Urteil vom 26.04.2022 · IWW-Abrufnummer 236337
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 2 Sa 279/21
1. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt.
2. Die bloße Ankündigung, sich krankschreiben zu lassen, stellt keinen Kündigungsgrund dar, wenn es sich dabei auch um den Hinweis auf ein rechtmäßiges Verhalten handeln kann ( LAG Köln, Urteil vom 26.02.1999 - 11 Sa 1216/98 - Rn. 16, juris).
Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - vom 25.10.2021 zum Az.: 12 Ca 51/21 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer für das Arbeitsverhältnis der Parteien seitens der Arbeitgeberin ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung sowie um Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug.
Der Kläger war seit dem 14.09.2020 gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Anlage K1, Blatt 13 ff. der Akte) bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatslohn von 2.100,00 Euro sowie 10,00 Euro Anwesenheitsgeld pro Werktag tätig.
Am 20.05.2021 teilte der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten mündlich mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen. Mit der Beklagten wohl am 25.05.2021 zugegangenem Schreiben kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2021. Noch am Tag des Zugangs der Kündigung haben sich die Parteien telefonisch darüber verständigt, dass der Kläger in der letzten Woche des Arbeitsverhältnisses die ihm noch zustehende eine Woche Urlaub in Anspruch nehme und bis dahin weiterfahre. Zeitpunkt und Inhalt eines weiteren zwischen den Parteien geführten Telefonates sind streitig. Am 28.05.2021, einem Freitag, um zirka 19:30 Uhr stellte der Kläger den Lkw auf dem Betriebsgelände der Beklagten ab, legte Papiere und Schlüssel in das entsprechende Fach und las die Fahrerkarte aus.
Mit Schreiben vom 28.05.2021, dem Kläger am 29.05.2021 um zirka 08:00 Uhr, 08:30 Uhr zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Sie rechnete die klägerische Vergütung bis einschließlich 28.05.2021 in Höhe von 1.960,00 Euro brutto zuzüglich Anwesenheitsgeld und Urlaubsabgeltung ab.
Mit der vorab per Fax am 09.06.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2021 gewandt und mit Klageerweiterung vom 27.09.2021 einen Zahlungsanspruch in Höhe von 2.470,00 Euro brutto geltend gemacht.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam. Insbesondere habe er keine Krankschreibung angekündigt. Am 27.05.2021 habe es kein Telefonat zwischen den Parteien gegeben. Er sei vielmehr am 28.05.2021 durch seine Ehefrau über einen Unfall der Tochter informiert worden. Die Ehefrau habe angefragt, ob er am Montag mit der Tochter zum Arzt gehen könne, um das Ganze noch einmal von diesem abchecken zu lassen. Er habe mitgeteilt, dass er dies mit der Beklagten klären müsse, daraufhin Kontakt zu dem Geschäftsführer der Beklagten aufgenommen und diesen gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn er am Montag mit der Tochter den Arzt aufsuche und später komme. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihn angewiesen, den Lkw bei der Firma abzustellen, diesen auszuräumen, Papiere und Schlüssel zurückzugeben.
Weil die außerordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam sei, stehe ihm Vergütung aus Annahmeverzug in Höhe von 2.240,00 Euro brutto zu.
Im Juni 2021 habe er keinen anderweitigen Verdienst erzielt, vom Arbeitsamt eine Sperre erhalten, die neue Beschäftigung erst zum 01.07.2021 aufgenommen.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.06.2021 weiter fortbestand.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.240,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 140,00 Euro brutto seit dem 01.06.2021 und aus 2.100,00 Euro brutto seit dem 01.07.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung beendet. Diese sei wirksam. Der Kläger habe ihr gegenüber erklärt, dass er auf keinen Fall mehr Arbeitsleistungen für sie erbringen wolle. Er werde stattdessen einen Krankenschein einreichen. Dem Mitarbeiter H. gegenüber habe der Kläger am 28.05.2021 ebenfalls geäußert, dass er nicht mehr wiederkomme, er sich stattdessen krankschreiben lassen wolle. Dies stelle eine Arbeitsverweigerung dar. Der Kläger habe im Monat Juni 2021 für eine andere Firma Arbeitsleistungen erbracht.
Mit Urteil vom 25.10.2021 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.05.2021 nicht aufgelöst wurde, sondern bis zum 30.06.2021 fortbestand. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.240,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 140,00 Euro brutto seit dem 01.06.2021 und aus 2.100,00 Euro brutto seit dem 01.07.2021 zu zahlen.
Zur Begründung hat es angeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.05.2021 sei unwirksam, weil es an dem erforderlichen wichtigen Grund fehle. Es liege keine beharrliche Arbeitsverweigerung durch den Kläger vor, welche eine Nachhaltigkeit im Willen des Arbeitnehmers voraussetze, zumal es an einer Abmahnung mangele. Die bloße Ankündigung einer Krankschreibung bilde keine Drohung mit einer solchen, um sich Vorteile zu verschaffen und könne deshalb eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen. Schließlich sei es der Beklagten zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis nach Abwägung der gegenseitigen Interessen bis zur beabsichtigten Beendigung am 30.06.2021 fortzuführen.
Die Beklagte sei auf Grund Annahmeverzuges verpflichtet, für den Zeitraum vom 29.05.2021 bis zum 30.06.2021 Vergütung in Höhe von insgesamt 2.240,00 Euro brutto an den Kläger zu zahlen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
Gegen dieses der Beklagten am 18.11.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 10.12.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 17.01.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Dazu führt die Beklagte an, mit der Ankündigung der Krankschreibung liege eine Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Sehr wohl habe der Kläger mit der Krankschreibung gedroht. Sie - die Beklagte - habe den Kläger nicht dazu aufgefordert, den Lkw am 28.05.2021 um 19:30 Uhr in der Firma zu übergeben. Dieses sei vielmehr als Teil der Umsetzung der angekündigten Krankschreibung zu werten. Der Kläger habe am 27.05.2021 telefonisch mitgeteilt, dass er es sich entgegen des zuvor geführten Telefonates anders überlegt habe und nicht mehr Fahren wolle, das Fahrzeug, welches normalerweise bei ihm zu Hause stehe, in die Firma bringe wie auch die Fahrzeugpapiere.
Nach dem Anruf des Mitarbeiters H. am 28.05.2021 und dessen Information über die Äußerung des Klägers habe er das Kündigungsschreiben vom 28.05.2021 gefertigt und etwa um 20:00 Uhr in einen Briefkasten bei der Post in Waren an der Müritz eingeworfen. Infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 28.05.2021 bestehe kein Vergütungsanspruch für den Kläger.
Die Beklagte beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund -Kammern Neubrandenburg- vom 25. Oktober 2021, Az.: 12 Ca 51/21, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreites.
Der Kläger beantragt,
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Berufungsklägerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und hält die Berufung bereits für unzulässig, weil sie durch eine A. T. T. & L. GmbH eingereicht sei, es sich dabei jedoch nicht um die Beklagte handele.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Berufung sei zudem unbegründet. Die außerordentliche Kündigung sei mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam. Er habe immer kundgetan, dass er bis zum 30.06.2021 die Arbeit ordnungsgemäß ausführen werde. Dies habe er auch in dem Telefonat vom 28.05.2021 gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt. Der Geschäftsführer habe ihn jedoch aufgefordert, den Lkw zur Firma zu verbringen, ihn auszuräumen und nach Hause zu fahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit ihrem Zugang am 29.05.2021 beendet, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30.06.2021 fortbestand und für den Kläger der erhobene Zahlungsanspruch aus Annahmeverzug begründet ist.
I.
Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 1, 2 b, c ArbGG) und im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgemäß begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
Soweit die Beklagtenbezeichnung sowohl im Schriftsatz der Berufung wie auch in der Berufungsbegründung mit A. T. T. & L. GmbH bezeichnet ist, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, welcher der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegensteht. Aus dem gesamten Verfahren, insbesondere dem bereits mit der Berufung eingereichten Urteil, ergibt sich, welche Parteien in diesem Berufungsverfahren beteiligt sind und gegen welche Entscheidung Berufung eingelegt werden soll. Damit ist die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Bestimmtheit gegeben.
