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Urteil vom 27.05.2022 · IWW-Abrufnummer 236711

Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 10 Sa 1222/21 SK

1. Schweißarbeiten an Rohrleitungen an industriellen Anlagen gehören zum Rohrleitungsbau nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV .

2. Arbeiten an sonstigen Teilen einer industriellen Anlage sind - sofern es nicht um bauliche Einhausungen wie Industriehallen o.ä. geht - grundsätzlich als baufremd anzusehen und dem Anlagenbau zuzurechnen. Dies gilt z.B. für Schweiß- und Instandsetzungsarbeiten an Trichtern und Luftvorwärmern, aber auch an Unterkonstruktionen wie Tragsystemen.

3. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist nicht eröffnet, wenn der überwiegende betriebliche Zweck in der Arbeitnehmerüberlassung besteht. Für solche Konstellationen haftet der Verleiher auf den Beitrag des Urlaubsverfahrens nach § 8 Abs. 3 AEntG .


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. September 2021 ‒ 4 Ca 82/21 SK ‒ abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nimmt er die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 434.000 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Dezember 2016 bis November 2017. Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens 50 gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren.

Die Beklagte unterhält in A einen Betrieb. Sie ist Mitglied in dem Verband Interessengemeinschaft Zeitarbeit und wendet die Tarifverträge des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) an.

Sie verfügt seit dem 7. Juni 2014 über eine Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern (Bl. 14 der Akte). Die Beklagte wirbt im Internet mit den Leistungen „Rohrleitungsbau, Kesselbau, Schweißtechniken, Anlagenbau, Armaturen“ (Bl. 180 - 186 der Akte). Sie ist mit dem Unternehmensgegenstand „Reinigung und Pflege von Industrieanlagen, Gerüstbau sowie Arbeitnehmerüberlassung zur Durchführung von Schweißerarbeiten, Anlagenbau, Rohrleitungs- und Kesselbau“ beim Amtsgericht Köln HRB xxx eingetragen (Bl. 187 - 189 der Akte) und gemäß gleichlautender Gewerbeanmeldung seit dem 3. Juni 2013 bei der Stadt A (Bl. 190, 191 der Akte).

Die Arbeitnehmer der Beklagten wurden teilweise auf der Grundlage von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen als Leiharbeitnehmer an Drittfirmen überlassen. Hinsichtlich der im Klagezeitraum abgeschlossenen Überlassungsverträge wird verwiesen auf Bl. 350 ff. der Akte. Teilweise sind sie im Rahmen von Werkverträgen tätig geworden, mindestens im Umfang von 1.179 Stunden von insgesamt 32.348,5 Stunden im Kalenderjahr 2017.

Die eingesetzten Arbeitnehmer verfügten teilweise über eine Ausbildung als Metallbauer, manche verfügten über keine vorherige Ausbildung. Sie haben alle einen Schweißerlehrgang absolviert.

Die Arbeitnehmer der Beklagten wurden ganz überwiegend auf Industrieanlagen tätig. Dabei wurden sog. Kesselmonteure und Kesselschweißer eingesetzt. Zu einem erheblichen arbeitszeitlichen Anteil haben sie dabei Schweißarbeiten erbracht. Diese Schweißarbeiten sind auch an Rohren an Industrieanlagen (z.B. Öfen, Kesseln oder Müllverbrennungsanlagen) erfolgt. Es wurden u.a. Reparaturarbeiten an Tragrohrhubsystemen erbracht. Teilweise wurden sonstige Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten an Anlagen erbracht, wie z.B. der Ein- und Ausbau von Kesselkomponenten (s. Bl. 204 ff.). Hinsichtlich ihrer betrieblichen Tätigkeiten hat sie Baustellentagesberichte (Bl. 34 - 161 d.A.) sowie Bescheinigungen der Firmen B, C, D, E, F und G vorgelegt (Bl. 214 - 2019 und 239 d.A.). Beispielhaft hat sie eine Schweißanweisung (Bl. 230 - 238 d.A.) zur Akte gereicht, nach der als Schweißverfahren das Lichtbogenhandschweißen und das Wolfram-Inertgasschweißen angewendet werden.

Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit fällt der Betrieb nicht unter die Winterbeschäftigungs-Umlage nach §§ 354 ff. SGB III. Auf den Bescheid vom 3. März 2022 wird verwiesen (Bl. 511 - 512 der Akte).

