Urteil vom 23.06.2022 · IWW-Abrufnummer 236545
Landesarbeitsgericht München - Aktenzeichen 3 Sa 847/21
Wiederholte Klage gegen ehemaligen Arbeitgeber, nunmehr wegen angeblicher Hemmung in der Vergangenheit fällig gewordener Ansprüche auf Überstundenvergütung und Sonntagszuschläge durch Entfristungsklage.
Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 26.11.2021 - 33 Ca 12651/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
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Der Kläger war seit dem 02.05.2019 bei der Beklagten als Seminarleiter befristet zu einer monatlichen Bruttovergütung von 3.100,00 € beschäftigt. Neben der Durchführung und Betreuung von Sprach- und Integrationskursen gehörten zu seinen Arbeitsaufgaben die Teilnahme an Teamsitzungen und die ordnungsgemäße und vollständige Abgabe von Abrechnungsunterlagen der durchgeführten Projekte und Kurse. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug 40 Stunden wöchentlich in einer Sechs-Tage-Woche, wobei sich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit nach den Kurszeiten richtete, § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags. Nach § 11 des Arbeitsvertrags mussten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform geltend gemacht und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von drei Monaten eingeklagt werden. Unberührt davon blieben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit beruhten sowie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf der vertraglichen Befristung am 30.04.2020. Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht München zum Az. 25 Ca 6071/20.
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Der Kläger machte mit Schreiben vom 16.09.2020 erfolglos die Zahlung von 564 Überstunden geltend.
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Mit Klage vom 21.10.2020 hat der Kläger seine Zahlungsansprüche auf Überstundenvergütung weiterverfolgt und auf 630 Überstunden erhöht. Der Kläger habe wöchentlich 14 Überstunden geleistet, weil er tatsächlich 54 Schulstunden im Sinne des § 19 Abs. 3 BaySchO , wonach eine Unterrichtsstunde 45 Minuten betrage, gearbeitet habe. Es sei ein Stundenlohn von 18,02 € brutto zugrunde zu legen, da die monatliche Bruttovergütung durch 172 vereinbarte monatliche Arbeitsstunden zu teilen sei. Bei 45 Wochen vom 02.05.2019 bis 16.03.2020 errechne sich ein Gesamtbetrag von 11.352,60 € brutto. Durch Klageerweiterung vom 01.02.2021 hat der Kläger diesen Betrag auf 14.037,58 € brutto erhöht. Mit Klageerweiterung vom 09.04.2021 hat der Kläger zusätzlich die Zahlung von Sonntagszuschlägen in Höhe von 100% aus dem Stundenlohn von 18,02 € brutto begehrt, weil er im Beschäftigungszeitraum an 45 Sonntagen 8 Stunden von 09:15 Uhr bis 17:15 Uhr gearbeitet habe. Die vertragliche Ausschlussfristenregelung sei nicht anwendbar. Das Gemeinschaftsrecht der EU stehe der Anwendung einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts entgegen wegen eines Zeitraums, für den ein Arbeitnehmer Anspruch auf rückständiges Arbeitsentgelt geltend machen könne, wenn dieser auf zwei Jahre vor der Einleitung des Verfahrens beschränkt werde, wenn der Arbeitgeber, wie hier, die Beklagte, dem Kläger gegenüber die Höhe des Entgelts bewusst falsch angegeben habe. Die bewusst falsche Angabe ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte im Arbeitsvertrag bei der Angabe der Arbeitszeit nicht die Vorschrift des § 19 Abs. 3 BaySchO zugrunde gelegt habe. Dadurch habe der Kläger bezüglich der Höhe des ihm zustehenden Arbeitsentgelts geirrt. Bei Berücksichtigung der im streitigen Zeitraum erbrachten 59 bzw. 55 Unterrichtseinheiten wäre das monatliche Arbeitsentgelt deutlich höher ausgefallen.
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Die Beklagte hat für ihren Klageabweisungsantrag erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass Ansprüche auf Überstundenabgeltung nicht bestünden. Der Kläger sei nicht für 40 Unterrichtseinheiten, sondern für 40 Zeitstunden eingestellt worden, wie auch seine Berechnung zu seinem üblichen Stundenlohn zeige. Der Kläger habe tatsächlich bis einschließlich 16.03.2020 wegen Wegfalls von Unterrichtseinheiten ein Stundenkontingent von 78,5 Minusstunden gehabt. Die Überstundenvergütung sei auch falsch berechnet worden und mithin der Höhe nach unbegründet. Für die Zahlung von Sonntagszuschlägen fehle es an einem Rechtsgrund und an einem substantiierten Vortrag, wann der Kläger konkret sonntags gearbeitet haben wolle.
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Jedenfalls seien alle geltend gemachten Ansprüche aufgrund der vertraglichen Ausschlussfristenregelung erloschen. Das Arbeitsverhältnis sei mit Lohnabrechnung April 2020 final abgerechnet worden, so dass das Schreiben des Klägers vom 16.09.2020 die Ausschlussfrist der ersten Stufe nicht gewahrt habe. Die vertragliche Ausschlussfristenregelung sei auch wirksam. Das Urteil des EuGH - Az. C-326/96 - in Sachen Z sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Eine Täuschung über Arbeitszeit liege nicht vor. Die bayerische Schulordnung gelte nicht für die Beklagte, die keine öffentliche Schule oder staatlich anerkannte Ersatzschule mit dem Charakter einer öffentlichen Schule sei, § 1 BaySchO . Auch eine Täuschung über das Arbeitsentgelt läge nicht vor. Aus den Kurseinteilungen bzw. Wochenplanungen hätten sich sowohl die Unterrichtseinheiten wie auch die Anzahl der Stunden ergeben. Hiernach habe der Kläger beanstandungslos gearbeitet. Die vertragliche Ausschlussfristenregelung sei auch sonst wirksam. Die Entfristungsklage des Klägers habe die Ausschlussfrist nicht wahren können, da der Kläger bis 31.03.2020 fällig gewordene Ansprüche verfolge. Die streitigen Ansprüche hingen auch nicht von dem Ausgang des Bestandsschutzverfahrens ab.
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Das Arbeitsgericht München hat die Klage durch Urteil vom 26.11.2021 - 33 Ca 12651/20 - abgewiesen. Der Anspruch auf Zahlung etwaiger Überstunden sei jedenfalls nach § 11 des Arbeitsvertrags verfallen. Der Kläger habe die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung nicht eingehalten, weil er nach Fälligkeit des jüngsten (Überstunden-)Lohnanspruchs für März 2020 am 01.04.2020 diese erst fünf Monate später mit Schreiben vom 16.09.2020 gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Sein Hinweis auf die Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht München zum Az. 20 Ca 6071/20 sei unbehelflich, weil der Beginn der Ausschlussfrist nicht vom Ausgang dieses Verfahrens abhänge. Vorliegend gehe es um rückständige Zahlungsansprüche. Die Ausschlussfrist in § 11 des Arbeitsvertrags sei auch wirksam. Es liege kein Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB vor. Der Ausschlussfrist begegneten auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken. Der EuGH habe in der Entscheidung vom 19.06.2014 - C-501/12 - unter Rn. 114 f., auf die der Kläger verwiesen habe, mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz ausdrücklich festgestellt, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen mit Unionsrecht vereinbar sei. Derartige Fristen seien nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Auch ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz bestehe nicht. Es sei Sache der nationalen Gerichte, die Angemessenheit einer Ausschlussfrist zu prüfen. Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich nicht aus dem Urteil des EuGH - C-326/96 - in Sachen Z. Es sei dort um die Frage gegangen, ob dem Arbeitgeber das Berufen auf ein Gesetz, das die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers zeitlich einschränke, verwehrt sei, wenn die verspätete Geltendmachung auf Falschangaben des Arbeitgebers zurückzuführen sei. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger die Ausschlussfrist wegen etwaiger Falschangaben der Beklagten (welche Aussagen, welche Handlungen sollten das sein?) versäumt habe. Aus diesen Gründen sei auch ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Sonntagszuschläge verfallen, die spätestens am 01.04.2020 fällig, aber erstmals mit der Klageerweiterung vom 09.04.2021, also über ein Jahr später, geltend gemacht worden seien. Eine Vorlage an den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV sei nicht veranlasst.
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Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 03.12.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.12.2021 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.03.2022 am 02.03.2022 begründet.
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Die vertragliche Ausschlussfrist sei europarechtswidrig. Solange über das Fortbestehen des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliege, seien diese europarechtswidrig. Mit der Bestandsschutzklage seien sämtliche Fristen im Hinblick auf die Geltendmachung von Forderungen gegenüber dem Beklagten ab Erhebung der Bestandsschutzklage gehemmt. Diesbezüglich könne keineswegs selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass der EuGH diese Frage identisch mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG beantworte.
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Der Kläger beantragt,
I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München Az.: 33 Ca 12651/20 vom 26.11.2021, zugestellt am 03.12.2021 wird abgeändert.
II. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 14.037,58 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
III. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 6.487,20 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Nach der Rechtsprechung des BAG wahre der Kläger mit einer Bestandsschutzklage, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedürfe, die Ausschlussfrist lediglich für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Die hier streitigen Ansprüche auf Überstundenvergütung und Sonntagszuschlägen seien gerade nicht vom Ausgang des Bestandsschutzverfahrens abhängig, weil sie bereits vorher fällig gewesen seien. Der Kläger habe nicht konkretisiert, unter welchem Gesichtspunkt die Ausschlussklausel europarechtswidrig sein solle. Eine Vorlagepflicht an den EuGH bestehe nach Art. 267 Abs. 1 AEUV nicht. Die Angemessenheitskontrolle von Ausschlussfristen sei eine Frage nationalen Rechts, die der Überprüfung des EuGH entzogen sei.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 02.03.2022 (Bl. 139 - 142 d. A.) und 09.06.2022 (Bl. 168 - 170 d. A.), die Schriftsätze der Beklagten vom 30.03.2022 (Bl. 161 - 165 d. A.) und 15.06.2022 (Bl. 171 - 173 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2022 (Bl. 174 - 178 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
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Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 66 Abs. 1 , 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519 , 520 ZPO .
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Die Berufungsbegründung reicht knapp i. S. d. § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO aus. Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung die Rechtauffassung vertreten, dass sämtliche Zahlungsansprüche aufgrund der Feststellungsklage nicht aufgrund der Ausschlussfristenregelung verfallen seien, weil die dort festgelegte Drei-Monats-Frist durch die Klageerhebung insgesamt gehemmt werde.
II.
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Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen geurteilt, dass die streitgegenständlichen Ansprüche jedenfalls aufgrund der vertraglichen Ausschlussfristenregelung in § 11 des Arbeitsvertrages erloschen sind. Hierauf wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Die Berufung des Klägers und ihre Begründung veranlassen ergänzend nachfolgende Ausführungen:
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.
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a) Der Kläger hat keine Überstunden geleistet. Arbeitsvertraglich war eine Arbeitszeit von 40 Zeitstunden und nicht von 40 Schulstunden bzw. Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten vereinbart. Dies folgt aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Regelung in § 4 des Arbeitsvertrags gemäß den für AGB geltenden Auslegungsgrundsätzen.
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aa) Danach sind allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (st. Rspr., z.B. BAG, Urteil vom 23.03.2021 - 3 AZR 99/20 - Rn. 15 m.w.N.).
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bb) Die Worte "40 Stunden wöchentlich" umfassen nach dem üblichen Sprachgebrauch eine (Zeit-) Stunde mit 60 Minuten. Anhaltspunkte dafür, damit sei eine Schulstunde bzw. eine Unterrichtseinheit gemeint sei, liegen nicht vor. Dem Arbeitsvertrag lässt sich für diese Auffassung nichts entnehmen. Auch haben die Parteien zwischen Zeitstunden und Unterrichtseinheiten differenziert und diese nicht gleichgesetzt, wie die als Anlage B4 vorgelegten Kurseinteilungen / Wochenplanungen zeigen, die die Anzahl von UE (= Unterrichtseinheiten)" in die Anzahl von Stunden umrechnen. Darüber hinaus waren dem Kläger als Aufgaben auch die Teilnahme an Teamsitzungen sowie die ordnungsgemäße und vollständige Abgabe von Abrechnungsunterlagen der durchgeführten Projekte und Kurse zugewiesen, die nicht im Intervall von Schulstunden geleistet werden. Schließlich errechnete auch der Kläger den Stundenlohn auf Basis von Zeit- und nicht Schulstunden, indem er die monatliche Vergütung von 3.100,00 € durch "172 vereinbarte, monatliche Arbeitsstunden" in der Klageschrift teilte, woraus deutlich wird, dass auch er § 4 des Arbeitsvertrags dahin versteht, dass Zeitstunden gemeint sind.
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b) Die Annahme des Klägers, mit der Ableistung von 54 Unterrichtseinheiten habe er 14 Unterrichtseinheiten bzw. Schulstunden wöchentlich zu viel geleistet, trifft daher nicht zu.
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2. Eine etwaige Überstundenvergütung und die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Sonntagszuschlägen sind jedenfalls nach der ersten Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist des § 11 des Arbeitsvertrags erloschen.
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a) Nach § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags müssen die Vertragschließenden Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform schriftlich geltend machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von drei Monaten einklagen.
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b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die monatlich fällig gewordenen Ansprüche auf Überstundenvergütung und Zahlung von Sonntagszuschlägen nicht binnen drei Monaten nach ihrer jeweiligen Fälligkeit (erstmals für Ansprüche aus Mai 2019 mit Fälligkeit 01.06.2019 bis spätestens 01.09.2019, letztmals für Ansprüche aus März 2020 mit Fälligkeit 01.04.2020 bis spätestens 01.07.2020) gegenüber der Beklagten in Textform geltend gemacht hat. Der Kläger hat Zahlung von Überstunden erstmals mit Schreiben vom 16.09.2020 teilweise und die Zahlung von Sonntagszuschlägen mit Klageerweiterung vom 09.04.2021 und damit nach Ablauf der jeweiligen Ausschlussfristen geltend gemacht.
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c) AGB-rechtliche Unwirksamkeitsgründe gegen die Ausschlussfrist hat der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
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d) Die vertragliche Ausschlussfrist ist auch nicht europarechtswidrig. Der Kläger hat Gründe hierfür nicht dargelegt.
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Wie der Kläger selbst einräumt, hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Solche Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014 - C-501/12 - Rn. 114). Dabei sind die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einschlägiger Unionsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedsstaats (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014 - C-501/12 - Rn. 112). Sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014 - C-501/12 - Rn. 112). Die hier streitige Ausschlussfristenregelung ist deshalb grundsätzlich nach den Maßstäben bundesdeutschen Rechts zu prüfen. Bedenken hat der Kläger insoweit nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
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Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Behauptung des Klägers, es ginge im vorliegenden Fall um die Frage, ob und in welchem Umfang die Erhebung der Bestandsschutzklage die vertraglichen und gesetzlichen Fristen für andere Verfahren zwischen denselben Parteien hemme. Die Frage, welche Ansprüche der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage in der ersten Stufe einer Ausschlussfrist geltend macht, ist durch das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden. Mit einer Bestandsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer gerichtlichen Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten (vgl. BAG, Urteil vom 19.09.2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14). Die Auslegung nationalen Rechts ist nicht Sache des EuGH (vgl. ErfK/Schlachter, 22. Aufl. 2022, Art. 267 AEUV, Rn. 5 m.w.N.).
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Im Übrigen geht es entgegen der Auffassung des Klägers im vorliegenden Verfahren nicht darum, "ob und in welchem Umfang die Erhebung der Bestandsschutzklage die vertraglichen oder gesetzlichen Fristen für andere Verfahren zwischen denselben Parteien hemmt.". Die streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers bis einschließlich November 2019 sind mit Ablauf der dreimonatigen Geltendmachungsfrist jeweils verfallen (§ 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags). Die Erhebung der Entfristungsklage im April 2020 müsste deshalb bewirkt haben, dass die streitgegenständlichen Ansprüche wieder entstanden sind. Wie dies rechtsdogmatisch zu begründen wäre, legt der Kläger nicht dar. Diese Annahme steht jedenfalls im Widerspruch zum Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist, den der EuGH mit dem Interesse der Rechtssicherheit begründet (vgl. oben). Sollte die Erhebung einer Bestandsschutzklage in einer nicht näher bekannten Zukunft eine vertragliche Ausschlussfrist bereits erloschener Ansprüche hemmen, käme es nie zu einer Rechtssicherheit, die die Arbeitsvertragsparteien davor schützt, zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommen zu werden.
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Warum dies europarechtlich problematisch sein sollte, legt der Kläger nicht dar. Eine Vorlage an den EuGH ist deshalb nicht veranlasst, Art. 267 AEUV .
III.
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Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO .
IV.
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Es bestand kein Grund, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG .
Rechtsmittelinstanzen:
BAG, Beschluss vom 28.10.2022 - 5 AZN 459/22
BAG, Beschluss vom 19.01.2023 - 5 AZN 657/22 (F)
BVerfG, Beschluss vom 31.03.2023 - 1 BvR 382/23