II.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2021 ist unwirksam. Das gesamte Beklagtenvorbringens als zutreffend unterstellt liegt kein klägerischen Verhalten vor, welches einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden könnte (II.,1., b).
Dem Kläger stehen damit ab dem 29.05.2021 bis zum 30.06.2021 die eingeklagten Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug nebst Zinsen zu (II., 2.).
1.
Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam, weil ein sie tragender wichtiger Grund nicht gegeben ist.
a)
Die Kündigung stellt sich nicht als von Anfang an rechtswirksam nach § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7, § 4 Satz 1 KSchG dar, weil der Kläger die maßgebliche dreiwöchige Klagefrist versäumt hätte. Der Kläger hat sich mit der am 09.06.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 28.05.2021 gewendet. Damit hat er die dreiwöchige Klagefrist gewahrt.
b)
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 01.06.2017 - 6 AZR 720/15 - Rn. 45, juris; BAG, Urteil vom 17.11.2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 20.10.2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 14, juris).
aa)
Liegt eine sogenannte beharrliche Arbeitsverweigerung vor, ist in der Regel eine außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt anzusehen. Zumindest rechtfertigt sie eine ordentliche Kündigung. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt allerdings in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Das Merkmal der Beharrlichkeit ist nur dann gegeben, wenn eine Nachhaltigkeit im Willen des Arbeitnehmers festgestellt werden kann, den sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten nicht nachkommen zu wollen. Eine solche Nachhaltigkeit kann dabei sowohl dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer wiederholt nach entsprechender Abmahnung seiner Pflicht zur Arbeitsleistung aus dem Arbeitsvertrag nicht nachkommt, als auch dann, wenn er eine einmalige Vertragsverletzung begeht, hierbei aber der nachhaltige Wille zum Ausdruck kommt, seine Pflichten nicht nachkommen zu wollen. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber vor die Alternative gestellt worden ist, entweder die Tätigkeit zu verrichten oder den Bestand des Arbeitsverhältnisses aufs Spiel zu setzen (BAG, Urteil vom 05.04.2021 - 2 AZR 580/99 - Rn. 24, juris). Das Moment der Beharrlichkeit kann auch darin zu sehen sein, dass in einem einmaligen Fall der Arbeitnehmer eine Anweisung nicht befolgt. Das muss dann aber z. B. durch eine vorhergehende, erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden. Entscheidend ist auf Grund des Prognoseprinzips, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder, ob sich das vergangene Ereignis auch künftig weiter belastend auswirkt.
Die danach erforderliche Beharrlichkeit und ein nachhaltiger Wille, seinen Pflichten nicht nachkommen zu wollen, können vorliegend für den Kläger nicht bejaht werden.
Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG, Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30, juris). Sowohl eine ordentliche wie auch eine außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Der Abmahnung darf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektivem Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 28, juris). Eine Abmahnung liegt nicht vor.
Zudem hat der Kläger vorliegend selbst nach dem Beklagtenvortrag seine Arbeit nicht verweigert. Das Vorbringen der Beklagten als zutreffend unterstellt, läge allenfalls die Ankündigung einer Arbeitsverweigerung vor. Der Kläger hat es nach dem Beklagtenvortrag nicht unterlassen, einen ihm übertragenen Arbeitsauftrag auszuführen. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass und gegebenenfalls welche konkrete Arbeitsleistung sie dem Kläger abverlangt hat, welche der Kläger sodann bewusst und nachhaltig nicht durchgeführt hätte. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, der Kläger habe angekündigt, nicht mehr zu arbeiten, sondern eine Krankschreibung einzureichen. Damit ist jedoch eine beharrliche Arbeitsverweigerung nicht gegeben. Eine außerordentliche Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung kann nur gerechtfertigt sein, wenn die Nichtleistung bewusst und nachdrücklich geschieht (BAG, Urteil vom 14.12.2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 29, juris). Dies ist bei einem einmaligen Geschehen nur dann der Fall, wenn zum Beleg der erforderlichen Nachhaltigkeit im Willen eine erfolglos gebliebene Abmahnung vorliegt (BAG, Urteil vom 05.04.2001 - 2 AZR 580/99 - Rn. 24, juris). Das Fernbleiben von der Arbeit kann nur dann, wenn es den Grad der beharrlichen Arbeitsverweigerung erreicht, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abgeben. Demgegenüber ist das Fehlen eines Arbeitnehmers an bloß einem einzigen Arbeitstag regelmäßig nicht geeignet, eine fristlose Kündigung ohne Ausspruch einer vorhergehenden Abmahnung zu rechtfertigen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2020 - 1 Sa 72/20 - Rn. 49, juris).
Der Kläger hat nicht einen einzigen Tag unentschuldigt gefehlt. Er hat nach dem Vortrag der Beklagten angekündigt, Fehlen zu wollen. Eine Abmahnung liegt nicht vor. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie dem Kläger Arbeit zugewiesen hätte, welche er nicht erbracht hätte. Von einer Arbeitsverweigerung kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden und schon gar nicht von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung.
bb)
Die außerordentliche Kündigung kann seitens der Beklagten auch nicht darauf gestützt werden, der Kläger habe angekündigt, er werde nicht mehr arbeiten, sondern eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreichen.
Zwar kann eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer versucht, einen ihm nicht zustehenden Vorteil durch eine unzulässige Drohung zu erreichen und er damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt, welche es verbietet, die andere Seite, seinen Arbeitgeber, unzulässig unter Druck zu setzen (BAG, Urteil vom 05.11.1992 - 2 AZR 147/20 - Rn. 49, juris). Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liegt jedoch in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen (BAG, Urteil vom 05.11.1992 - 2 AZR 147/92 - Rn. 49, juris). Der wichtige Grund zur Kündigung besteht hierbei in der ausdrücklich oder konkludent erklärten Bereitschaft des Arbeitnehmers, sich die begehrte Freistellung oder einen anderen ihm verweigerten Vorteil notfalls durch eine in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankt oder nicht (BAG, Urteil vom 12.03.2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 24, juris). Es ist dem Arbeitnehmer verwehrt, eine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber als "Druckmittel" einzusetzen, um den Arbeitgeber zu einem vom Arbeitnehmer gewünschten Verhalten zu veranlassen.
Die bloße Ankündigung, sich krankschreiben zu lassen, stellt hingegen noch keinen Kündigungsgrund dar, so lange es sich dabei auch um den Hinweis auf ein rechtmäßiges Verhalten handeln kann (LAG Köln, Urteil vom 26.02.1999 - 11 Sa 1216/98 - Rn. 16, juris).
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 28.05.2021 erklärt, er werde nicht mehr arbeiten, sondern sich krankschreiben lassen. Damit hat der Kläger keine Drohung ausgesprochen für den Fall, dass ihm die Beklagte einen begehrten Vorteil nicht gewährt. Der o.g. wichtige Grund zur Kündigung kann deshalb nicht darin liegen, dass ein Arbeitnehmer erklärt, er werde sich die begehrte Freistellung oder einen anderen ihm verweigerten Vorteil notfalls durch in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit verschaffen. Der Arbeitnehmer also seinen Arbeitgeber unter Druck setzt, um etwas unberechtigt zu erhalten. Diese Situation war auch nach den Schilderungen der Beklagten nicht gegeben. Sollte der Kläger jedoch tatsächlich lediglich angekündigt haben, nicht mehr zu arbeiten, sondern sich krankschreiben zu lassen, bildet allein diese Ankündigung keine Pflichtverletzung, welche zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte. Eine solche Pflichtverletzung könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Kläger selbst nach erfolgter Abmahnung weiterhin auf diese Ankündigung beharrt, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tatsächlich erschleicht oder tatsächlich beharrlich der Arbeit unentschuldigt fernbleibt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Es fehlt der Kündigung folglich an dem erforderlichen wichtigen Grund, so dass sie sich als unwirksam erweist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist damit aufgrund der Kündigung des Klägers mit Ablauf des 30.06.2021 beendet worden und bestand bis dahin unverändert fort.
2.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Vergütung für den Zeitraum vom 29.05.2021 bis zum 30.06.2021 in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe gemäß §§ 11 KSchG, 615 BGB in Verbindung mit § 611 a Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus Annahmeverzug sind erfüllt. Der Zinsanspruch folgt ebenfalls aus Verzug
a)
Die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2019 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien wie zuvor festgestellt nicht beendet. Durch den Ausspruch dieser unwirksamen Kündigung ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten. Zur Vermeidung des Annahmeverzugs hätte sie dem Kläger nach § 296 Satz 1 BGB rechtzeitig eine Arbeit zuweisen müssen. In der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt ein wörtliches Angebot des Klägers zur Erbringung der Arbeitsleistung nach § 295 BGB.
Eine Anrechnung von Zwischenverdienst nach § 11 Satz 1 Nr. 1 KSchG kommt nicht in Betracht.
§ 11 KSchG ist Lex specialis gegenüber § 615 Satz 2 BGB in dem Fall, dass eine Entscheidung des Gerichts über die Unwirksamkeit der Kündigung vorliegt (BAG, Urteil vom 24.02.2016 - 5 AZR 425/15 - Rn. 13, juris). Gemäß § 11 Satz 1 Ziffer 1 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, dasjenige anrechnen lassen, was er durch andere Arbeit verdient hat. Der Arbeitgeber ist für anspruchsmindernde Umstände wie das Vorliegen und die Höhe von Zwischenverdiensten darlegungs- und beweispflichtig. Zur Milderung dieser Lasten steht ihm in entsprechender Anwendung des § 74 c Abs. 2 HGB ein Anspruch auf Auskunft über die Höhe des vom Arbeitnehmer im Verzugszeitraum erzielten anderweitigen Verdienstes zu (BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 379/94 - Rn. 19, juris).
Den danach bestehenden Auskunftsanspruch der Beklagten hat der Kläger mit seiner zu Protokoll gegebenen Erklärung erfüllt. Der Kläger hat angegeben, dass er im Monat Juni 2021 weder Sozialleistungen bezogen noch einen anderweitigen Verdienst erzielt hat. Diesem klägerischen Vorbringen hat die Beklagte keinen substantiierten Sachvortrag entgegengehalten. Die Beklagte trägt lediglich vor, der Kläger habe bereits im Monat Juni 2021 bei einem anderen Arbeitgeber gefahren. Hierbei handelt es sich um eine pauschale Behauptung der Beklagten, welche die Beklagte zum einen nicht mit konkretem Tatsachenvorbringen unterlegt, so dass eine Beweiserhebung über das Vorliegen entscheidungserheblicher Tatsachen bereits deshalb nicht erfolgen kann. Zum anderen hat die Beklagte zudem kein Beweisangebot unterbreitet, dem durch das Gericht nachgegangen werden könnte. Die Beklagte behauptet nicht einmal direkt, dass der Kläger hier einen Verdienst erhalten habe. Der Arbeitgeber trägt jedoch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst erzielt hat (BAG, Urteil vom 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 - Rn. 33, juris).
Bereits das Auskunftsrecht setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer in dem fraglichen Zeitraum überhaupt Einkünfte erwirtschaftet hat, was der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss. Der Arbeitgeber muss zumindest substantiiert Indizien dafür im Prozess behaupten, dass der Arbeitnehmer einem anderweitigen Verdienst erzielt hat, ansonsten liegt die Gefahr eines Ausforschungsbeweises und einer unangemessenen Beweislastumkehr nahe. So liegt es hier. Die Beklagte trägt keinerlei Indizien vor, aus denen sich der Schluss ableiten ließe, der Kläger habe im Monat Juni 2021 Einnahmen erzielt. Es lässt sich damit nicht rechtfertigen, weitere Auskünfte oder gar einen Beweisantritt vom Kläger zu verlangen.
Eine Anrechnung von Zwischenverdienst scheidet danach aus.
b)
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.