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Urteil vom 09.05.2023 · IWW-Abrufnummer 236678

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 2 Sa 167/22

Nach § 619a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist, bei dem Arbeitgeber. Das gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertretenmüssen und die Entstehung eines kausalen Schadens. Gleiches gilt für eine deliktische Haftung des Arbeitnehmers, deren Voraussetzungen (einschließlich des Verschuldens) der Arbeitgeber als Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen hat ( BAG, Urteil vom 21.05.2015 - 8 AZR 116/14 , 8 AZR 867/13 - Rn. 25, juris).


Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 22.09.2022 zum Aktenzeichen 1 Ca 568/22 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütung sowie Schadensersatz.

Der Kläger war seit dem 25.06.2021 als Restaurantfachmann zu einer jeweils am 15. des Folgemonats fällig werdenden Bruttomonatsvergütung von 1.800,00 € beschäftigt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.03.2022 zum 15.04.2022. Mit Schreiben vom 31.03.2022 sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung für das Arbeitsverhältnis der Parteien aus.

Der Kläger war bei der Beklagten für das Aufnehmen der Bestellungen von Speisen und Getränken mittels eines tragbaren Gerätes, dem sog. "Orderman", zuständig, für die Auslieferung der Bestellungen sowie das abschließende Kassieren. Im Restaurant der Beklagten sind drei Ordermangeräte vorhanden, wobei teilweise bis zu fünf Kellner gleichzeitig ihren Dienst verrichten. Jeder Kellner hat seinen persönlichen, passwortgeschützten Zugang (Account) für den Orderman. Über den Orderman ist auch die Rechnung für den Kunden abrufbar.

Mit seiner der Beklagten am 17.05.2022 zugestellten Klage vom 09.05.2022 hat der Kläger 1.800,00 € brutto Vergütung für den Monat März 2022 eingeklagt.

Die Beklagte hat hiergegen die Aufrechnung erklärt mit einem Betrag in Höhe von 772,90 €, hilfsweise eine Widerklage zur Verurteilung des Klägers zur Zahlung dieses Betrages erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.800,00 € brutto aus dem Monat März 2022 sei nicht infolge Aufrechnung erloschen, weil der Beklagten keinerlei Forderung zustehe, mit welcher sie gegen seine Forderung aufrechnen könne. Aus diesem Grunde könne auch die hilfsweise erhobene Widerklage keinen Erfolg haben.

Soweit die Beklagte ihm vorwerfe, ihr durch Unterschlagungen einen Schaden verursacht zu haben, handele es sich um haltlose Mutmaßungen und Unterstellungen. Wenn sich die Beklagte auf Daten des Ordermans beziehe, sei zu berücksichtigen, dass sich auch andere Mitarbeiter mit seinem Account hätten einloggen können. Soweit ihm eine Tathandlung am 22.03.2022 um 14:40 Uhr vorgeworfen werde, sei er zu diesem Zeitpunkt nicht mit seinem Account in den Orderman eingeloggt gewesen, sondern habe seinen Dienst erst ab 16 Uhr angetreten.

Er habe keine Beträge für sich vereinnahmt. Gelegentliches Stornieren einer Bestellung sei ein normaler Arbeitsvorgang, für den es verschiedene Ursachen gebe.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2022 ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.800,00 € brutto zzgl. 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz liegende Zinsen seit dem 16.04.2022 zu zahlen, die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage abzuweisen.

"Hilfsweise zur Klageabweisung":

Der Kläger wird verurteilt an die Beklagte einen Schadensersatz in Höhe von 772,90 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die klägerische Vergütungsforderung sei in Höhe von 772,90 € infolge Aufrechnung erloschen. Ihr stehe in dieser Höhe ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zu. Der Kläger habe Gelder im Zeitraum seiner Beschäftigung unberechtigt für sich vereinnahmt. In 98 Fällen habe er Unterschlagungen durchgeführt, indem er bei Gästen zunächst die Getränkebestellung aufgenommen, diese jedoch nicht in den Orderman eingebucht habe. Essensbestellungen habe er hingegen ordnungsgemäß eingegeben. Die Getränke seien ausgeliefert worden. Vor dem Kassieren habe er die Gäste gefragt, ob sie bar zahlen würden und eine Rechnung benötigten. Wenn der Gast eine Barzahlung ohne Rechnung angekündigt hatte, habe er Getränke kurz in den Orderman eingebucht, den Gästen die gesamte Rechnungssumme gezeigt und diesen Betrag abkassiert. Die Getränke habe er sodann wieder im Orderman storniert und die sich in Höhe der Getränkekosten ergebenden Differenzen in die eigene Tasche gesteckt. Zum Beleg ihres Vortrages hat die Beklagte für den Zeitraum August 2021 bis März 2022 bestimmte Daten benannt, an denen bestimmte Getränke durch den Kläger abkassiert worden sein sollen und der Kläger sich die dafür entrichtete Geldleistung in die eigene Tasche gesteckt haben soll. Zum weiteren Beleg hat die Beklagte Ausdrucke von Kassenjournalen für die jeweiligen Bestellungen und Kassiervorgänge zur Akte gereicht. Wegen des Inhalts der Kassenjournale wird ausdrücklich auf Blatt 55 ff. d.A. verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, die Widerklage als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der unstreitig in Höhe von 1.800,00 € brutto entstandene Vergütungsanspruch des Klägers sei nicht infolge Aufrechnung um den Betrag in Höhe von 772,90 € erloschen, denn die insoweit durch die Beklagte erklärte Aufrechnung sei mangels Anspruchs, mit dem gegen den Vergütungsanspruch aufgerechnet werden könnte, nicht erfolgreich. Für die Beklagte sei ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB nicht gegeben, weil die insoweit erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Beklagte habe sich auf Kassenjournale bezogen, welche ausschließlich für die Tätigkeit des Klägers gelten sollen und welche Getränkebuchungen und entsprechende Stornierungen aufweisen. Der von der Beklagten aus diesen Tatsachen gezogene Schluss, der Kläger habe zu ihren Lasten Unterschlagungen begangen, sei jedoch unberechtigt, da die vorliegende Tatsachengrundlage mangels Vorliegens weitergehender Tatsachen und Indizien nicht geeignet sei, eine Unterschlagungshandlung begründen zu können. Es fehle jedoch nicht nur an der erforderlichen unerlaubten Handlung des Klägers, sondern es könne zudem ein aufgrund dieser Handlung bei der Beklagten entstandener Schaden nicht festgestellt werden. So sei auch denkbar, dass der Kläger im Falle des Vorliegens einer unerlaubten Handlung einen Schaden zu Lasten des jeweiligen Gastes verursacht haben könnte. Denkbar sei, dass der Kläger möglicherweise kurz vor dem Kassiervorgang ein Getränk hinzugebucht, dann dem Gast die leicht erhöhte Gesamtsumme gezeigt habe, um diese zu kassieren, und nach der Kassierung die unberechtigte Buchung wieder storniert habe, um den beim Gast unberechtigt kassierten Betrag für sich selbst zu vereinnahmen. Es habe angesichts des klägerischen Bestreitens ein konkreter Vortrag zu Geldfluss und tatsächlichem Ausliefern der Getränke für jeden von der Beklagten vorgehaltenen Einzelfall erfolgen müssen.

Die zulässige Hilfswiderklage sei unbegründet, weil ein Schadensersatzanspruch der Beklagten - wie dargelegt - nicht bestehe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 24.10.2022 zugestellte Urteil mit am 22.11.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.01.2023 mit am 26.01.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Hierzu führt die Beklagte aus, sie bleibe weiterhin bei dem Beweisantritt bzgl. einer Vernehmung des Zeugen C. B., dem nach ihrer Ansicht aus unerklärlichen Gründen durch das erstinstanzliche Gericht nicht nachgekommen worden sei.

Die Beklagte trägt vor, in ihrem Betrieb gebe es die zwingende Vorgabe, dass jeder einzelne Kellner sich mit seinem geheimen Passwort für seine Tätigkeit in den Orderman einlogge. Es sei gelogen, wenn behauptet werde, verschiedene Personen würden unter ein und derselben Kennung mit dem jeweiligen Orderman arbeiten. In Wirklichkeit erfolge erst der Barkassierungsvorgang der vollständigen Bestellung beim Gast, die erst unmittelbar vor dem Kassiervorgang durch Hinzufügen der ausgelieferten Getränke vervollständigt wurde. Dann werde der Barbetrag persönlich durch den Kläger vereinnahmt. Sodann erfolge die Stornierung eines Teils der Getränke und erst dann werde, wie später buchhalterisch ersichtlich, nach heruntersetzen des Endbetrages durch die Manipulation dieser Betrag als vermeintliche Kassierung am Kunden buchhalterisch nachträglich festgehalten. Es sei unter Zeugenbeweis gestellt worden, dass sämtliche ausgewiesene Vorgänge dem Kläger zuzuordnen seien. Das erstinstanzliche Gericht stelle mit seiner Entscheidung vollkommen lebensfremd und auch über das juristisch erforderliche Maß hinausgehend Anforderungen auf, die in gar keinem Falle jemals für irgendjemanden erfüllbar wären. Dennoch sei aufgrund des Vorliegens der tatsächlichen Beweise die Vorgehensweise des Klägers nachvollziehbar. Dieser habe Dritten gegenüber, insbesondere auch dem benannten Zeugen B. gegenüber, seine Vorgehensweise geschildert, Verfehlungen zugegeben und sogar versucht, diesen in seine Vorgänge einzubinden. Wenn denn genau diese Abläufe sich aus den Journalen nachvollziehen ließen, sei es aus ihrer Sicht mehr als nur überzogen, ihr aufgeben zu wollen, den Nachweis zu führen, dass der Kläger das Geld vom Gast vereinnahmt habe. Genauso realitätsfern sei die Aufforderung dahingehend, man müsse das Verschwinden einzelner Getränke anhand der Warenmenge oder Ähnlichem nachweisen. Das seien völlig überspitzte Erfordernisse, die es allerdings im konkreten Fall für die Tatnachweisführung nicht wirklich brauche. Der generelle Ablauf sei nun einmal der, dass zunächst die Getränkebestellung aufgenommen werde in Verbindung mit dem Überreichen der Speisekarten und erst im Nachgang die Speisenbestellung erfolge. Es gebe daher keine Veranlassung, die Getränke erstmalig überhaupt mit dem Kassiervorgang einzubuchen.

Ganz besonders beachtenswert sei die ernsthafte Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts dahingehend, dass es sich hier seitens des Handeln des Klägers ja auch nur um "einen Betrug am Gast" gehandelt haben könnte. Das wäre wohl eine Verhaltensweise, die in jedem Einzelfall die unmittelbare Gefahr der Aufdeckung und in diversen Fällen zu Konflikten mit den Gästen geführt haben müsste und dann längst irgendwo aufgefallen wäre. Es könne nicht Aufgabe des erstinstanzlichen Gerichts sein, noch abstrusere Handlungsvarianten und Ausreden zu erfinden, die den Kläger und seine Handlungsweisen entlasten sollen, indem er den Betrug an anderen begangen haben könnte, was allerdings rein tatsächlich nie praktisch in der Masse konfliktfrei realisierbar gewesen wäre.

Aus welchen Gründen das erstinstanzliche Gericht es in überhaupt keiner Weise für notwendig erachtet habe, den Zeugen B. wenigstens einmal zu hören, um festzustellen, ob der Kläger, wie vorgetragen, diese Vorgehensweise von seiner Schichtleiterin so "beigebracht" bekommen und dieses auch selbst so vollzogen und an Dritte seine Kenntnisse zum Zwecke der Mitwirkung weitergegeben habe, erschließe sich nicht. Stattdessen erfinde das erstinstanzliche Gericht noch neue weitere realitätsferne Ausreden für den Täter, statt den Zeugen zu hören, der die Taten bestätigen könne.

Im Übrigen sei im Nachgang festgestellt worden, dass der Kläger auch Wege gefunden habe, nicht nur bei der Barzahlung, sondern auch bei einer EC-Kartenbuchung zu manipulieren. Wenn plötzlich bei einer Restaurantrechnung von ca. 40,00 € 25,00 € Trinkgeld flössen, die wiederum in der Tasche des Klägers landeten, dann habe er eben damit auch einen Weg bei dieser Zahlungsweise gefunden, diese Manipulation in diesen Fällen durchzuführen.

Angesichts der Tatsache, dass eine Aufrechnung aufgrund der gesetzlich bestehenden Pfändungsfreigrenzen der Beklagten verweigert werde, sei die Berufung insoweit auf die Widerklage beschränkt.

Die Beklagte beantragt:

Der Kläger und Berufungsbeklagte wird unter diesbezüglicher Teilaufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock zum Az. 1 Ca 568/22 vom 22.09.2022 verurteilt, an die Beklagte und Berufungsklägerin einen Schadensersatz in Höhe von 772,90 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist darauf, dass die Beklagte für sämtliche Voraussetzungen des von ihr behaupteten Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweispflichtig sei und insoweit auch für die Tatsache, dass die jeweils stornierten Getränke auch tatsächlich an die Gäste ausgeschenkt worden seien. Dies bestreite er ausdrücklich. Er habe kein ihm nicht zustehendes Geld in seine eigene Tasche gesteckt. Der Kläger trägt vor, wenn es die Arbeitsanweisung gegeben haben sollte, mit persönlichen, geheimen Passwörtern zu arbeiten, so habe sich niemand daran gehalten. Er habe unter dem Passwort 1301, welches für alle anderen Mitarbeiter deutlich sichtbar auf dem Monitor über seinem Namen ablesbar gewesen sei, gearbeitet. Er müsse deshalb weiter bestreiten, dass die vorgelegten Journale von ihm durchgeführte Kassiervorgänge belegten.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die streitbefangene erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Widerklage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht für den Monat März 2022 unstreitig ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.800,00 € brutto zu. Dieser ist nicht infolge Aufrechnung erloschen. Der mit der Widerklage durch die Beklagte erhobene Zahlungsanspruch auf Schadensersatz besteht nicht.

I.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2b) ArbGG statthaft, form- und fristgemäß eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) und damit zulässig.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht der Klage mit zutreffender Begründung stattgegeben und die Widerklage ebenso mit zutreffender Begründung abgewiesen hat.

1.

Dem Kläger steht gemäß § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag für den Monat März 2022 unstreitig ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.800,00 € brutto zu.

Dieser ist nicht infolge Aufrechnung gemäß § 389 BGB in Höhe von 772,90 € erloschen. Ungeachtet der Pfändbarkeit bzw. des Ausschlusses der Aufrechnung scheitert die Aufrechnung bereits daran, dass es sich bei der Klageforderung um einen Bruttobetrag handelt, während die zur Aufrechnung gestellte Summe einen "Nettobetrag" bildet und eine Aufrechnung mit einer Netto- gegen eine Bruttoforderung unmöglich ist.

Aufgerechnet werden kann nämlich nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG, Urteil vom 20.06.2018 - 5 AZR 262/17 - Rn. 44, m.w.N., juris).

Der Klage war somit stattzugeben.

2.

Die erhobene Widerklage ist nicht begründet, weil es an dem mit ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch fehlt. Das Arbeitsgericht hat bereits das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs mit zutreffender Begründung verneint. Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, an dieser Wertung etwas zu ändern.

Die Beklagte hat nicht darzustellen vermocht, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB, aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 StGB erfüllt sind.

Nach § 619a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet ist, bei der Beklagten. Das gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertretenmüssen des Klägers und die Entstehung eines kausalen Schadens bei der Beklagten. Gleiches gilt für eine deliktische Haftung des Arbeitnehmers, deren Voraussetzungen (einschließlich des Verschuldens) der Arbeitgeber als Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen hat (BAG, Urteil vom 21.05.2015 - 8 AZR 116/14, 8 AZR 867/13 - Rn. 25, juris).

Die vertragliche Haftung setzt eine Pflichtwidrigkeit des Klägers voraus, die zu einem adäquat kausalen Schaden bei der Beklagten geführt hat. Für eine deliktische Haftung bedarf es einer unerlaubten Handlung des Klägers, auf welcher ein der Beklagten entstandener adäquat kausaler Schaden beruht.

Die Voraussetzungen einer vertraglichen oder deliktischen Haftung des Klägers sind auch zweitinstanzlich nicht dargelegt.

Die Beklagte hat bereits keine objektive Pflichtverletzung bzw. unerlaubte Handlung des Klägers schlüssig behauptet. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass irgendein Fehlbestand bei der Beklagten auf ein Verhalten bzw. Unterlassen des Klägers zurückgeführt werden kann. Soweit die Beklagte dargestellt hat, der Kläger habe grundsätzlich die Getränke vor dem Kassieren gebucht, sofern eine Barzahlung erfolgen sollte und der Kunde nicht auf einer Rechnung bestanden hat, wird dieses durch die seitens der Beklagten vorgelegten Kassenjournale nicht belegt. In diesen finden sich vielmehr zahlreiche Getränkebestellungen vor den Speisenbestellungen, so dass bereits aus diesem Grunde die zur Akte gereichten Journale nicht geeignet sind, zu belegen, dass der Kläger in den von der Beklagten behaupteten 98 Fällen grundsätzlich die Getränkebestellung nicht vor der Speisenbestellung aufgenommen hat.

Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die Kassenjournale davon ausgeht, dass nach diesen Kassenjournalen stornierte Getränke Gegenstand einer klägerischen Pflichtverletzung sein sollen, ist es der Beklagten nicht gelungen, dieses nachzuweisen. Die tatsächlichen Gründe, weshalb die Stornierung jeweils erfolgt ist, lassen sich nicht rekonstruieren. Insoweit weist die erste Instanz berechtigt darauf hin, dass Stornierungen vielfältige Ursachen haben können. Der Beklagten ist es bereits nicht gelungen, darzulegen, dass mit der Stornierung eine Pflichtverletzung des Klägers vorliegt. Das wäre nur dann der Fall, wenn für jede einzelne der von der Beklagten angeführten Stornierungen festgestellt werden könnte, dass sie unberechtigt geschah und gerade der Kläger pflichtwidrig gehandelt hat. Ein Schadensersatzanspruch lässt sich nicht auf einen mehr oder weniger dringenden Verdacht einer Pflichtverletzung stützen. Es ist dafür vielmehr der konkrete Nachweis einer bestimmten Pflichtverletzung erforderlich. Daran fehlt es vorliegend. Es kann deshalb bereits die Pflichtwidrigkeit der von der Beklagten angesprochenen Stornierungen nicht festgestellt werden. Dass die jeweiligen nach den Kassenjournalen getätigten Eingaben tatsächlich vom Kläger stammen hat die Beklagte zwar pauschal behauptet, für diese Behauptung jedoch keinen geeigneten Beweisantritt geliefert. Soweit die Beklagte Zeugenbeweis angetreten hat, ist diesem Beweisantritt nicht zu entnehmen, welche zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort durch den Zeugen erfolgte Wahrnehmung mit der Zeugenvernahme Bestätigung erhalten soll. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen ein Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat eine Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben. Ein angeblich übergangener Beweisantritt muss auch zulässig sein. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich (BAG, Urteil vom 12.07.2007 - 2 AZR 722/05 - Rn. 16, juris).

Soweit es um unter einem bestimmten Account erfolgte Eingaben geht, ist damit der Nachweis, dass der Kläger gehandelt hat, nicht erbracht. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch setzt jedoch eine eindeutige Pflichtverletzung des Vertragspartners voraus. Daran fehlt es vorliegend, so dass ein Schadensersatzanspruch bereits aus diesem Grunde ausscheidet.

Soweit die Beklagte eine unterlassene Vernehmung des von ihr angebotenen Zeugen B. rügt, ist das Arbeitsgericht diesem Beweisantritt zu Recht nicht gefolgt, weil dies ebenfalls auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen wäre und der Beweisantritt zudem ungeeignet ist, die einzelnen von der Beklagten als pflichtwidrig bezeichneten Stornierungen als klägerische Handlungen nachzuweisen. Allein hierauf kommt es vorliegend jedoch an, nicht darauf, welche von der Beklagten im Einzelnen nicht substantiierte Äußerungen der Kläger getätigt haben soll.

Im Weiteren ist es der Beklagten zudem nicht gelungen, einen aufgrund einer klägerischen Pflichtverletzung entstandenen adäquat kausalen Schaden zu belegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es - worauf bereits das Arbeitsgericht in zutreffender Weise hingewiesen hat - für denjenigen, der einen Schadensersatzanspruch geltend macht, erforderlich, dass er das Entstehen eines Schadens und dessen Umfang im Einzelnen belegt. Es geht insoweit nicht - wie die Beklagte meint - um einen Tatnachweis, sondern um die Ersatzpflicht für einen eingetretenen Schaden, der tatsächlich bei der Beklagten und nicht etwa bei anderen Personen eingetreten sein muss, damit sie Ersatz verlangen darf, und dessen Höhe eindeutig bestimmbar ist. Dazu hat die Beklagte jedoch ebenfalls keinen konkreten Tatsachenvortrag gebracht. Es ist nicht erkennbar, worin ihr Schaden tatsächlich bestehen soll. Insoweit hat bereits das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich ist, dass ein fehlender Bestand an Getränken aufgetreten ist oder ein fehlender Kassenbestand vorliegt oder gar nichts von beiden, sondern möglicherweise ein Schaden nicht bei der Beklagten entstanden ist, sondern bei dem Gast oder bei niemandem. Soweit die Beklagte sich darüber empört, dass ein zu einem Schaden bei dem Gast führendes Vorgehen wohl zu mehreren Streitfällen geführt hätte, ist dies nicht zwingend. Sollte ein Gast vielmehr im Zuge des Abkassierens bemerken, dass ein Fehler unterlaufen ist, wird er dies üblicherweise sofort gegenüber der kassierenden Kraft monieren. Die Servicekraft wird den Fehler daraufhin sofort korrigieren und sich entschuldigen und die Angelegenheit wird damit bereinigt sein. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen in derartigen Fällen noch Beschwerden an die Beklagte herangetragen werden sollten.

Objektive Tatsachen dafür, dass der Kläger den Straftatbestand der Unterschlagung verwirklicht hat, hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.

Soweit sich die Beklagte auf die dargestellten Getränke bezieht, behauptet sie zwar pauschal, der Kläger habe sich Barbeträge unberechtigt einverleibt, irgendwelche konkreten Geschehensabläufe, wann dies auf welche Art und Weise geschehen sein soll, stellt die Beklagte jedoch nicht dar. Im Hinblick auf die zum Beleg eingereichten Kassenjournale ist darauf zu verweisen, dass diese zahlreiche Kartenzahlungen enthalten und der von der Beklagten geschilderte Fall der Barzahlung somit bereits nicht vorliegt. So betreffen 25 Fälle der eingereichten Kassenjournale Kartenzahlungen, in einem Fall eines Kassenjournals, nämlich den mit der Nummer 31, ist die Rechnung auf das "Zimmer" gegangen. Es ist in diesen Fällen bereits nicht nachvollziehbar, auf welche Art und Weise der Kläger sich hier Barbeträge einverleibt haben kann. Soweit die Beklagte darauf verweist, der Kläger habe auch im Fall der Kartenzahlung einen Weg gefunden, Beträge sich zu vereinnahmen, bleibt sie mit dieser pauschalen Behauptung im Raum, ist nicht in der Lage, dies durch irgendwelchen konkreten Tatsachenvortrag zu untermauern.

Die Beklagte hat damit auch im Berufungsverfahren nicht ansatzweise plausibel dargetan, dass ihr tatsächlich ein Schaden im Zeitraum der Beschäftigung des Klägers entstanden ist und dieser einen Wert in Höhe von 772,90 € aufweist. Der Vortrag der Beklagten ist vielmehr nicht geeignet, den Eintritt eines Schadens darzulegen, den der Kläger im Sinne adäquater Kausalität verursacht haben kann. Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten kommt somit unter keinerlei Gesichtspunkt in Betracht.

3.

Der Kläger hat Anspruch auf Verzugszinsen nach §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist folglich zutreffend erfolgt. Die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil war zurückzuweisen.

III.

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Vorschriften§ 823 Abs. 1 BGB, § 64 Abs. 1, Abs. 2b) ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 611a Abs. 2 BGB, § 389 BGB, § 322 Abs. 2 ZPO, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB, § 823 Abs. 2 BGB, § 246 StGB, § 619a BGB, § 280 Abs. 1 BGB, § 373 ZPO, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG