmäßig im Homeoffice oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten, sowie für welche Personen feststehe, dass sie zwischen Erlass des Wahlausschreibens und dem voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl nicht im Hauptbetrieb anwesend sein würden. Denn der Wahlvorstand habe diesen Belegschaftsmitgliedern eigeninitiativ die Wahlunterlagen zu übersenden. Es bestünden auch keine Bedenken gegen das Vorliegen eines Verfügungsgrundes.
Die Arbeitgeberin hat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13. April 2023 mit einem am 18. April 2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Beschwerde wiederholt sie unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung ihren erstinstanzlichen Vortrag. Es fehle sowohl am Verfügungsanspruch als auch am Verfügungsgrund. Sie beruft sich insbesondere auf das Recht der Belegschaftsmitglieder auf informationelle Selbstbestimmung. Nachdem bekannt geworden sei, dass der Wahlvorstand ihre Anschriften herausverlange, hätten sich 28 Belegschaftsmitglieder an sie gewandt und der Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten widersprochen. Sie legt insoweit eine Namensliste vor. Neben den genannten Personen würden auch andere Belegschaftsmitglieder, jedenfalls die am Hauptstandort in Königs Wusterhausen, nachhaltig geschädigt. Die Daten würden schon nicht benötigt. Außerdem dürften die Daten nur bei dem erhoben werden, den sie betreffen. Der Wahlvorstand könne die Belegschaftsmitglieder selbst über deren E-Mail-Adressen kontaktieren und diejenigen anschreiben, die Briefwahl durchführen möchten. Er könnte sie in diesem Zusammenhang dazu auffordern, ihre Adressen anzugeben. Das sei das weitaus mildere Mittel. Es fehle auch am Verfügungsgrund. Der Wahlvorstand sei nicht dazu gezwungen, die Betriebsratswahl innerhalb bestimmter Zeiten durchzuführen. Daher könne ihm zugemutet werden, das Hauptsacheverfahren durchzuführen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 13. April 2023 - 3 BVGa 5/23 abzuändern und die Anträge des Wahlvorstands zurückzuweisen.
Der Wahlvorstand beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er nimmt ebenfalls im Wesentlichen Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden nicht. § 26 Abs. 1 BDSG stelle einen entsprechenden Erlaubnistatbestand dar. Wegen § 24 Abs. 1 WO sei die Bekanntgabe der Adressen aller Belegschaftsmitglieder erforderlich, damit der Wahlvorstand kurzfristig reagieren könne. Die Behauptung, die seitens der Arbeitgeberin genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen gedroht, werde bestritten. Das sei nicht glaubhaft gemacht.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten vom 18. und 20. April 2023 sowie auf das Protokoll der Anhörung vom 21. April 2023.
II.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
1) Das Arbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Wahlvorstand die postalischen Adressen sowie die dienstlichen E-Mail-Adressen aller in der Zentrale, den Filialen und sonstigen Betriebsstätten sowie im Bereich der Remote Optic in Heimarbeit, Telearbeit oder mit mobiler Arbeit im Homeoffice beschäftigten Belegschaftsmitgliedern zur Verfügung zu stellen.
a) Soweit der Wahlvorstand beabsichtigt, in Betriebsteilen und Kleinstbetrieben eine Briefwahl durchzuführen, ergibt sich das bereits aus § 24 Abs. 3 Satz 2 WO iVm § 24 Abs. 2 Satz 2 WO. Für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand gemäß § 24 Absatz 3 Satz 1 WO die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Ein Betriebsteil ist auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Er ist allerdings gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbstständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbstständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 Absatz 1 BetrVG. Für einen Betriebsteil genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt. Der in § 24 Absatz 3 WO verwandte Begriff "vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt" deckt sich dabei allerdings nicht mit dem in § 4 BetrVG enthaltenen gleichlautenden Begriff. Das folgt schon daraus, dass anderenfalls die Regelung des Absatz 3 weitgehend leerliefe, da räumlich weit entfernte Betriebsteile im Sinne von § 4 BetrVG im Allgemeinen einen eigenen Betriebsrat zu wählen haben. Der Begriff der räumlich weiten Entfernung im Sinne des § 24 Absatz 3 WO ist danach entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Arbeitnehmern die Beteiligung an der Betriebsratswahl zu erleichtern, in einem weiteren Sinne zu verstehen. Entscheidend ist, ob es den Arbeitnehmern der außerhalb des Hauptbetriebes liegenden Betriebsteile oder Kleinstbetriebe unter Berücksichtigung der bestehenden oder gegebenenfalls vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden zusätzlichen Verkehrsmöglichkeiten zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben. Ob in derartigen Fällen entweder in allen Betriebsteilen oder Kleinstbetrieben eigene Wahllokale einrichtet werden oder für die beschäftigten Arbeitnehmer die schriftliche Stimmabgabe beschlossen wird, hat der Wahlvorstand nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 7. Mai 2021 - 5 TaBV 1160/19, Rn. 57 mwN).
Der Arbeitgeber ist nur dann nicht zur Erteilung der damit verbundenen erforderlichen Informationen verpflichtet, wenn er mit der gleichen Argumentation, mit der er die geforderten Informationen verweigert, auch eine einstweilige Verfügung auf Untersagung bzw. Abbruch der beabsichtigten Betriebsratswahl erreichen könnte. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann der Fall, wenn eine nichtige Betriebsratswahl betrieben wird. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt dagegen nicht. Nichtig ist eine Betriebsratswahl nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Wahlvorschriften handeln. Hierfür reicht regelmäßig weder eine Verkennung des Betriebsbegriffs noch eine solche der Anwendungsvoraussetzungen von § 24 WO (vgl. Hessisches LAG 10. August 2020 - 16 TaBVGa 75/20, Rn. 17).
Unter Berücksichtigung des Vortags der Arbeitgeberin gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Wahlvorstand bei seiner Absicht, in nahezu sämtlichen Betriebsteilen und Kleinstbetrieben eine Briefwahl durchzuführen, einen derart schwerwiegenden Verstoß gegen Wahlvorschriften beabsichtigt. Der Wahlvorstand hat im Termin zu verstehen gegeben, dass er die Grenzen seines Ermessens nicht überschreiten wolle. Der Wahlvorstand ist danach verpflichtet, den betroffenen Belegschaftsmitgliedern die Briefwahlunterlagen unaufgefordert zuzuschicken, wofür er deren Anschriften benötigt.
b) Die Verpflichtung zur Vorlage der durch das Arbeitsgericht im Tenor ausgewiesenen Unterlagen besteht aber auch bezüglich der übrigen Belegschaftsmitglieder, also insbesondere auch im Hinblick auf die im Hauptbetrieb und in den Betriebsstätten tätigen Personen, in denen keine Briefwahl möglich bzw. vorgesehen ist. Der Wahlvorstand hat nämlich jedenfalls auf Antrag der Wahlberechtigten nach § 24 Abs. 1 WO diesen die Briefwahlunterlagen zu übersenden. Dies muss je nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Briefwahl sehr kurzfristig ("unverzüglich") erfolgen. Dem steht es entgegen, wenn der Wahlvorstand wegen jeder Adresse der bzw. des betreffenden Wahlberechtigten beim Arbeitgeber vorstellig werden müsste. Erforderlich ist vielmehr, dass dem Wahlvorstand sämtliche Daten vorab vorliegen, damit er im konkreten Einzelfall seine als Gremium getroffene Entscheidung über die Bewilligung des jeweiligen Antrags auf Briefwahl durch Übersendung der Briefwahlunterlagen umsetzen kann. Der Wahlvorstand kann nicht auf die Einreichung eines (erneuten) Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verwiesen werden, da auch hierfür die Zeit zu knapp sein kann (Anschluss an Hessisches LAG 10. August 2020 - 16 TaBVGa 75/20, Rn. 16).
c) Der Übergabe der persönlichen Daten stehen datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen (Fitting, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 24 WO 2001, Rn. 14). Die Daten der Arbeitnehmer (Adressen) werden vom Arbeitgeber rechtmäßig verarbeitet. Der Wahlvorstand benötigt diese zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WO obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Er unterliegt insoweit der Schweigepflicht. Darauf, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollumfänglich vorhersehen lässt, ob der Wahlvorstand tatsächlich alle privaten Anschriften der Arbeitnehmer benötigt, kommt es nicht entscheidend an. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich dies nicht abschließend feststellen. Die Durchführung eines weiteren einstweiligen Verfügungsverfahrens nach einer erfolgten Weigerung des Arbeitgebers im Falle eines Antrags von Wahlberechtigten auf Briefwahl nach § 24 Abs. 1 WO könnte jedoch aufgrund Zeitablaufs im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Betriebsratswahl zu spät sein (vgl. Hessisches LAG 10. August 2020 - 16 TaBVGa 75/20, Rn. 17). Die Datenübermittlung durch den Arbeitgeber und die anschließende Datenverarbeitung durch den Wahlvorstand sind zur Wahrnehmung des den wahlberechtigten Beschäftigten zustehenden Rechts zur Teilnahme an den Betriebsratswahlen erforderlich und gem. § 26 Abs. 1 BDSG bzw. - soweit es um sensible Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO, etwa die Angabe der Arbeitsunfähigkeit, geht - gem. § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ohne Einwilligung der betreffenden Beschäftigten datenschutzrechtlich zulässig (BR-Drs 666/21, 20, 24, 26; Boemke/Haase NZA 2021, 1513, 1519; Richardi BetrVG/Forst, 17. Aufl. 2022, WO § 24 Rn. 10; Löwisch/Kaiser/Klumpp-Wiebauer, BetrVG, Anhang 1 Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO), Rn. 7; ebenso Klose, NZA 2021, NZA 2021, 1301, 1302).
d) Gleiches gilt für die Zurverfügungstellung der dienstlichen E-Mail-Adressen. Es ist nicht Aufgabe des Wahlvorstands, sich diese zusammenzusuchen oder sogar noch selbst zu bilden, zumal es zu Unklarheiten kommen kann. Es ist Aufgabe der Arbeitgeberin, diese - wie die postalischen Adressen - dem Betriebsrat ordentlich alphabethisch gelistet unter Angabe des jeweiligen Einsatzortes zur Verfügung zu stellen. Die Kammer hat den Tenor zur Vermeidung von Vollstreckungsproblemen insoweit konkretisiert, da unter den Beteiligten streitig war, in welcher Form die Angaben zu machen sind und die Arbeitgeberin der Auffassung ist, sie habe den Anspruch des Wahlvorstands bereits erfüllt, wovon die Kammer gerade nicht ausgeht. Insoweit fehlt es zudem an nachvollziehbarem Vortrag der Arbeitgeberin und an jeglicher Glaubhaftmachung. Erfüllung setzt daher voraus, dass die Angaben genauso erfolgen, wie im Tenor beschrieben.
2) Die Arbeitgeberin hat dem Wahlvorstand auch Unterlagen darüber zur Verfügung zu stellen, welche Beschäftigten regelmäßig mobil im Homeoffice oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten. Seit 2021 bedarf es keines Briefwahlverlangens solcher Wahlberechtigter mehr, von denen der Wahlvorstand weiß, dass sie mindestens vom Erlass des Wahlausschreibens an bis zum Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 WO). Durch diese Neuregelung sollen ua auch solche Wahlberechtigten von Amts wegen Briefwahlunterlagen erhalten, die durch Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder durch Arbeitsunfähigkeit längerfristig abwesend sind (Düwell/Sachadae, 6. Aufl. 2022, BetrVG, WahlO § 24 Rn. 6). Damit der Wahlvorstand seiner Pflicht gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 WO ordnungsgemäß nachkommen und dafür zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift selbst prüfen kann, benötigt er darüber hinaus neben den Namen und Adressen aller (voraussichtlich) abwesenden Beschäftigten auch grobe, an den Kategorien von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 WO orientierte Angaben über den Grund für deren Abwesenheit (so zutreffend Boemke/Haase NZA 2021, 1513, 1519). Da für die Wahl ein neuer Termin gefunden werden muss, kommt es auf das Datum an, welches der Wahlvorstand der Arbeitgeberin als vorgesehene neuen Termin nun benennt. Die Arbeitgeberin hat den Anspruch des Wahlvorstands inzwischen insoweit erfüllt, als sie diesem entsprechende Angaben zu den Personen gemacht hat, die wegen bereits bekannter Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs, Mutterschutzes und Elternzeit (soweit hiervon Belegschaftsmitglieder konkrete betroffen sind) gemacht hat.
3) Nr. 3 der im Tenor der angefochtenen Entscheidung ausgesprochenen Verpflichtung hat sich erledigt, nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin entsprechende Angaben im Termin gemacht und der Wahlvorstand seinen Antrag entsprechend angepasst hat.
4) Das Arbeitsgericht ist auch mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, zu dem Ergebnis gelangt, dass auch ein Verfügungsgrund vorliegt. Die Kammer kann hierauf Bezug nehmen. Der Wahlvorstand ist gesetzlich verpflichtet, zeitnah nach seiner Bestellung die Wahl vorzubereiten und durchzuführen. Das wäre bei der vorherigen Durchführung eines Hauptsacheverfahrens nicht mehr möglich. Es käme zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung.