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Urteil vom 05.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235911

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 2 Sa 7/23

Eine unzulässige einseitige Reduzierung der Arbeitszeit und damit des Arbeitsentgelts ist keine dauerhafte Änderung der Arbeitszeit im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG . Beim Mutterschutzlohn handelt es sich ebenso wie bei dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld um Entgeltfortzahlungstatbestände, die durch den gesetzlichen Mindestlohn mitgestaltet werden. Entsprechend gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG , diese Ansprüche in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern.


Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 13. Juli 2022 - 2 Ca 163/22 - teilweise abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.335,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2022 zu zahlen.2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.574,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2022 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 82/100 und die Klägerin zu 18/100 zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über weiteren Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Die Klägerin ist seit 18.03.2019 bei der Beklagten als Reinigungskraft tätig. In dem Arbeitsvertrag vom 18.03.2019 ist unter anderem vereinbart:

"§ 3 Arbeitszeit

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt - je nach Bedarf des Arbeitgebers - ca. 10 bis 20 Stunden, nicht unwesentliche Abweichungen (sowohl nach unten als auch nach oben) können hierbei relevant sein.

Die Erbringung der Arbeitsleistung hat entsprechend der jeweiligen betrieblichen Regelung grundsätzlich an den Werktagung Montag bis einschließlich Samstag zu erfolgen. Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit, die Ausweitung der Arbeitszeit auf Mehrarbeit, Wechselschicht-/Nachtarbeit und Sonntags-/Feiertagsarbeit richten sich nach den jeweiligen betrieblichen Regelungen. Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit Mehrarbeit, Wechselschicht-/Nachtarbeit und Sonntags-/Feiertagsarbeit zu leisten, soweit diese angeordnet und gesetzlich zulässig ist."

"§ 12 Ausschlussfristen (zz. § 23 RTV vom 28.06.2011)

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Die Regelung der Ausschlussfristen entspricht der Regelung in dem für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV Gebäudereinigung). Der Arbeitsvertrag nimmt unter anderem betreffend die Vergütung auf die jeweils geltenden tarifvertraglichen Regelungen Bezug (vgl. § 4, § 11 des Arbeitsvertrages).

Die Klägerin arbeitete gemäß den ihr von der Beklagten erteilten Abrechnungen im September 2020 221 Stunden, im Oktober 2020 226 Stunden und im November 2020 206,50 Stunden. Abgerechnet wurden im September 2.331,55 Euro, für den Oktober 2.384,30 Euro und für den November 2020 2.178,58 Euro, jeweils zuzüglich eines Fahrgeldes und im November 2020 zuzüglich eines Corona-Bonus.

Die Klägerin war ab dem 22.12.2020 schwanger. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte gegenüber der Klägerin per Chat am 05.02.2021: "Also nochmals Glückwunsch (falls es sich bestätigen sollte). ... Dann passt es ja ganz gut, dass A. nun nicht mehr ist. Wäre sonst ja sicher zu viel geworden. Wir können dann aber alles in Ruhe besprechen, wenn du sicher Bescheid weist. Schönes Wochenende". Die Klägerin antwortete "Vielen Dank" und wünschte ebenfalls ein schönes Wochenende. Am 09.02.2021 erklärte der Geschäftsführer "wie Freitag schon von mir angesprochen folgende Frage: Soll ich von den Januar Stunden einen Teil abziehen und auf Februar oder Februar/März verteilen damit die Lohnsteuer nicht so hoch ist. Im Ergebnis bekommst du so mehr. ..." und kurz darauf "Und, soll ich das so machen mit dem Verteilen der Stunden? Ab Februar fällt ja A weg, deshalb sind es jetzt auch weniger Stunden, so dass Verteilen für dich besser wäre." Die Klägerin antwortete "ok bitte das zu machen".

Aufgrund der Schwangerschaft bestand für die Klägerin für die Zeit vom 19.03.2021 bis 10.08.2021 ein Beschäftigungsverbot. Am 23.09.2021 wurde das Kind der Klägerin geboren.

Die Beklagte berechnete den Mutterschutzlohn und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld auf der Basis einer Arbeitszeit von 3,5 Stunden pro Arbeitstag und einem Entgelt von 11,11 Euro brutto pro Stunde. Die Klägerin fragte per Chat am 03.06.2021, weshalb ihr Lohn für den April so niedrig sei und forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Mit Schreiben vom 18.06.2021 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und forderte Lohn für April in Höhe von 1.392,69 Euro und für Mai 2021 in Höhe von 1.431,57 Euro. Mit Schreiben einer Bevollmächtigten vom 19.10.2021, bei der Beklagten eingegangen am 25.10.2021, forderte die Klägerin Mutterschaftslohn auf der Basis des durchschnittlichen Lohnes der letzten drei Monate vor der Schwangerschaft für die Zeit vom 19.03.2021 bis August 2021.

Die Beklagte leistete auch im Folgenden Zahlungen ausgehend von 3,5 Stunden pro Arbeitstag, d.h. in Höhe 984,36 Euro brutto für März 2021, 855,47 Euro brutto für April 2021, 816,59 Euro brutto für Mai 2021, 855,47 Euro brutto für Juni 2021, 855,47 Euro brutto für Juli 2021 und 272,20 Euro brutto für den August 2021. Für die Zeit des Mutterschutzes vom 11.08.2021 bis 18.11.2021 erhielt die Klägerin von der Krankenkasse 1.300,00 Euro Mutterschaftsgeld, die Beklagte zahlte 968,00 Euro Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Mit ihrer am 10.02.2022 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen, der Beklagten am 21.02.2022 zugestellten Klage hat die Klägerin weitere Zahlungen verlangt und zur Begründung geltend gemacht: Sie habe letztlich in Vollzeit gearbeitet. Es bestehe für die Zeit des Beschäftigungsverbotes Anspruch auf Mutterschutzlohn in Höhe des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten drei Kalendermonate vor Eintritt der Schwangerschaft, d.h. 2.298,14 Euro brutto. Unter Abzug der geleisteten Beträge verbleibe ein Anspruch von 7.924,26 Euro brutto.

Dieser Betrag von 2.298,14 Euro brutto entsprechend 1.590,00 Euro netto sei auch der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld zugrunde zu legen. Abzüglich des gezahlten Mutterschaftsgeldes und des von der Beklagten geleisteten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld verbleibe ein Betrag von 2.973,00 Euro netto (Berechnung s. Bl. 9 d.A.).

Die Ansprüche seien nicht mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Auch eine tarifvertragliche Ausschlussfrist sei unwirksam, soweit diese die Geltendmachung des Anspruchs auf Mindestlohn ausschließe oder beschränke.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.924,26 Euro brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2022 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.973,00 Euro netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2022 zu zahlen,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Klägerin stünden keine Ansprüche über die abgerechneten und gezahlten Beträge hinaus zu. Die Klägerin habe nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses und einer Arbeitszeit von zunächst 47 Stunden im März 2019 mehr arbeiten wollen und sei ab Mai 2019 im Rahmen einer mit ihr vereinbarten Ausweitung der Beschäftigung etwa 160 bis 170 Stunden beschäftigt worden. Der Klägerin seien Arbeiten bei der Fa. B und ab Februar 2020 bei der Fa. A zugewiesen worden. Die Fa. B habe die Produktion Ende 2019 aufgegeben, die Aufträge der Fa. B seien ab Dezember 2021 ersatzlos weggefallen. Die Klägerin sei dann bei der Fa. A 4,5 Stunden täglich und bei der Fa. C mit durchschnittlich 3,5 Stunden täglich eingeplant gewesen. Die Beschäftigungsmöglichkeit bei der Fa. A sei mit Ablauf des Januar 2021 ersatzlos weggefallen. Damit habe sich das Arbeitszeitvolumen auf die verbleibende Reinigungszeit von täglich 3,5 Stunden für die Fa. C reduziert. Dass Klarheit und Einigkeit hinsichtlich des Wegfalls der Reinigungsarbeiten für die Fa. A bestanden habe, ergebe sich auch aus dem Chatverlauf. Die geringere Arbeitszeit sei bereits im Februar 2021 umgesetzt worden. Im Hinblick hierauf sei die Höhe des Mutterschaftslohns zutreffend gemäß § 21 Abs. 4 MuSchG ermittelt.

Selbst wenn Ansprüche bestanden hätten, seien diese mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Eine rechtzeitige Geltendmachung binnen der Fristen gemäß § 23 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen und allgemeinverbindlichen RTV Gebäudereinigung sei nicht erfolgt. Jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussfrist sei für sämtliche Ansprüche nicht gewahrt. Bei Mutterschaftslohn und dem Zuschuss zum Mutterschaftsentgelt handle es sich nicht um Mindestlohn-Lohnersatzleistungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Klage durch Urteil vom 13.07.2022 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Berechnung des der Klägerin zustehenden Mutterschaftslohnes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld bestimme sich nach § 21 Abs. 4 Satz 2 MuSchG. Es liege eine dauerhafte Änderung der Arbeitsentgelthöhe im Sinne dieser Regelung vor. Vereinbart sei eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 10-20 Stunden je nach Bedarf des Arbeitgebers. Eine höhere Stundenzahl oder ein Vollzeitarbeitsverhältnis sei weder mündlich noch unter Beachtung des vereinbarten Schriftformerfordernisses schriftlich vereinbart worden. Es liege eine dauerhafte Änderung seit Februar 2021 vor, da bisherige Arbeitseinsätze der Klägerin ersatzlos weggefallen seien. Entsprechend wäre auch bei weiterer Arbeit der Klägerin nur das reduzierte Stundenvolumen angefallen.

Gegen dieses ihr am 13.09.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.10.2022 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Wesentlichen wie folgt begründet: Auch nach Vortrag der Beklagten sei es ab Mai 2019 zu einer mit der Klägerin vereinbarten Ausweitung der Beschäftigung gekommen. Es handle sich um eine wirksame mündliche Individualabrede. Dass damit die Zuweisung von weiteren Reinigungsaufträgen einhergehe, entspreche der Tätigkeit eines Reinigungsunternehmens. Die Klägerin habe weder ihr Einverständnis mit einer Reduzierung der Stunden erklärt, noch ergebe sich eine solche aus dem Vortrag der Beklagten kurz vor dem Kammertermin. Es liege keine dauerhafte Veränderung der Arbeitszeit vor. Zudem sei die Vereinbarung einer möglichen einseitigen "Rückkehr" zu einer Tätigkeit auf Abruf mit wöchentlich 10 bis 20 Stunden fraglich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 13.07.2022 - Az. 2 Ca 163/22 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.924,26 Euro brutto sowie 2.973,00 Euro netto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Aufgrund des dauerhaften Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Firma B ab Dezember 2021 und der Firma A habe sich das Arbeitszeitvolumen auf eine durchschnittliche arbeitstägliche Reinigungszeit von 3,5 Stunden bei der Firma C reduziert. Der zwischenzeitlich erfolgte Abruf einer höheren Arbeitsleistung im Einvernehmen mit der Klägerin ändere hieran nichts. Sie habe die Arbeitszeit nicht einseitig reduziert, sondern sich an die weiterhin geltende arbeitsvertragliche Vereinbarung gehalten. Die Klägerin habe auch keinen Antrag auf Anpassung der vertraglichen Arbeitszeit nach § 3 Ziffer 2 RTV Gebäudereinigung gestellt. Unabhängig hiervon stehe die tarifvertragliche Ausschlussfrist den Ansprüchen entgegen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung ist zulässig.

Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2b) ArbGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht gem. § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § § 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

B. Die Berufung ist überwiegend begründet.

I. Die Klägerin hat gemäß § 18 Satz 1, 2 MuSchG Anspruch auf weitere 6.335,55 Euro brutto Mutterschaftslohn. In dieser Höhe besteht der Anspruch als Lohnersatzleistung anstelle des Mindestlohns ungeachtet der fehlenden Geltendmachung binnen der Ausschlussfrist.

1. Grundlage für den der Klägerin zustehenden Mutterschutzlohn ist § 18 Satz 1, 2 MuSchG. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liegt keine dauerhafte Änderung der Arbeitsentgelthöhe im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG vor.

a) Nach § 18 MuSchG Satz 1 erhält eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Zu zahlen ist nach § 18 Satz 2 MuSchG das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft. Die Klägerin durfte wegen eines Beschäftigungsverbotes ab dem 19.03.2021 bis zum Beginn der Mutterschutzfrist am 11.08.2021 nicht beschäftigt werden. Das durchschnittliche Entgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Eintritt der Schwangerschaft, d.h. September, Oktober und November 2020 betrug (2.331,55 + 2.384,30 + 2.178,58 : 3 =) 2.298,14 Euro brutto.

b) Bei einer dauerhaften Änderung der Arbeitsentgelthöhe ist nach § 21 Abs. 4 MuSchG nicht dieser Betrag, sondern die geänderte Arbeitsentgelthöhe bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts für die Leistungen nach § 18 MuSchG zugrunde zu legen. Eine hiernach beachtliche Änderung liegt jedoch entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts für die Zeit ab Februar oder März 2021 nicht vor. Es erfolgte keine Vereinbarung einer Änderung des Arbeitsentgelts bzw. der Arbeitszeit als Berechnungsgrundlage. Eine beabsichtigte einseitige Reduzierung der maßgeblichen Arbeitszeit entgegen der vertraglichen Grundlage führt nicht zu einer Änderung des Arbeitsentgelts im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG.

aa) Die Parteien haben keine Arbeitszeit von 3,5 Stunden pro Arbeitstag oder 17,5 Stunden pro Woche ab Februar oder März 2021 vereinbart.

(1) Im Arbeitsvertrag haben die Parteien keine solche Arbeitszeit vereinbart. Dem Satz "Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt - je nach Bedarf des Arbeitgebers - ca. 10 bis 20 Stunden; nicht unwesentliche Abweichungen (sowohl nach unten als auch nach oben) können hierbei relevant sein" beinhaltet keine Aussage zur Arbeitszeit. Abgesehen davon, dass "ca." 10 bis 20 Stunden keine Festlegung ist, wird ergänzt, dass nicht unwesentliche, d.h. wesentliche Abweichungen nach unten und oben möglich sind. Die weitere Regelung in § 3 Absatz 2 des Arbeitsvertrages konkretisiert die Vorgabe nicht, sondern hält fest, dass im maximal zulässigen gesetzlichen Rahmen Arbeitspflicht besteht. Bezug genommen wird auf eine "betriebliche Regelung", eine diesbezügliche Festlegung besteht aber nicht, wurde jedenfalls von keiner Seite behauptet. Eine solche Angabe zur Arbeitszeit, die keine Festlegungen zur Höhe derselben trifft und gleichzeitig eine Arbeitspflicht für jede angeordnete Arbeitszeit festlegt, ist diese jedenfalls mangels Transparenz unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 6 AZR 308/17 -, BAGE 163, 56-71, Rn. 34).

Es kann dahingestellt bleiben, ob aufgrund einer fehlenden Regelung unter der Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 3 RTV Gebäudereinigung, d.h. 39 Stunden pro Woche gilt (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 -, BAGE 138, 148-165, Rn. 33ff) oder durch konkludentes Angebot und Annahme einer vollzeitigen Arbeitsleistung ab Mai 2019 eine entsprechende individuelle Vereinbarung getroffen wurde. Für eine individuelle Vereinbarung gilt nach § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages kein Schriftformerfordernis; unabhängig hiervon stünde in einem solchen Fall die fehlende Schriftform einer wirksamen Änderung nicht entgegen (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 5 AZR 1008/06 -, Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 -, BAGE 126, 364-374). Jedenfalls kann dieser vertraglichen Regelung keine Arbeitszeit von 3,5 Stunden pro Arbeitstag oder 17,5 Stunden pro Woche ab Februar oder März 2021 entgegen der vorherigen Praxis entnommen werden.

(2) Eine Vereinbarung von 3,5 Stunden pro Arbeitstag oder 17,5 Stunden pro Woche ergibt sich nicht aus den per Chat gewechselten Erklärungen. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin erklärt "Dann passt es ja ganz gut, dass A nun nicht mehr ist. Wäre sonst ja sicher zu viel geworden. Wir können dann aber alles in Ruhe besprechen, wenn du sicher Bescheid weist. Schönes Wochenende" Hierauf hat die Klägerin mit "vielen Dank" geantwortet und ebenfalls ein schönes Wochenende gewünscht. Ein Einverständnis mit dem Wegfall des Auftrages bzw. der hierauf entfallenden Arbeitszeit beinhaltet dies nicht, hiernach wurde nicht gefragt. Der Wegfall des Auftrages wurde lediglich mitgeteilt. In der weiteren Erklärung der Beklagten heißt es dann "wie Freitag schon von mir angesprochen folgende Frage: Soll ich von den Januar Stunden einen Teil abziehen und auf Februar oder Februar/März verteilen damit die Lohnsteuer nicht so hoch ist. Im Ergebnis bekommst du so mehr. ..." nebst weiterer Nachfrage "Und, soll ich das so machen mit dem Verteilen der Stunden? Ab Februar fällt ja A weg, deshalb sind es jetzt auch weniger Stunden, so dass Verteilen für dich besser wäre." Hierauf hat die Klägerin geantwortet "ok bitte das zu machen." Das hiermit erklärte Einverständnis der Klägerin bezieht sich auf die Frage, ob das Entgelt für im Januar geleistete Stunden teilweise erst im Februar bzw. im März ausgezahlt werden soll.

bb) Eine im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG maßgebliche Arbeitszeit von 3,5 Stunden pro Arbeitstag oder 17,5 Stunden pro Woche ergibt sich nicht aus einer Absicht der Beklagten, der Klägerin ab diesem Zeitpunkt nur Arbeit in diesem Umfang zuzuweisen.

(1) Die Absicht, eine Arbeitnehmerin aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft oder gesundheitlichen Einschränkungen aufgrund der Schwangerschaft kürzer zu beschäftigen als zuvor, stellt keine dauerhafte Reduzierung der Arbeitszeit im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG dar. Ziel der Regelung ist der Erhalt des Einkommens, wie es bei Fortsetzung der Tätigkeit ohne die Schwangerschaft und hierdurch eintretende Beeinträchtigungen erzielt worden wäre. Ist Beschäftigung im bisherigen Umfang nicht möglich, weil mangels Verfügbarkeit oder Belastbarkeit der betroffenen Arbeitnehmerin keine Aufträge eingeworben und angenommen werden, und deshalb weniger Arbeit anfällt, liegt auch dann keine dauerhafte Reduzierung des Entgelts im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG vor, wenn die vertragliche Regelung eine Reduzierung der Arbeitszeit und damit des Entgelts erlaubt.

Eine Reduzierung der Arbeitszeit ohne einen solchen Zusammenhang kann hier nicht ohne weiteres festgestellt werden, wie die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung zu Recht geltend macht. Eine solche ergibt sich nicht bereits aus dem von der Beklagten behaupteten Wegfall eines Auftrags ab Februar 2021. Wie die Klägerin zutreffend geltend macht und im Übrigen auch anhand der Abläufe in der Vergangenheit deutlich wird, werden immer wieder Reinigungsaufträge beendet und neue Aufträge erteilt. Die Beklagte hat nach ihrem Vortrag das Interesse der Klägerin an mehr Beschäftigung zum Anlass genommen, die Klägerin ab Mai 2019 praktisch vollzeitig zu beschäftigen, d.h. weitere Aufträge anzunehmen. Die Beklagte behauptet keine Bemühungen um weitere Reinigungsaufträge, die die Klägerin hätte erledigen können. Solche liegen auch nicht nahe, weil die Klägerin nicht zur Verfügung stand. Bereits vor dem Beschäftigungsverbot lag Arbeitsunfähigkeit vor, so dass bereits eher ein Abwarten denn ein Einwerben neuer Aufträge als Ersatz für den Auftrag der Fa. A nahelag.

(2) Unabhängig hiervon läge auch bei einem dauerhaft verringerten Arbeitsanfall ohne Zusammenhang mit einem schwangerschaftsbedingten Ausfall der Klägerin keine dauerhafte Änderung der Arbeitszeit und entsprechend des Arbeitsentgelts im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG für die Zeit ab März 2023 vor. Eine unzulässige einseitige Reduzierung der Arbeitszeit und damit des Arbeitsentgelts reicht hierfür nicht aus. Entsprechend prüft das Bundesarbeitsgericht die rechtliche Wirksamkeit von Verdienstkürzungen im maßgeblichen Zeitraum (BAG, Urteil vom 20. September 2000 - 5 AZR 924/98 -, BAGE 95, 331-338, Rn. 21; vgl. Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 31. Oktober 2006 - 9 (1) Sa 1243/06 -, Rn. 48, juris). Um eine solche ohne unzulässige einseitige Reduzierung der Arbeitszeit würde es sich hier handeln.

Es liegt keine wirksame Vereinbarung einer beliebig festzulegenden Arbeitszeit vor (s.o.). Selbst wenn man - ohne Regelungen zu einem Abruf im Arbeitsvertrag - von einem Abrufarbeitsverhältnis ausgehen würde, wäre auch in diesem Fall bei der Feststellung der maßgeblichen Arbeitszeit im Wege ergänzender Vertragsauslegung der kontinuierlich erfolgte Abruf vollzeitiger Arbeit wesentlich und stünde einer Annahme einer wöchentlichen Arbeitszeit von nunmehr 20 Stunden oder noch weniger entgegen (vgl. Bayreuther, NZA 2022,S. 953; BAG, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 -, BAGE 116, 267-284, Rn. 51). Eine Änderungskündigung zur Reduzierung der Arbeitszeit wurde nicht ausgesprochen.

2. Die Klägerin hat diesen Mutterschaftslohn nicht binnen der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht.

Gemäß dem Arbeitsvertrag und § 23 des allgemeinverbindlichen RTV Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV Gebäudereinigung) - gleichlautend der vorhergehende Rahmentarifvertrag - verfallen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden; lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf geltend gemacht wird.

Diese Frist wurde betreffend den Mutterschaftslohn nicht eingehalten. Der Mutterschutzlohn ist zu demselben Zeitpunkt fällig, zu dem das ohne Beschäftigungsverbot anfallende Entgelt zu zahlen gewesen wäre (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 2020 - 12 Sa 716/19 -, Rn. 77, juris; Brose/Weth/Volk/Volk, 9. Aufl. 2020, MuSchG § 18 Rn. 100). Das Entgelt ist gemäß den im Arbeitsvertrag der Klägerin wiedergegebenen tarifvertraglichen Regelungen am 15. des Folgemonats fällig. Auch wenn man von einer zumindest teilweisen rechtzeitigen schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der ersten Stufe der Ausschlussfrist ausgeht, erfolgte keine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung binnen der zweiten Stufe der Ausschlussfrist. Der zuletzt fällige Mutterschutzlohn für August 2021 war am 15.09.2021 fällig. Die vorliegende Klage ist am 10.02.2022 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangen und wurde der Beklagten am 21.02.2022 zugestellt.

3. Die Ausschlussfrist ist nicht aufgrund der kurzen Fristen und der erheblichen Belastung einer erforderlichen gerichtlichen Geltendmachung binnen dieser kurzen Fristen nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind tarifliche Ausschlussfristen keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Diese sind nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer AGB-Kontrolle ausgenommen. Auch eine Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglich insgesamt in Bezug genommenen Tarifverträgen erfolgt nicht, weil sie nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur stattfindet, wenn von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Tarifverträge stehen nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, aufgrund welcher Regelungstechnik der betreffende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich erfasst (BAG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 10 AZR 290/17 -, BAGE 163, 144-159, Rn. 29; BAG, Urteil vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 323/19 -, Rn. 20 - 21, juris).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die vorliegende Ausschlussfrist ist in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelt. Dieser findet gemäß § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, das unter den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fällt. Unabhängig hiervon wird der Tarifvertrag auch arbeitsvertraglich in Bezug genommen. Diese Inbezugnahme beschränkt sich nicht auf einzelne Regelungen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 10 AZR 290/17 -, BAGE 163, 144-159, Rn. 30) sondern betrifft als wesentlichen Gegenstand der tarifvertraglichen Regelung auch das Entgelt, Kündigungsfristen sowie aufgrund der Bezugnahme auf tarifliche Regelungen "im Übrigen" unter anderem Urlaub. Die fehlende hinreichend bestimmte Regelung einer Arbeitszeit im Arbeitsvertrag steht dem nicht entgegen. Dass die Arbeitszeit einer näheren Bestimmung durch Auslegung bedarf, stellt das tarifvertragliche Gefüge mit seinem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht in Frage. Die Ausschlussfristenregelung ist im Arbeitsvertrag ausdrücklich wiedergegeben und mit einer entsprechenden Überschrift hervorgehoben.

Die Tarifvertragsparteien gehen ersichtlich auch unter Berücksichtigung der Entwicklung in der Rechtsprechung weiterhin davon aus, dass diese Ausschlussfrist eine ihrem Gewerbe angemessene Regelung darstellt. Diese ist auch in dem zuletzt vereinbarten RTV Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 vorgesehen.

4. Die fehlende Einhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist führt jedoch nur zum Verfall der Ansprüche, die über Ansprüche in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns hinausgehen. In Höhe des gesetzlichen Mindestlohns steht § 3 Satz 1 MiLoG einem Verfall entgegen.

a) Zwar lässt sich der Anspruch auf Mutterschaftslohn nicht auf § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG stützen. Denn für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das Mindestlohngesetz keine unmittelbaren Ansprüche (BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 -, BAGE 155, 202-214, Rn. 19).

b) Gleichwohl ist mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass § 3 Satz 1 MiLoG einen Verfall des Anspruchs entgegensteht.

Verpflichtet ein gesetzlicher Entgeltzahlungstatbestand den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer so zu stellen, als hätte er gearbeitet, und gestaltet der Mindestlohn diesen Anspruch mit, gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgeltzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern (vgl. im Einzelnen BAG 20. Juni 2018 - 5 AZR 377/17 - Rn. 33 f. unter Hinweis auf eine teilweise Unwirksamkeit einer tarifvertraglichen Verfallfrist; BAG, Urteil vom 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 -, BAGE 165, 205-219, Rn. 40).

Dies gilt auch für den Mutterschaftslohn. Es handelt sich vielmehr ebenso wie im Falle der Entgeltfortzahlung um eine Lohnersatzleistung (ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, MuSchG § 18 Rn. 2). Anknüpfungspunkt ist auch - mit geringen Abweichungen betreffend Verdiensterhöhungen und Verdienstkürzungen im Einzelfall - das bisherige Entgelt, das ungeachtet der unterbleibenden Arbeitsleistung weitergezahlt werden soll. Im Wesentlichen soll der werdenden Mutter das Entgelt, das sie ohne das Beschäftigungsverbot erzielt hätte, einschließlich des in diesem enthaltenen Mindestlohn erhalten bleiben. Anderenfalls stünde die Arbeitnehmerin entgegen der Wertung des § 18 MuSchG schlechter da, als wenn sie gearbeitet hätte. Denn in diesem Fall hätte sie - unbeschadet von Ausschlussfristen - jedenfalls den gesetzlichen Mindestlohn erhalten.

c) Ausgehend hiervon verbleibt ein Anspruch in Höhe von 6.335,55 Euro brutto für die Zeit von März bis 10.08.2020.

Der Betrag errechnet sich wie im Einzelnen in der Tabelle im Sitzungsprotokoll vom 10.03.2023 festgehalten und von den Parteien unstreitig gestellt. Auszugehen ist auf der Grundlage einer durchschnittlichen Arbeitszeit in den letzten drei Monaten vor Eintritt der Schwangerschaft von 217,67 Stunden pro Monat als Berechnungsgrundlage und von einem gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro brutto pro Stunde für März, April, Mai 2020 sowie von 9,60 Euro für Juli und August 2020. Nach Abzug der gezahlten Beträge verbleibt insgesamt ein Betrag von 6.335,55 Euro brutto.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Verzinsungspflicht beginnt ab dem auf den Zustellungstag folgenden Tag (BAG, Urteil vom 10. November 2021 - 10 AZR 261/20 -, Rn. 58, juris). Damit besteht ein Anspruch auf Verzinsung nicht ab dem 21.02.2022, sondern ab dem 22.02.2022.

II. Die Klägerin hat gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 MuSchG Anspruch auf einen weiteren Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 2.574,00 Euro netto.

1. Gemäß § 20 Abs. 1 MuSchG erhält eine Frau während ihres bestehenden Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit der Schutzfristen vor und nach der Entbindung sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen 13 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist.

Die Klägerin befindet sich unstreitig in einem Beschäftigungsverhältnis. Die Schutzfrist vor und nach der Entbindung dauerte vom 11.08.2021 bis 18.11.2021. Grundlage der Berechnung ist das maßgebliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten - bzw. ggf. noch korrekt abzurechnenden - drei Kalendermonate. Die Erteilung einer zutreffenden Abrechnung ist nicht Anspruchsvoraussetzung (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 5 AZR 439/10 -, BAGE 140, 159-168, Rn. 13). Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob für die Berechnung von vornherein nur auf das Arbeitsentgelt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns abzustellen ist oder von dem höheren Entgelt und einem teilweisen Verfall des Zuschusses auszugehen ist. Der zuletzt maßgebliche Mindestlohn entspricht 1.468,85 Euro netto und damit 48,42 Euro netto pro Kalendertag. Ausgehend von der Mutterschutzfrist von 100 Kalendertagen ergeben sich 100 x 48,42 Euro = 4.842,00 Euro. Abzüglich des Zuschusses der Krankenkasse zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 1.300,00 Euro und einem gezahlten Betrag von 968,00 Euro verbleiben 2.574,00 Euro.

