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Urteil vom 18.04.2023 · IWW-Abrufnummer 236332

Landesarbeitsgericht Thüringen - Aktenzeichen 1 Sa 183/22

Einzelfallentscheidung zur Versäumung der Frist zur Stellung eines Höhergruppierungsantrags nach § 29 a Abs. 3 , Abs. 4 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L .


Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 05.04.2022 - Az. 1 Ca 641/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung der Klägerin nach dem TV-L bzw. TV EntgO-L, wobei die Klägerin ihre Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 ab dem 01.01.2018 bzw. Entgeltgruppe 9 a ab dem 01.01.2019 begehrt.

Die Klägerin ist auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom ... 2005 i. d. F. des Änderungsvertrages vom ... 2005 (Bl. 6 - 7 der Akte) bei dem Beklagten als sonderpädagogische Fachkraft im staatlichen Schuldienst tätig. Ihre Stammdienststelle ist das Förderzentrum A....

Ausweislich § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.

Ausweislich § 4 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin ursprünglich in die Vergütungsgruppe VIb BAT-O eingruppiert. Ab August 2005 erfolgte die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc BAT-O.Diese Eingruppierungen erfolgten auf Basis von Abschnitt B, Unterabschnitt III der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) vom 22.06.1995 (vgl. Bl. 185 ff.), die auszugsweise folgenden Inhalt haben:

"B. Sonstige Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen

...

III. Lehrkräfte an Sonderschulen

...

11. Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Krankengymnastinnen, Logopädinnen, Beschäftigungstherapeuten, Kinderdiakone und Freundschaftspionierleiter

mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung und mindestens 12-monatiger sonderpädagogischer Zusatzausbildung

als pädagogische Unterrichtshilfen V b

...

12. Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Krankengymnastinnen, Logopädinnen, Beschäftigungstherapeuten, Kinderdiakone und Freundschaftspionierleiter

mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung

als pädagogische Unterrichtshilfen V c ...

13. Angestellte ohne Ausbildung nach Fallgruppe 11 oder Fallgruppe 12

als pädagogische Unterrichtshilfen VI b"

Auf Grundlage des ab 01.08.2015 in Kraft getretenen Tarifvertrags über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder vom 28.03.2015 (TV EntgO-L) wurde sie nach Maßgabe der entsprechenden Überleitungsvorgaben in die Entgeltgruppe 8 übergeleitet.

Der TV EntgO-L in der aktuell gültigen Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, die unter den Geltungsbereich des § 44 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen.

§ 2 Maßgaben zum TV-L und zum TVÜ-Länder

(1) Für die Eingruppierung der Lehrkräfte gilt der TV-L mit den Maßgaben in Abschnitt II.

(2) Für die Überleitung der am 31. Juli 2015 vorhandenen Lehrkräfte in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) gilt der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) mit den Maßgaben in Abschnitt III.

§ 3 Maßgabe zu § 12 TV-L - Eingruppierung - § 12 TV-L gilt in folgender Fassung:

"§ 12 Eingruppierung

(1) Die Eingruppierung der Lehrkraft richtet sich nach den Eingruppierungsregelungen der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L). Die Lehrkraft erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie eingruppiert ist. Die Lehrkraft ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich für die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit aus den Eingruppierungsregelungen ergibt.

(2) Die Entgeltgruppe der Lehrkraft ist im Arbeitsvertrag anzugeben."

.....

§ 11 Maßgabe zu § 29a TVÜ-Länder - Überleitung in die Entgeltordnung zum TV-L am 1. Januar 2012 - § 29a TVÜ-Länder gilt in folgender Fassung:

"§ 29a Überleitung der Lehrkräfte in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) am 1. August 2015

(1) Für in den TV-L übergeleitete und für zwischen dem 1. November 2006 und dem 31. Juli 2015 neu eingestellte Lehrkräfte gelten für Eingruppierungen ab dem 1. August 2015 der § 12 TV-L in der Fassung des § 3 TV EntgO-L sowie die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L). Hängt die Eingruppierung nach Satz 1 von der Zeit einer Tätigkeit oder Berufsausübung ab, wird die vor dem 1. August 2015 zurückgelegte Zeit so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.

(2) In den TV-L übergeleitete und ab dem 1. November 2006 neu eingestellte Lehrkräfte,

- deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der TdL oder eines Mitgliedsverbandes der TdL ist, über den 31. Juli 2015 hinaus fortbesteht, und

- die am 1. August 2015 unter den Geltungsbereich des § 44 TV-L fallen,

sind - jedoch unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit- zum 1. August 2015 in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) übergeleitet; Absatz 3 bleibt unberührt. Soweit an die Tätigkeit in der bisherigen Entgeltgruppe in Abweichung von § 16 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 TV-L besondere Stufenregelungen geknüpft waren, gelten diese für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit fort.

Soweit an die Tätigkeit in der bisherigen Entgeltgruppe eine Zulage geknüpft war, wird diese weitergewährt, solange die anspruchsbegründende Tätigkeit unverändert ausgeübt wird und die sonstigen Voraussetzungen für die Zulage erfüllt sind.

Protokollerklärung zu § 29a Absatz 2 Satz 1 und 2:

Bisherige Entgeltgruppe ist die Entgeltgruppe, die sich aufgrund der Regelungen in

- den Lehrer-Richtlinien der TdL,

- § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 i. V. m. den Lehrer-Richtlinien-O der TdL oder

- landesspezifischen Eingruppierungsregelungen

ergibt, die am 31. Juli 2015 auf das Arbeitsverhältnis der Lehrkraft anzuwenden sind. Die vorläufige Zuordnung zu der Entgeltgruppe des TV-L nach der Anlage 2 oder 4 gilt als Eingruppierung. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierungen findet aufgrund der Überleitung in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) nicht statt.

Protokollerklärung zu § 29a Absatz 2 Satz 3: ...

(3) Ergibt sich in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 nach der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) eine höhere Entgeltgruppe, sind die Lehrkräfte auf Antrag in die Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 TV-L in der Fassung des § 3 TV EntgO-L ergibt. Die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe richtet sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Absatz 4 TV-L in der Fassung des § 7 TV EntgO-L). War die Lehrkraft in der bisherigen Entgeltgruppe der Stufe 1 zugeordnet, wird sie abweichend von Satz 2 der Stufe 1 der höheren Entgeltgruppe zugeordnet; die bisher in Stufe 1 verbrachte Zeit wird angerechnet. Satz 1 gilt für den erstmaligen Anspruch auf eine Entgeltgruppenzulage entsprechend. Satz 1 gilt für den Anspruch auf die Angleichungszulage (Anhang 1 zur Anlage zum TV EntgO-L) entsprechend.

Protokollerklärung zu § 29a Absatz 3 Satz 1: ...

(4) Der Antrag nach Absatz 3 Satz 1 und/oder nach Absatz 3 Satz 4 kann nur bis zum 31. Juli 2016 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirkt auf den 1. August 2015 zurück; nach dem Inkrafttreten der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) eingetretene Änderungen der Stufenzuordnung in der bisherigen Entgeltgruppe bleiben bei der Stufenzuordnung nach Absatz 3 Satz 2 und 3 unberücksichtigt. Ruht das Arbeitsverhältnis am 1. August 2015, beginnt die Frist von einem Jahr mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit; der Antrag wirkt auf den

1. August 2015 zurück.

..."

Anlage zum TV EntgO-L - Entgeltordnung Lehrkräfte

Vorbemerkung zu allen Abschnitten der Entgeltordnung Lehrkräfte

1.

(1) Für das Verhältnis der Abschnitte zueinander gelten die Regelungen der Absätze 2 bis 8.

...

(5) Für pädagogische und heilpädagogische Unterrichtshilfen und sonderpädagogische Fachkräfte, die nach landesrechtlichen Vorschriften Lehrkräfte sind oder nach landesrechtlichen Vorschriften Lehrkräften gleichgestellt sind, gelten nur Abschnitt 1 und Abschnitt 4 Unterabschnitt 2.

...

4.2. Pädagogische und heilpädagogische Unterrichtshilfen und sonderpädagogische Fachkräfte

...

Entgeltgruppe 9 b

1. Heilpädagogen mit staatlicher Anerkennung

als pädagogische oder heilpädagogische Unterrichtshilfen.

2. Erzieher, Freundschaftspionierleiter, Heilerziehungspfleger, Hortner, Kindergärtner, Ergotherapeuten, Logopäden oder Physiotherapeuten mit entsprechender staatlicher Anerkennung und anerkannter mindestens einjähriger sonder- oder heilpädagogischer Zusatzausbildung

als pädagogische oder heilpädagogische Unterrichtshilfen oder sonderpädagogische Fachkräfte.

3. Werkmeister mit Meisterprüfung

als heilpädagogische Unterrichtshilfen.

Entgeltgruppe 9 a

1. Erzieher, Freundschaftspionierleiter, Heilerziehungspfleger, Hortner, Kindergärtner, Ergotherapeuten, Logopäden oder Physiotherapeuten mit entsprechender staatlicher Anerkennung

als pädagogische oder heilpädagogische Unterrichtshilfen oder sonderpädagogische Fachkräfte.

2. Beschäftigte mit anerkannter mindestens einjähriger sonderpädagogischer Zusatzausbildung

als pädagogische oder heilpädagogische Unterrichtshilfen

...

Entgeltgruppe 8

Beschäftigte

als pädagogische oder heilpädagogische Unterrichtshilfen oder sonderpädagogische Fachkräfte."

Nach Ziffer 4.2 der Anlage zum TV EntgO-L in der Fassung vom 28.03.2015 waren der Entgeltgruppe 9 zugeordnet Erzieher mit entsprechender staatlicher Anerkennung als pädagogische oder heilpädagogische Unterrichtshilfen oder sonderpädagogische Fachkräfte (Entgeltgruppe 9 Ziffer 4). Durch den 3. Änderungstarifvertrag zum TV EntgO-L vom 02.03.2019 wurde dann die noch heute gültige Aufteilung in die Entgeltgruppe 9 a/9 b mit Wirkung zum 01.01.2019 vereinbart.

Die Klägerin hat eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin absolviert. Ausweislich eines Zertifikats vom 26.01.2006 (Bl. 9 der Akte) nahm die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2005 bis 26.01.2006 an einer Nachqualifizierung zur sonderpädagogischen Fachkraft teil.

Mit Schreiben vom 29.11.2012 (Bl. 47 der Akte) begehrte die Klägerin eine Überprüfung ihrer Eingruppierung. Ihre Bitte formulierte sie wie folgt:

"Hiermit bitte ich um eine Überprüfung meiner Eingruppierung und gegebenenfalls um eine Höherstufung."

Auf der zur Gerichtsakte gereichten Kopie dieses Schreibens ist der handschriftliche Vermerk eines Datums "12.10.2016" zu lesen.

Mit einem weiteren Schreiben vom 10.01.2019 (Bl. 46 der Akte) stellte die Klägerin einen "Antrag auf Höhergruppierung nach § 26 Abs. 1 TVÜ-Bund". Das Schreiben lautet:

"Ich bin in der Entgeltgruppe E8 TVöD eingruppiert und meine Tätigkeit weist Merkmale auf, welche einer höheren Entgeltgruppe im TVöD angehören.

Aus diesem Grund beantrage ich gemäß § 26 Abs. 1 TVÜ-Bund eine Höhergruppierung sowie eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 rückwirkend zum 01.01.2019."

Die Klägerin hat erstinstanzlich angeführt, sie habe einen Anspruch auf Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9 TV-L, ab dem 01.01.2020 in die Vergütungsgruppe S 8 b TV-L. Sämtliche sonderpädagogischen Fachkräfte, die von Seiten des Bundeslandes Thüringen eingestellt würden, seien in die Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert. Ihren Anspruch auf Höhergruppierung habe sie jeweils mit Schreiben vom 29.11.2012, 12.10.2016 und 10.01.2019 hinreichend und rechtzeitig geltend gemacht. Zu dem handschriftlichen Vermerk "12.10.2016" auf dem Geltendmachungsschreiben vom 29.11.2012 hat sie ausgeführt, zu diesem Zeitpunkt habe sie ein inhaltsgleiches Schreiben übersandt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Ausschlussfristen könnten vorliegend nicht zum Tragen kommen. Es handele sich vielmehr um die Ausübung eines Wahlrechts zwischen alter und modifizierter Vergütungsregelung. Jedenfalls habe sie einen Anspruch auf Schadensersatz, da der Beklagte Aufklärungs- und Informationspflichten mit Blick auf geltende Ausschlussfristen verletzt habe.

In erster Instanz hat sich die Klägerin zusätzlich darauf berufen, sie sei nach der neuen Entgeltgruppe S 8 b TV-L einzugruppieren, da sie als sonderpädagogische Fachkraft mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten betraut sei. Zwischen ihrer aktuellen Vergütung nach der Vergütungsgruppe 8 Stufe 6 TV-L und der von ihr begehrten Vergütung nach Entgeltgruppe S 8 b TV-L Stufe 6 errechne sich ein monatlicher Differenzbetrag von 855,57 €.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, sie mit Wirkung zum 01.01.2018 von der Vergütungsgruppe 8 in die Vergütungsgruppe 9 b, Stufe 6 TV-L und mit Wirkung zum 01.01.2020 in die Entgeltgruppe S 8 b, Stufe 6 TV-L einzugruppieren;

2. den Beklagten zu verurteilen, für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.07.2021 an die Klägerin 36.789,51 € brutto zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Vergütung der Klägerin als sonderpädagogische Fachkraft mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 6 TV-L rechtswidrig ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgebracht, die Klägerin sei ordnungsgemäß von der Entgeltgruppe Vc BAT-O auf Basis der Lehrer-Richtlinien-O der TdL nach Maßgabe des TVÜ-Länder in die Entgeltgruppe 8 des TV EntgO-L übergeleitet worden. Jedem Mitarbeiter sei das Informationsschreiben vom 17.08.2015 zugeleitet worden. Er gehe davon aus, dass auch die Klägerin als bereits am 31.07.2015 beschäftigte Mitarbeiterin das Schreiben erhalten habe. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 62 der Akte Bezug genommen.

Auf das Schreiben der Klägerin vom 29.11.2012 sei seinerzeit ihre Eingruppierung überprüft und ein Anspruch auf Höherstufung mangels erforderlicher Zusatzausbildung abgelehnt worden. Der Beklagte hat behauptet, erst mit Schreiben vom 10.01.2019 habe er einen weiteren Antrag auf Höhergruppierung erhalten. Geltendmachungsschreiben aus den Jahren 2016/2017 lägen nicht vor.

Der Beklagte hat ferner angeführt, die Entgeltgruppe S 8 b TV-L scheide aus, da die Klägerin als sonderpädagogische Fachkraft nach dem Thüringer Schulgesetz als Lehrkraft nicht nach den zu 2020 neu eingeführten Entgeltgruppen des Sozial- und Erziehungsdienstes, sondern nach der Entgeltordnung für Lehrer zu vergüten sei.

Mit Urteil vom 05.04.2022 (Bl. 70 ff. der Akte) hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei als sonderpädagogische Fachkraft Lehrkraft nach § 34 Abs. 4 Satz 4 Thüringer Schulgesetz, so dass nach § 44 TV-L spezifische Tarifregelungen für Lehrkräfte Anwendung fänden. Die richtige Eingruppierung der Klägerin sei daher nicht nach den Entgeltgruppen des Sozial- und Erziehungsdienstes im TV-L zu bemessen, sondern richte sich nach dem TV EntgO-L. Da - insoweit unbestritten - die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit unverändert geblieben sei, sei sie nach den Überleitungsvorgaben rechtskonform von der Vergütungsgruppe Vc BAT-O in die Entgeltgruppe 8 TV-L übergeleitet worden.

Eine Eingruppierung der Klägerin in eine höhere Entgeltgruppe scheide aus, da sie nicht fristgerecht einen Antrag auf Höhergruppierung gestellt habe. Eine rechtzeitige Geltendmachung mit einem Schreiben aus 2016 habe die dafür darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht dargetan. Davon abgesehen erfüllten die Schreiben vom 29.11.2012 und vom 12.10.2016 nicht die Anforderungen an eine ausreichende Geltendmachung, da dort lediglich "um Prüfung" gebeten worden sei. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Hinweispflichten in Bezug auf das Eingreifen tarifliche Ausschlussfristen scheide ebenfalls aus, da eine Hinweispflicht für den Beklagten nicht bestanden habe.

Davon abgesehen seien auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 b nicht erfüllt. Die Entgeltgruppe 9 b erfordere eine mindestens einjährige sonder- oder heilpädagogische Zusatzausbildung, über die die Klägerin nicht verfüge. Die Erfüllung dieser Anforderung ergebe sich nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung über die Nachqualifizierung als sonderpädagogische Fachkraft. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei ebenfalls nicht gegeben. Da die Voraussetzungen für eine Höhergruppierung nicht vorlägen, sei auch der darauf gestützte Zahlungsantrag abzuweisen. Den Feststellungsantrag hat das Arbeitsgericht mangels Feststellungsinteresses abgewiesen. Wegen des weiteren Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 70 - 82 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.04.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 26.04.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese sogleich begründet.

Die Klägerin führt an, das Arbeitsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie mit den zur Akte gereichten Schreiben ein Höhergruppierungsverlangen rechtzeitig und ausreichend vorgebracht habe. Zudem komme bei einem Streit über die korrekte Eingruppierung § 29a TVÜ-Länder und die dortige Frist nicht zum Tragen. Jedenfalls sei der Beklagte wegen fehlenden Hinweises auf die Erforderlichkeit eines Antrags nach § 29a TVÜ-Länder schadensersatzpflichtig. Die Klägerin wiederholt ihren Vortrag zu einer besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit. Vor diesem Hintergrund sei nicht relevant, dass sie keine sonderpädagogische Zusatzausbildung besitze. Davon abgesehen greife der Gleichbehandlungsgrundsatz, da andere sonderpädagogische Fachkräfte regelmäßig in die Entgeltgruppe 9 eingruppiert würden.

Mit ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 26.04.2022, dem Beklagten am 02.05.2022 zugestellt, hat die Klägerin ihren auf die monatliche Differenzvergütung zur Entgeltgruppe S 8 b gestützten Zahlungsantrag um den Zeitraum 01.08.2021 - 31.12.2021 erweitert.

Nach Hinweisen der Kammer im Termin zur zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr Feststellungsbegehren ausschließlich auf die Entgeltgruppen im TV EntgO-L gestützt. Gleichwohl hat sie den Zahlungsantrag gestützt auf die Differenzberechnung zur Entgeltgruppe S 8 b des Sozial- und Erziehungsdienstes aufrechterhalten. Den Feststellungsantrag zu 3. hat die Klägerin zurückgenommen und begehrt nach Umstellung ihrer Klageanträge nunmehr,

1. in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2018 eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 9 TV EntgO-L und ab 01.01.2019 eine Vergütung der Entgeltgruppe 9 a TV EntgO-Lehrer zu zahlen.

2. in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2018 - 31.12.2021 41.067,36 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und betont noch einmal, dass mit Schreiben vom 29.11.2012 lediglich eine Überprüfung erbeten worden sei. Erst mit Schreiben vom 10.01.2019 habe die Klägerin einen Antrag auf Höhergruppierung gestellt. Ein Schreiben vom 12.10.2016 befinde sich nicht in der Personalakte. Der Zugang werde bestritten. Ein an das Staatliche Schulamt unter der Adresse B... gerichtetes Schreiben habe gar nicht ankommen können, da sich die Adresse bereits zum 01.04.2015 - insoweit unbestritten geändert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vom 18.04.2023 (Bl. 207 - 208 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.

B. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die erfolgten Klageänderungen sind zulässig. Die zulässigen Klageanträge sind jedoch unbegründet.

I. Die Klageanträge sind zulässig.

1. Der Feststellungsantrag zu 1) bezogen auf eine Vergütungszahlung nach Entgeltgruppe 9 seit 01.01.2018 bzw. nach Entgeltgruppe 9 a seit 01.01.2019 ist als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag zulässig (vgl. z.B. BAG 13.05.2020 - 4 AZR 173/19 - Rn. 46; BAG 11.12.2013 - 4 AZR 493/12 - Rn. 11; BAG 23.02.2011 - 4 AZR 214/09 - Rn. 12). Dem Eingruppierungsfeststellungsantrag steht der Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen. Die Feststellungsklage ist insgesamt zulässig, auch wenn Ansprüche sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Einer Aufteilung nach fälligen und noch nicht fälligen Ansprüchen in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag ist nicht erforderlich (BAG 20.01.2004 - 9 AZR 43/03 - Rn. 38).

Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht auch nicht der Zahlungsantrag zu 2) entgegen. Zwar ist anerkannt, dass ein Feststellungsantrag neben einem zeitlich den gleichen Zeitraum betreffenden Antrag auf Zahlung der Differenzvergütung (teilweise) unzulässig sein kann (vgl. BAG 13.05.2020 - 4 AZR 173/19 - Rn. 46). Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass der Zahlungsantrag auf die Differenzvergütung bezogen auf die Entgeltgruppe S 8 b des Sozial- und Erziehungsdienstes gerichtet ist. Hierbei handelt es sich gegenüber den Entgeltgruppen aus dem TV EntgO-L, die Gegenstand des Feststellungsantrags sind, um ein aliud und damit um einen anderen Streitgegenstand. Ein anderer Streitgegenstand kann die Zulässigkeit des Feststellungantrags nicht berühren.

Der Feststellungsantrag ist auch ohne konkrete Benennung der Stufe zulässig. Wie beide Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt haben, ist die Frage der richtigen Stufenzuordnung im Falle eines rechtzeitig gestellten Antrags der Klägerin bloße Rechtsanwendung der Überleitungsvorgaben. Über diese Rechtsanwendung besteht zwischen den Parteien kein Streit. Das streitige Rechtsverhältnis kann daher auch ohne Benennung der Stufe im Antrag abschließend geklärt werden.

2. Der Antrag zu 2) ist als Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin hat monatlich einen Differenzbetrag errechnet, den sie mit ihrem Zahlungsantrag geltend macht. Dass sie diesen Zahlungsantrag mit einer auch aus eigener Sicht unzutreffenden Entgeltgruppe S 8 b begründet, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine solche der Begründetheit der Klage.

II. Die erfolgten Klageänderungen in der Berufungsinstanz sind zulässig.

Die Umstellung des Feststellungsantrags auf Anregung der Kammer ist sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO). Die Zulässigkeit der erfolgten Klageerweiterung hinsichtlich des Zahlungsantrags folgt aus § 264 Nr. 2 ZPO. Einwände der Gegenseite gab es nicht.

III. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin ist auf der Grundlage ihres Arbeitsvertrages in Verbindung mit dem TV EntgO-L nach Überleitung zutreffend in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert. Sie kann die von ihr begehrte höhere Vergütung auf Basis der Entgeltgruppe 9 bzw. 9 a nicht verlangen, da sie nicht rechtzeitig einen Antrag auf Höhergruppierung gestellt hat, § 29a Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder i.d.F. des § 11 TV EntgO-L. Mangels Vorliegens eines rechtzeitigen Höhergruppierungsantrags kann dahinstehen, ob die Klägerin - wofür einiges spricht - nach den neuen Eingruppierungsvorschriften tatsächlich auch ohne sonderpädagogische Zusatzausbildung der neuen Entgeltgruppe 9 bzw. 9 a zuzuordnen wäre. Etwas anderes ergibt sich aus Sicht der Kammer auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz oder aus dem Gesichtspunkt einer Schadensersatzpflicht wegen eines nicht erfolgten Hinweises auf das Eingreifen von Ausschlussfristen. Da die Klägerin richtig eingruppiert ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Differenzvergütung, so dass auch der Zahlungsantrag abzuweisen war. Davon abgesehen hat die Klägerin diesen Zahlungsantrag auf Basis der nicht einschlägigen Entgeltgruppe S 8 b berechnet. Hierauf hatte die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung auch hingewiesen.

1. Wegen der Geltung des TV EntgO-L auf das Arbeitsverhältnis der Parteien wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts eingangs Ziffer I. der Entscheidungsgründe (Bl. 73 der Akte) verwiesen.

2. Nach § 29a Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L erfolgt die Überleitung grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Diese bleibt grundsätzlich auch dann maßgeblich, wenn die unverändert ausgeübte Tätigkeit in der neuen Entgeltordnung anders bewertet wird. Da die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit unverändert geblieben ist, wurde sie aus der vorherigen Vergütungsgruppe Vc BAT-O in den TV EntgO-L übergeleitet. Beizubehaltende Entgeltgruppe ist dabei nach der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 2 Sätze 1 und 2 i. d. F. des § 11 TV EntgO-L u.a. die Entgeltgruppe, die sich - wie im Falle der Klägerin - aus den Lehrer-Richtlinien der TdL ergab. Die Klägerin war daher zunächst von der Vergütungsgruppe Vc BAT-O nach Maßgabe der Anlagen zum TVÜ-Länder in die Entgeltgruppe 8 des TV EntgO-L übergeleitet. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

3. Auf den Umstand, dass die Klägerin als staatlich anerkannte Erzieherin nach den neuen Eingruppierungsvorschriften des TV EntgO-L auch ohne Zusatzausbildung der Entgeltgruppe 9 bzw. 9 a zuzuordnen wäre, kann sich die Klägerin nicht berufen. Denn sie hat einen Höhergruppierungsantrag nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L nicht fristgerecht gestellt.

a) Ein Antrag nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L ist dann erforderlich, wenn sich ohne Veränderung der Tätigkeit nach der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) eine höhere Entgeltgruppe ergibt. In diesem Fall sind die Lehrkräfte auf Antrag in die Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 TV-L i. d. F. des § 3 TV EntgO-L ergibt. Im Falle der Klägerin wäre sie auf ihren Antrag hin nach § 12 TV-L i. d. F. des § 3 TV EntgO-L ab dem 01.01.2018 der Entgeltgruppe 9 bzw. später der Entgeltgruppe 9 a zuzuordnen gewesen. Denn nach der neuen Entgeltordnung ist für eine Zuordnung der Klägerin als staatlich anerkannte Erzieherin in die Entgeltgruppe 9 bzw. 9 a das Erfüllen des Tätigkeitsmerkmals einer mindestens einjährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung nicht (mehr) erforderlich. Ohne Änderung ihrer Tätigkeit hätte sich daher für die Klägerin aus der neuen Entgeltordnung eine höhere Eingruppierung ergeben können.

b) Ein Antrag nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L ist allerdings nach § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L bis zum 31.07.2016 zu stellen (Ausschlussfrist). Wird ein solcher Antrag nicht bzw. nicht fristgerecht gestellt, findet eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung aufgrund der Überleitung in den TV EntgO-L nicht statt. Ohne einen solchen Antrag verbleibt es bei unveränderter Tätigkeit grundsätzlich auch nach Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung bei der einmal anlässlich der Überleitung vom BAT in den TV EntgO-L erfolgten Eingruppierung (vgl. so zum TVÜ-Bund BAG 28.02.2018 - 4 AZR 816/16 - Rn. 17; zum TVÜ-Länder und der Entgeltordnung zum TV-L LAG Düsseldorf 20.05.2020 - 12 Sa 721/19).

c) Die Klägerin hat die rechtzeitige Stellung eines Höhergruppierungsantrags nicht dargetan.

aa) Zum schlüssigen Vortrag einer Forderung, die tariflichen Ausschlussfristen unterliegt, gehört die Darlegung der fristgerechten Geltendmachung. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin, da sie sich auf einen fristgerechten Höhergruppierungsantrag beruft, für die rechtzeitige Geltendmachung und für deren Zugang darlegungs- und beweispflichtig.

bb) Das dem Beklagten zugegangene Schreiben vom 29.11.2012 erfüllt die Anforderungen an einen Höhergruppierungsantrag nicht.

Zu berücksichtigen ist, dass sich eine Zuordnung der Klägerin zur Entgeltgruppe 9 auch ohne entsprechende Zusatzausbildung erst mit Inkrafttreten des neuen TV EntgO-L ab 2015 ergeben konnte. Erst mit der Vereinbarung des TV EntgO-L am 28.03.2015 wurde für die Entgeltgruppe 9 auf die sonderpädagogische Zusatzausbildung verzichtet. Ein hierauf gestütztes Höhergruppierungsverlangen konnte daher nicht bereits Ende 2012 gestellt werden.

Davon abgesehen erfüllt eine "Bitte um Überprüfung der Eingruppierung und gegebenenfalls um Höherstufung" nicht die Anforderungen an ein Höhergruppierungsverlangen. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei einem Antrag auf Höhergruppierung nach § 29 a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder um die Ausübung eines Wahlrechts bezogen auf einen Wechsel in das neue tarifliche Entgeltsystem handelt. Ein solcher Wechsel hat weitreichende Folgen. Bereits mit Stellen des Antrags wird die Tarifautomatik ausgelöst. Wird der Antrag fristgerecht gestellt, entsteht der Höhergruppierungsanspruch rückwirkend (vgl. BAG 18.09.2019 - 4 AZR 42/19 - Rn. 30 - zu § 26 TVÜ-Bund). Angesichts dieser weitreichenden Folgen einer Antragstellung kann einer bloßen "Bitte um Überprüfung" der unbedingte Wille zur Ausübung des Wahlrechts mit Blick auf die neue Entgeltsystematik nicht entnommen werden.

cc) Den Zugang eines Geltendmachungsschreibens vom 12.10.2016 hat die diesbezüglich darlegungsbelastete Klägerin nicht dargetan.

Der bloße handschriftliche Vermerk auf der zur Akte gereichten Kopie des Schreibens vom 29.11.2012 (vgl. Bl. 47 der Akte) reicht für den Beleg eines entsprechenden Zugangs nicht aus. Der Beklagte hat angegeben, dass sich ein Schreiben vom 12.10.2016 nicht in der Personalakte der Klägerin befinde. Eine Kopie des angeblich von ihr versandten Schreibens konnte die Klägerin nicht vorlegen. Angaben dazu, wie genau und in welcher Form sie das Schreiben versandt haben will, fehlen ebenfalls. Gegen den Zugang eines Schreibens vom 12.10.2016 spricht auch, dass - wie der Beklagte einwendet - ein inhaltsgleiches Schreiben wie das vom 29.11.2012 das Staatliche Schulamt Ende 2016 wegen fehlerhafter Adresse gar nicht hätte erreichen können.

Abgesehen davon hätte ein Schreiben den für eine unbedingte Antragstellung nach § 29 a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder erforderlichen Inhalt nicht gehabt. Die Klägerin will das Schreiben "inhaltsgleich" abgesandt haben. Dass die "Bitte um Prüfung" für eine Antragstellung nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder nicht ausreicht, wurde oben (zu bb) bereits ausgeführt.

dd) Der Höhergruppierungsantrag der Klägerin vom 10.01.2019 könnte zwar - nach Auslegung trotz der falsch zitierten Tarifnorm - ein ausreichend unbedingtes Höhergruppierungsverlangen darstellen. Das Schreiben kam jedoch zu spät. Einen Höhergruppierungsantrag hätte die Klägerin bis 31. Juli 2016 stellen müssen.

d) Zwar verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass eine fehlerhafte Eingruppierung auch außerhalb der Fristen des TVÜ-Länder geltend gemacht werden kann. Dies betrifft aber Fallgestaltungen, in denen die Eingruppierung bereits nach der bisherigen Vergütungsordnung, d.h. etwa nach dem BAT oder nach den "alten" Lehrer-Richtlinien der TdL, fehlerhaft ist. Eine solche Fehlerhaftigkeit kann auch außerhalb der Frist des § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder geltend gemacht werden (zum TVÜ-Bund BAG 28.02.2018 4 AZR 816/16 - Rn. 19). Gleichwohl geht die Rüge der Klägerin ins Leere. Denn ihre ursprüngliche Zuordnung zur Vergütungsgruppe Vc BAT-O und die sich daran anschließende Überleitung in die Entgeltgruppe 8 des TV-L war fehlerlos. Die Klägerin erfüllte zum damaligen Zeitpunkt die seinerzeit bestehende zusätzliche Anforderung einer mindestens einjährigen Zusatzausbildung nicht. Wie bereits vom Erstgericht zutreffend festgestellt, wird die von der Klägerin absolvierte Nachqualifizierung bereits wegen des zeitlichen Umfangs von nur fünf Monaten diesen Anforderungen nicht gerecht. Hierzu wird auf den im Zertifikat vom 26.01.2006 (Bl. 9 der Akte) genannten Zeitraum 01.09.2005 bis 26.01.2006 verwiesen.

e) Folge des nicht fristgerechten Antrags ist, dass eine Anwendung der neuen Entgeltordnung und eine Eingruppierung nach den neuen Vorgaben ohne einen Wechsel der Tätigkeit endgültig ausscheidet (vgl. BAG 18.09.2019 - 4 AZR 42/19 - Rn. 30 - zu § 26 TVÜ-Bund; LAG Düsseldorf 20.05.2020 - 12 Sa 721/19 - Rn. 36). Damit besteht nach Fristablauf für beide Arbeitsvertragsparteien Klarheit, welche Entgeltordnung auf ihr Arbeitsverhältnis bei unveränderter Tätigkeit Anwendung findet.

f) Diese Rechtsfolge des versäumten Antragserfordernisses nach § 29 a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Zwar ist Folge der Fristversäumnis, dass die Klägerin bei unveränderter Tätigkeit dauerhaft in der Entgeltgruppe 8 des TV EntgO-L verbleibt, während neu eingestellte Arbeitnehmer bei gleicher Tätigkeit und gleicher Qualifizierung in die Entgeltgruppe 9 a TV EntgO-L eingruppiert sind. Gleichwohl liegt entgegen der Auffassung der Klägerin hierin kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn den Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Normgebung gemäß Art. 9 Abs. 3 GG ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie sind nicht etwa verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Die Gerichte dürfen insoweit nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Verbände setzen (LAG Rheinland-Pfalz 25.10.2021 - 3 Sa 283/20 - Rn. 65; LAG Düsseldorf 20.05.2020 - 12 Sa 721/19 - Rn. 60). Insbesondere kommt den Tarifvertragsparteien im Zusammenhang mit der Überleitung von Arbeitnehmern in ein gänzlich neues Vergütungssystem die Befugnis zu, die vergütungsrechtliche Wertigkeit von Tätigkeiten autonom festzulegen (BAG 17.12.2009 - 6 AZR 665/08 - Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 25.10.2021 - 3 Sa 283/20 - Rn. 65). Von der Tarifautonomie nicht mehr gedeckt wäre es nur, in einem einheitlichen Vergütungssystem oder in mehreren, von denselben Tarifvertragsparteien geschlossenen Tarifverträgen Arbeitnehmer, die identische Tätigkeiten verrichten, vergütungsrechtlich unterschiedlich zu behandeln (BAG 17.12.2009 - 6 AZR 665/08 - Rn. 20).

Vorliegend stand der Klägerin ein Wahlrecht zu, das sie in Form eines Antragsrechts hätte nutzen können. Es liegt auch trotz identischer Tätigkeit von übergeleiteten und neu eingestellten Beschäftigten kein vergleichbarer Sachverhalt vor, der gleichbehandelt werden müsste. Denn das Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung macht es erforderlich, zwischen den ab diesem Zeitpunkt eingestellten Beschäftigten und den bereits Beschäftigten zu unterscheiden. Nur bei den bereits Beschäftigten stellt sich die Frage des Besitzstandes, den § 29a TVÜ-Länder regelt. Das Ziel des Schutzes der erreichten Eingruppierung belegt § 29a Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, der die Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit anordnet. Die Möglichkeit der Antragsstellung nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder überlässt es dem betroffenen Arbeitnehmer, privatautonom zu entscheiden, ob er an diesem Besitzstand festhalten will, oder eine - gegebenenfalls höhere - Eingruppierung nach der neuen Entgeltordnung vorzieht, dann freilich unter Anwendung der Tarifautomatik für zukünftige Änderungen. Dies ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden (so auch LAG Rheinland-Pfalz 25.10.2021 - 3 Sa 283/20 - Rn. 66).

4. Aus den vorgenannten Gründen beruft sich die Klägerin auch ohne Erfolg auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und den Umstand, dass neu eingestellte Kollegen mit gleicher Qualifikation und Tätigkeit wie sie eine Vergütung nach der höheren Entgeltgruppe erhalten. Denn vergleichbare Sachverhalte liegen nach dem zuvor Gesagten (Ziffer 3 f.) gerade nicht vor.

5. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Höhergruppierung auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung etwaiger Hinweispflichten stützen.

Die Klägerin argumentiert, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie auf den Ablauf der Frist für die Stellung eines Höhergruppierungsantrags hinzuweisen. Da er dies nicht getan habe, könne er sich nicht auf das Verstreichen der Frist berufen.

Dieser Argumentation vermag die Kammer nicht zu folgen. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer auf das Eingreifen von tarifvertraglichen Ausschlussfristen hinzuweisen. Anerkannt ist, dass in einem Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfristen auch dann ablaufen, wenn sie dem Arbeitnehmer unbekannt sind. Selbst bei Verletzung der Verpflichtung zur Auslage des Tarifvertrags im Betrieb gilt die Ausschlussfrist (BAG 23.01.2002 - 4 AZR 56/01). Auch dem Nachweisgesetz ist hinsichtlich einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist Genüge getan, wenn gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 (jetzt Nr. 15) Nachweisgesetz auf die Anwendbarkeit des einschlägigen Tarifvertrages selbst hingewiesen wird. Eines gesonderten Hinweises auf die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist bedarf es nicht (BAG 23.01.2002 - 4 AZR 56/01). Eine Hinweispflicht des Beklagten mit Blick auf die sich aus § 29a Abs. 4 TVÜ-Länder i.d.F. des § 11 TV EntgO-L ergebende Ausschlussfrist ist daher zu verneinen. Vielmehr oblag es der Klägerin, sich selbst über das Vorhandensein einer solchen Frist und die sich daraus ergebenen rechtlichen Auswirkungen kundig zu machen - gegebenenfalls durch Einholung von Rechtsrat.

Da den Beklagten keine Hinweispflicht traf, ist es für die Kammer nicht von entscheidender Bedeutung, ob das Hinweisschreiben des Beklagten vom 19.08.2015 (Bl. 62 der Akte) die Klägerin tatsächlich erreicht hat. In diesem Schreiben ist auf Seite 3 ein Hinweis auf das Erfordernis einer Antragstellung bis zum 31. Juli 2016 (Ausschlussfrist) enthalten. Der Beklagte hat hierzu behauptet, das Musterschreiben sei an sämtliche zum maßgeblichen Zeitpunkt angestellten Lehrkräfte versandt worden. Es spricht einiges dafür, dass auch die Klägerin dieses Schreiben tatsächlich erhalten hat. Gleichwohl ist der tatsächliche Zugang aus den zuvor genannten Gründen für die Kammer nicht entscheidend.

6. Der Zahlungsantrag der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.

Sie hat ihren Zahlungsantrag mit der unzutreffenden Vergütungsgruppe S 8 b TV-L berechnet. Diese Entgeltgruppe ist für sie als Lehrkraft nach Landesrecht wegen der Vorbemerkung Nr. 4 zur Anlage A des TV-L iVm § 44 Nr. 1 TV-L iVm § 34 Abs. 4 Satz 4 ThürSchulG nicht einschlägig. Ausschließlich der TV EntgO-L kommt zur Anwendung. Hierauf hat die Kammer die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen, woraufhin die Klägerin ihren Feststellungsantrag - nicht jedoch den Zahlungsantrag - entsprechend umgestellt hat.

Selbst wenn sie den Zahlungsantrag anhand der Differenz zur Entgeltgruppe 9 bzw. 9 a errechnet hätte, wäre der Zahlungsantrag erfolglos geblieben. Denn da die Klägerin korrekt eingruppiert ist, kann sie Differenzzahlungen nicht verlangen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

D. Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht. Die Entscheidung stellt eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar.

Vorschriften§ 44 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), § 12 TV-L, § 29a TVÜ-Länder, § 3 TV EntgO-L, § 44 TV-L, § 16 Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 Satz 1 TV-L, § 17 Absatz 4 TV-L, § 7 TV EntgO-L, § 26 Abs. 1 TVÜ-Bund, § 34 Abs. 4 Satz 4 Thüringer Schulgesetz, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO, § 533 Nr. 1 ZPO, § 264 Nr. 2 ZPO, § 29a Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder, § 11 TV EntgO-L, § 29a Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder, § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder, § 29 a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder, § 26 TVÜ-Bund, § 29 a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 3 GG, § 29a Abs. 4 TVÜ-Länder, Anlage A des TV-L, § 44 Nr. 1 TV-L, § 34 Abs. 4 Satz 4 ThürSchulG, § 97 Abs. 1 ZPO