Urteil vom 05.05.2023 · IWW-Abrufnummer 236017
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 12 Sa 11/22
1. § 3 Abs. 3 TVöD-V enthält bei erfolgter Anzeige einer Nebentätigkeit kein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, sondern eine generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Für eine Leistungsklage auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausübung der angezeigten Nebentätigkeit besteht deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis.
2. In der Verweigerung der Genehmigung einer Nebentätigkeit kann regelmäßig nicht zugleich die (konkludente) Untersagung dieser Nebentätigkeit erblickt werden. Die Weigerung der Abgabe einer gestattenden Willenserklärung aufgrund der (irrigen) Annahme, die begehrte Tätigkeit dürfe bereits kraft Gesetz oder Tarifvertrag nicht ausgeübt werden, ist im Hinblick auf ihren Erklärungsgehalt etwas anderes als das Verbot der Tätigkeit durch eine eigene Willenserklärung. In dem einen Fall liegt ein bloßes Beharren auf der Rechtsfolge eines (vermeintlichen) Normbefehls vor, während in dem anderen Fall eine Rechtsfolge durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung selbst gesetzt wird.
3. Die Rechtfertigung einer (vermeintlich) in der Vergangenheit abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung in einem Schriftsatz kann nach dem objektiven Empfängerhorizont regelmäßig nicht als (erneute) Abgabe dieser Erklärung ausgelegt werden.
4. Einzelfallentscheidung zur Rechtmäßigkeit der Untersagung der Nebentätigkeit eines Mitarbeiters in einem kommunalen Bauamt bei einem in der Gemeinde ansässigen Architekten.
5. Auch eine Klageänderung kann neues Vorbringen im Sinne von § 97 Abs. 2 ZPO darstellen. Der Anwendbarkeit des § 97 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Gericht es versäumt hat, auf die Notwendigkeit der Antragsumstellung hinzuweisen.
In der Rechtssache
...
gegen
...
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - 12. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Bader, den ehrenamtlichen Richter Bowitz und den ehrenamtlichen Richter Englert auf die mündliche Verhandlung vom 05.05.2023
für Recht erkannt:
Tenor:I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 26.01.2022, 3 Ca 272/21 in Ziff. 1 und 2 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:1. Es wird festgestellt, dass der Kläger die nachfolgend näher beschriebene Nebentätigkeit auszuführen berechtigt ist:Nebentätigkeit als Mitarbeiter im Büro für Bauwesen XY mit Arbeiten als (Bau-) Techniker, wobei sowohl die Bearbeitung von Aufträgen der Beklagten als auch die Bearbeitung von Aufträgen Dritter, welche auf dem Ortsgebiet der Beklagten durchzuführen sind, im Rahmen der Nebentätigkeit ausgeschlossen sind. Die Nebentätigkeit erfolgt im Umfang von maximal einem Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausschließlich in Zeiten nach Dienstschluss unter Beachtung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und der dort vorgeschriebenen Ruhepausen/Ruhezeiten.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4.II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers, eine Nebentätigkeit auszuüben.
Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2014 bei der Beklagten als Bautechniker in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte ist eine Gemeinde mit rund 12.000 Einwohnern. Sie verfügt über ein eigenes Bauamt. Der Kläger betreut dort überwiegend die Tiefbau- und Kanalisationsarbeiten. Im Bereich der Hochbauarbeiten ist er für die dauerhafte Instandhaltung von zwei Kindergärten sowie für das Rathaus zuständig. Der Kläger ist im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit berechtigt, Aufträge bis zu einem Volumen von 5.000,00 EUR eigenständig zu vergeben, im Übrigen bedarf es der Genehmigung des Bauamtsleiters bzw. Gemeinderats.
Der Kläger ist mit einem Architekten, Herrn XY, befreundet, der ein Büro für Bauwesen (im Folgenden: Büro XY) auf dem Gemeindegebiet der Beklagten betreibt. Das Büro XY wurde von der Beklagten in der Vergangenheit mit Planungsarbeiten geringeren Umfangs betraut, zuletzt etwa im Zusammenhang mit der Sanierung einer Toilette im Rathaus.
Gemäß § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags vom 16. Mai 2014 findet der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
§ 3 Abs. 3 TVöD-V in der seit 1. März 2018 geltenden Fassung lautet wie folgt:
"Nebentätigkeiten gegen Entgelt haben die Beschäftigten ihrem Arbeitgeber rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. ... "Der Kläger teilte Ende April 2021 der Beklagten mit, dass er eine entgeltliche Nebentätigkeit im Büro XY mit einem Zeitaufwand von weniger als einem Fünftel seiner wöchentlichen Arbeitszeit ausüben wolle. Der Kläger bat um Genehmigung dieser Nebentätigkeit und führte im weiteren Verlauf der Korrespondenz mit der Beklagten aus, dass er zusichere, im Büro XY keine Aufträge der Beklagten und des Weiteren auch keine Aufträge mit Bezug zum Gemeindegebiet auszuüben.
Die Beklagte lehnte die Erteilung der Genehmigung mit Schreiben vom 5. Mai 2021, dem Kläger zugegangen am 26. Mai 2021, ab. Mit Schreiben vom 1. Juli 2021 bat der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte um Darlegung der Gründe für die Ablehnung der Genehmigung (ABl. 9 der erstinstanzlichen Akte). Mit Schreiben vom 14. Juli 2021 begehrte der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zunächst Fristverlängerung und führte zudem aus (ABl. 11 der erstinstanzlichen Akte):
"Allerdings möchten wir Sie bereits heute ... ausdrücklich darauf hinweisen, dass Ihrem Mandanten die von ihm beantragte Nebentätigkeit wegen zu befürchtender Interessenkollision zu Lasten unserer Mandantschaft nicht genehmigt wird."Mit weiterem Schreiben vom 11. August 2021 (ABl. 16 der erstinstanzlichen Akte) erläuterte die Beklagte, warum aus ihrer Sicht "kein Anspruch ... auf Genehmigung" bestehe.
Mit Klage vom 31. August 2021 begehrte der Kläger daraufhin vor dem Arbeitsgericht die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung durch die Beklagte.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Nebentätigkeit begründe keinen irgendwie gearteten "bösen Anschein" einer Interessenskollision. Allenfalls entstehe haltloses Geschwätz und Gerede. Aufgrund seiner Berufsfreiheit könne ihm die Nebentätigkeitsgenehmigung nicht vorenthalten werden. Das Büro XY sei bereits aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, überörtlich über das Gemeindegebiet der Beklagten hinaus tätig zu werden. Er werde allein derartige Aufträge im Büro XY bearbeiten. Originäre Aufträge der Beklagten machten im Büro XY nur einen unwesentlichen Teil des Umsatzes aus.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf Grundlage des zwischen den Parteien bestehenden Beschäftigungsverhältnisses die Ausübung einer Nebentätigkeit zu bewilligen/erlauben.Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch auf Genehmigung der Nebentätigkeit bestehe nicht, da berechtigte Interessen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V entgegenstünden.
Die Beklagte habe als kommunale Arbeitgeberin ein großes Interesse daran, jeden Anschein einer Interessenskollision bei Bürgern und Konkurrenten des Büros XY zu vermeiden. Eine negative Wirkung sei in der kleinen Gemeinde unvermeidlich. Dafür komme es auch nicht darauf an, dass der Kläger im Büro XY keine Aufträge betreffend das Gemeindegebiet bearbeiten wolle. Zudem beabsichtige man auch in der Zukunft mit dem Büro XY zusammen zu arbeiten. Bei einer Nebentätigkeit des Klägers im Büro XY wäre dies jedoch ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei nicht zur Ausübung der von ihm angezeigten Nebentätigkeit berechtigt. Die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V lägen vor. Die begehrte Nebentätigkeit sei geeignet, das öffentliche Ansehen der Beklagten zu beschädigen. Es sei unvermeidlich, dass potentielle Wettbewerber des Büros XY Kenntnis von der Nebentätigkeit erlangten und fortan die Objektivität der Entscheidungen durch Vertreter der Beklagten anzweifelten.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. Februar 2022 zugestellt. Dieser hat am 22. Februar 2022 namens und in Vollmacht des Klägers Berufung eingelegt und diese sogleich begründet.
Der Kläger ist der Ansicht, es könne nicht von einer Beeinträchtigung berechtigter Arbeitgeberinteressen ausgegangen werden, weil durch die Übernahme der Nebentätigkeit die Integrität der Beklagten nicht infrage gestellt werde. Das Arbeitsgericht habe in der Interessensabwägung seine Berufsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt. Bloßes durch keine objektiven Fakten fundiertes Geschwätz, das einfach zu widerlegen sei, müsse die Beklagte hinnehmen. Bei zeitgemäßer Auslegung von § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V dürfe ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht schlechter gestellt werden als ein Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 28. März 2023 wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass es für die Berechtigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit gemäß § 3 Abs. 3 TVöD-V keiner Genehmigung bedarf, sondern diese lediglich anzeigepflichtig ist und untersagt werden kann. Insoweit sei ein Rechtsschutzbedürfnis für die erstinstanzlich - im Übrigen unbestimmt - erhobene Leistungsklage auf "Bewilligung" bzw. "Erlaubnis" nicht erkennbar. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob in der Verweigerung einer positiven Erlaubnis (Genehmigung) gleichzeitig ein Verbot (Untersagung) gesehen werden könne.
Der Kläger hat diese Hinweise aufgegriffen, seine Klage auf Feststellungsanträge umgestellt und sodann die Ansicht vertreten, die Beklagte habe eine Untersagung niemals erklärt. Deshalb dürfe er die Tätigkeit nach erfolgter Anzeige ausüben. Da die Beklagte zudem Untersagungsgründe behaupte, habe er auch ein rechtliches Interesse daran festgestellt zu wissen, dass Untersagungsgründe nicht bestehen. Der beklagten Gemeinde sei eine Untersagung auch deshalb verwehrt, weil sie eine solche über einen langen Zeitraum nach der Anzeige Ende April 2021 nicht erklärt habe. Schließlich übe ein anderer Mitarbeiter, Herr G., der bei der Beklagten im EDV-Bereich beschäftigt sei, auch eine Nebentätigkeit in einem IT-Beratungsbüro auf dem Gemeindegebiet der Beklagten aus.
Der Kläger beantragt zuletzt:
Unter Abänderung/Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Karlsruhe (Az. 3 Ca 272/21) wird festgestellt, dass1.der Kläger die nachfolgend näher beschriebene Nebentätigkeit auszuführen berechtigt ist und2.die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger die nachfolgend näher beschriebene Nebentätigkeit zu untersagen:Nebentätigkeit als Mitarbeiter im Büro für Bauwesen XY mit Arbeiten als (Bau-) Techniker, wobei sowohl die Bearbeitung von Aufträgen der Beklagten als auch die Bearbeitung von Aufträgen Dritter, welche auf dem Ortsgebiet der Beklagten durchzuführen sind, im Rahmen der Nebentätigkeit ausgeschlossen sind. Die Nebentätigkeit erfolgt im Umfang von maximal einem Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausschließlich in Zeiten nach Dienstschluss unter Beachtung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und der dort vorgeschriebenen Ruhepausen/Ruhezeiten.Die beklagte Partei beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Sie sei berechtigt gewesen, den Antrag des Klägers auf Genehmigung der Nebentätigkeit abschlägig zu bescheiden. Dem Kläger sei nicht gelungen, den "bösen Schein" eines Interessenkonflikts zu widerlegen. Bürger und Wettbewerber des Büros XY müssten sich auf die strikte Neutralität des Bauamts verlassen. Die Untersagung der Nebentätigkeit sei deshalb zu Recht erfolgt. Herr G. habe keine Nebentätigkeit angezeigt und übe eine solche nach Kenntnis der Beklagten nicht aus.
Zu den weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen, die diese in beiden Instanzen gewechselt haben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und in der Sache erfolgreich, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, derzeit zur Ausübung der Nebentätigkeit berechtigt zu sein. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass ein Untersagungsgrund nicht besteht, bleibt die Berufung erfolglos.
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form sowie gemäß § 66 ArbGG in der gesetzlichen Frist eingelegt und begründet worden.
Die in der Berufung erfolgte Klageänderung war zulässig gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 533 ZPO.
Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat sich auf die umgestellten Anträge in der mündlichen Verhandlung rügelos gemäß § 267 ZPO eingelassen. Im Übrigen wäre die Klageänderung auch als sachdienlich einzuordnen, da es um einen Sachverhalt und um Rechtsfragen geht, die in erster Instanz bereits eingehend vorgetragen und verhandelt wurden. Die Zulassung der Klageänderung, die in Reaktion auf den gerichtlichen Hinweis erfolgte, führt zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits (vgl. zum Begriff der Sachdienlichkeit LAG Baden-Württemberg 30. Juli 2019 - 15 Sa 75/18 - Rn. 106; 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18 - Rn. 192). Die Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrags ist zur Entscheidung über die umgestellten Anträge nicht erforderlich.
II.
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
Die Feststellungsanträge sind zulässig (1.), wobei der Antrag Ziff. 1 auch begründet, der Antrag Ziff. 2 hingegen unbegründet ist (2.). Der Kläger darf in Ermangelung einer Untersagung durch die Beklagte zwar derzeit die Nebentätigkeit ausüben. Jedoch ist die Beklagte berechtigt, die Nebentätigkeit gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V zu untersagen.
Im Einzelnen:
1. Beide Feststellungsanträge sind zulässig.
a) Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO liegt jeweils vor.
aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Ein Feststellungsinteresse ist jedoch nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 - BAGE 169, 180 ff, Rn. 14)
bb) Vorliegend handelt es sich um eine Elementenfeststellungsklage, welche gerade in Kombination der Anträge Ziff. 1 und 2 geeignet ist, den Streit der Parteien über die angezeigte Nebentätigkeit insgesamt zu beseitigen.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Beklagte die Nebentätigkeit derzeit noch gar nicht untersagt hat und sie darüber hinaus auch nicht berechtigt ist, dies zu tun.
Da - wie bereits im gerichtlichen Hinweis vom 28. März 2023 beschrieben - jedenfalls keine ausdrückliche und eindeutige Untersagung der Beklagten vorliegt, die Berechtigung zur derzeitigen Ausübung der Nebentätigkeit gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V jedoch hiervon abhängt, besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers, diese Frage gerichtlich klären zu lassen. Dieses Klageziel verfolgt der Kläger mit dem Antrag Ziff. 1.
Allein mit der Entscheidung über diesen Antrag würden die strittigen Fragen zwischen den Parteien indes nicht endgültig beantwortet. Denn aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der Existenz einer Untersagungserklärung steht auch bei Erfolg des Antrags Ziff. 1 nicht fest, ob der Kläger die Nebentätigkeit auch dauerhaft ausüben darf. Gerade hinsichtlich des Vorliegens von Untersagungsgründen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V besteht Streit zwischen den Parteien. Es kann dem Kläger nicht zugemutet werden, (weiterhin) auf eine ausdrückliche Untersagung durch die Beklagte zu warten und sodann hiergegen vorzugehen. Durch den zusätzlichen Antrag Ziff. 2 wird der zwischen den Parteien bestehende Streit mithin endgültig beseitigt.
Die Feststellungsanträge scheitern schließlich auch nicht am Vorrang der Leistungsklage. Denn für eine Leistungsklage auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausübung der angezeigten Nebentätigkeit bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis. § 3 Abs. 3 TVöD-V enthält bei erfolgter Anzeige kein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, sondern eine generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (LAG Rheinland-Pfalz 4. Mai 2010 - 3 Sa 688/09 - Rn. 19; Burger, TVöD - TV-L, TVöD AT § 3 Rn. 29). Einer Genehmigung bedarf es mithin nicht.
b) Durch die nunmehr erfolgte Aufnahme der wesentlichen Modalitäten der erstrebten Nebentätigkeit in die Anträge sind diese jetzt auch hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Der Feststellungsantrag Ziff. 1 ist auch begründet. Die Beklagte hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Nebentätigkeit nicht untersagt, weshalb der Kläger zu ihrer Ausübung derzeit berechtigt ist (a). Indes liegen Untersagungsgründe gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V vor. Der Antrag Ziff. 2 bleibt mithin erfolglos (b).
a) Der Kläger ist zur Ausübung der aus den Anträgen ersichtlichen Nebentätigkeit derzeit berechtigt, weil die Beklagte bis zuletzt keine Untersagung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V ausgesprochen hat.
aa) § 3 Abs. 3 TVöD-V findet gemäß § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags vom 16. Mai 2014 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
bb) Der Kläger hat unstreitig die Nebentätigkeit gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 TVöD-V der Beklagten Ende April 2021 angezeigt.
cc) Eine Untersagung liegt nicht vor.
Bei der Untersagung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Verbot der Nebentätigkeit vom Arbeitgeber ausgesprochen wird. Eine solche Untersagung ist nicht erkennbar.
Die Frage, ob eine Äußerung als Willenserklärung anzusehen ist, muss anhand des Maßstabs der §§ 133, 157 BGB beurteilt werden. Danach ist entscheidend, ob der Empfänger aus dem Erklärungsverhalten der anderen Seite auf einen Willen zur Setzung einer Rechtsfolge schließen durfte (BAG 20. Juni 2018 - 4 AZR 371/15 - Rn. 42). Eine Willenserklärung kann dabei auch in einem konkludenten Tun oder Unterlassen liegen. Allerdings setzt dies einen konkreten Geschehenszusammenhang voraus, aus dem unter Beachtung der Verkehrssitte und unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls auf einen Erklärungswert geschlossen werden kann. Auch für die konkludente Willenserklärung ist insoweit entscheidend, wie sie von dem Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste (BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 - BAGE 116, 104 ff, Rn. 45).
Gemessen hieran liegt eine Untersagung bislang nicht vor. Sowohl im Schreiben vom Schreiben vom 5. Mai 2021 als auch in den Schreiben vom 14. Juli 2021 und 11. August 2021 hat die Beklagte lediglich erklärt, sie verweigere die Genehmigung der Nebentätigkeit. In der Verweigerung der Genehmigung einer Nebentätigkeit kann jedoch regelmäßig nicht zugleich ihre (konkludente) Untersagung erblickt werden (OVG Nordrhein-Westfalen 13. Januar 2014 - 6 B 1221/13 - Rn. 7). Die Weigerung der Abgabe einer gestattenden Willenserklärung aufgrund der (irrigen) Annahme, die begehrte Tätigkeit dürfe bereits kraft Gesetz oder Tarifvertrag nicht ausgeübt werden, ist im Hinblick auf ihren Erklärungsgehalt etwas anderes als das Verbot der Tätigkeit durch eine eigene Willenserklärung. In dem einen Fall liegt ein bloßes Beharren auf der Rechtsfolge eines (vermeintlichen) Normbefehls vor, während in dem anderen Fall eine eigene Rechtsfolge durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung selbst gesetzt wird.
Zudem konnte der Kläger nach seinem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die beklagte Gemeinde auch meinte, was sie ausdrückte, weil den Vertretern der Kommune die Unterscheidung zwischen genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten und lediglich anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten, die positiv untersagt werden müssen, aus dem Beamtenbereich hinlänglich bekannt sein musste (vgl. §§ 62, 63 BWLBG).
Auf diese kategoriale Unterscheidung war bereits in der Verfügung vom 28. März 2023 hingewiesen worden. Gleichwohl hat die Beklagte in Reaktion auf diesen Hinweis weder vorgetragen, welche Äußerung in der Vergangenheit eine ausdrückliche oder konkludente Untersagung der Nebentätigkeit darstellen soll, noch hat sie es vermocht, bis zum Ende der mündlichen Verhandlung eine derartige Untersagung auszusprechen.
In dem am Abend vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 4. Mai 2023 hat die Beklagte - ohne auf die gerichtlichen Hinweise einzugehen - lediglich ihre bereits zuvor erfolgte Behauptung wiederholt, sie habe die Nebentätigkeit zu recht untersagt (ABl. 98). Auch dies stellt jedoch keine Untersagung dar. Die Rechtfertigung einer (vermeintlich) in der Vergangenheit abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung in einem Schriftsatz kann nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht als (erneute) Abgabe dieser Erklärung ausgelegt werden (vgl. Thür. OLG 24. Mai 2017 - 7 U 369/15 - Rn. 49, juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. Juni 2005 - 1 Sa 552/04 - Rn. 40, juris, jeweils bezüglich Kündigungen).
b) Der Antrag Ziff. 2 ist indes unbegründet. Der Beklagten steht das Recht gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 TVöD-V zu, die Nebentätigkeit zu untersagen.
Der öffentliche Arbeitgeber kann die angezeigte Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn dafür die in den beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V näher bezeichneten berechtigten Interessen vorliegen. Diese Tatbestandsmerkmale sind wiederum im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG auszulegen. Die so ermittelten Belange des Arbeitgebers sind dann gegen die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers abzuwägen. Es besteht daher keine Veranlassung, § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V zum Schutz der Berufsfreiheit der Beschäftigten generell die Durchsetzung zu versagen. Ob eine Untersagung oder Einschränkung der angezeigten Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V gerechtfertigt ist, haben die Gerichte für Arbeitssachen vielmehr im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen beider Arbeitsvertragsparteien zu beurteilen (BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 -, BAGE 169, 180 ff, Rn. 23 zu § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L).
Hier ist die angezeigte Nebentätigkeit unstreitig nicht geeignet, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers iSv. § 3 Abs. 3 Satz 2 Var. 1 TVöD-V zu beeinträchtigen. Sie ist jedoch geeignet, das öffentliche Ansehen der Beklagten zu beschädigen. Eine Möglichkeit für den Kläger, die beabsichtigte entgeltliche Nebentätigkeit ohne eine potentielle Rufschädigung der Beklagten, zB unter Auflagen, auszuüben, besteht nicht. Die Beklagte hat daher auch bei Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers das Recht, diesem die angezeigte Nebentätigkeit gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 TVöD-V zu untersagen.
aa) § 3 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 TVöD-V setzt die objektive Eignung der angezeigten Nebentätigkeit für eine Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Arbeitgebers voraus. Der Arbeitgeber muss eine Prognose treffen, die wie jede Prognose naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet ist. Ein hohes Maß der Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung in absehbarer Zeit wird darum nicht verlangt. Es genügt die nicht fernliegende, objektiv nachvollziehbare Gefahr einer Beeinträchtigung berechtigter Arbeitgeberinteressen. Bei der zu erstellenden Prognose darf der Arbeitgeber allerdings nicht von unrealistischen Umständen ausgehen, welche die Annahme einer potentiellen Beeinträchtigung bei objektiver Betrachtung konstruiert erscheinen lassen. Im Streitfall trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Eignung der Nebentätigkeit für eine solche Beeinträchtigung seiner berechtigten Interessen (BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 - BAGE 169, 180 ff, Rn. 25 ff).
Berechtigte Interessen des Arbeitgebers sind im Regelfall beeinträchtigt, wenn sich Nebentätigkeiten der Beschäftigten negativ auf die Wahrnehmung des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit auswirken. Durch die Übernahme einer Nebentätigkeit darf die Integrität des Arbeitgebers nicht in Frage gestellt werden. Zu berücksichtigen sind deshalb typischerweise Umstände, die das Verhältnis des Arbeitgebers zu anderen Beschäftigten, Geschäfts-/Vertragspartnern, sein öffentliches Erscheinungsbild, sein Auftreten gegenüber Dritten (Kunden, Bürger) oder seine Wahrnehmung als öffentliche Verwaltung bzw. öffentlicher Arbeitgeber betreffen können (BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 - BAGE 169, 180 ff, Rn. 29).
bb) Gemessen hieran ist die Beklagte zur Untersagung der angezeigten Nebentätigkeit berechtigt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
Der Kläger will im Rahmen der begehrten Nebentätigkeit für das Büro XY Leistungen als Bautechniker gegen Entgelt erbringen, die auch im Rahmen der Haupttätigkeit geschuldeten sind. Die Nebentätigkeit soll für ein Architekturbüro erfolgen, mit dessen Inhaber der Kläger befreundet ist und das seinen Sitz innerhalb des Gemeindegebiets der beklagten Gemeinde hat. Die beklagte Kommune hatte jedenfalls in der Vergangenheit bereits Aufträge an das Büro XY vergeben, unter anderem betreffend die Sanierung der Toilette im Rathaus. Im Rahmen seiner Hochbau-Zuständigkeiten ist der Kläger auch für das Rathaus zuständig. Zudem erbringt das Büro XY zwar nach dem Vortrag des Klägers zahlreiche Leistungen außerhalb des Gemeindegebiets, aber eben auch Leistungen für private Bauherrn innerhalb der Gemeinde. Im Zusammenhang mit diesen Bauvorhaben bestehen Zuständigkeiten des Bauamts der Beklagten.
Ausgehend von diesen Umständen drohen in der relativ kleinen Gemeinde, in der man sich kennt, das Ansehen der öffentlichen Verwaltung beeinträchtigende Irritationen bei Wettbewerbern und Bürgern, sofern die Nebentätigkeit nicht untersagt wird. Im Baubereich herrscht allgemein eine durchaus ausgeprägte Streitkultur (Koch DS 2016, 149, 150). Es gilt, eine Vielzahl gegenläufiger Interessen zu berücksichtigen (Koch a.a.O. S. 151). Angesichts der mannigfaltigen Beteiligten (z.B. Architekten; Bauherrn; Nachbarn) und der divergierenden Interessen sind Konflikte vorprogrammiert. Zur sachgerechten Bewältigung dieser Konflikte ist das öffentliche Ansehen und Vertrauen der Wettbewerber und Bürger in die strikte Unabhängigkeit und Integrität der Mitarbeiter des Bauamts sowohl im Rahmen der Eingriffs- als auch Leistungsverwaltung ein überragend wichtiges Gut.
Der Kläger gesteht insoweit selbst zu, dass seine Tätigkeit im Büro XY "Geschwätz" und "Gerede" in der Gemeinde nach sich ziehen könne. Ihm ist indes nicht darin recht zu geben, dass dies von der Beklagten hingenommen werden müsse, weil ein Interessenkonflikt durch die konkrete Ausgestaltung der beabsichtigen Nebentätigkeit (keine Tätigkeit für Projekte auf dem Gemeindegebiet; keine Bearbeitung von Aufträgen der beklagten Gemeinde) objektiv nicht drohe. Denn die Bürger und Mitbewerber verfügen bereits nicht über die notwendige Kenntnis, um das Gefahrenpotential einer nicht mehr neutralen Wahrnehmung der Aufgaben durch das Bauamt objektiv einschätzen zu können. Das Bundesarbeitsgericht betont zu Recht, dass es auf die inhaltliche Ausgestaltung einer Nebentätigkeit und die konkrete Konkurrenzsituation für die Frage der Ansehensbeeinträchtigung nicht ankommt, weil Bürger und Wettbewerber von den einzelnen Vertragsbedingungen und ihrer strikten Einhaltung bei der Vertragsdurchführung keine Kenntnis haben können (vgl. BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 - BAGE 169, 180 ff, Rn. 31). Die konkrete Ausgestaltung der Nebentätigkeit ist mithin nicht geeignet, der Nebentätigkeit ihre potentiell ansehens- und vertrauensbeeinträchtigende Wirkung zu nehmen.
Diese Wirkung entsteht im Übrigen nicht nur durch eine Nebentätigkeit im eigenen Zuständigkeitsbereich des Angestellten, sondern bereits durch die Nebentätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Dienststelle, der er zugeordnet ist (BAG 13. März 2003 - 6 AZR 585/01 - BAGE 105, 205 ff, Rn. 24 zum Mitarbeiter eines Bauamts). Es entsteht der Eindruck, dass allein wegen der Zugehörigkeit des Klägers zum Bauamt mit einer Bevorzugung der Anliegen des Büros XY und seiner Kunden zu rechnen ist. Den damit verbundenen Vertrauensverlust in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandels muss ein öffentlicher Arbeitgeber auch nicht wegen der Bedeutung des dem Angestellten zustehenden grundrechtlich geschützten Freiheitsrechts hinnehmen (vgl. BAG a.a.O.).
In der Gesamtabwägung ist das Interesse des Klägers an der Ausübung der angezeigten Nebentätigkeit nicht als schwerwiegender anzusehen. Der Kläger könnte sowohl andere entgeltliche Nebentätigkeiten ohne Bezug zu seiner Tätigkeit im Bauamt auf dem Gemeindegebiet ausüben als auch unentgeltlich für seinen Freund im Büro XY tätig werden. § 3 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 TVöD-V sieht für unentgeltliche Nebentätigkeiten keine Möglichkeit der Untersagung vor (BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 - BAGE 169, 180 ff, Rn. 31). Zudem könnte der Kläger nach Ansicht der Kammer auch im Wege der Telearbeit ("remote") für ein weiter entferntes Architekturbüro, das keinen Bezug zum Gemeindegebiet der Beklagten und keinen Kontakt zu deren Bauamt hat, entgeltlich tätig werden. Der ansehensschädliche Eindruck der mangelnden Neutralität und Objektivität des Bauamts würde durch eine solche Nebentätigkeit nicht gleichermaßen entstehen.
Dem Interesse der Beklagten an der Wahrung ihrer öffentlichen Integrität gebührt nach alledem Vorrang. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt der Gleichbehandlung aufgrund der unterbliebenen Untersagung der Nebentätigkeit bei Herrn G.. Denn zunächst einmal hat die Beklagte bestritten, dass Herr G. überhaupt eine Nebentätigkeit angezeigt hat und ausübt. Konkreten Vortrag zur Ausgestaltung und dem Umfang der vermeintlichen Nebentätigkeit des Herrn G. hat der Kläger daraufhin nicht gehalten. Selbst wenn Herr G. aber eine Nebentätigkeit im IT-Bereich ausüben sollte, wären die Sachverhalte nicht vergleichbar. Ein vergleichbares Konfliktpotential wie im Baubereich besteht im IT-Bereich nicht. Insbesondere nimmt die Beklagte mit ihrem internen EDV-Bereich keine Aufgaben im Rahmen der öffentlichen Eingriffsverwaltung gegenüber Dritten wahr.
Mildere Mittel als die Untersagung, etwa der Erlass von Auflagen, sind schließlich nicht erkennbar. Insbesondere stellt eine Stillschweigens- oder Geheimhaltungsvereinbarung kein gleich wirksames, milderes Mittel im Vergleich zur Untersagung dar (BAG 19. Dezember 2019 - 6 AZR 23/19 - BAGE 169, 180 ff, Rn. 31).
cc) Eine Untersagung scheidet auch nicht gemäß § 242 BGB unter dem Aspekt der Verwirkung aus, weil die Beklagte über einen längeren Zeitraum von ihrem Recht auf Untersagung keinen Gebrauch gemacht hat.
Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage war (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment). Der Berechtigte muss dabei unter Umständen untätig gewesen sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die Inanspruchnahme von Vertrauen setzt die Kenntnis des Schuldners von einem möglichen Anspruch gegen ihn voraus. Fehlt es hieran, kann der Schuldner auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen (BAG 17. August 2021 - 1 AZR 175/20 - Rn. 47).
Danach fehlt es jedenfalls am Umstandsmoment. Beide Parteien haben den Rechtsstreit bis zu der Hinweisverfügung vom 28. März 2023 in offenkundiger Verkennung der Rechtslage unter dem Aspekt der Erteilung bzw. Verweigerung einer Nebentätigkeitsgenehmigung geführt. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte bis zuletzt ausgedrückt, dass sie inhaltlich mit der Nebentätigkeit nicht einverstanden ist. In Ermangelung der Kenntnis des Klägers über die Notwendigkeit einer positiven Untersagungserklärung konnte auch kein Vertrauen bei ihm entstehen, dass die Beklagte eine Untersagung nicht erklären werde. Zudem hat die Beklagte es zwar nach der Hinweisverfügung vom 28. März 2023 bis zum Schluss der mündlichen am 5. Mai 2023 weiterhin nicht vermocht, eine Untersagung zu erklären. In diesem kurzen Zeitraum konnte ein Vertrauen des Klägers, dass es auch künftig zu keiner Untersagung kommen wird, jedoch nicht entstehen.
III.
Die Kosten erster Instanz waren gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass das Obsiegen des Klägers mit dem Antrag Ziff. 1 wertmäßig deutlich hinter seinem Unterliegen mit dem Antrag Ziff. 2 zurückbleibt, weil davon auszugehen ist, dass die Beklagte von ihrem Recht zur Untersagung zeitnah Gebrauch machen wird. Die Kammer sieht ein Verhältnis von 1/4 zu 3/4 zu Lasten des Klägers als angemessen an.
Im Hinblick auf den teilweisen Misserfolg der Berufung folgt der Kostenausspruch aus § 97 Abs. 1 ZPO. Auch soweit der Kläger mit den umgestellten Anträgen teilweise Erfolg hat, sind ihm gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind gemäß § 97 Abs. 2 ZPO der (teilweise) obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
Die Voraussetzungen liegen vor. Neues Vorbringen im Sinne von § 97 Abs. 2 ZPO kann auch eine Klageänderung darstellen (BGH 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15 - Rn. 37). Der Kläger obsiegt nur aufgrund des neuen Antrags Ziff. 1 in der Berufungsinstanz teilweise. Der Kläger wäre bei einer gewissenhaften Prozessführung bereits im ersten Rechtszug zur Stellung des zutreffenden Antrags im Stande gewesen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 TVöD-V ist eine Genehmigung eindeutig nicht erforderlich. Für den in erster Instanz gestellten Antrag bestand weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch war dieser Antrag hinreichend bestimmt.
Der Anwendbarkeit des § 97 Abs. 2 ZPO steht schließlich nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Gericht es versäumt hat, auf die Notwendigkeit der Antragsumstellung hinzuweisen. Die Vorschrift hat die Kostengerechtigkeit zum Ziel und soll zugleich einer Prozessverschleppung entgegenwirken. Dieser Grundgedanke greift aber bereits dann ein, wenn bei einer gewissenhaften Prozessführung der in der Rechtsmittelinstanz obsiegenden Partei die zusätzlichen Kosten nicht angefallen wären (BGH 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15 - Rn. 38). Die Beantwortung der Frage, ob das erstinstanzliche Gericht auf die Notwendigkeit der Antragsumstellung hätte hinweisen müssen oder nicht, ist für die Heranziehung von § 97 Abs. 2 ZPO nach dem Normzweck daher ohne Relevanz.
Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Alle tragenden rechtlichen Erwägungen der vorliegenden Entscheidung sind im Hinblick auf die zugrundeliegenden Rechtssätze höchstrichterlich hinreichend geklärt.
Dr. BaderBowitzEnglertVerkündet am 05.05.2023