2. In dieser Höhe steht § 3 Satz 1 MiLoG einem Verfall des Anspruchs entgegen.

a) Auch der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld wird hiervon als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis von tarifvertraglichen Ausschlussfristen erfasst (NK-ArbR/Boecken, 2. Aufl. 2023, MuSchG § 20 Rn. 23). Die Klägerin hat hinsichtlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld die erste Stufe der Ausschlussfrist nicht eingehalten. Die Fälligkeit des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld entspricht der Fälligkeit des Entgelts (ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, MuSchG § 20 Rn. 7), d.h. der zuletzt zu zahlende Zuschuss wäre am 15.12.2021 fällig gewesen, Zuschüsse für August, September und Oktober bereits zuvor. Die Zustellung der Klage mit der konkreten schriftlichen Geltendmachung des fälligen Anspruchs erfolgte am 21.02.2022. Der vorherige Eingang der Klage reicht für eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung nicht aus, § 167 ZPO findet auf eine erforderliche schriftliche Geltendmachung keine Anwendung (BAG, Urteil vom 16. März 2016 - 4 AZR 421/15 -, BAGE 154, 252-267). Selbst wenn man erfolgte Mitteilungen als hinreichende schriftliche Geltendmachung des Anspruches (auch) des Anspruchs auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ansehen würde, wäre die zweite Stufe der Ausschlussfrist weitgehend, dh. betreffend den Zuschuss für August, September und Oktober nicht gewahrt.

b) Auch beim Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 20 Abs. 1 MuSchG unterliegt der auf dem Mindestlohn beruhende Betrag gemäß der Wertung des § 3 MiLoG keinem Verfall. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld hat Lohnersatzfunktion (ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, MuSchG § 20 Rn. 4; Schaub ArbR-HdB, 19. Aufl. 2021, § 171. Anspruch auf Mutterschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld Rn. 4; Brose/Weth/Volk/Herrmann, 9. Aufl. 2020, MuSchG § 20 Rn. 13). Ein ansonsten mangels Beschäftigung eintretender Verdienstausfall soll ausgeglichen werden (BAG, Urteil vom 19. Mai 2021 - 5 AZR 378/20 -, BAGE 175, 76-82, Rn. 17). Zuvor gezahlter bzw. zu zahlender Mindestlohn prägt damit mittelbar auch den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Insoweit besteht kein Wertungsunterschied zur Entgeltfortzahlung (vgl. zu letzterer BAG, Urteil vom 20. Juni 2018 - 5 AZR 377/17 -, BAGE 163, 99-107, Rn. 33). Dass die Leistung aufgrund von Leistungen der Krankenkasse nicht den vollen Lohn umfasst, ändert nichts an dem Ziel der Regelung, letztlich den Lohnanspruch zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erhalten. Allenfalls kommt dieser Lohnersatzleistung ein besonderes Gewicht zu, weil im Sinne auch der Gesundheit des Kindes kein Anreiz bestehen soll, unter Inkaufnahme gesundheitlicher Gefährdungen zum Zwecke der Existenzsicherung zu arbeiten (vgl. BAG, Urteil vom 19. Mai 2021 - 5 AZR 378/20 -, BAGE 175, 76-82, Rn. 17).

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III. Über die zugesprochenen Beträge hinausgehende Ansprüche bestehen mangels Geltendmachung binnen der Ausschlussfrist nicht, insoweit verbleibt es teilweise bei der Abweisung der Klage.

C. Die Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Vorschriften§ 23 RTV, § 21 Abs. 4 MuSchG, § 21 Abs. 4 Satz 2 MuSchG, § 3 Ziffer 2 RTV, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2b) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, 520 ZPO, § 18 Satz 1, 2 MuSchG, § 18 MuSchG, § 18 Satz 2 MuSchG, § 3 RTV, § 307 Abs. 1 BGB, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, § 307 Abs. 3 BGB, § 5 Abs. 4 TVG, § 3 Satz 1 MiLoG, § 1 Abs. 1, Abs. 2 MiLoG, §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, § 20 Abs. 1 S. 2 MuSchG, § 20 Abs. 1 MuSchG, § 167 ZPO, § 3 MiLoG, § 92 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG