Beschluss vom 15.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235923
Landesarbeitsgericht Hamm - Aktenzeichen 18 Sa 1195/22
1. Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG , §§ 719 Abs. 1 S. 1 , 707 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen. Die Zwangsvollstreckung kann eingestellt werden, wenn dem titulierten Anspruch eine durchgreifende materielle Einwendung entgegensteht, die erst nach Verkündung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung erster Instanz entstanden ist. Es bedarf dann keines nicht ersetzlichen Nachteils i.S.d. § 62 Abs. 1 S. 2 und 3 ArbGG .
2. Der (Weiter)Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber ihm gemäß § 106 GewO eine vertragsgerechte Tätigkeit zuweist. Es spricht Einiges dafür, dass insoweit lediglich eine Evidenzkontrolle vorzunehmen ist und der Erfüllungseinwand nur dann nicht eingreift, wenn der Arbeitgeber die Grenzen des Weisungsrechts offenkundig überschritten hat (hier offengelassen).
3. Der (Weiter)Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers wird allein durch die Titulierung nicht in der Weise konkretisiert, dass der Arbeitgeber ihn nur noch durch die Zuweisung eines Arbeitsplatzes mit dem im Urteilstenor beschriebenen Inhalt erfüllen könnte (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 05.02.2020 – 10 AZB 31/19 , Beschluss vom 21.03.2018 – 10 AZR 560/16 ). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ tenoriert ist und das Urteil auf den Arbeitsvertrag Bezug nimmt, der die Zuweisung einer anderen Tätigkeit gestattet.
Tenor:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.10.2022 - 2 Ca 447/22 wird hinsichtlich des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs (Tenor zu 2) einstweilen eingestellt.
Gründe
I.
Die Beklagte begehrt die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungstitel.
Die Parteien streiten u.a. über den Bestand des zwischen ihnen begründeten Arbeitsverhältnisses. Der Kläger ist Oberarzt und Mitglied der Mitarbeitervertretung. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Sie hat das Arbeitsverhältnis am 04.05.2022 fristlos aufgekündigt und dem Kläger grobe Behandlungsfehler vorgeworfen. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat durch Urteil vom 05.10.2022 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungen der Beklagten vom 04.05.2022 aufgelöst worden ist; das Arbeitsgericht hat die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Oberarzt in der Psychiatrischen Institutsambulanz bis zum rechtkräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt.
Die Beklagte hat gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung mit dem Schriftsatz vom 14.12.2022 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 11.04.2023 hat die Beklagte beim Landesarbeitsgericht beantragt, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs (Tenor zu 2) des Urteils des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.10.2023) einstweilen einzustellen.
Zur Begründung des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung führt die Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus: Dem Anspruch der Klägerin auf (Weiter-)Beschäftigung stehe die nachträglich entstandene Einwendung der Erfüllung entgegen. Im Rahmen eines Personalgesprächs am 06.04.2023 habe die Beklagte dem Kläger mit dem Schreiben vom 04.04.2023 zulässigerweise die Tätigkeit eines Oberarztes in der psychiatrischen Tagesklinik in A zugewiesen. Die Klinik für Seelische Gesundheit, die die Beklagte in A führe, umfasse neben der Psychiatrischen Institutsambulanz auch die 4 km entfernte Psychiatrische Tagesklinik. Dem Kläger sei die Tätigkeit in der Psychiatrischen Tagesklinik zugewiesen worden, da der Arbeitsanfall dort vom approbierten Personal - auch aufgrund von Personalausfällen - nicht mehr zu bewältigen gewesen sei.
Der Kläger meint, die Zwangsvollstreckung sei nicht vorläufig einzustellen und trägt hierzu im Wesentlichen Folgendes vor: Die Beschäftigung in der Psychiatrischen Tagesklinik entspreche nicht dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch. Der Beklagten könne den Kläger auch nicht im Wege des Direktionsrechts anweisen, in der Psychiatrischen Tagesklinik zu arbeiten. Die Tätigkeit des Klägers habe sich auf die Arbeit in der Psychiatrischen Institutsambulanz konkretisiert. Die frühere Geschäftsführung der Beklagten und der früheren Chefärzte hätten durch ihr Verhalten keinen Zweifel daran gelassen, dass der Arbeitsplatz des Klägers aufgrund seiner engagierten Rolle bei der Gründung und Etablierung der Psychiatrischen Institutsambulanz auf Dauer dort arbeiten solle. Die neu zugewiesene Tätigkeit sei nicht gleichwertig, da der Kläger eine Verdienstminderung aufgrund des Wegfalls von Hintergrunddiensten hinzunehmen habe und in der Psychiatrischen Tagesklinik wesentlich weniger Patienten zu behandeln seien als in der Institutsambulanz. Die Beklagte überschreite die Grenzen billigen Ermessens; ihr Vorgehen missachte die berechtigten Interessen des Klägers an der Beibehaltung seiner bisherigen Tätigkeit und stelle eine "Strafversetzung" dar, weil der neue Chefarzt die Eignung des Klägers in Zweifel gezogen und ihn im Personalgespräch vom 06.04.2023 gleichsam einer Examinierung durch das Stellen abstrakter Fachfragen unterzogen habe. Soweit die Beklagte die Versetzung mit Personalbedarf begründe, könne diese Begründung nur für wenige Tage Bestand haben, das erkrankte Personal sei längst wieder im Dienst. Die Anordnung der Beklagten hinsichtlich des Einsatzes in der Psychiatrischen Tagesklinik sei jedenfalls unwirksam, weil die Mitarbeitervertretung nicht zugestimmt habe.
II.
Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat gemäß § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG i. V. m. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die Voraussetzungen der §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 S. 1 ZPO für eine Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung liegen vor. Die Beklagte hat gegen das vorläufig vollstreckbare (§ 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG) Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt.
Dem Antrag steht nicht entgegen, dass die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht gemäß § 62 Abs. 1. S. 2 ArbGG beantragt hat, die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass der Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG vorrangig gegenüber einem Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG zu stellen wäre. Dies kann insbesondere dann nicht in Betracht kommen, wenn die Umstände, auf die der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG gestützt wird, im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht noch nicht vorlagen und deshalb noch nicht vorgetragen werden konnten (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2010 - 19 Sa 22/10). So verhält es sich hier, denn die Beklagte beruft sich darauf, dass sie den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers dadurch erfüllt, dass sie ihm am 06.04.2023, also nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils, eine Tätigkeit in der Psychiatrischen Tagesklinik zugewiesen hat.
2. Der Antrag ist begründet.
Das Interesse der Beklagten an der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung überwiegt das Vollstreckungsinteresse des Klägers. Die Beklagte macht, indem sie sich darauf beruft, den titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch, den der Kläger vollstrecken will, erfüllt zu haben, eine durchgreifende materiell-rechtliche Einwendung geltend, die zum Erlöschen des Anspruchs führt (§ 362 Abs. 1 BGB).
a) Die Erfüllung des titulierten Anspruchs ist als materielle Einwendung bei der Prüfung eines Antrages nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zu berücksichtigen.
Da materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch grundsätzlich nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend gemacht werden können, bleibt dem Schuldner die Möglichkeit, diese Einwendungen im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) oder im Berufungsverfahren vorzutragen und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung über § 769 ZPO oder § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zu erreichen (Hessisches LAG, Beschluss vom 03.08.2021 - 10 Ta 56/21 mwN.). Der Schuldner ist insoweit nicht vorrangig auf die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO zu verweisen. Das gilt anerkanntermaßen im Verfahren der Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner sich mit den materiellen Einwänden der Erfüllung oder Unmöglichkeit (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit dieser materiellen Einwendungen BAG, Beschluss vom 05.02.2020 - 10 AZB 31/19; Hessisches LAG, Beschluss vom 03.08.2021 - 10 Ta 56/21; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26. August 2005 - 3 Ta 22/05) gegen gerichtliche Beschlüsse nach § 887 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2004 - IXa ZB 32/04) und § 888 ZPO (vgl. BAG, Beschluss vom 07.09.2009 - 3 AZB 19/09; Hessisches LAG, Beschluss vom 02.11.2018 - 10 Ta 329/18) wendet. Aus Gründen der Prozessökonomie muss dies ebenso gelten, wenn der Schuldner einen Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG stellt.
Für die Berücksichtigungsfähigkeit des Erfüllungseinwandes im Rahmen von § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG spricht zudem, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung des Gerichts über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu berücksichtigen sind (Walker, in: Schwab/Weth-, 6. Auflage 2022, § 62 ArbGG Randnr. 15; Vossen, in: GK-ArbGG, Stand: Dezember 2021, § 62 ArbGG Randnr. 34, jeweils m.w.N.). Die Erfolgsaussichten hängen u.a. davon ab, ob dem Klageanspruch materielle Einwendungen entgegenstehen. Die Erfüllung des Anspruchs stellt eine solche Einwendung dar. Sofern der Anspruch erfüllt ist, ist die Zwangsvollstreckung nicht mehr notwendig und daher unzulässig (LAG Köln, Beschluss vom 08.04.2021 - 6 Ta 34/21; Hessisches LAG, Beschluss vom 27.09.2013 - 12 Ta 314/13).
Der Erfüllungseinwand ist auch zu berücksichtigen, wenn beantragt wird, die Zwangsvollstreckung aus einem (Weiter)Beschäftigungstitel einstweilen einzustellen. Dem steht nicht entgegen, dass die dauerhafte Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruch erfordert, den Arbeitnehmer auch zukünftig an jedem Arbeitstag vertragsgerecht zu beschäftigen. Der gerichtliche Beschluss über einen Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG ergeht auf Grundlage der vorgetragenen Umstände, die sich bis zur Beschlussfassung ereignet haben. Wird der (Weiter)Beschäftigungsanspruch zu diesem Zeitpunkt erfüllt und die Zwangsvollstreckung deshalb vorläufig eingestellt, so kann der Arbeitgeber die zukünftige Durchsetzung des Anspruchs nicht dadurch vereiteln, dass er den Arbeitnehmer, nachdem der gerichtliche Beschluss ergangen ist, nicht mehr beschäftigt. Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall die Möglichkeit zu Gebote, eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss zu erheben und dessen Abänderung zu erreichen (Vossen, in: GK-ArbGG, § 62 ArbGG Randnr. 37b).
b) Der Erfüllungseinwand, den die Beklagte hier gegen den im arbeitsgerichtlichen Urteil zuerkannten Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erhebt, wird im Berufungsverfahren voraussichtlich erfolgreich sein.
Mit der Zuweisung eines vertragsgerechten Arbeitsplatzes wird der (Weiter)beschäftigungsanspruch erfüllt (vgl. Leydecker/Heider/Fröhlich, BB 2009, 2703, 2707 mwN.). Der (Weiter-)Beschäftigungsanspruch ist auf die vertragsgemäße Beschäftigung des Arbeitnehmers gerichtet (BAG, Urteil vom 09.04.2014 - 10 AZR 637/13). Deren Konkretisierung obliegt gemäß § 106 GewO dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann bestimmen, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrags und der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Regelungen zu erbringen hat.
Es spricht Einiges dafür, dass aus einem allgemeinen Weiterbeschäftigungstitel nur dann noch vollstreckt werden kann, wenn der Arbeitgeber sein Direktionsrecht offensichtlich überschreitet (Grawe, NZA 1996, 567, 569; Leydecker/Heider/Fröhlich, BB 2009, 2703, 2707; Süß, NZA 1988, 719, 721). Danach steht nur die offenkundig rechtswidrige Zuweisung einer anderen als der titulierten bzw. vorher ausgeübten Tätigkeit dem Erfüllungseinwand entgegen. Das entspricht der Rechtslage beim Ausspruch von Folgekündigungen: Entsteht durch eine Folgekündigung des Arbeitgebers nach Verkündung der klagestattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess eine erneute Unsicherheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, scheidet ein durchsetzbarer Weiterbeschäftigungsanspruch aus; dies gilt nur dann nicht, wenn die Kündigung offenkundig rechtsunwirksam ist (BAG, Urteil vom 19.12.1985 - 2 AZR 190/85; LAG Hamm, Beschluss vom 21.12.2010 - 18 Sa 1827/10). Für diesen auf eine Evidenzkontrolle beschränkten Prüfungsmaßstab lässt sich anführen, dass es im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht möglich ist, zu klären, unter welchen vertraglich zulässigen Bedingungen die Weiterbeschäftigung zu erfolgen hat (Hessisches LAG, Beschluss vom 02.11.2018 - 10 Ta 329/18; LAG Köln, Beschluss vom 25.09.2013 - 11 Ta 162/13; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.04.2013 - 2 Ta 38/13; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.09.2012 - 1 Ta 142/12; Schleusener , in: Germelmann/Matthes/Prütting, 10. Aufl. 2022, § 62 ArbGG Randnr. 62). Streitigkeiten darüber, ob im Einzelfall das Weisungsrecht nach § 106 GewO ordnungsgemäß ausgeübt wurde, gehören nicht ins Vollstreckungsverfahren (BAG, Beschluss vom 15.04.2009 - 3 AZB 93/08), sie sind vielmehr ggf. in einem gesonderten Erkenntnisverfahren zu klären (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.11.2018 - 1 Ta 124/18). Dies gilt zumindest dann, wenn die Parteien, wie es bei Weiterbeschäftigungsanträgen im Zusammenhang mit Kündigungsschutzklagen regelmäßig der Fall ist, in der Hauptsache nur über das "Ob" und nicht über das "Wie" der Beschäftigung gestritten haben.
Im Streitfall mag dies dahinstehen, denn selbst nach einem strengeren Prüfungsmaßstab ist die Zuweisung von Arbeitsaufgaben eines Chefarztes in der Psychiatrischen Tagesklinik an den Kläger als Erfüllung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs anzusehen.
aa) Dass die Beklagte mit Schreiben vom 04.04.2023 dem Kläger eine Tätigkeit in der Psychiatrischen Tagesklinik im Wege des Direktionsrechts zuwies, ist nach § 106 S. 1 GewO nicht zu beanstanden.
(1) Die Beklagte verstößt durch die Zuweisung dieser Tätigkeit nicht gegen die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die die Parteien trafen.
(a) Der Arbeitsverträge, die zwischen den Parteien unter dem 15.06.2012 und 13.12.2012 enthalt keine ausdrückliche Bestimmung darüber, dass der Kläger lediglich in der Psychiatrischen Institutsambulanz einsetzbar ist.
Vielmehr ist im Arbeitsvertrag vom 13.12.2012 der Einsatz des Klägers "als Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie" vorgesehen. Hinzu kommt, dass der Arbeitsvertrag vom 15.06.2012 in § 2 Nr. 1 Bezug auf den BAT-KF nimmt. Aus § 4 Abs. 1 BAT-KF ergibt sich die Befugnis der Beklagten, den Kläger zu versetzen oder abzuordnen, ihm mithin auch eine andere als die arbeitsvertraglich beschriebene Tätigkeit zuzuweisen.
(b) Der Kläger kann auch nicht geltend machen, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit habe sich auf den Einsatz in der Psychiatrischen Institutsambulanz konkretisiert.
Wollen die Vertragsparteien das Weisungsrecht des Arbeitgebers für die Arbeitszeitverteilung durch eine konstitutive Regelung einschränken, müssen hierfür konkrete Anhaltspunkte bestehen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 757/08 mwN.). Eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten durch eine Konkretisierung in einen einseitig nicht mehr veränderlichen Vertragsinhalt tritt nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde. Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit unverändert zu erbringen (BAG, Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 757/08 mwN.). An solchen Umständen fehlt es jedoch im Streitfall. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten nicht zu erkennen gegeben, das sie auf die arbeitsvertraglich eingeräumte Recht, dem Kläger andere Tätigkeiten zuzuweisen, zu verzichten bereit ist. Auch Arbeitnehmer, die - wie der Kläger seinem Vorbringen zufolge - sich besondere Verdienste durch die Tätigkeit an bestimmter Stelle erworben haben, können die unveränderte Fortsetzung dieser Tätigkeit nicht beanspruchen, wenn vertragliche Versetzungsklauseln bestehen.
(2) Die Beklagte überschritt, indem sie den Kläger in der Psychiatrischen Tagesklinik einsetzte, nicht die Grenzen des billigen Ermessens nach § 106 S. 1 GewO.
Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 AZR 8/12 mwN.). Im Streitfall bestehen insoweit keine Bedenken.
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(a) Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Kläger in der Psychiatrischen Tagesklinik arbeitet.
In der Psychiatrischen Tagesklinik besteht Beschäftigungsbedarf und eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Etwas Anderes ist dem Parteivorbringen nicht zu entnehmen. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgebracht, es fehle im Rahmen der ihm zugewiesenen neuen Tätigkeit an Arbeitsaufgaben. Dass der Personalmangel als Anlass für die Ausübung des Direktionsrechts vorübergehender Art war, wie der Kläger vorträgt, ist unerheblich. Der maßgebliche Prüfungszeitpunkt für die Billigkeitskontrolle ist die Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 330/16). Am 06.04.2023 bestand nach dem Vorbringen der Parteien jedenfalls eine personelle Mangelsituation. Dass es mittlerweile keine Arbeitsaufgaben mehr für den Kläger gibt, ist nicht dargelegt worden.
Es ist unmaßgeblich, aus welcher Motivation heraus die Beklagte handelte und ob sie den Kläger in der Psychiatrischen Tagesklinik einsetzte, weil sie ihn zur Erbringung der Arbeitsleistung in Psychiatrischen Institutsambulanz für nicht (mehr) geeignet hielt. Bei der Prüfung, ob der Arbeitgeber sein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen ausübte, kommt es nicht auf die von ihm angestellten Erwägungen an, sondern auf das Ergebnis der getroffenen Entscheidung (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 330/16).
(b) Die Interessen des Klägers sind demgegenüber als nachrangig anzusehen.
Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine unterwertige Tätigkeit zugewiesen wurde. Dass die Arbeitsaufgaben in der Psychiatrischen Tagesklinik dem Berufsbild eines Oberarztes nicht entsprechen, kann dem Vorbringen des Klägers nicht entnommen werden. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Außenstehende die Zuweisung der Arbeitsaufgaben als Degradierung ansehen.
Es ist andererseits nicht ersichtlich, dass die neue Tätigkeit den Kläger intellektuell oder körperlich überfordert. Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Belastung des Klägers bestehen nicht.
Die Veränderung des Arbeitsortes bringt keine erhebliche Belastung für den Kläger mit sich. Der Kläger arbeitet weiterhin in Gelsenkirchen. Dass die neue Arbeitsstelle für ihn schwerer erreichbar ist, hat er nicht vorgetragen.
Durch die Einbuße der Vergütung für Hintergrunddienste werden die Interessen des Klägers nicht unangemessen beeinträchtigt. Zwar vermindert sich das Arbeitsentgelt, das der Kläger erzielt. Dafür entfällt aber auch die Belastung, die mit den Hintergrunddiensten verbunden ist. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Entgeltkürzung. Die Beklagte veränderte durch die Zuweisung der neuen Tätigkeit das vertragliche Synallagma nicht zu ihren Gunsten. Sie wies dem Kläger eine andere Tätigkeit zu, die anders vergütet wird. Ein vertraglicher Anspruch auf Beibehaltung der Zulagen besteht nicht. Arbeitsvertraglich ist weder der Einsatz der in der Psychiatrischen Institutsambulanz noch die Ableistung von Hintergrunddiensten vorgesehen. Eine Konkretisierung der vertraglichen Leistungspflicht auf die vorherige Tätigkeit des Klägers ist nicht eingetreten (siehe oben unter II 2 b aa (1) (b) der Gründe).
(3) Die Weisung der Beklagten verstößt nicht gegen gesetzliche Bestimmungen.
(a) Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 1 MVG liegt nicht vor.
Nach dieser Vorschrift bedarf die Versetzung oder Abordnung von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Im Streitfall wurde der Kläger aber weder abgeordnet noch versetzt. Eine Abordnung (dazu Protokollerklärung Nr. 1 zu § 4 Abs. 1 BAT-KF) liegt nicht vor, da der Kläger nicht vorübergehend, sondern dauerhaft im Sozialraum-Team in B tätig werden soll. Eine Versetzung (dazu Protokollerklärung Nr. 2 zu § 4 Abs. 1 BAT-KF) liegt ebenfalls nicht vor. Die Dienststelle des Klägers hat sich nicht verändert.
Umsetzungen innerhalb einer Dienststelle sind nur mitbestimmungspflichtig, wenn sie mit einem Ortswechsel verbunden sind (Kirchengerichtshof der evangelischen Kirche in Deutschland, Beschluss vom 17.02.2020 - KGH.EKD II-0124/50-2019). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass § 21 Abs. 1 Satz 1 MVG ein anderer Regelungssinn beizumessen ist als der Vorschrift des § 42 Buchst. f MVG, die gerade einen Ortswechsel voraussetzt Ein Ortswechsel fand nicht statt. Der Kläger ist nach wie vor in B tätig.
(b) Ein Verstoß gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen ist nicht ersichtlich.
Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung aus § 42 Buchst. f MVG vor. Es fehlt an einer Umsetzung des Klägers, die mit einem Ortswechsel verbunden ist.
bb) Die Formulierung des Tenors zu 2) im arbeitsgerichtlichen Urteil steht der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs durch Übertragung einer Tätigkeit in der Psychiatrischen Tagesklinik nicht entgegen.
Zwar hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, den Kläger "als Oberarzt in der Psychiatrischen Institutsambulanz" bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag weiter zu beschäftigen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch nur die Zuweisung einer Tätigkeit in der Psychiatrischen Institutsambulanz erfüllt werden kann. Vielmehr kommt auch die Übertragung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit nach § 106 S. 1 GewO in Betracht.
(1) Allerdings wird teilweise vertreten, der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer stets so, wie es im Urteilstenor vorgesehen ist, (weiter)beschäftigen und könne sich im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht darauf berufen, dem Arbeitnehmer nach Erlass der gerichtlichen Entscheidung eine andere Tätigkeit in Ausübung des Direktionsrechts übertragen zu haben (so für Beschwerden gegen Beschlüsse nach § 888 ZPO LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.11.2018 - 1 Ta 124/18; Hessisches LAG, Beschluss vom 04.05.2012 - 12 Ta 293/11; a.A. Hessisches LAG, Beschluss vom 02.11.2018 - 10 Ta 329/18; LAG Köln, Beschluss vom 25.09.2013 - 11 Ta 162/13; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.09.2012 - 1 Ta 142/12).
(2) Jedenfalls im Rahmen der Prüfung eines Antrags nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG muss im Grundsatz etwas Anderes gelten.
Denn die Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch kann das arbeitgeberseitige Weisungsrecht nicht beschränken und spätere ersetzende Weisungen durch Zuweisung eines anderen vertragsgerechten Arbeitsinhalts verhindern (Hessisches LAG, Beschluss vom 02.11.2018 - 10 Ta 329/18; Vossen, in GK-ArbGG, § 62 ArbGG Randnr. 10). Der vertragliche Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers wird allein durch die Titulierung nicht in der Weise konkretisiert, dass der Arbeitgeber ihn nur noch durch die Zuweisung eines Arbeitsplatzes mit dem im Urteilstenor beschriebenen Inhalt erfüllen könnte (dazu und zum Folgenden: BAG, Beschluss vom 05.02.2020 - 10 AZB 31/19, Beschluss vom 21.03.2018 - 10 AZR 560/16). Die Verurteilung des Arbeitgebers zur Beschäftigung des Arbeitnehmers im titulierten Umfang ist regelmäßig Folge des Umstands, dass dem Arbeitnehmer zuletzt wirksam diese Tätigkeit zugewiesen wurde. Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich der Zeit, des Orts und der Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für den Arbeitnehmer aber nur Bestand, bis sie durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird. Daran ändert die Titulierung eines (Weiter-)Beschäftigungsanspruchs nichts. Tituliert ist nur ein Ausschnitt des durch Weisung der Arbeitgeberin zu konkretisierenden vertraglichen Beschäftigungsanspruchs.
(3) Die Erfüllung des titulierten (Weiter)Beschäftigungsanspruchs durch Zuweisung einer vertragsgerechten anderen Tätigkeit nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung ist jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn - wie hier - die Weiterbeschäftigung "zu unveränderten Arbeitsbedingungen" tenoriert ist und das Urteil auf den Arbeitsvertrag Bezug nimmt, der die Zuweisung einer anderen Tätigkeit gestattet.
Das ergibt sich aus der Auslegung des Titels. Sie ist wie folgt vorzunehmen (BAG, Beschluss vom 15.04.2009 - 3 AZB 93/08; Hessisches LAG, Beschluss vom 21.03.2019 - 8 Ta 22/19): Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch einen Vollstreckungstitel festgelegt werden, kann grundsätzlich nur auf diesen selbst, nicht dagegen auf andere Schriftstücke zurückgegriffen werden. Handelt es sich bei dem Titel um ein Urteil, können nach dessen vollständiger Zustellung Tatbestand und Entscheidungsgründe zur Auslegung des Titels herangezogen werden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass § 313 Abs. 2 ZPO die Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten und können zur Auslegung herangezogen werden.
Danach hat im Streitfall das Arbeitsgericht mit der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung als Oberarzt in der Psychiatrischen Institutsambulanz das Weisungsrecht der Beklagten nicht beschränken wollen. Im Tatbestand des Urteils wird Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen und damit auch auf den Arbeitsvertrag, der mit der Klageschrift zu den Akten gereicht worden ist. Der Arbeitsvertrag lässt aber die Beschäftigung des Klägers in der Psychiatrischen Tagesklinik zu (s.o. unter II 2 b aa der Gründe). Aus dem übrigen Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt sich nicht, dass das Arbeitsgericht allein die Beschäftigung des Klägers in der Psychiatrischen Institutsambulanz als vertragsgerecht angesehen hat. In den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils unter I.2., die sich mit der Begründetheit des Weiterbeschäftigungsanspruchs befassen, finden sich keine Ausführungen dazu, welche konkrete Tätigkeit dem Kläger zuzuweisen ist. Das Arbeitsgericht stellt lediglich darauf ab, dass das Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiegt, nachdem seine Kündigungsschutzklage Erfolg hatte. Da die Parteien erstinstanzlich nicht über die Reichweite des Direktionsrechts der Beklagten gestritten haben, bestand zu näheren Ausführungen im Urteil auch kein Anlass.
Diese Auslegung der Urteilsformel steht auch im Einklang mit dem erstinstanzlich gestellten Antrag des Klägers. Der Kläger hat die Weiterbeschäftigung "zu unveränderten Arbeitsbedingungen" beantragt. Mit diesem Antrag wird der Arbeitsvertrag in Bezug genommen (BAG, Urteil vom 15.03.2001 - 2 AZR 141/00), und damit auch die vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten der Zuweisung von Tätigkeiten im Wege des Direktionsrechts.
c) Die Beklagte ist mit dem Erfüllungseinwand gegen den titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers nicht entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, denn die Zuweisung der Tätigkeit in der Psychiatrischen Tagesklinik erfolgte erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren.
d) Bereits aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte eine erfolgreiche Einwendung gegen den im Urteil festgestellten Weiterbeschäftigungsanspruch erhebt, ist die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte hinreichende Tatsachen dafür vorgetragen hat, dass die Vollstreckung für sie zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führt.
aa) Zwar verlangt die Vorschrift des § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG ihrem Wortlaut nach als Voraussetzung für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil für den Vollstreckungsschuldner. Die Vorschrift erfährt jedoch eine teleologische Reduktion, falls der Vollstreckungsschuldner erfolgreich materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Einspruch geltend macht, die erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sind. In diesem Fall ist die Zwangsvollstreckung auch dann einzustellen, wenn kein besonderer nicht zu ersetzender Nachteil ersichtlich ist (so im Ergebnis auch LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2022 - 4 Sa 37/22; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.03.2014 - 3 Sa 2/14; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.12.2012 - 10 Sa 422/12; LAG Hamm, Beschluss vom 21.12.2010 - 18 Sa 1827/10; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2010 - 19 Sa 22/10; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.09.2002 - 8 Sa 344/02; LAG Berlin Beschluss vom 14.07.1993 - 8 Sa 79/93, LAGE § 62 ArbGG 1979 Nr. 20).
Für eine zweckorientierte Einschränkung des § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG sprechen folgende Erwägungen: § 62 Abs. 1 ArbGG bezweckt, die Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtlicher Urteile zugunsten des Vollstreckungsgläubigers zu beschleunigen; insbesondere soll der klagende Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, möglichst frühzeitig seine Ansprüche durchzusetzen, da er streitige Geldbeträge häufig zu seinem unmittelbaren Lebensunterhalt benötigt (Walker, in: Schwab/Weth, § 62 ArbGG Randnr. 4). Dieser Schutzzweck entfällt aber, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass durchgreifende Einwendungen gegen den titulierten Anspruch bestehen. Ein Interesse des Vollstreckungsgläubigers, Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, die letztlich materiell gar nicht gegeben sind, ist nicht anzuerkennen (zutreffend LAG Berlin, Beschluss vom 14.07.1993 - 8 Sa 79/93, a.a.O.). So verhält es sich auch hier, wenn der Kläger im Wege der Zwangsvollstreckung seinen Weiterbeschäftigungsanspruch durchsetzen will, obgleich dieser Anspruch jedenfalls nach der Zuweisung einer Tätigkeit als Oberarzt in der Psychiatrischen Tagesklinikerfüllt wurde und nicht mehr besteht.
bb) Die Beklagte muss sich demgegenüber nicht darauf verweisen lassen, ihre Einwendungen gegen den Weiterbeschäftigungsanspruch im Rahmen eines Antrages gemäß § 769 ZPO geltend zu machen.
Die Vorschrift des § 769 Abs. 1 ZPO erfordert keinen nicht zu ersetzenden Nachteil (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2022 - 4 Sa 37/22; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.09.2002 - 8 Sa 344/02; Leydecker/Heider/ Fröhlich, BB 2009, 2703, 2709, jeweils mwN.). § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verweist ausdrücklich nur auf die Fälle der §§ 707 und 719 ZPO, nicht aber auf § 769 ZPO. Der Grund dafür, dass § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG den nicht zu ersetzenden Nachteil nicht zur Voraussetzung für die einstweilige Anordnung iSv. § 769 ZPO erhebt, liegt darin, dass die Vorschrift nur nachträglich entstandene Einwendungen gegen den im Urteil festgestellten Anspruch betrifft, die noch nicht Gegenstand eines Erkenntnisverfahrens sein konnten.
Ein Arbeitgeber, der dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch Einwendungen entgegensetzen will, die erst nach dem Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sind, hat die Wahl, ob er diese Einwendungen im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO oder im Rahmen des Berufungsverfahrens vorbringen will. Allerdings besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Vollstreckungsabwehrklage kein Rechtschutzbedürfnis mehr, wenn bereits Berufung eingelegt ist (BAG, Urteil vom 28.03.1985 - 2 AZR 548/83). Sind dem Arbeitgeber bis zum Ablauf der Berufungsfrist solche Einwendungen nicht bekannt, wird er, wenn er die erstinstanzliche Entscheidung nicht akzeptiert, zunächst in vollem Umfang Berufung einlegen. Entstehen später Einwendungen gegen den im Urteil festgestellten Anspruch, so müsste der Arbeitgeber, wollte man ihn auf den Weg über die Vollstreckungsabwehrklage verweisen, die Berufung teilweise wieder zurücknehmen, um eine zulässige Klage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO erheben zu können. Das wäre nicht interessengerecht (so auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2010 - 19 Sa 22/10). Der Arbeitgeber müsste nachteilige Kostenfolgen hinnehmen, um sich gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Wehr setzen zu können, die zum Ziel haben, einen Anspruch durchzusetzen, der im Ergebnis durchgreifenden materiellen Einwendungen ausgesetzt ist. Sinn der gesetzlichen Regelung in § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG ist es aber nicht, dem Arbeitgeber, der materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch erhebt, Hindernisse prozeduraler Art in den Weg zu stellen. Vielmehr ist in diesem Fall die Wertung der gesetzlichen Vorschrift des § 769 ZPO zu berücksichtigen, die für die Einstellung der Zwangsvollstreckung aufgrund nachträglich entstandener materieller Einwendungen gerade keinen nicht ersetzbaren Nachteil verlangt.
cc) Es wäre auch widersprüchlich und durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigen, höhere Anforderungen an den Vollstreckungsschutz wegen nachträglich entstandener Einwendungen gegen einen Titel zu stellen, wenn zusätzlich anfängliche Einwendungen gegen den Titel im Wege eines Rechtsmittels erhoben werden (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2022 - 4 Sa 37/22).
Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass der Schutz des Schuldners, den § 769 Abs. 1 ZPO für nachträglich entstandene Einwendungen gewährt, dann entfallen oder eingeschränkt werden soll, wenn der Schuldner das Urteil außerdem für fehlerhaft hält und Rechtsmittel einlegt. Der Umstand, dass der Schuldner aus einem Beschäftigungstitel neben nachträglichen Einwendungen iSv. § 767 Abs. 2 ZPO (hier: Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs durch Zuweisung einer neun Tätigkeit) außerdem ursprüngliche Einwendungen gegen den Anspruch erhebt (hier: wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigung) und so den Vollstreckungstitel mit dem Rechtsmittel noch umfassender angreift als mit der bloßen Vollstreckungsabwehrklage, rechtfertigt in Bezug auf die nachträglichen Einwendungen keine Beschränkung seines Schuldnerschutzes unter das Maß des § 769 ZPO (durch das zusätzliche Erfordernis der Darlegung eines nicht zu ersetzenden Nachteils).
III.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG, §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 2 S. 2 ZPO.