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Urteil vom 15.07.2022 · IWW-Abrufnummer 236707

Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 8 Sa 894/21

Eine Vorbildung, die zu erwerben deutlich mehr als sechs Wochen in Anspruch nimmt und die im Anforderungsprofil vorausgesetzt wird (hier Fremdsprachenkenntnisse), führt zu einer Heraushebung der maßgeblichen Tätigkeiten aus den in der Entgeltgruppe 2 TVöD-V VKA definierten "einfachen Tätigkeiten", die eine solche Vorbildung nicht erfordern.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2021 ‒ Az.: 24 Ca 1257/20 ‒wird dieses abgeändert und die Beklagte verurteilt,

an den Kläger 4.973,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus

172,26 € ab 01.04.2019, aus 171,10 € ab 01.05.2019, aus

171,10 € ab 01.06.2019, aus 171,10 € ab 01.07.2019, aus

171,10 € ab 01.08.2019, aus 171,10 € ab 01.09.2019, aus

171,10 € ab 01.10.2019, aus 171,10 € ab 01.11.2019, aus

117,10 C ab 01.12.2019, aus 171,10 € ab 01.01.2020, aus

171,10 € ab 01.02.2020, aus 171,10 € ab 01.03.2020, aus

170,69 € ab 01.04.2020, aus 135,67 € ab 01.05.2020, aus

65,39 € ab 01.06.2020, aus 47,66 € ab 01.07.2020, aus

79,28€ ab 01.08.2020, aus 109,60 € ab 01.09.2020, aus

74,61 € ab 01.10.2020, aus 57,62 € ab 01.11.2020, aus 53,66

€ ab 01.12.2020, aus 83,30 € ab 01.01.2021, aus 106,67 € ab

01.02.2021, aus 54,24 € ab 01.03.2021, aus 61,44 € ab

01.04.2021, aus 81,25 e ab 01.05.2021, aus 94,24 € ab

01.06.2021, aus 85,90 € ab 01.07.2021, aus 80,52 € ab

01.08.2021, aus 184,69 € ab 01.09.2021, aus 95,37 € ab

01.10.2021, aus 85,02 € ab 01.11.2021, aus 93,05 € ab

01.12.2021, aus 169,17 € ab 01.01.2022, aus 157,48 € ab

01.02.2022, aus 142,66 € ab 01.03.2022, aus 154,50 € ab

01.04.2022, aus 197,48 € ab 01.05.2022 und aus 197,48 € ab

01.06.2022

zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.06.2022 ein Tabellenentgelt der Entgeltgruppe EG 3 Stufe 4 der Entgelttabelle TVöD-V VKA (und für den Zeitraum bis maximal 30. September 2023 in Verbindung mit der Anlage A des Notlagentarifvertrages für den Dienstleistungsbereich der Flughäfen vom 1. Dezember 2020) zu zahlen und die jeweiligen monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge jeweils ab dem auf den Tag der jeweiligen Fälligkeit folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

In der Sache streiten die Parteien über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und Differenzlohnansprüche.

Der 1959 geborene Kläger ist seit dem 22. Juni 2015 als Service Agent auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 19. Mai 2015 für die Beklagte in Vollzeit tätig. Seine monatliche Vergütung belief sich bei Klageeingang in der ersten Instanz auf 2.366,14 € brutto.

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der A AG und der B AG. Sie ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband e.V.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Verwaltung (TVöD-V VKA) kraft beidseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung. Dessen Eingruppierungsmerkmale gelten.

Die aufeinander aufbauenden Entgeltgruppen 1 bis 4 TVöD-V VKA haben den folgenden Wortlaut:

„Entgeltgruppe 1

Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten, z.B.

· Essens- und Getränkeausgeber/innen · Garderobenpersonal · spülen und Gemüse putzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich · Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks · Wärter/innen von Bedürfnisanstalten · Servierer/innen · Hausarbeiter/innen · Hausgehilfe/Hausgehilfin · Bote/Botin (ohne Aufsichtsfunktion).

Ergänzungen können durch landesbezirklichen Tarifvertrag geregelt werden.

Entgeltgruppe 2

Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten (einfache Tätigkeiten sind Tätigkeiten, die keine Vor-oder Ausbildung, aber eine fachliche Einarbeitung erfordern, die über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht. Einarbeitung dient dem Erwerb derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Beherrschung der Arbeitsabläufe als solche erforderlich sind.)

Entgeltgruppe 3

Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 2 heraushebt, dass sie eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert.

Entgeltgruppe 4

1. Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 3 heraushebt, dass sie mindestens zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordert.