Mit am 29. Dezember 2020 beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids hat der Kläger sein Zahlungsbegehren gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Der am 19. Januar 2021 erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am 22. Januar 2021 zugestellt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb der Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit Schweißarbeiten an Rohrleitungen, Reparaturarbeiten an Rohrleitungen, an Tragrohrsystemen in Industrieanlagen der Zement- und Kalkindustrie, in Kraftwerken, in der Stahlindustrie, in der Papier- und Zellstoffindustrie, in Müllverbrennungsanlagen und in Industrieanlagen der Chemie- und Petrochemie erbracht. Er hat bestritten, dass im Kalenderjahr 2017 arbeitszeitlich Arbeitnehmerüberlassung erfolgt sei. Es bleibe nach dem Sachvortrag der Beklagten unklar, welche Tätigkeiten konkret sie in die 1.179 Stunden Werkvertragsleistungen eingerechnet habe. Jedenfalls seien auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 AEntG Beiträge für Leiharbeitnehmer zu zahlen. Hilfsweise berechne er seine Klageforderung auf der Grundlage nur des Urlaubskassenanteils, dies würde einem Betrag in Höhe von 308.650 Euro entsprechen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 434.300,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, sie sei nicht verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Sie hat behauptet, im streitgegenständlichen Zeitraum seien überwiegend Leiharbeitnehmer an Drittunternehmen der Kraftwerksbranche verliehen worden. Überlasse ein Betrieb überwiegend Arbeitnehmer, könne er kein Baubetrieb sein. An Baubetriebe sei eine Überlassung nicht erfolgt. In einem geringeren Umfang seien die Arbeitnehmer auch auf Werkvertragsbasis tätig geworden. Gegenstand der Aufträge sei der Bau industrieller Anlagen, wie z.B. von Kraftwerkkesseln, gewesen, nur nebenbei seien Anschluss- und Rohrleitungsarbeiten angefallen. Sie hat gemeint, es würden keine baulichen Rohrleitungsarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 25 VTV vorliegen, wenn zwar Rohre verschweißt werden, diese aber integraler Bestandteil einer produktionstechnischen Anlage seien; so würde der Fall hier liegen. Sie schulde dem Kläger auch keine Beiträge nach § 8 Abs. 3 AEntG. Denn eine solche Haftung würde voraussetzen, dass der Betrieb des Entleihers dem AEntG und dem betrieblichen Anwendungsbereich des VTV unterstellt sei. Aus systematischen Gründen könne der Kläger in einem solchen Fall mit Blick auf § 8 Abs. 2 AEntG auch nur die Ansprüche im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen verlangen. Sie hat ferner gemeint, sie könne die betriebliche Tätigkeit mit einfachem Bestreiten bestreiten, da sie keine nähere Kenntnis von den in dem Betrieb der Entleiher ausgeführten Tätigkeiten besitze. Schließlich hat sie die Auffassung vertreten, dass sie unter die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des VTV für Betriebe und Betriebsabteilungen der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie falle.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 16. September 2021 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der betriebliche Geltungsbereich des VTV sei nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 25 VTV eröffnet. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe die Beklagte überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten erbracht. Hierzu gehörten auch Schweißarbeiten an Rohrleitung aus Metall an Industrieanlagen. Das Bestreiten der Beklagten sei nicht erheblich. Auch nach deren Vortrag hätten die gewerblichen Arbeitnehmer nicht den kompletten Kraftwerkskessel zu bauen gehabt, sondern sie hätten nur Schweißarbeiten an Rohrleitungen zu verrichten zum Zwecke des Umbaus und der Reparatur. Hilfsweise sei § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV einschlägig. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die AVE-Einschränkung für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie berufen. Eine entsprechende Verbandsmitgliedschaft der Arbeitgeberin liege nicht vor. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass überwiegend Arbeitnehmer an Drittunternehmen der Kraftwerksbranche nur verliehen worden seien. Dies folge auch nicht aus den vorgelegten Baustellentagesberichten oder sonstigen Bescheinigungen. Bezüglich eines Teils lägen gar keine Bescheinigungen der Firma vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl. 256 - 263 der Akte.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 6. Oktober 2021 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 13. Oktober 2021 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründung bis zum 6. Januar 2022 ist die Berufungsbegründung am 3. Januar 2022 beim Berufungsgericht eingegangen.

In der Berufungsbegründung vertritt die Beklagte die Ansicht, dass das Arbeitsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe. Es meint, das Arbeitsgericht habe ihren erstinstanzlichen Vortrag nicht hinreichend gewürdigt, wonach sie behauptet habe, dass die Schweißarbeiten nicht an Rohrleitungen, sondern an Rohren, die Teile von Tragrohrsystemen seien, verrichtet worden seien. Die Tragsysteme von Heizkesseln würden nicht aus Druckrohrleitungen bestehen. Nur ganz ausnahmsweise würden die Schweißer der Beklagten an Druckrohrleitungen arbeiten, so etwa im Projekt H. Die bei ihr beschäftigten Schweißer benötigten nicht solche Kenntnisse, die im Rahmen der Ausbildung zum Rohrleitungsbauer/Rohrleitungsbauerin vermittelt würden.

Soweit die Arbeitnehmer Schweißerarbeiten an Heizkesseln und anderen Elementen der Kraftwerke ausgeführt hätten, machten Arbeiten an Rohren allenfalls ca. 15 % aus. Weitere Arbeiten an solchen Anlagen seien:

§ Revisionen an der Rostbefeuerungsanlage § Reparatur der Rostbelege § Reparatur am Entschlacker von Müllverbrennungsanlagen § Schweißarbeiten an den Trichter von Müllverbrennungsanlagen § Arbeiten am Luftvorwärmer.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei ein Kraftwerkskessel auch nicht als ein Bauwerk anzusehen. Vielmehr handele es sich um einen Teil einer Kesselanlage, die der Stromerzeugung dient. Prägend seien die Arbeiten an den Kraftwerkskesseln gewesen. Sie habe ihren Schwerpunkt im Bereich des Maschinenbaus. Daher falle sie auch in den Anwendungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie.

Im streitgegenständlichen Kalenderjahr 2017 seien 32.348,50 Stunden im Wege der Arbeitnehmerüberlassung gegenüber 1.179 Stunden auf der Grundlage von Werkverträgen erfolgt. Sie habe erstinstanzlich klargestellt, dass sie ihre Mitarbeiter für andere Vorhaben desselben Werkvertragspartners auch als Zeitarbeitnehmer verliehen habe. Die vorgelegten Arbeitszeitnachweise bezögen sich daher auch auf die Leistungen, die in Zeitarbeit erbracht worden seien. Nur in dem dargestellten Umfang seien Werkvertragsleistungen erbracht worden. Im Übrigen erfolge die Tätigkeit der Mitarbeiter im streitigen Beitragszeitraum in Zeitarbeit. Im Beitragszeitraum habe die Beklagte ihre Arbeitnehmer an 15 Entleihbetriebe verliehen, nämlich die H etc. (Bl. 292 - 302 der Akte). Als Entleihbetriebe hätten diese Unternehmen die Leiharbeiter der Beklagten nicht mit Rohrleitungsbau- oder anderen Arbeiten beschäftigt, die dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfielen.

Des Weiteren meint sie, dass § 8 Abs. 3 AEntG einen Wertungswiderspruch aufweise. Nach der neuen Fassung komme es nicht mehr darauf an, dass der Entleiher unter die Bautarifverträge fallen solle. Eine Umgehungsproblematik bestünde nicht, da der Entleiher die Bautarifverträge auf seine Arbeitnehmer ohnehin nicht anwenden müsse.

Die Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. September 2021 - 4 Ca 82/21 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, die Beklagte habe trotz eines insgesamt umfangreichen Vortrages nicht erheblich zu den konkret erbrachten Tätigkeiten im Betrieb vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es nicht darauf an, ob Rohrleitungsbauarbeiten an Tragsystemen oder an sonstigen Rohren erbracht worden seien. Ein Tragwerk sei lediglich die Bezeichnung für ein statisches Gesamtsystem, die einzelnen Rohre bildeten jedenfalls ein System. Aus den Bescheinigungen der Drittfirmen würde sich ergeben, dass die Mitarbeiter der Beklagten auf verschiedenen Baustellen eingesetzt worden seien und dort Schweißarbeiten für Instandhaltungsarbeiten an Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen erbracht hätten. Das Verschweißen sei eine typische bauliche Tätigkeit. Er behauptet, dass die von den Arbeitnehmern der Beklagten ausgeführten Revisionsarbeiten an Rostbefreiungsanlagen, Reparatur der Rostbelege, Reparatur am Entschlacken von Müllverbrennungsanlagen usw. zu mehr als 50 % der durchschnittlichen betrieblichen Gesamtarbeitszeit angefallen seien. Es mag zutreffen, dass die Beklagte arbeitszeitlich überwiegend ihre gewerblichen Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer an Drittunternehmen verliehen habe. Die Beklagte habe aber nicht vorgetragen, zu welchen Arbeiten ihrer Arbeitnehmer bei den Drittfirmen verpflichtet gewesen seien. Bei ihrem Beweisantritt trage die Beklagte nicht vor, welche Tätigkeiten die entliehenen Arbeitnehmer bei den Entleihunternehmen positiv erbracht hätten, sondern nur, welche Tätigkeiten sie nicht erbracht haben sollen. Dies sei ungenügend. § 8 Abs. 3 AEntG sei auch nicht widersprüchlich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der bis zum 6. Januar 2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 1 Satz 5 ArbGG).

B. Die Berufung ist begründet.

Der Kläger kann nicht Zahlung von 434.300 Euro gemäß der §§ 15 Abs. 2, 18 VTV vom 3. Mai 2013 verlangen. Der betriebliche Geltungsbereich ist nicht eröffnet. Es ist davon auszugehen, dass der betriebliche Zweck der Beklagten in der Arbeitnehmerüberlassung bestanden hat, die baulichen Arbeiten sind nicht überwiegend auf der Grundlage von Werkverträgen erfolgt. Der Kläger könnte daher nach § 8 Abs. 3 AEntG allenfalls nur den Beitragssatz zum Urlaubsverfahren beanspruchen, dies würde hier einen Betrag i.H.v. 308.650 Euro ausmachen. Darüber hinaus steht aber auch nicht fest, dass die Arbeitnehmer der Beklagten überwiegend bauliche Leistungen gemäß der §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 3, 6 Abs. 1 AEntG i.V.m. § 101 Abs. 2 SGB III erbracht haben.

I. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist nicht eröffnet. Dieser erfasst nicht Betriebe der Zeitarbeit. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die streitgegenständlichen Arbeiten überwiegend im Rahmen von Werkverträgen erbracht worden sind. Allenfalls käme dann eine Haftung in Höhe des Urlaubsbeitragssatzes in Betracht, nicht des vollen Sozialkassenbeitrags.

1. Zwar hat der Kläger zunächst behauptet, dass die Arbeiten bei der Beklagten überwiegend im Rahmen von Werkverträgen erbracht worden seien. Die Beklagte hat allerdings geltend gemacht, dass überwiegend die Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verliehen worden seien. Dies ist auch glaubhaft gemacht worden durch die Vorlage von Leiharbeitsrahmenverträgen. In der zweiten Instanz hat der Kläger vorgetragen, es mag zutreffen, dass die Beklagte arbeitszeitlich überwiegend ihre gewerblichen Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer an Drittunternehmen verlieben habe. Damit hat er den Sachvortrag nicht hinreichend bestritten. Jedenfalls fehlt es an einem geeigneten Beweisangebot des Klägers. Das Beweisangebot des Klägers bezog sich nur auf die betrieblich ausgeübte Tätigkeit der Arbeitnehmer vor Ort, nicht aber auf die Frage, ob die Leistungen auf der Grundlage eines Werk- oder Arbeitnehmerüberlassungsvertrags erbracht worden sind.

2. Im Rahmen von § 8 Abs. 3 AEntG kann der Kläger nicht den vollen Sozialkassenbeitrag beanspruchen, sondern nur den Beitragssatz zum Urlaubsverfahren. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich dies indes nicht eindeutig. Dort ist nur die Rede davon, dass der Verleiher die nach dem Tarifvertrag zustehenden Beiträge einer gemeinsamen Einrichtung zu leisten habe. Dies könnte für den vollen Sozialkassensatz nach § 15 Abs. 2 VTV sprechen. Dafür könnte auch sprechen, dass der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 Satz 1 AEntG im Wortlaut abweichend von den nach § 5 Nr. 3 AEntG zustehenden Beiträgen spricht. In § 5 Nr. 3 AEntG ist gerade nur die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen durch eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien geregelt. Aufgrund einer systematischen Gesamtbetrachtung ergibt sich allerdings mit hinreichender Deutlichkeit, dass für alle drei Alt. des § 8 AEntG davon auszugehen ist, dass der Kläger nur den Urlaubskassenbeitrag verlangen kann. Für die Frage, ob ein im Ausland ansässiger Arbeitgeber für die nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer den vollen Sozialkassensatz zahlen muss, sieht § 8 Abs. 1 AEntG ausdrücklich vor, dass nur der geringere Beitrag zum Urlaubsverfahren geschuldet ist. Entsprechendes hat die Kammer für die Frage der Verdrängung eines anderen Tarifvertrages nach § 8 Abs. 2 AEntG angenommen (vgl. Hess. LAG 17. April 2015 - 10 Sa 1281/14 - Rn. 71 ff., Juris). Schon dies spricht dafür, diese Frage bei der dritten Alt. in § 8 AEntG nicht anders zu sehen.

In systematischer Hinsicht ist zu bedenken, dass § 8 AEntG in dem dritten Abschnitt „Tarifvertragliche Arbeitsbedingungen“ geregelt ist. Welche dies sind, ergibt sich aus den §§ 3, 5 AEntG. § 5 Nr. 3 AEntG führt insoweit nur die Einziehung von Beiträgen im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen durch eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien auf. Ansprüche im Zusammenhang mit einer Zusatzversorgung und im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Berufsausbildung sind insoweit ausdrücklich nicht genannt. Hätte der Gesetzgeber für die Haftungsfrage bei einer Verleihersituation etwas anders regeln wollen, hätte er dies im Gesetzeswortlaut deutlicher zum Ausdruck bringen müssen.

Letztlich scheint auch der Kläger diese Auffassung zu teilen, denn er hat den Anspruch auf Beiträge zum Urlaubsverfahren in geringerer Höhe hilfsweise geltend gemacht.

II. Aus dem Umstand, dass bis zum 1. Januar 2019 und damit auch noch im streitgegenständlichen Zeitraum der VTV/2016 nach § 7 Abs. 1 SokaSiG auch kraft gesetzlicher Erstreckung galt, folgt nichts anderes. Das SokaSiG hat insoweit nicht nur keine abweichende Regelung getroffen, es fehlt auch an einem Verweis auf § 8 Abs. 3 AEntG. § 12 SokaSiG verweist nur auf die §§ 14 ff. AEntG, während in § 7 Abs. 11 SokaSiG die Einbeziehung von im Ausland belegenen Betrieben geregelt ist (vgl. § 8 Abs. 1 AEntG).

III. Der Beitragsanspruch ergibt sich auch nicht aus den §§ 8 Abs. 3 i.V.m. §§ 4 Nr. 1, 5 Nr. 3, 6 Abs. 1 AEntG. Auf der Grundlage der wechselseitigen Behauptungen kann nicht angenommen werden, dass die Arbeitnehmer überwiegend bauliche Leistungen i.S.d. § 6 Abs. 1 AEntG i.V.m. § 101 Abs. 2 SGB III erbracht haben.

1. Ein Betrieb des Baugewerbes ist nach § 101 Abs. 2 SGB III ein Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringt. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Ein Betrieb, der überwiegend Bauvorrichtungen, Baumaschinen, Baugeräte oder sonstige Baubetriebsmittel ohne Personal Betrieben des Baugewerbes gewerblich zur Verfügung stellt oder überwiegend Baustoffe oder Bauteile für den Markt herstellt, sowie ein Betrieb, der Betonentladegeräte gewerblich zur Verfügung stellt, ist kein Betrieb des Baugewerbes.

Welche Betriebe als Baubetriebe nach § 101 Abs. 2 SGB III anzusehen sind, wird gemäß § 109 SGB III näher in der Baubetriebe-Verordnung konkretisiert (vgl. Bieback in Gagel SGB III Stand: Dezember 2021 § 101 Rn. 30). Dessen Katalog entspricht in § 1 Baubetriebe-Verordnung im Grundsatz § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV. Der Bauwerksbegriff i.S.d. § 101 SGB III ist zwar weitgehend deckungsgleich mit dem Anwendungsbereich des VTV, der VTV ist aber weiter gefasst, weil er insbesondere auch das gesamte Ausbaugewerbe erfasst, was durch § 2 Baubetriebe-Verordnung eingeschränkt wird (vgl. zu den Abweichungen Bieback in Gagel SGB III Stand: Dezember 2021 § 109 Rn. 29 ff.); bei der Umlage für die Winterbauförderung gibt es auch keine § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV vergleichbare Generalklausel (vgl. BSG 9. Dezember 1997 - 10 Rar 3/97 - NZA-RR 1998, 517; Böttiger in Böttiger/Körtek/Schaumberg 3. Aufl. § 109 SGB III).

Zwar werden in § 2 Nr. 13 Baubetriebe-Verordnung Betriebe des Metall- und Leichtmetallbaus ausgenommen. Die Schweißarbeiten an Rohrleitungen zählen auch zum Metallbau, dies gilt auch für sonstige Schweißarbeiten an Kesselkonstruktionen oder sonstigen Anlagen. Diese Betrachtung wird auch dadurch unterstützt, dass nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit der Betrieb nicht unter die Winterbeschäftigungs-Umlage nach § 354 ff. SGB III fällt. Auf den Bescheid vom 3. März 2022 wird verwiesen (Bl. 511 - 512 der Akte). In § 1 Abs. 2 Nr. 23 Baubetriebe-Verordnung werden aber - wie in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV - auch Rohrleitungsbauarbeiten erwähnt. Jedenfalls die Schweiß- und Instandsetzungsarbeiten an Rohrleitungen werden daher auch nach § 6 Abs. 1 AEntG und § 101 Abs. 2 SGB III erfasst.

2. Die von der Beklagten im Wege der Arbeitnehmerüberlassung überlassenen Leiharbeitnehmer haben arbeitszeitlich betrachtet nicht überwiegend Arbeiten an Rohrleitungen - nur diese sind unproblematisch als baulich einzustufen - erbracht. Der Kläger hat in dieser Hinsicht keinen schlüssigen Sachvortrag gehalten, da er sich auch auf solche Arbeiten bezogen hat, die als baufremd anzusehen sind. Instandsetzungsarbeiten - außerhalb des Rohrleitungsbaus - an Kraftwerkskesseln und anderen technischen Anlagen sind keine baulichen Leistungen, die von § 101 Abs. 2 SGB III erfasst werden.

a) Zu den Rohrleitungsbauarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV - Entsprechendes gilt für § 101 Abs. 2 SGB III - gehören alle Arbeiten, die das Verlegen und Montieren von Rohren betreffen, wobei nicht maßgeblich ist, in welchem Verfahren diese Arbeiten durchgeführt werden (BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 90/09 - Rn. 22, Juris). Ebenso wenig kommt es auf das Material an, soweit es sich noch um Rohrleitungen handelt (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 710/09 - Rn. 17, Juris). Auch das Verschweißen von Rohrleitungen aus Metall ist als Rohrleitungsbau im Tarifsinn anzusehen. Unerheblich ist, ob die Arbeiten unter- oder oberirdisch durchgeführt werden (BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 55/14 - Rn. 24, NZA-RR 2015, 307). Insbesondere das Verschweißen von Rohrleitungen in Kraftwerken und industriellen Anlagen zählt zu den Arbeiten des Rohrleitungsbaus (vgl. BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 28, Juris; Hess. LAG 27. September 2019 - 10 Sa 177/19 SK - Rn. 34, Juris; Hess. LAG 17. April 2015 - 10 Sa 1281/14 - Rn. 49, Juris).

Unter den Begriff des Rohrleitungsbaus ist auch die Instandhaltung (Reparatur und Sanierung) von Rohrleitungen zu fassen (vgl. BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 26, Juris). Zu den Rohrleitungsbauarbeiten zählen jedenfalls auch das Anbringen der Halterung, die Feinjustierung und die Heftung der Rohrverbindungen (vgl. BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 55/14 - Rn. 26, NZA-RR 2015, 307).

Werden Rohrleitungsbauarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt, sind ihnen diejenigen Tätigkeiten hinzuzurechnen, die zur sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung „Rohrleitungsbau“ notwendig sind und daher mit dieser in Zusammenhang stehen. Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden (vgl. BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 55/14 - Rn. 25, NZA-RR 2015, 307). Zu den notwendigen Vorarbeiten können auch Blech- und Schlosserarbeiten in der Werkstatt gehören (vgl. BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 27, Juris; BAG 13. März 1996 - 10 AZR 721/95 - zu II b der Gründe, NZA 1997, 209).

Damit sind Schweißarbeiten und sonstige Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten an Rohrleitungen an industriellen Anlagen vom tariflichen Anwendungsbereich erfasst. Gleichwohl stellt sich eine Abgrenzungsfrage zu Arbeiten an der technischen Anlage selbst, z.B. einem Kraftwerkskessel (hierzu Hess. LAG 9. Juli 2021 - 10 Sa 1517/20 SK - n.v.). Ist Gegenstand des Auftrages der Bau einer industriellen Anlage, wie z.B. eines Kraftwerkkessels, und fallen dabei lediglich nebenbei Anschluss- und Rohrleitungsarbeiten an, so ist diese Tätigkeit nicht mehr dem Rohrleitungsbau zuzurechnen (vgl. BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 55/14 - NZA-RR 2015, 307; Hess. LAG 27. September 2019 - 10 Sa 177/19 SK - Rn. 46, Juris). Der Zehnte Senat hat etwa das Vorliegen einer baulichen Leistung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV (Trocken- und Montagebauarbeiten) verneint für den Fall des Aufbaus und der Montage einer Hochfrequenzkabine für einen Kernspintomografen in einem Krankenhaus, die notwendiger und integraler Bestandteil des medizinischen Geräts und kein eigenständiges Bauwerk oder Bestandteil des Gebäudes ist(BAG 14. Dezember 2011 - 10 AZR 720/10 - Rn. 21, Juris). Das BAG nimmt insoweit offensichtlich eine funktionale Betrachtung vor und stellt nicht bloß auf die allgemeine Definition ab, wonach es sich um ein Bauwerk im tariflichen Sinne handelt, wenn es mit dem Erdboden verbunden oder infolge seiner eigenen Schwere auf ihm ruhend sowie aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellt worden ist (vgl. BAG 28. Mai 2008 - 10 AZR 358/07 - Rn. 23, NZA-RR 2008, 639; BAG 28. März 1990 - 4 AZR 615/89 - AP Nr. 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Bei im Einzelfall auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten kann es insbesondere von Bedeutung sein, ob die Tätigkeiten schwerpunktmäßig Qualifikationen eines Berufsbildes aus dem Bereich der industriellen Metallberufe (z.B. Anlagenmechaniker/in) oder aus dem Bereich der Bauwirtschaft (z.B. Rohrleitungsbauer/in) erfordern (vgl. BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 55/14 - Rn. 26, NZA-RR 2015, 307). Montagearbeiten, die sich unmittelbar auf die Herstellung einer technischen Anlage beziehen, fallen aus dem Anwendungsbereich des VTV heraus (vgl. auch BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 55/14 - Rn. 24, NZA-RR 2015, 307: Arbeiten an anderen Teilen industrieller Anlagen erfüllen die tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht).

b) Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Leiharbeitnehmer der Beklagten sowohl bauliche als auch baufremde Tätigkeiten erbracht haben. Ein Überwiegen der baulichen Tätigkeiten kann anhand des Vortrags des Klägers nicht festgestellt werden.

aa) Zu einem erheblichen arbeitszeitlichen Anteil haben die Arbeitnehmer Schweißarbeiten an Rohrleitungen erbracht. Dies wird von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV erfasst. Dies ergibt sich z.B. aus den vorgelegten Baustellentagesberichten der Fa. H. So heißt es dort z.B. am 1. und 2. August 2017: Schweißnahtvorbereitung, Schweißung der Flansch-T-Stück-Nähte. Am 31. Juli 2017 heißt es dort: Schweißnahtvorbereitung, Schweißung der Rohr-Bogen-Nähte (Bl. 36 der Akte). Am 29. Juli 2017 heißt es dort (Bl. 46 Rs. der Akte): Leitung DN 100 fertig geheftet zum Teil verschweißt, Halterungen anschweißen. Am 5. Januar 2017 heißt es dort: DN G5 Leitung vorgerichtet, Beginn Montage, Halterungen nachgeschweißt (51 Rs. der Akte). Am 10. Juli 2017 heißt es dort (Bl. 54 Rs. der Akte): Halterungen angepasst, Rohre geschweißt. Am 1. Juli 2017 heißt es dort (Bl. 67 Rs. der Akte): Schweißung der Kondensablaufrohre DN32.

Erfasst werden auch sonstige Instandhaltungs- und Ausbesserungsarbeiten an Rohrleitungen.

bb) Sonstige Montage- oder Instandsetzungsarbeiten inklusive Schweißarbeiten an technischen Anlagen wie Kraftwerkskessel, Müllverbrennungs- oder Rostbefeuerungsanlagen - einschließlich der tragenden Unterkonstruktionen - unterfallen indes weder § 101 Abs. 2 SGB III noch dem VTV.

Die Beklagte macht im Kern zutreffend geltend, dass § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV - entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 23 Baubetriebe-Verordnung - nicht einschlägig sei, sofern sich die Norm auf Arbeiten an Tragrohrsysteme beziehe. Sie meint, das Arbeitsgericht habe ihren erstinstanzlichen Vortrag nicht hinreichend gewürdigt, wonach sie behauptet habe, dass die Schweißarbeiten nicht an Rohrleitungen, sondern an Rohren, die Teile von Tragrohrsystemen seien, verrichtet worden seien. Dabei handelt es sich nach Darstellung der Beklagten um tragende Bauteile der Anlage, die allein aus statischen Gründen in Rohrform ausgebildet sind. Unter einem Tragrohrsystem versteht die Beklagte - wie auf Bl. 18 - 26 der Akte näher erläutert - z.B. ein Hubsystem, das aus beweglichen Rohren als Stützen besteht. Schweißarbeiten sind insoweit an „rohrartigen Gebilden“ wie Stehern an einem Hubtragesystem angefallen. So betrachtet handelt es sich nicht um eine Rohrleitung, durch die ein Gas-/Wassergemisch durchgeleitet wird. Solche Rohre sind Teil der technischen Anlagen und unterfallen nicht § 101 Abs. 2 SGB III. Der Positivkatalog des § 1 Baubetriebe-Verordnung ist nicht einschlägig. Vielmehr spricht alles dafür, dass solche Tätigkeiten dem Anlagen- bzw. Metallbau zuzurechnen sind. Die Ausbildung zum Anlagenmechaniker und zum Industriemechaniker wird in der Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen Metallberufen vom 28. Juni 2018 (IndMetAusbV 2007, BGBl. I 2018, 975) näher geregelt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 15 IndMetAusbV 2007 ist Gegenstand der Ausbildung auch das Herstellen und Montieren von Bauteilen und Baugruppen. Darunter fallen auch Arbeiten an Tragesystemen einer technischen Anlage aus Metall. Damit ist der Negativkatalog des § 2 Nr. 13 Baubetriebe-Verordnung einschlägig. Zumindest z.T. sind auch gelernte Metallbauer beschäftigt worden. Diese Betrachtung wird auch dadurch unterstützt, dass nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit der Betrieb nicht unter die Winterbeschäftigungs-Umlage nach § 354 ff. SGB III fällt.

Auch aus dem VTV lassen sich Anhaltspunkte dafür ableiten, dass Arbeiten an industriellen Anlagen selbst grundsätzlich nicht dem Bausektor zuzuordnen sind. Aus § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 3 VTV kann der Gegenschluss gezogen werden, dass der Tarifvertrag grundsätzlich Arbeiten an einer technischen Anlage, mögen diese an sich auch den Bauwerksbegriff erfüllen, nicht erfassen will. Denn § 1 Abs. 2 Abschn. IV VTV erweitert den Anwendungsbereich des VTV auch auf Arbeiten an anderen Objekten als Bauwerken, nämlich z.B. Wasserfahrzeugen oder technischen Anlagen. Würden Dämmarbeiten an technischen Anlagen schon allgemein vom VTV erfasst, insbesondere auch nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV, wäre § 1 Abs. 2 Abschn. IV VTV an sich überflüssig.

Außerdem hat das BAG - wie oben bereits ausgeführt - die Arbeiten an einem Kernspintomographen - ebenfalls eine Art von technischer Anlage - als baufremd angesehen. Gleiches gilt jedenfalls dann, falls ein Kraftwerkskessel hergestellt wird. Entsprechendes muss gelten, wenn Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten an technischen Anlagen erbracht werden.

Auch die folgenden Arbeiten - die nichts mit Rohrleitungen zu tun haben - sind Arbeiten an einer technischen Anlage und unterfallen nicht dem VTV:

Es geht hier auch nicht um Arbeiten an einem Gebäude, welches die Industrieanlagen beherbergt, auch geht es nicht um Abrissarbeiten. Solche Tätigkeiten unterfallen dem baulichen Bereich, auch wenn es um Arbeiten auf einem Kraftwerk geht (vgl. Hess. LAG 9. Juli 2021 - 10 Sa 1517/20 SK - n.v.). Die Beklagte hat klargestellt, dass die Arbeitnehmer Arbeiten an den „Einhausungen“ nicht erbracht hätten.

cc) Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben ist der Sachvortrag des Klägers - gerade auch im Hinblick auf das Beweisangebot - nicht schlüssig.

Der Kläger hat auf Seite 13 der Berufungsbeantwortung (Bl. 327 der Akte) behauptet, dass die Revisionsarbeiten an Rostbefeuerungsanlagen, Reparatur der Rostbelege, Reparatur am Entschlacker von Müllverbrennungsanlagen zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit angefallen seien. Damit ist sein Vortrag nur schlüssig, wenn all diese Arbeiten unter den Anwendungsbereich des § 101 Abs. 2 SGB III bzw. VTV fielen. Insoweit kommt § 1 Abs. 2 Nr. 23 Baubetriebe-Verordnung - entsprechend § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV - nicht in Betracht. Nach dem oben Gesagten handelt es sich auch nicht um ein Bauwerk i.S.d. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV, sondern um eine technische Anlage.

Der Kläger hat an anderer Stelle (auf Seite 21 der Berufungsbeantwortung Bl. 335 der Akte) behauptet, die im Betrieb der Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmachte, Schweißarbeiten an Rohrleitungen, Reparaturarbeiten an Rohrleitungen, an Tragrohrsystemen in Industrieanlagen der Zement- und Kalkindustrie, in Kraftwerken, in der Stahlindustrie, in der Papier- und Zellstoffindustrie, in Müllverbrennungsanlagen und in Industrieanlagen der Chemie- und Petrochemie erbracht. Dabei handelt es sich um eine Behauptung, die im Widerspruch zu der eben zitierten Behauptung steht. Entweder haben die Arbeitnehmer zu mehr als 50 % Revisionsarbeiten an Rostbefeuerungsanlagen, Reparatur der Rostbelege, Reparatur am Entschlacker von Müllverbrennungsanlagen etc. erbracht oder Schweißarbeiten an Rohrleitungen. Sein tatsächliches Vorbringen ist insoweit inhaltlich nicht miteinander zu vereinbaren und damit nicht schlüssig.

Selbst wenn man dies anders sähe, wäre auch diese Behauptung jedenfalls nicht schlüssig. Denn Tragrohrsysteme sind etwas anderes als Rohrleitungen. Dies sieht der Kläger offenbar auch so, denn sonst hätte er diesen Punkt nicht neben den Reparaturarbeiten an Rohrleitungen aufführen müssen. Insoweit stellt sich erneut die Frage, ob Arbeiten an Tragrohrsystemen in Industrieanlagen vom Bauwerksbegriff des § 101 Abs. 2 SGB III erfasst werden. Dies ist, wie bereits oben ausgeführt, zu verneinen.

C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist zugunsten des Klägers zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des VTV bzw. von § 6 Abs. 1 AEntG und § 101 Abs. 2 SGB III gegenüber dem Anlagenbau ist höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt.

nachgehend BAG, 10 AZR 284/22

Vorschriften§§ 354 ff. SGB III, § 8 Abs. 3 AEntG, Abschnitt V Nr. 25 VTV, § 8 Abs. 2 AEntG, Abschnitt II VTV, §§ 15 Abs. 2, 18 VTV, §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 3, 6 Abs. 1 AEntG, § 101 Abs. 2 SGB III, § 15 Abs. 2 VTV, § 8 Abs. 1 Satz 1 AEntG, § 5 Nr. 3 AEntG, § 8 AEntG, § 8 Abs. 1 AEntG, §§ 3, 5 AEntG, § 7 Abs. 1 SokaSiG, § 12 SokaSiG, §§ 14 ff. AEntG, § 7 Abs. 11 SokaSiG, §§ 8 Abs. 3, §§ 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 AEntG, § 109 SGB III, § 1 Baubetriebe-Verordnung, Abschn. V VTV, § 101 SGB III, § 2 Baubetriebe-Verordnung, Abschn. II VTV, § 2 Nr. 13 Baubetriebe-Verordnung, § 354 ff. SGB III, § 1 Abs. 2 Nr. 23 Baubetriebe-Verordnung, Abschn. V Nr. 25 VTV, Abschn. V Nr. 37 VTV, § 7 Abs. 1 Nr. 15 IndMetAusbV, Abschn. IV Nr. 3 VTV, Abschn. IV VTV, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG