Beschluss vom 11.11.2022 · IWW-Abrufnummer 236708
Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 12 Ta 417/22
Bei einem Antrag, Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO betreffend gespeicherte personenbezogene Daten zu erteilen, handelt es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit.
Während in einem Festsetzungsverfahren bezüglich des Werts der anwaltlichen Tätigkeit ( § 33 RVG ) § 23 Abs. 3 RVG anzuwenden ist, kommt im Rahmen einer Festsetzung des Gebührenstreitwerts ( § 63 Abs. 2 GKG ) § 48 Abs. 2 GKG zur Anwendung. Die gesetzliche Wertung in § 23 Abs. 3 RVG ("Regelwert") darf aber auch bei der Festsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG nicht vollständig unberücksichtigt bleiben.
Ohne ergänzenden Vortrag hinsichtlich der Bedeutung oder des Umfangs der Sache ist eine Festsetzung nach § 33 RVG oder eine Festsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG auf 500,- EUR jeweils nicht zu beanstanden (so auch LAG Düsseldorf, 16. Dezember 2019, 4 Ta 413/19 und LAG Nürnberg, 28. Mai 2020, 2 Ta 76/20 jeweils zu § 33 RVG ).
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. September 2022 ‒ 5 Ca 409/20 ‒ wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 63 Abs. 2 GKG durch das Arbeitsgericht.
Die Klägerin war bei der Beklagten gegen eine monatliche Festvergütung i.H.v. 6.712,33 EUR beschäftigt. Ihren zunächst angekündigten Klageantrag auf Zahlung von 5.797,01 EUR brutto haben die Parteien im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens übereinstimmend für erledigt erklärt. Klageerweiternd hat die Klägerin mit den Klageanträgen zu 2 und 3 Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO über die sie betreffenden personenbezogenen Daten und Informationen gemäß Art. 15 Abs. 1 a bis h DS-GVO (Antrag 2) und die Verurteilung der Beklagten, ihr eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen (Antrag 3), verlangt. Zu diesen beiden Anträgen hat die Klägerin auch jeweils Hilfsanträge für den Fall des Unterliegens anhängig gemacht, die im Fortgang nicht zur Entscheidung angefallen sind.
Mit Urteil vom 29. April 2021 hat das Arbeitsgericht den Hauptanträgen stattgegeben und die Beklagte zur Auskunftserteilung sowie zur Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten verurteilt.
Am 29. August 2022 hat das Arbeitsgericht die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten zu einer Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 63 Abs. 2 GKG auf 6.797,01 EUR angehört. Hierbei hat es neben dem erledigten Zahlungsantrag (5787,01 EUR) die Anträge auf Auskunftserteilung und Zurverfügungstellung der Kopie der personenbezogenen Daten mit jeweils 500,- EUR bewertet. Die Festsetzung auf 6.797,01 EUR ist mit Beschluss vom 15. September 2022 erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 19. September 2022 haben die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im eigenen Namen Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts eingelegt und die Abänderung des Gebührenstreitwerts auf 15.787,01 EUR begehrt. Sie vertreten die Auffassung, sowohl der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO als auch der Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der Daten sei mit jeweils 5.000,- EUR zu bemessen. Für die Klägerin als Arbeitnehmerin sei es von großer Bedeutung, wie die Beklagte ihre persönlichen Daten speichere und verarbeite. Vorliegend ginge es insbesondere auch um höchstpersönliche Daten zur gesundheitlichen Situation der Klägerin, da der Hintergrund des Rechtsstreits der Streit über Entgeltfortzahlungsansprüche gewesen sei und es daher auch um die medizinischen Gründe gegangen sei, wegen derer die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt war.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung.
Die Beschwerdekammer hat am 17. Oktober 2022 den Beteiligten Gelegenheit gegeben, zu den Gründen der Nichtabhilfeentscheidung Stellung zu nehmen. Auf den hierzu erfolgten Schriftsatz der Beschwerdeführer vom 31. Oktober 2022 wird verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde bleibt im Ergebnis erfolglos. Zwar wird der Auskunftsanspruch von der Beschwerdekammer mit 1.000,- EUR bewertet, der Antrag auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten bleibt hingegen ohne Wertansatz, sodass sich der Wert in der Summe nicht ändert.
a. Die Beschwerdekammer berücksichtigt im Rahmen ihrer Rechtsprechung den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten "Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit" in der Fassung vom 09. Februar 2018 (NZA 2018, 498). Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass dieser Katalog keinerlei bindende Wirkung besitzt. Die Beschwerdekammer orientiert sich jedoch hinsichtlich bestimmter typischer Fallkonstellationen an diesem Katalog, um Kostenrisiken für die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten zu reduzieren und die die Parteien (ggf.) treffende Kostenlasten bereits im Vorfeld ‒ soweit wie möglich ‒ prognostizierbar zu machen. Diese Orientierung an den Empfehlungen bedeutet jedoch nicht, dass diese ungeprüft übernommen werden. Abweichungen von den Empfehlungen können in begründeten Fällen sowohl nach oben, als auch nach unten erfolgen.
b. Soweit das Arbeitsgericht den erledigten Zahlungsantrag mit seinem wirtschaftlichen Wert erfasst hat, ist dies unzweifelhaft richtig und wurde im Rahmen der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.
c. Bei dem Antrag der Klägerin, ihr Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO über die sie betreffenden personenbezogenen Daten und Informationen gemäß Art. 15 Abs. 1 a bis h DS-GVO zu erteilen, handelt es sich, wie von dem Arbeitsgericht zutreffend angenommen, um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit.
Soweit das Arbeitsgericht § 23 Abs. 3 RVG zur Anwendung bringt, kann dem vorliegend nicht unmittelbar gefolgt werden. Diese Vorschrift hätte Berücksichtigung zu finden, soweit es sich um eine Festsetzung nach § 33 RVG gehandelt hätte. Weil vorliegend jedoch eine Festsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG zu erfolgen hat, findet als maßgebliche Norm § 48 Abs. 2 GKG Anwendung. Die Norm bestimmt, dass in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ermessen zu bestimmen ist und dass ein Wert von mehr als einer Million Euro nicht angenommen werden darf.
Die Bestimmung eines Regel- oder Hilfswerts lässt sich dem GKG nicht entnehmen. Allerdings kann der durch § 23 Abs. 3 RVG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers hinsichtlich der Bewertung nicht vermögensrechtlicher Streitgegenstände nicht vollständig unberücksichtigt bleiben (BGH 17. November 2015 ‒ II ZB 8/14 ‒ dokumentiert in Juris), mit der Folge, dass bei der Ermessensausübung insbesondere die in § 48 Abs. 2 GKG genannten Kriterien, also der Umfang und die Bedeutung der Sache sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Parteien und die gesetzgeberischen Wertung des § 23 Abs. 3 RVG, nach welcher bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten der Gegenstandswert mit 5.000,- EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, zu bewerten ist, in den Blick zu nehmen sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine Widersprüchlichkeit von Festsetzungen nach § 63 Abs. 2 GKG und § 33 RVG hinsichtlich eines identischen Klageantrags vermieden werden sollte.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Ansatzpunkt des Arbeitsgerichts, der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2019 (4 Ta 413/19) und des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. Mai 2020 (2 Ta 76/20) zu folgen und einen Wert von 500,- EUR für den Auskunftsanspruch in Ansatz zu bringen, zutreffend und wird von der Beschwerdekammer im Grundsatz geteilt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Anspruch keinen wirtschaftlichen Interessen der Klägerin dient und der Umfang der Sache weder sehr umfangreich ist, noch die Rechtsfrage besondere Schwierigkeiten aufweist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Anhaltspunkte für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin nicht bestehen.
Allerdings hat das Arbeitsgericht den Vortrag der Klägerin nicht hinreichend beachtet, aufgrund des Streits über die Entgeltfortzahlungsansprüche könnten möglicherweise Informationen über den Gesundheitszustand bzw. die Erkrankung der Klägerin in einer ihr Persönlichkeitsrecht möglicherweise verletzenden Weise aufgezeichnet sein. Dieser hinreichende Vortrag rechtfertigt es nach Auffassung der Beschwerdekammer den Wert des Auskunftsantrags nicht lediglich mit 500,- EUR zu bewerten, sondern in doppelter Höhe mit 1.000,- EUR.
d. Bei dem weitergehenden Antrag, der Klägerin, ihr eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Die Zurverfügungstellung der Daten ist nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht anders zu bewerten, als ein schlichtes Herausgabeverlangen bezüglich Arbeitspapieren. Insoweit empfiehlt der Streitwertkatalog eine Festsetzung i.H.v. 10 % einer Monatsvergütung, hier also i.H.v. 671,23 EUR. Anhaltspunkte, dass vorliegend eine Abweichung von dieser Empfehlung geboten ist, bietet der Sachverhalt nicht.
Da jedoch mit dem Auskunftsanspruch eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit und mit dem Herausgabeverlangen eine vermögensrechtliche Streitigkeit verfahrensgegenständlich sind, findet § 48 Abs. 3 GKG Anwendung. Nach dieser Vorschrift gilt für den Fall, dass mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden ist, dass nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend ist. Dies ist vorliegend gegeben, weil nur dann, wenn ein Auskunftsanspruch besteht, die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand ihrer Verarbeitung sind, herauszugeben.
III.
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.