(Gründliche Fachkenntnisse erfordern nähere Kenntnis von Rechtsvorschriften oder näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen u.s.w. des Aufgabenkreises.)

2. Beschäftigte mit schwierigen Tätigkeiten (schwierige Tätigkeiten sind Tätigkeiten, die mehr als eine eingehende fachliche Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 3 erfordern. Danach müssen Tätigkeiten anfallen, die an das Überlegungsvermögen oder das fachliche Geschick Anforderungen stellen, die über das Maß dessen hinausgehen, was üblicherweise von Beschäftigten der Entgeltgruppe 3 verlangt werden kann.)“

Der Kläger wird von der Beklagten als Service Agent beschäftigt. Deren Aufgabe ist es vom Grundsatz her, behinderten, gesundheitlich (mobilitäts-)eingeschränkten und älteren Fluggästen sowie unbegleiteten Kindern eine barrierefreie Teilnahme an Flugreisen zu ermöglichen.

Gemäß Stellenbeschreibung vom 29. April 2020 obliegen dem Service Agent die nachfolgend beschriebenen Aufgaben:

Abholung/Verbringung/Begleitung von Fluggästen, die einer Assistenz/Betreuung bedürfen: · Führen von Rollstühlen in öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereichen des Flughafens C · Fahren von Elektrowagen zum Transport mehrerer mobilitätseingeschränkter Fluggäste · Unterstützung des Fluggastes bei der Gepäckaufgabe und Gepäckabholung sowie beim Transport der Gepäckstücke · Übergabe von Reisedokumenten des Betreuungsgastes an Zoll / Bundespolizei / Bording und Cabin Crew · Dokumentation der Betreuungsereignisse in firmenspezifischer Software (Handheld oder PC oder Tablet) · Kommunikation mit Vorgesetzten bei Besonderheiten im Betreuungsereignis Im Anforderungsprofil der Service Agents wird für die oben beschriebenen Tätigkeiten das Folgende vorausgesetzt: · Möglichst Berufserfahrung · Gute deutsche und englische Sprachkenntnisse, weitere Sprachen erwünscht · Eignung für Einsatz unter Zeitdruck · Wechselschichtdiensttauglichkeit · Kundenorientierung · Kontaktfähigkeit · Teamfähigkeit · Gepflegtes Äußeres · Körperliche Fitness · Pkw-Führerschein Als besondere Belastungen und anzuwendende Vorschriften bzw. Richtlinien werden die folgenden angegeben: · Allgemeiner Brandschutz gemäß Sicherheitsunterweisung; · Gesetzliche Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes; · Die Tätigkeit erfolgt im Schichtdienst. · Der/Die Stelleninhaber/-in trägt Dienstkleidung nach Vorschrift. · Der/die Stelleninhaber/-in nimmt an Mitarbeiterbesprechungen und allen für sie relevanten Qualifizierungsmaßnahmen teil.

Wegen der im Vorgehenden gemachten Angaben wird auf die Anl. B3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. August 2020 verwiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Intensität und Tiefe der erforderlichen Einarbeitung zum Service Agent unter Einbeziehung der erforderlichen besonderen und vielseitigen Fachanforderungen zeige, dass es sich bei den von ihm zu erbringenden Serviceleistungen um eine Tätigkeit handele, welche ohne eine eingehende fachliche Einarbeitung gemäß der Entgeltgruppe 3 nicht ausgeübt werden könne. Hierzu hat er behauptet, es handele sich bei der Tätigkeit eines Service Agent nicht um einen reinen Hol- und Bringdienst. Vielmehr solle der Service Agent die individuellen Bedürfnisse der Gäste erkennen und im Rahmen der Vorgaben die bestmöglichen Service- und Betreuungsschritte ergreifen. Hierfür benötige er eingehende Kenntnisse der räumlichen und funktionalen Gegebenheiten des C Flughafens, der geltenden Rechtsvorschriften, der technischen Vorschriften und der Sicherheitsvorschriften. Er müsse die Bedienung des Handheld und der Elektrowagen beherrschen. Gute Fremdsprachenkenntnisse seien unerlässlich. Darüber hinaus habe er als begleitende Betreuungsperson hilfs- und schutzbedürftiger Kunden auf sozialer, kultureller und kommunikativer Ebene (Einfühlungsvermögen, sprachliche Vielseitigkeit) allgemeine Anforderungen zu erfüllen. Die Art und Weise der Betreuung sei abhängig davon, ob gehbehinderte, hörbehinderte, sehbehinderte oder geistig behinderte Menschen den Dienst in Anspruch nähmen. Unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe müssten beachtet werden. Viele der Kunden stünden unter einer erhöhten Anspannung oder wiesen ein erhöhtes Stresslevel auf. Dies müsse in einer in der Regel fremdsprachlichen Kommunikation aufgefangen werden. Wie weitreichend die objektiven Anforderungen für die Tätigkeit des Service Agent seien, ergebe sich aus dem Handbuch „Theoriewoche“. Wegen dessen Umfangs und Inhaltes wird auf die Anl. K6 zur Klageschrift verwiesen.

Der Kläger hat weiter behauptet, die Einarbeitungsdauer, die für eine Tätigkeit als Service Agent vonnöten sei, betrage mehr als einen Monat. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den „Einarbeitungsplan neue Mitarbeiter“ verwiesen, den der Kläger als Anl. K7 seiner Klageschrift beigefügt hat. Das von der Beklagten in Bezug genommene neue Onboardingkonzept befinde sich noch in der Pilotierung.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.464,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 172,26 EUR ab 1. April 2019, aus 171,10 EUR ab 1. Mai 2019, aus 171,10 EUR ab 1. Juni 2019, aus 171,10 EUR ab 1. Juli 2019, aus 171,10 EUR ab 1. August 2019, aus 171,10 EUR ab 1. September 2019, aus 171,10 EUR ab 1. Oktober 2019, aus 171,10 EUR ab 1. November 2019, aus 171,10 EUR ab 1. Dezember 2019, aus 171,10 EUR ab 1. Januar 2020, aus 171,10 EUR ab 1. Februar 2020, aus 171,10 EUR ab 1. März 2020, aus 170,69 EUR ab 1. April 2020, aus 135,67 EUR ab 1. Mai 2020, aus 65,93 EUR ab 1. Juni 2020, aus 47,66 EUR ab 1. Juli 2020, aus 79,28 EUR ab 1. August 2020, aus 109,66 EUR ab 1. September 2020, aus 74,61 EUR ab 1. Oktober 2020, aus 57,62 EUR ab 1. November 2020, aus 53,66 EUR ab 1. Dezember 2020, aus 83,30 EUR ab 1. Januar 2021, aus 106,67 EUR ab 1. Februar 2021, aus 54,24 EUR ab 1. März 2021, aus 61,44 EUR ab 1. April 2021 und aus 109,57 EUR ab 1. Mai 2021 zu zahlen; 2. hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1., festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Mai 2021 ein Tabellenentgelt der Entgeltgruppe EG 3 Stufe 3 der Entgelttabelle TVöD-V zu zahlen und die jeweiligen monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge jeweils ab dem auf den Tag der jeweiligen Fälligkeit folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Tätigkeit eines Service Agent um eine einfache Tätigkeit handele, die weder eine Vor- noch eine Ausbildung oder eine sonstige besondere Berufserfahrung erfordere. Gefordert würden lediglich Soft Skills, wie ein gutes Einfühlungsvermögen und eine gewisse Kontaktfreudigkeit. Sie hat behauptet, es sei unzutreffend, dass ein Service Agent die in der Stellenbeschreibung aufgezählten Verordnungen, Vorschriften und Richtlinien sicher anwenden können müsse. Kenntnisse der Zollbestimmungen würden nicht benötigt. Es seien auch keine besonderen technischen Kenntnisse zur Ausübung der Tätigkeit eines Service Agent erforderlich. Die Bedienung des Handheld, des Elektrowagens und der elektrischen Schiebehilfe seien selbsterklärend. Weiter hat die Beklagte gemeint, dass die von dem Kläger genannten subjektiven Anforderungen, wie das „Einstellen auf unterschiedliche Betreuungsgäste“, selbstverständlich seien. Ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz sei gefordert, einer besonderen Ausbildung hierfür bedürfe es nicht. Ein gesunder Respekt vor den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen der zu betreuenden Fluggäste sei jedermann zuzutrauen, der sich für diesen Beruf entscheide. Auch brauche es keine Konfliktlösefähigkeiten. Service Agents müssten lediglich etwaigen emotionalen Stimmungen der Betreuungskunden adäquat und freundlich begegnen und professionell auf verschiedene emotionale Stimmungen reagieren können. Unzutreffend sei die Aussage des Klägers, es handele sich nicht nur um einen „Hol- und Bringdienst“, sondern um eine „individuell abzustimmende Betreuungstätigkeit“. Ein Service Agent treffe hinsichtlich der konkreten Betreuungstätigkeit keine eigenständigen Entscheidungen. Schließlich hat die Beklagte behauptet, dass die konkrete fachliche Einarbeitung der Service Agents grundlegend neu gestaltet und an den Grundsätzen modernen Lernens ausgerichtet worden sei. Danach finde eine fachliche Einarbeitung an maximal zehn Tagen statt. Wegen der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Konzepts wird auf die Klageerwiderung vom 11. August 2020, dort pp. 14 ff., verwiesen. Unstreitig versagte der Betriebsrat diesem Konzept seine Zustimmung. Die Betriebsparteien verständigten sich in einer Regelungsabrede Nr. 3/2020 darauf, es im Rahmen einer Pilotierung ab 1. Januar 2022 zur Anwendung zu bringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Urteil vom 7. Mai 2021 - Az.: 24 Ca 1257/20 - abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 TVöD nicht hinreichend dargelegt. Deshalb könne er auch die geltend gemachten Differenzbeträge nicht beanspruchen. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass seine Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 2 heraushebe, dass sie eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ erfordere. Die Tätigkeit des Klägers als Service Agent erfülle zwar die Anforderungen der Entgeltgruppe 2 TVöD-V, nicht jedoch jene der Entgeltgruppe 3 TVöD. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien müsse die gemäß Entgeltgruppe 3 zu bewertende Tätigkeit so beschaffen sein, dass sie ohne eine eingehende und fachliche Einarbeitung nicht ausgeübt werden könne. Dabei beziehe sich das Merkmal „eingehend“ auf die Intensität und Tiefe der erforderlichen Belehrungen, das Merkmal „fachlich“ auf deren sachlichen Gegenstand. Ein Regelzeitraum hierfür von sechs Wochen sei in Rechtsprechung und Schrifttum auf Zustimmung gestoßen. Der Kläger hätte danach konkret darlegen müssen, dass hier ausnahmsweise keine Einarbeitungszeit von etwa sechs Wochen erforderlich sei oder aber tatsächlich eine Einarbeitungszeit von etwa sechs Wochen erforderlich wäre. Beides habe er jedoch nicht getan. Sein Vortrag bestehe in weiten Teilen aus einer inhaltlich beschreibenden Darstellung seiner Tätigkeit sowie den objektiven und besonderen subjektiven Anforderungen, welche diese mit sich bringe. Hinsichtlich der Einarbeitungsdauer habe der Kläger unter Verweis auf die streitgegenständliche Anl. K7 behauptet, diese betrage einen Monat. Er sei der Auffassung, für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 2 genügten zwei bis vier Wochen. Dem könne nicht gefolgt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Urteilsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihm am 25. Juni 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Juli 2021 bei dem hessischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 24. September 2021 am 22. September 2021 begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, das erstinstanzliche Gericht sei rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, dass seine Tätigkeit als Service Agent nicht die Anforderungen der Entgeltgruppe 3 TVöD-V VKA erfülle.

Rechtsfehlerhaft sei das erstinstanzliche Gericht für das tarifliche Tätigkeitsmerkmal „eingehende fachliche Einarbeitung“ von einem starren und zwingend erforderlichen sechswöchigen „Regelzeitraum“ ausgegangen. Das Bundesarbeitsgericht spreche in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2006, Az.: 4 AZR 534/05, aber lediglich von einem möglichen Anhaltspunkt für die regelmäßige Dauer. Darüber hinaus habe das Vordergericht eine tarifvertragsübergreifende Auslegung vorgenommen. Dies sei rechtsfehlerhaft. Zur Auslegung eines Tarifvertrages könnten andere Tarifverträge nur unter besonderen Umständen herangezogen werden.

Die Entgeltgruppen 2, 3, 4 und 5 der Entgeltordnung des TVöD-V VKA bauten aufgrund der Tätigkeitsmerkmale aufeinander auf. Für die Entgeltgruppe 2 werde „keine Vor- oder Ausbildung“, aber „eine fachliche Einarbeitung“ gefordert, die „über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht“. Genaue zeitliche Grenzen zu den Begrifflichkeiten „Einweisung“, „Anlernung“ und „Einarbeitung“ der Entgeltgruppen 1 bis 3 ließen sich aus der Entgeltordnung zum TVöD-V VKA nicht entnehmen. Konkret auf den vorliegenden Sachverhalt passende Beispiele seien in der Rechtsprechung nicht zu finden

Die von dem erstinstanzlichen Gericht dargestellten auszuübenden Tätigkeiten eines Service Agent seien stark verkürzt erfolgt. Ein Service Agent erbringe eine Betreuungsdienstleistung, insbesondere für ältere, mobilitätseingeschränkte oder behinderte Fluggäste sowie für allein reisende Kinder und andere Fluggäste, die eine Begleitung benötigten. Die Gesamtheit der zahlreichen und vielgestaltigen Tätigkeiten und Aufgaben eines Service Agent ergebe sich aus dem Betriebshandbuch der Beklagten. Wegen dessen Inhaltes wird auf die Anl. KB1 zur Berufungsbegründung verwiesen.

Die Auffassung des Schrifttums, dass für die Entgeltgruppe 3 eine Einarbeitung in der Regel von zwei bis vier Wochen ausreichend sei, sei zutreffend. Dies stehe nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 1. Juli 2009, Az.: 4 ABR 18/08, das bei einer zweiwöchigen Einarbeitungszeit an einer Kleinteilemangelmaschine die Entgeltgruppe 2 angenommen habe. Es sei zu berücksichtigen, dass die Betreuung hilfs- und schutzbedürftiger Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen am Großflughafen C mit der besonderen Herausforderung verschiedener Sprachen sowie kultureller und religiöser Hintergründe unter zeitgleicher Bedienung von sehr unterschiedlichen technischen und nicht-technischen Arbeitsmitteln nicht ansatzweise vergleichbar sei mit der Tätigkeit von Beschäftigten in einer Wäscherei an einem Maschinensystem.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2021 ‒ Az.: 24 Ca 1257/20 ‒ abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.973,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 172,26 € ab 01.04.2019, aus 171,10 € ab 01.05.2019, aus 171,10 € ab 01.06.2019, aus 171,10 € ab 01.07.2019, aus 171,10 € ab 01.08.2019, aus 171,10 € ab 01.09.2019, aus 171,10 € ab 01.10.2019, aus 171,10 € ab 01.11.2019, aus 117,10 C ab 01.12.2019, aus 171,10 € ab 01.01.2020, aus 171,10 € ab 01.02.2020, aus 171,10 € ab 01.03.2020, aus 170,69 € ab 01.04.2020, aus 135,67 € ab 01.05.2020, aus 65,39 € ab 01.06.2020, aus 47,66 € ab 01.07.2020, aus 79,28€ ab 01.08.2020, aus 109,60 € ab 01.09.2020, aus 74,61 € ab 01.10.2020, aus 57,62 € ab 01.11.2020, aus 53,66 € ab 01.12.2020, aus 83,30 € ab 01.01.2021, aus 106,67 € ab 01.02.2021, aus 54,24 € ab 01.03.2021, aus 61,44 € ab 01.04.2021, aus 81,25 e ab 01.05.2021, aus 94,24 € ab 01.06.2021, aus 85,90 € ab 01.07.2021, aus 80,52 € ab 01.08.2021, aus 184,69 € ab 01.09.2021, aus 95,37 € ab 01.10.2021, aus 85,02 € ab 01.11.2021, aus 93,05 € ab 01.12.2021, au s 169,17 € ab 01.01.2022, aus 157,48 € ab 01.02.2022, aus 142,66 € ab 01.03.2022, aus 154,50 € ab 01.04.2022, aus 197,48 € ab 01.05.2022 und aus 197,48 € ab 01.06.2022 zu zahlen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.06.2022 ein Tabellenentgelt der Entgeltgruppe EG 3 Stufe 4 der Entgelttabelle TVöD-V VKA (und für den Zeitraum bis maximal 30. September 2023 in Verbindung mit der Anlage A des Notlagentarifvertrages für den Dienstleistungsbereich der Flughäfen vom 1. Dezember 2020) zu zahlen und die jeweiligen monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge jeweils ab dem auf den Tag der jeweiligen Fälligkeit folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie vertieft und erweitert ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend führt sie aus, dass die Service Agents keine pflegerischen, medizinischen oder psychosozialen Hilfeleistungen böten. Ein gesunder Respekt vor den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen der Fluggäste sei jedermann zuzutrauen, der sich für diesen Beruf entscheide. Eine besondere, außergewöhnliche subjektive Anforderung zur Ausübung der Tätigkeit eines Service Agent gebe es auch insoweit nicht. Einstellungsvoraussetzung für einen Service Agent seien Deutsch- und Englischkenntnisse. Es gehöre nicht zu dessen Aufgabe, in einer anderen Fremdsprache mit dem Fluggast zu kommunizieren. Die verlangten Sprachkenntnisse stellten keine Vorbildung dar, sondern seien eine Selbstverständlichkeit. Empathiefähigkeit sei zwar wünschenswert, aber nicht erforderlich, um die Tätigkeit eines Service Agent auszuüben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der Berufungsschriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2021 ‒ Az.: 24 Ca 1257/20 ‒ ist nach §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie in ausreichendem Maße begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

Die Berufung ist begründet. Die Tätigkeit des Klägers als Service Agent ist richtigerweise in die Entgeltgruppe 3 TVöD-V VKA eingruppiert. Hieraus folgt die Verpflichtung der Beklagten, jenen künftig gemäß dieser ‒ Stufe 3, dies außer Streit stehend ‒ zu vergüten und rückwirkend die im Einzelnen geltend gemachten Differenzbeträge zu zahlen.

Im Einzelnen:

Die Tätigkeit des Klägers hebt sich dadurch aus der Entgeltgruppe 2 heraus, dass sie eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ erfordert, die kürzer als sechs Wochen nur sein kann und zu sein braucht, weil zwingend eine Vorbildung vorausgesetzt wird, die die Entgeltgruppe 2 ausdrücklich nicht vorsieht und die zu erlangen den 6-Wochen-Zeitraum deutlich übersteigt.

Die Eingruppierung des als Service Agent beschäftigten Klägers richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 TVöD-V nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anl. 1 Entgeltordnung (VKA). Der Beschäftigte ist in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht (§ 12 Abs. 2 S. 1 TVöD-V). Für die Tätigkeit als Service Agent sieht die Anl. 1 zum TVöD-V keine speziellen Tätigkeitsmerkmale vor, so dass eine Eingruppierung nach dem Allgemeinen Teil A I.3. vorzunehmen ist.

Die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 2 und 3 TVöD-V bauen aufeinander auf. Bei Aufbaufallgruppen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden. Anschließend ist zu klären, ob die qualifizierenden Merkmale der höheren Vergütungsgruppe vorliegen (BAG 9. Dezember 2015 ‒ 4 AZR 11/13 ‒ juris; BAG 19. Mai 2010 ‒ 4 AZR 912/08 ‒ juris).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Tätigkeit des Klägers als Service Agent jedenfalls die Anforderungen der Entgeltgruppe 2 TVöD-V erfüllt.

Nach dem Wortlaut der Entgeltordnung gehören zur Entgeltgruppe 2 Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten. Dies sind Tätigkeiten, die keine Vor- oder Ausbildung, aber eine fachliche Einarbeitung erfordern, die über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht. Zu den auszuführenden Aufgaben der Service Agents gehört die Abholung / Verbringung / Begleitung von Fluggästen, die einer Assistenz / Betreuung bedürfen. Die Service Agents steuern insoweit Rollstühle in öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereichen des Flughafens C, fahren Elektrowagen zum Transport mehrerer mobilitätseingeschränkter Fluggäste, unterstützten den Fluggast bei der Gepäckaufgabe, Gepäckabholung sowie dem Transport der Gepäckstücke und übergeben Reisedokumente des Betreuungsgastes an Zoll, Bundespolizei, Boarding und Cabin Crew. Diese Tätigkeiten stellen einen einheitlichen Arbeitsvorgang „Herstellung der Barrierefreiheit“ der Service Agents dar.

Da die für die Erbringung dieser Tätigkeiten erforderliche Einarbeitungsdauer unstreitig eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase von nicht mehr als drei Tagen überschreitet, wie sie in der Regel als ausreichend erachtet wird für einfachste Tätigkeiten der Entgeltgruppe 1 (BAG 20. Mai 2009 ‒ 4 AZR 315/08 ‒ juris), sind die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Ausgangsfallgruppe 2 - dies ist zwischen den Parteien unstreitig ‒ jedenfalls erfüllt.

Der Kläger hat durch sein tatsächliches Vorbringen darüber hinaus die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 3 TVöD-V dargelegt. In diese sind Beschäftigte einzugruppieren, deren Tätigkeit sich durch das Erfordernis einer eingehenden fachlichen Einarbeitung aus der Entgeltgruppe 2 der vorgenannten Entgeltordnung heraushebt.

Die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien gemäß Entgeltgruppe 3 zu bewertende Tätigkeit muss so beschaffen sein, dass sie zwar ohne Vor- und Ausbildung, nicht aber ohne eine eingehende fachliche Einarbeitung ausgeübt werden kann. Dabei bezieht sich das Merkmal „eingehend“ auf die Intensität und Tiefe der erforderlichen Belehrungen, das Merkmal „fachlich“ auf deren sachlichen Gegenstand. Welche Einarbeitungsdauer zur Bejahung einer eingehenden fachlichen Einarbeitung führt, wird unterschiedlich beurteilt.

Bei einer Einarbeitung von 2 bis 4 Wochen sehen z.B. Kuner/Bergauer (Die neue Entgeltordnung TVöD-VKA, 1. Auflage 2017, V. Die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung zum TVöD-VKA im Einzelnen, Rn. 106 ff.) die Entgeltgruppe 3 als maßgebliche Entgeltgruppe an.

In Bezug auf die Entgeltgruppe 1 hat das BAG entschieden, dass eine maximale Einarbeitungsdauer von 2 bis 3 Tagen in Betracht kommt (vgl. BAG 20. Mai 2009 ‒ 4 AZR 315/08 ‒ juris). Bei einer Einarbeitungszeit von 2 Wochen pro Maschine (insgesamt 6 Wochen) bejahte das BAG die Entgeltgruppe 2 (BAG 1. Juli 2009 ‒ 4 ABR 16/08 ‒ juris).

In seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2006, Az.: 4 AZR 534/05, hat das Bundesarbeitsgericht als Anhaltspunkt für die regelmäßige Dauer einer solchen Einarbeitung die Protokollerklärung zu einem anderen als dem von ihm anzuwendenden Tarifvertrag herangezogen, in der die dortigen Tarifvertragsparteien bei einer wortgleichen Bestimmung davon ausgingen, dass sich die Einarbeitungszeit „in der Regel … auf etwa 6 Wochen erstrecken“ werde (RN 31).

Den vorgenannten Entscheidungen gemein ist, dass für die Tätigkeiten, über die dort jeweils zu befinden war ‒ städtischer Müllwerker, der mit der Leerung von Papierkörben vornehmlich an Bushaltestellen betraut war (4 AZR 534/05), die Tätigkeit an drei verschiedenen Arbeitsplätzen in der Wäscherei, nämlich der Trockneranlage, der Trockenwäsche-Faltmaschine und der Kleinteilemangel (4 ABR 16/08) ‒ ausschließlich eine eingehende fachliche Einarbeitung erforderlich war.

Anders liegt der Fall hier.

Die Tätigkeit eines Service Agent setzt eine Vorbildung in Gestalt von Fremdsprachenkenntnissen und der Fähigkeit zu professioneller Empathie voraus, d.h. neben einer eingehenden fachlichen Einarbeitung durch die Beklagte wird eine Vorbildung verlangt.

Die oben beschriebenen ‒ insoweit unstreitigen ‒ Tätigkeiten eines Service Agent erfordern durchgängig und nicht bloß gelegentlich eine Kommunikation mit dem Gast, die dessen Bedürfnissen, Befindlichkeiten und kognitiven Fähigkeiten angepasst ist sowie kulturelle und/oder religiöse Besonderheiten berücksichtigt und idealerweise in einer Sprache erfolgt, die der Gast versteht. Prägend für die Tätigkeit eines Service Agenten ist neben der physischen Herstellung der Barrierefreiheit eine je auf das Individuum angepasste interkulturelle Interaktion und eine professionell empathische Gesprächsführung in der Fremdsprache.

Soweit sich die Beklagte dahingehend eingelassen hat, dass dies alles zwar wünschenswert, für die Tätigkeit eines Service Agent aber nicht erforderlich sei, bildet dies weder die Realität noch das Selbstverständnis der Beklagten ab. Schutz- und hilfsbedürftigen Menschen „robust“ zu begegnen, verletzt diese, ihre Beförderung von A nach B ohne eine begleitende zwischenmenschliche Interaktion zum alleinigen Inhalt der Arbeitsaufgabe der Service Agents erklären zu wollen, verkennt, dass dadurch Menschen ihre Subjektqualität abgesprochen wird und sie zum bloßen Objekt einer Beförderung gemacht werden.

Es widerspricht aber auch dem eigenen Anforderungsprofil der Beklagten für die Tätigkeit eines Service Agent. Dieses verlangt ausdrücklich eine gute Kenntnis der deutschen und der englischen Sprache, weitere Sprachen sind erwünscht.

Darüber hinaus räumt die Beklagte ein, dass Service Agents etwaigen emotionalen Stimmungen der Betreuungskunden adäquat und freundlich begegnen und professionell auf verschiedene emotionale Stimmungen reagieren können müssen.

Dies vorangeschickt, werden die Arbeitsabläufe eines Service Agent nicht bereits dann beherrscht, wenn er um die Funktionsweise der für die physische Beförderung der Kunden notwendigen technischen Hilfsmittel weiß, die Örtlichkeiten des weiträumigen C Flughafens kennt und an der richtigen Stelle die richtigen Papiere vorzulegen vermag, sondern erst, wenn der Service Agent neben alledem situations- und kontextadäquat mit dem Menschen umgeht, den er befördert. Dies setzt kulturelle und kommunikative Kompetenz voraus sowie ‒ als conditio sine qua non ‒ relevante Sprachkenntnisse in mehreren (Fremd-)sprachen. Diese zu erwerben, bedarf entweder einer signifikant längeren Einarbeitungszeit als sechs Wochen oder erfolgt durch Rückgriff auf eine vorhandene ‒ im Anforderungsprofil ausdrücklich verlangte ‒ Vorbildung.

Dass, wie die Beklagte meint, beides ‒ sowohl die verlangten Sprachkenntnisse als auch die erforderliche professionelle Empathie, daneben die Fähigkeit, diese in der Fremdsprache zum Ausdruck zu bringen ‒ Teil eines Jedermann-Profils sei, Lesen und Schreiben vergleichbar, und keine besondere Vorbildung voraussetzten, sieht die Kammer nicht.

Service Agents üben solchermaßen eine Tätigkeit aus, die zwar eine Einarbeitung von ‒ unstreitig - weniger als sechs Wochen erfordert, aber nicht nur eine Einarbeitung von jedenfalls mindestens zwei Wochen, sondern hinzutretend eine Vorbildung, die zu erwerben deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als sechs Wochen. Dies gilt selbst dann, wenn keine fließende Mehrsprachigkeit, sondern nur gute Sprachkenntnisse in zwei oder mehr Sprachen verlangt werden. Dadurch werden die Tätigkeiten des Service Agent aus den in der Entgeltgruppe 2 definierten „einfachen Tätigkeiten“ klar herausgehoben.

Aus der zutreffenden Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 3 Stufe 3 TVöD-V VKA folgt dessen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Differenzbeträge sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger künftig ein Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 3 Stufe 3 (für den Zeitraum bis maximal 30. September 2023 in Verbindung mit der Anlage A des Notlagentarifvertrages für den Dienstleistungsbereich der Flughäfen vom 1. Dezember 2020) zu zahlen.

Wegen der diesbezüglichen zutreffenden Berechnungen im Einzelnen wird mit folgenden Maßgaben für die Monate März 2019 bis März 2021 auf den Schriftsatz des Klägers vom 3. Mai 2021, dort I. ‒ III., für die Monate April 2021 bis Januar 2022 auf den Schriftsatz des Klägers vom 30. März 2022, dort I. ‒ III., und für die Monate Februar 2022 bis Mai 2022 auf den Schriftsatz des Klägers vom 17. Juni 2022, dort B., verwiesen.

Für den Kalendermonat August 2021 erweist sich die Berechnung des Klägers als zutreffend, da bei einer Kurzarbeit von weniger als 50 % ‒ hier waren es 33,7% ‒ der Leistungssatz 2 der Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes Anwendung findet. Dagegen hat die Beklagte ihrer Berechnung irrtümlich den rechnerischen Leistungssatz der Tabelle 6 zu Grunde gelegt.

Für die Monate Februar 2022 und März 2022 findet der Leistungssatz 2, nicht der Leistungssatz 6 der Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes Anwendung, weil der Kläger mit 28,29 % bzw. 24,77 % weniger als 50 % Kurzarbeit geleistet hat. Da in der Berechnung der ‒ nur falsch benannte ‒ „richtige“ Leistungssatz der Tabelle 2 zu Grunde gelegt wurde, ist der geltend gemachte Differenzbetrag zutreffend ermittelt.

Der Einräumung eines Schriftsatznachlasses auf den Schriftsatz des Klägers vom 17. Juni 2022 zur Wahrung rechtlichen Gehörs bedurfte es nicht, da das mitgeteilte Vorbringen, soweit es einem Bestreiten zugänglich ist, nicht entscheidungserheblich war. Soweit die Beklagte pauschal die Richtigkeit der erstmals mit Schriftsatz vom 17. Juni 2022 geltend gemachten Differenzbeträge für weitere Monate in Abrede stellt, handelt es sich bei dieser um keine bestreitungsfähige Tatsache, sondern um das Ergebnis eines Rechenweges, dessen Grundlagen zwischen den Parteien unstreitig sind und das solchermaßen einer Schlüssigkeitsprüfung durch das Gericht unterliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG veranlasst, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.

nachgehend BAG, 4 AZR 317/22

Vorschriften§§ 8 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 1, 3, 5 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG