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Beschluss vom 09.05.2023 · IWW-Abrufnummer 236333

Landesarbeitsgericht Thüringen - Aktenzeichen 1 TaBV 5/22

1. Die Veränderung einer Teamzuordnung kann in größeren Betrieben mit Abteilungen und weiteren Unterbereichen eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG darstellen.

2. Dies ist dann der Fall, wenn nach dem Wechsel in der neuen organisatorischen Einheit ein spürbares anderes "Arbeitsregime" gilt.


Tenor: 1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Suhl vom 06.10.2021 - 6 BV 11/19 - wird zurückgewiesen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Änderung einer Teamzuordnung und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob diese Änderung eine zustimmungspflichtige Versetzung darstellt.

Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen, das sich an seinem Betriebsstandort in A... mit der Entwicklung und Herstellung sowie dem Vertrieb von Scheinwerfern für die Automobilindustrie beschäftigt. Im Betrieb sind über 900 Mitarbeiter beschäftigt. Antragsteller ist der dort eingerichtete 13-köpfige Betriebsrat.

Im Bereich der Fertigung bestehen die beiden Abteilungen B... (Vorfertigung) und C... (Fertigung). Aufgabe der Vorfertigung ist die Bereitstellung der Materialien für die eigentliche Fertigung. In der Vorfertigung gibt es verschiedene Teams unterschiedlicher Größe, die sich aus einem Teamleiter, Produktionsversorgern und Montierern zusammensetzen. Die Bildung und Zusammensetzung richtet sich nach der Komplexität des zu fertigenden Produkts und der Bearbeitungsschritte. Leiter der Vorfertigung als auch Fertigungsgruppenleiter ist D... E.... Der Bereich Vorfertigung ist in einer Halle untergebracht. Es wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Auf Ebene des Fertigungsgruppenleiters werden Entscheidungen über die Einsatzplanung der Mitarbeiter in der Vorfertigung getroffen. Zu dem Verfahren der Urlaubserteilung haben die Beteiligten unterschiedlichen Vortrag gehalten. Fest steht, dass die Urlaubsanträge bei dem Teamleiter abgegeben werden und dieser im Falle einer Ablehnung auch direkt entscheiden kann. Unstreitig führen die Teamleiter Krankenrückkehrgespräche mit den ihnen zugeordneten Mitarbeitern auf Basis einer im Betrieb geschlossenen "Betriebsvereinbarung über Krankenrückkehrgespräche" vom 20. Oktober 2009. Ausweislich Ziffer 3 dieser Betriebsvereinbarung führt "der direkte Vorgesetzte" mit jedem Mitarbeiter ein Rückkehrgespräch nach jeder Fehlzeit. Der Mitarbeiter wird dabei über betriebliche Ereignisse oder Neuerungen während der Abwesenheit informiert. Sollten in diesem Gespräch Hinweise auf krankmachende Arbeitsbedingungen erfolgen, so ist vom Vorgesetzten ein Vermerk zu fertigen. Des Weiteren ist der Vorgesetzte nach dem Inhalt der Betriebsvereinbarung verpflichtet, angemessene Maßnahmen zur Abwendung der Ursachen für die Erkrankung zu ergreifen. Wegen des weiteren Inhalts wird auf die zur Akte gereichte Kopie der Betriebsvereinbarung verwiesen (Bl. 146 ff. der Akte).

Anfang des Jahres 2019 nahm die Antragsgegnerin ohne Beteiligung des Antragstellers Veränderungen bei der Teamzuordnung vor.

Dies betraf auch Frau F... G..., die als Produktionsversorgerin im Team H... der Vorfertigung tätig gewesen war und ab Kalenderwoche 9 im Team I... der Vorfertigung eingesetzt wurde. Das Schichtmodell blieb gleich, lediglich die konkrete Arbeitszeit veränderte sich.

Mit Schreiben vom 25.02.2019 (Bl. 14 der Akte) rügte der Antragsteller, zu dieser Einzelmaßnahme des Teamwechsels nicht angehört worden zu sein. Mit Schreiben vom 20./28.02.2019 (Bl. 20 der Akte), dem Antragsteller am 04.03.2019 zugegangen, beantragte die Antragsgegnerin die Zustimmung zur Versetzung der Mitarbeiterin G... aus Team H... in Team I... und gab als Grund für die Versetzung den eigenen Wunsch der Mitarbeiterin an. Der Antragsteller rügte daraufhin die Unvollständigkeit der Angaben.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, bei der Änderung der Teamzuordnung von Frau G... handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,

1. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Versetzung der F... G... als Produktionsversorgerin der Abteilung B..., Team I..., aufzuheben.

2. der Antragsgegnerin für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 jeweils ein Zwangsgeld von bis zu 250,00 € anzudrohen, dessen genaue Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich angegeben, die Teamleiter seien für die Urlaubserteilung zuständig, führten Krankenrückkehrgespräche und entschieden über die Zuordnung zu einem anderen Team. Gleichwohl hat sie die Auffassung vertreten, die Änderung der Teamzuordnung stelle keine zustimmungspflichtige Versetzung dar.

Mit Beschluss vom 06.10.2021 (Bl. 109 ff. der Akte) hat das Arbeitsgericht dem Antrag auf Aufhebung der verfahrensgegenständlichen Änderung der Teamzuordnung stattgegeben und den Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verpflichtung zur Aufhebung der geänderten Teamzuordnung ergebe sich aus § 101 Satz 1 BetrVG. Danach könne der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG ohne seine Zustimmung durchführe, beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber die Aufhebung der Maßnahme aufzugeben. Bei der Teamzuordnung handele es sich auch um eine Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG. Für die Beurteilung der Frage, ob gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ein anderer Arbeitsbereich vorliege, sei auf die kleinste organisatorische Einheit abzustellen, welcher ein mit arbeitsrechtlichen Entscheidungsbefugnissen ausgestatteter Leiter vorstehe. Dies sei in der Abteilung Vorfertigung das Team. Die Teamleiter verfügten nach eigener Sachdarstellung der Antragsgegnerin über arbeitsrechtliche Teilbefugnisse wie etwa die Urlaubsgewährung und das Führen von Krankenrückkehrgesprächen. Die Antragsgegnerin habe die Teamzuordnung der Mitarbeiterin ohne vorherige ordnungsgemäße Beteiligung des Antragstellers geändert. Die nachgeholte Mitteilung über den bereits erfolgten Teamwechsel entspreche ersichtlich nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung. Insbesondere fehlten Angaben zu den Auswirkungen der Maßnahme im abgebenden und aufnehmenden Team.

Gegen den ihr am 17.02.2022 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Antragsgegnerin mit einem am 17.03.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 19.04.2022 (Dienstag nach Ostermontag) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wendet ein, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht Arbeitgeberfunktionen auf Ebene der Teamleiter angenommen. Die Führung der in der Werkshalle eingesetzten Mitarbeiter der verschiedenen Produktionslinien obliege nicht den Teamleitern, sondern dem Betriebsleiter sowie dem Fertigungsgruppenleiter. Arbeitsorganisatorische Maßnahmen dürfe der Teamleiter nicht durchführen. Der Teamleiter betreue nur die einzelne Produktionslinie, auf der ein bestimmter Scheinwerfer produziert werde. Die Tätigkeiten der Mitarbeiter sei in den unterschiedlichen Teams die gleiche, außer dass auf jeder Produktionslinie ein anderer Scheinwerfer für ein anderes Automodell produziert werde. Seitens des Fertigungsgruppenleiters würden bestimmte Vorgaben an die Teamleiter in Bezug auf die Urlaubsplanung gemacht. Gegebenenfalls würden die Teamleiter auch angewiesen, bei betrieblicher Notwendigkeit die Urlaubsplanung umzustellen. Die finale Genehmigung eines Urlaubsantrags erfolge ausschließlich durch die Personalabteilung. Zwar komme es vor, dass der Teamleiter als direkter Vorgesetzter einen Urlaubsantrag selbst ablehne, etwa wegen Nichterfüllung von Anwesenheitsquoten. Eine Weiterleitung des Urlaubsantrags zur Ablehnung durch den Fertigungsgruppenleiter sei in solchen Fällen jedoch schlicht unpraktisch. Auch führten die Teamleiter zwar die Krankenrückkehrgespräche, eine Auswertung finde aber ausschließlich in der Personalabteilung statt.

Nachdem im Beschwerdebegründungsschriftsatz ein ausdrücklicher Beschwerdeantrag nicht enthalten war, hat die Antragsgegnerin im Anhörungstermin zweiter Instanz am 09.05.2023 den Antrag gestellt,

die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und den Antrag in Bezug auf den Ausspruch zu 1. abzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die eingelegte Beschwerde mangels Vorliegens eines ausdrücklichen Antrags bereits für unzulässig.

Die Beschwerde sei auch unbegründet. Zu Recht habe das Arbeitsgericht in der veränderten Teamzuordnung eine Versetzung gesehen. Dem Teamleiter kämen sehr wohl Arbeitgeberfunktionen zu. So nehme der Teamleiter innerhalb seiner Produktionslinie die Arbeitseinteilungen vor. Er sei auch - da er Krankenrückkehrgespräche auf Basis der Betriebsvereinbarung führe - direkter Vorgesetzter der ihm zugeordneten Mitarbeiter. Nach der gelebten Praxis werde auch tatsächlich durch den Teamleiter selbst entschieden, ob der Urlaub genehmigt werde oder nicht. Unstreitig werde der Urlaubsantrag beim Teamleiter abgegeben. Häufig bekomme der nächsthöhere Vorgesetzte den Urlaubsantrag gar nicht mehr. Die Personalabteilung trage die Urlaubszeiten nur noch in das Arbeitszeitkonto ein. Eine echte Entscheidung über die Urlaubsgewährung finde dort nicht statt.

Im Anhörungstermin zweiter Instanz am 09.05.2023 haben die Beteiligten zu dem Verfahren der Urlaubserteilung übereinstimmend folgendes angegeben: Lehnt der Teamleiter selbst den Urlaubsantrag ab, gibt er eine begründete Ablehnung an den Mitarbeiter zurück. Der Mitarbeiter kann sich dann beim Betriebsrat oder über den Fertigungsgruppenleiter beschweren. Für den Fall, dass der Teamleiter den Urlaubsantrag abzeichnet, läuft der Urlaubsantrag auf dem Weg zur Personalabteilung regelmäßig über den Fertigungsgruppenleiter. Die Personalabteilung führt offenbar nur noch die Erfassung des Urlaubs im Zeiterfassungssystem aus. Des Weiteren haben die Beteiligten übereinstimmend angegeben, dass pro Team eine bestimmte Anzahl von Produktionsversorgern vorgesehen ist. Bei einer Auslastung der Produktionsversorger werden diese - mehr oder weniger regelmäßig - auch als Maschinenbediener tätig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Anhörung zweiter Instanz am 09.05.2023 (Bl. 163 - 164 der Akte) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a. Insbesondere wurde die Beschwerde fristgerecht eingelegt und begründet, § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

b. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, dass in der Beschwerdebegründung vom 19.04.2022 kein ausdrücklicher Antrag enthalten war.

Den Antrag, in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag abzuweisen, hat die Antragsgegnerin allerdings erst im Anhörungstermin am 09.05.2023 gestellt.

§ 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG verlangt nicht ausdrücklich, dass die Beschwerdebegründung einen konkreten Beschwerdeantrag enthalten muss. Dieses Erfordernis folgt jedoch aus der in § 87 Abs. 2 ArbGG enthaltenen Verweisung auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Allerdings muss der Beschwerdeantrag nicht ausdrücklich formuliert sein. Vielmehr genügt es, wenn sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, inwieweit eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses angestrebt wird (BAG 22.10.1985 - 1 ABR 81/83 - Rn. 11; BAG 22.05.1985 - 4 AZR 88/84 - Rn. 10; Germelmann-Schlewing, ArbGG, 9. Auflage 2017, § 89 Rn. 25).

Vorliegend ergibt sich das Begehren der Antragsgegnerin unzweifelhaft aus ihrer Beschwer durch die erstinstanzlich ausgesprochene Verpflichtung, die durchgeführte Teamzuordnung wieder aufzuheben. In der Beschwerdebegründung vom 19.04.2022 führt die Antragsgegnerin aus, entgegen der Auffassung des Erstgerichts könne eine Versetzung in der veränderten Teamzuordnung gerade nicht gesehen werden. Das in dieser Beschwerdebegründung zum Ausdruck kommende Begehren geht ersichtlich dahin, die erstinstanzliche ausgesprochene Verpflichtung zur Aufhebung der Versetzung wieder rückgängig zu machen. Unzweifelhaft konnte daher die Beschwerdebegründung dahingehend ausgelegt werden, dass eine Abänderung der diese Verpflichtung aussprechenden erstinstanzlichen Entscheidung begehrt wird. Dieses Begehren hat die Antragsgegnerin im Anhörungstermin der zweiten Instanz mit ihrer Antragstellung lediglich bestätigt.

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Zu Recht hat das Erstgericht der Antragsgegnerin aufgegeben, die bereits durchgeführte Versetzung der Mitarbeiterin F... G... von Team H... in das Team I... aufzuheben. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 101 BetrVG wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Antragstellers gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

a. Zu den Voraussetzungen für ein entsprechendes Verlangen des Betriebsrats aus § 101 BetrVG wird auf die Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen. Die diesbezüglichen Ausführungen werden mit der Beschwerde der Antragsgegnerin auch nicht angegriffen. Vielmehr streiten die Beteiligten ausschließlich darüber, ob in der erfolgten Veränderung der Teamzuordnung eine Versetzung im Rechtssinne gesehen werden kann.

b. Die Veränderung der Teamzuordnung der Mitarbeiterin F... G... als Produktionsversorgerin in das Team I... der Abteilung Vorfertigung stellt eine Versetzung gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar. Die erkennende Kammer schließt sich der diesbezüglichen Wertung des Erstgerichts an.

aa. Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der "Arbeitsbereich" in diesem Sinne wird in § 81 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation.

Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine "andere" anzusehen ist. Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihm verbundenen Verantwortung ergeben, kann aus einer Änderung der Art der Tätigkeit folgen und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein (BAG 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21; BAG 10.04.1984 - 1 ABR 67/82 zu B 2, 4 der Gründe). Eine Änderung der organisatorischen Umgebung kann darin bestehen, dass der Arbeitnehmer mit neuen Kollegen zusammenarbeiten oder er seine Arbeitsaufgaben - auch wenn sie als solche gleichgeblieben sind - innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erfüllen muss (BAG 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 28; Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 99 Rn 139)

In größeren Betrieben mit Abteilungen und weiteren Unterbereichen kann auch ein innerbetrieblicher Wechsel von einer dieser Einheiten zu einer anderen für die Mitbestimmung des Betriebsrats ausreichen. Maßgebend ist dabei die jeweils kleinste organisatorische Einheit, der eine Leitung mit arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnissen vorsteht (Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022 § 99 BetrVG Rn. 139). Denn die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers sind berührt, wenn für ihn aufgrund des angeordneten Wechsels ein in seinem konkreten Arbeitsalltag spürbares anderes "Arbeitsregime" gilt. Dieses kann von den Arbeitskollegen ausgehen, wenn es wegen der erforderlichen intensiven Zusammenarbeit auf deren Person maßgeblich ankommt, wie es beim Wechsel aus den Einzel- in den Gruppenakkord möglich ist. Es kann auch von den unmittelbaren Vorgesetzten ausgehen, wenn diese über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung besitzen und eigenverantwortlich wahrnehmen (BAG 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 29).

bb. Mit dem Erstgericht ist die erkennende Kammer der Auffassung, dass vorliegend ein Wechsel zwischen den Teams nach den zitierten Grundsätzen eine Veränderung der Zuordnung innerhalb der betrieblichen Organisation darstellt, die in einer Gesamtschau die Voraussetzungen für eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG erfüllt.

Bei dieser Bewertung hat sich die Kammer von folgenden Überlegungen leiten lassen:

(1) Zwar ändert sich durch die Veränderung der Teamzuordnung weder der Arbeitsort noch der Inhalt der Arbeitsaufgabe. Auch im neuen Team I... der Vorfertigung ist die Mitarbeiterin als Produktionsversorgerin in der gleichen Werkshalle mit der Vorfertigung für die Scheinwerferproduktion befasst.

(2) Mit der Änderung der Teamzuordnung ist jedoch eine relevante Änderung der Stellung und des Platzes der Mitarbeiterin innerhalb der betrieblichen Organisation verbunden.

Dies ergibt sich aus einem durch die Arbeitskollegen im Team vermittelten anderen Arbeitsregime. Denn der personelle Zuschnitt der einzelnen Teams ist durchaus unterschiedlich. Insbesondere die erforderliche Anzahl an Produktionsversorgern je Team variiert und ist nach den Angaben der Antragsgegnerin von entsprechenden Vorgaben geprägt. Folge der unterschiedlichen Zusammensetzung der Teams kann daher sein, dass ein Produktionsversorger - wie die hier betroffene Mitarbeiterin - bei Unterauslastung der Produktionsversorger im Team gegebenenfalls Tätigkeiten als Maschinenbedienerin übernehmen muss. Nach den Angaben der Antragsgegnerin stellt dies eine notwendige Flexibilität des Einsatzes dar. Je nach Zuschnitt der einzelnen Teams kann sich allerdings der Umfang dieser geringerwertigen Tätigkeit und der Grad der erforderlichen Flexibilität verändern. Durch die von der Antragsgegnerin angeführte Mindestanzahl an Produktionsversorgern je Team ist auch die Abhängigkeit der einzelnen Mitarbeiter vom Zuschnitt des Teams und der Anwesenheit seiner unmittelbaren Teamkollegen je nach Teamzuordnung unterschiedlich. Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von solchen, in denen sämtliche Mitarbeiter einer Einheit die gleiche Aufgabe erfüllen. Insbesondere im Falle von Krankheit oder Urlaub ergeben sich organisatorische Zwänge, die je nach Teamzuordnung anders ausfallen können. So wird einem Produktionsversorger in einem Team mit ausreichend anderen Produktionsversorgern eher ein Antrag auf Urlaub genehmigt werden können als dies in einem Team mit einer in dieser Funktion nicht ausreichenden Besetzung der Fall sein wird. Insofern unterscheidet sich die Arbeitsorganisation innerhalb der einzelnen Produktionslinien in relevanter Weise durchaus.

(3) Hinzu kommt, dass die Befugnisse der einzelnen Teamleiter über die Organisation der täglichen Arbeit hinausgehen. Die Teamleiter verfügen über ausreichend arbeitsrechtliche Weisungsbefugnisse, um eine organisatorische Einheit mit Personalbefugnissen im Sinne der zuvor zitierten Grundsätze anzunehmen.

Zunächst haben sie im Rahmen der Urlaubbewilligung nicht nur Aufgaben der Urlaubsplanung, sondern eigene Entscheidungsbefugnisse. Zwar hat die Kammer im Anhörungstermin am 09.05.2023 den Eindruck gewonnen, dass auf der Leiter der Genehmigenden der Teamleiter lediglich die erste Stufe einnimmt. Auf dem Weg in die Personalabteilung, die ihrerseits offenbar nur noch entsprechende Eintragungen in der Zeiterfassung vornimmt, scheint der Fertigungsleiter derjenige zu sein, der letztlich einen Urlaubsantrag positiv genehmigt. Entscheidend für die Kammer war jedoch, dass der Teamleiter im Falle der Ablehnung eines Urlaubsantrags durchaus alleine entscheidet. Lehnt der Teamleiter den Urlaubsantrag ab - etwa weil das Team sonst nicht ausreichend besetzt ist entscheidet er selbst und hat seine Entscheidung mit einer Begründung zu versehen. Dass der Mitarbeiter im Falle einer solchen Ablehnung Beschwerdemöglichkeiten über den Fertigungsgruppenleiter oder den Betriebsrat hat, spielt aus Sicht der Kammer keine entscheidende Rolle. Entscheidend ist, dass der Mitarbeiter sich bei der Urlaubsgewährung (auch) Entscheidungsbefugnissen des Teamleiters gegenübersieht und von dessen Gunst abhängig ist. Insofern stellt die Person des Teamleiters einen wesentlichen Punkt bei der organisatorischen Umgebung des betroffenen Arbeitnehmers dar.

Dass nach den Darstellungen der Antragsgegnerin konkrete Anwesenheitsquoten und Vorgaben für die Urlaubsplanung existieren, die der Antragsgegner in Abrede stellt, spielt für die Entscheidungsbefugnis des Teamleiters im Einzelfall aus Sicht der Kammer eine nur untergeordnete Rolle. Es bleibt die Person des Teamleiters, der in Ausfüllung etwaiger abstrakter Vorgaben über den konkreten Urlaubsantrag - jedenfalls im Falle seiner Ablehnung - unmittelbar entscheidet.

Hinzu kommt, dass der Teamleiter auch Krankenrückkehrgespräche nach der hierzu maßgeblichen Betriebsvereinbarung durchführt. Daraus ergibt sich, dass er in der Wahrnehmung der Betriebsparteien offenbar "direkter Vorgesetzter" in diesem Sinne ist. Er hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, angemessene Maßnahmen zur Abwendung der Ursachen für die Erkrankung direkt zu ergreifen. Aus Sicht der Kammer ist es nicht entscheidend, dass "größere Maßnahmen" wie etwa ein betriebliches Eingliederungsmanagement nur nach Auswertung der Krankenrückkehrgespräche durch die Personalabteilung veranlasst werden.

bb. Ob der Wechsel der Teamzuordnung auf Wunsch der Mitarbeiterin erfolgte oder nicht, wozu von den Beteiligten unterschiedlicher Vortrag gehalten wird, spielt für das Vorliegen einer zustimmungspflichtigen Versetzung keine Rolle.

Denn der Betriebsrat ist im Rahmen der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht nur Sachwalter der Interessen des einzelnen, von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers. Der Betriebsrat ist immer auch Sachwalter der Interessen der Belegschaft insgesamt, insbesondere der Mitarbeiter, die als Kollegen in dem abgebenden bzw. aufgebenden Team ebenfalls durch die Maßnahme mittelbar betroffen sind. Wie sich auch vorliegend zeigt, hat die Zuordnung zu einem anderen Team je nach Funktion des wechselnden Mitarbeiters durchaus Auswirkungen auf den Arbeitszuschnitt der Mitarbeiter im Team.

Insofern ist anerkannt, dass die Beteiligungsrechte bei Einzelmaßnahmen dem Betriebsrat nicht nur zugunsten des einzelnen Arbeitnehmers zustehen, sondern auch im kollektiven Interesse der Arbeitnehmer des Betriebs insgesamt (Fitting, BetrVG, 31. Auflage 2022, § 99 Rn. 3 mwN). Dass die Frage der Zustimmung der von der Versetzung betroffenen Mitarbeiterin irrelevant ist, ergibt sich auch daraus, dass die individualrechtliche Zulässigkeit als rechtliche Grundlage der Versetzung im Arbeitsverhältnis und die betriebsverfassungsrechtliche Ebene der Beteiligung des Betriebsrates bei der Versetzung als tatsächlicher Zuweisung eines anderen Tätigkeitsbereichs strikt zu trennen sind. Unerheblich für den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 BetrVG ist daher, ob der Arbeitgeber individualrechtlich im Verhältnis zum betroffenen Arbeitnehmer zur Versetzung befugt ist (BAG 29.09.2020 - 1 ABR 21/19 - Rn. 24 am Ende). Für die erforderliche Beteiligung des Betriebsrats im vorliegenden Verfahren ist es daher unerheblich, ob die Teamzuordnung mit oder ohne Zustimmung der Mitarbeiterin G... erfolgte.

c. Mit dem Erstgericht ist ferner davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin entgegen der sie treffenden Pflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG den Antragsteller nicht in ausreichender Weise über die Auswirkungen der veränderten Teamzuordnung unterrichtet hat. Zu etwaigen Auswirkungen im abgebenden und aufnehmenden Team enthält ihre erst nach dem Teamwechsel erfolgte Unterrichtung keine Angaben.

3. Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nicht. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Es wurde in tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts anhand der höchstrichterlichen Grundsätze das Vorliegen einer Versetzung geprüft.

Vorschriften§ 101 Satz 1 BetrVG, § 99 Abs. 1 BetrVG, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 87 Abs. 2 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, § 101 BetrVG, § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 81 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 95 Abs. 3 BetrVG