Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Urteil vom 20.01.2023 · IWW-Abrufnummer 236809

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 10 Sa 588/22

Zur Berücksichtigung der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Nettoeinkommen bei der Berechnung des arbeitsvertraglichen Krankengeldzuschuss


Tenor: I. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.07.2022 - 3 Ca 420/22 - teilweise abgeändert und wie folgt neu formuliert: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.539,59 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 2.498,54 € seit 26.03.2022, aus 832,84 € seit 28.04.2022 und aus 208,21 € seit 13.06.2022 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien zu je 1/2. III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf einen arbeitsvertraglichen Zuschuss zum Krankengeld.

Der am 1962 geborene Kläger war zunächst bei der P gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag aus 2002 beschäftigt, wobei gemäß § 1 des Vertrages vor Dienst- und Beschäftigungszeiten bei der D sowie durch die D anerkannte Postdienstzeiten anerkannt worden sind. Zwischenzeitlich besteht das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund Betriebsübergang mit der Beklagten.

§ 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrags regelt einen arbeitsvertraglichen Zuschuss zum Krankengeld wie folgt:

Im Anschluss an die gesetzliche 6-wöchige Gehaltsfortzahlung erhält Herr G bis zum Abschluss einer eigenen tariflichen Regelung durch die Systems einen Zuschuss zu den Barleistungen seiner Krankenversicherung, der zusammen mit diesem Krankengeld die Höhe seiner Nettovergütung gemäß § 3 Abs. 1 erreicht bei einer Betriebszugehörigkeit:

a) von mehr als 1 Jahr bis zu einer Dauer von 7 Wochen,

b) von mehr als 3 Jahren bis zu einer Dauer von 20 Wochen,

c) von mehr als 5 Jahren bis zu einer Dauer von 26 Wochen,

d) von mehr als 8 Jahren bis zu einer Dauer von 33 Wochen,

e) von mehr als 12 Jahren bis zu einer Dauer von 52 Wochen.

§ 3 des Vertrages regelt unter der Überschrift Vergütung u. a. folgendes:

Herr G erhält als Vergütung für seine Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft nach § 1 sowie für die Wahrnehmung von Aufgaben jeglicher Art bei oder für verbundene Unternehmen ein festes Jahresgehalt. Das Jahresgehalt ohne Berücksichtigung einer möglichen Tariferhöhung 2002 beträgt 64.422,78 € brutto. Das Jahresgehalt wird nach Abzug der gesetzlichen Abgaben in 12 gleichen Beträgen jeweils mit Fälligkeit am Letzten eines Monats gezahlt.

Aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 01.09.2021 bis zum 15.05.2022 erhielt der Kläger von seiner privaten Krankenversicherung ein Krankengeld i. H. v. 117,76 € pro Kalendertag. Die Beklagte zahlte in diesem Zeitraum einen Zuschuss zum Krankengeld im Umfang eines Gesamtbetrages von 7987,75 €.

Mit seiner Klage vom 18.03.2022 und darauffolgenden Klageerweiterungen macht der Kläger einen darüber hinausgehenden Betrag i. H. v. 6982,26 € netto nebst Zinsen sowie die Erteilung einer korrekten Abrechnung des Krankengeldzuschusses für die Monate ab September 2021 bis zum 15.05.2022 geltend.

Erstinstanzlich hat der Kläger hierzu die Auffassung vertreten, bei der Berechnung des Zuschusses zum Krankengeld sei von einem Nettogehalt des Klägers in Höhe von monatlich 4926,99 € auszugehen. Unzutreffend sei es, von einem fiktiven Vergleichsnettogehalt von 4503,29 € auszugehen, da es hierfür keine Anhaltspunkte in der arbeitsvertraglichen Regelung in § 7 Abs. 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages aus dem Jahr 2002 gebe. Bei dem privatversicherten Kläger sei zu berücksichtigen, dass ihm wie vergleichbaren gesetzlich versicherten Arbeitnehmern im Fall der Arbeitsunfähigkeit ein Nettogehalt von 4503,29 € verbleiben solle. Der Kläger müsse - anders als die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer - im Krankheitsfall weiterhin die Eigenbeträge zur privaten Krankenversicherung leisten. Dagegen sei gemäß der gesetzlichen Regelung in § 224 Abs. 1 S. 1 SGB V ein Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse beitragsfrei für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld. Bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern, denen nach Abzug der Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ein Nettoentgelt i. H. v. 4503,29 € verbleibe, sei dieses Nettoentgelt auch der Berechnung des Krankengeldzuschusses zugrundezulegen, damit diesen Arbeitnehmern auch im Krankheitsfall ihr regelmäßiges Nettoentgelt zur Verfügung stehe. Sinn und Zweck der Regelung des Krankengeldzuschusses in § 7 des Arbeitsvertrages des Klägers sei es, dass den bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern auch im Fall von Arbeitsunfähigkeit für die in § 7 des Arbeitsvertrages vorgesehenen Zeiträume - beim Kläger für 52 Wochen - ihre regelmäßige Nettovergütung zur Verfügung stehe, wie sie sich nach Abzug aller Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und der Lohnsteuer ergebe. Dieses Nettoentgelt i. H. v. 4503,29 € müsse aber auch dem Kläger als privat krankenversicherten Arbeitnehmer verbleiben, damit der Kläger im Krankheitsfall nicht schlechter als ein gesetzlich versicherter Arbeitnehmer stehe. Da ein gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer auch im Krankheitsfall ein Nettoentgelt i. H. v. 4503,29 € zur Verfügung haben solle, führe dies dazu, dass der Kläger dieses Nettoentgelt im Krankheitsfall erst dann zur Verfügung habe, wenn er seinen Beitrag zur privaten Krankenversicherung i. H. v. 817,10 € an seine private Krankenversicherung gezahlt habe. Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts aus dem Urteil vom 31.08.2005 - 5 AZR 6/05 - seien vorliegend nicht einschlägig. Zum einen habe der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine andere tarifliche Regelung (§ 4 RTVAngBau) zugrunde gelegen, bei der für den Krankengeldzuschuss an die fiktiven Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung angeknüpft werde. Im vorliegenden Fall knüpfe die arbeitsvertragliche Regelung in § 7 Abs. 2 hingegen an die tatsächlich von der privaten Krankenversicherung bezogenen Leistungen an. Zudem habe sich nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2005 die Gesetzeslage insofern geändert, dass nunmehr eine Pflicht zur Vollversicherung auch für privat versicherte Arbeitnehmer gelte (§§ 257 Abs. 2 S. 1 SGB V, 61 Abs. 2 S. 1 SGB XI).

Die Beklagte hat erstinstanzlich hierauf erwidert, die von ihr vorgenommene Berechnung des Krankengeldzuschusses im streitgegenständlichen Zeitraum sei ausgehend von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.08.2005 - 5 AZR 6/05 - zutreffend erfolgt. Für seine private Krankenversicherung habe der Kläger im Oktober 2021 insgesamt ein Betrag von 817,10 € netto an seine private Krankenversicherung überwiesen, sodass ein Nettoentgelt von 4518,44 Euro in diesem Monat verblieben sei. Eine sachwidrige Benachteiligung der privat krankenversicherten Mitarbeiter gegenüber den gesetzlich versicherten Arbeitnehmern liege nicht vor. Da auch den gesetzlich versicherten Mitarbeitern als Nettoentgelt nur der Betrag verbleibe, der sich nach Abzug der gesetzlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ergebe, müsse auch der von privat versicherten Arbeitnehmern abzuführende Anteil an den Beiträgen für die Kranken- bzw. Pflegeversicherung bei der Berechnung des Zuschusses zum Krankengeld berücksichtigt werden. Die Zuschüsse zum Krankengeld stellten kein Bruttoarbeitsentgelt dar, sondern das Gegenstück zum Arbeitgeberanteil bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Der Begriff des Nettoverdienstes sei im Arbeitsvertrag des Klägers klar durch den Verweis in § 7 Abs. 2 auf § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages dadurch definiert, dass das Nettoentgelt nach Abzug der gesetzlichen Abgaben vorliege. Die Gesetzesänderung hinsichtlich der Pflicht zur Vollversicherung im Bereich der Krankenversicherung habe nichts daran geändert, dass privat krankenversicherte Arbeitnehmer - anders als die gesetzlich versicherten - weiterhin verpflichtet seien, während ihres Krankengeldbezuges weiter Versicherungsbeiträge zu leisten. Zu berücksichtigen sei auch, dass trotz der gebotenen Vollversicherung der privat krankenversicherte Mitarbeiter berechtigt sei, etwa die Höhe seines Krankentagegeldes selbstständig zu vereinbaren.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 21.07.2022 - 3 Ca 420/22 - Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht den Anspruch des Klägers nur zu einem geringfügigen Teil für begründet gehalten und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Dabei ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass nach Auslegung des § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages des Klägers die Bezugsgröße für den Zuschuss zum Krankengeld das zu ermittelnde Nettoentgelt sei, was regelmäßig 4518,44 € betragen habe. Nicht einzubeziehen seien die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung, da diese keine Entgeltbestandteile, sondern Zahlungen zum Ausgleich der Beitragspflicht des Arbeitgebers bei den gesetzlich versicherten Arbeitnehmern darstellten. Der vom Kläger geltend gemachte Abrechnungsanspruch bestehe vorliegend nicht, da der Arbeitgeber nur das abrechnen müsse, was er tatsächlich gezahlt habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 67 ff. d. A.) Bezug genommen. Gegen dieses ihm am 28.07.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.08.2022 Berufung eingelegt und diese am 28.09.2022 begründet. Die Anschlussberufung der Beklagten ist am 06.12.2022 und damit innerhalb der bis 07.12.2022 verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist eingelegt und zugleich begründet worden.

Der Kläger wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einem maßgeblichen Nettoeinkommen i. H. v. 4518,44 € zur Berechnung seines Krankengeldzuschusses ausgegangen. Gemäß seiner Berechnung im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 13.06.2022 sei vielmehr von einem Nettobetrag von 5335,54 € auszugehen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts gehörten die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung nicht zu dem für die Berechnung des Krankengeldzuschusses nach § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages des Klägers maßgeblichen Nettoeinkommen des Klägers. Da die privat krankenversicherten Mitarbeiter - wie der Kläger - während der Entgeltfortzahlung bzw. des Krankengeldbezuges weiter Beiträge an die Krankenversicherung leisten müssten, müssten diese Beiträge auch im Rahmen der Berechnung des maßgeblichen Nettoverdienstes mitzählen. Dies gelte insbesondere wegen der Gesetzesänderung hinsichtlich der Pflicht zur privaten Krankenvollversicherung in den Jahren 2007 und 2009. Der Kläger sichere auch einen gegenüber gesetzlich krankenversicherten vergleichbaren Umfang beim Krankentagegeld ab.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.07.2022 (Az. 3 Ca 420/23) abzuändern und nach den Schlussanträgen des Klägers in erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen ihrer Anschlussberufung beantragt sie zudem,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.07.2022, Az. 3 Ca 420 / 22 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt hierzu,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das erstinstanzliche Urteil gegenüber der Berufung des Klägers.

Im Übrigen macht die Beklagte innerhalb der von ihr eingelegten Anschlussberufung geltend, die Klage sei insgesamt abzuweisen, da der Kläger das für die Berechnung des Krankengeldzuschusses maßgebliche Nettogehalt nicht hinreichend dargelegt habe, sodass die Klage bereits unschlüssig sei. Der Kläger habe in seiner Klageschrift ursprünglich vorgetragen, dass ein Nettogehalt i. H. v. 4926,99 € der Berechnung des Zuschusses zum Krankengeld zugrunde zu legen sei. In der Folgezeit habe er auf die von der Beklagten im damaligen Zeitpunkt für richtig erachteten Beträge i. H. v. 4503,29 € bzw. zuletzt 4518,44 € als Berechnungsgrößen abgestellt. Sodann habe der Kläger aber unter Zugrundelegung eines Auszahlungsbetrages als Nettogehalt von zunächst 5154,89 € und zuletzt 5335,54 € die von ihm geltend gemachten weiteren Zahlungen berechnet. Welches Nettoentgelt warum ihm nach dem allein als Anspruchsgrundlage maßgeblichen Vertrag hier als Berechnungsgrundlage zur Seite stehen solle, bleibe daher unklar. Der selektive Vortragsstil des Klägers setze sich auch hinsichtlich der von ihm angesetzten Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung fort, die er im Schriftsatz vom 28.04.2022 mit monatlich 751,60 € und später i. H. v. 817,10 € beziffert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig, da sie innerhalb der verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist eingelegt und begründet worden ist (§ 524 ZPO).

II. Während sich die Berufung des Klägers teilweise - im titulierten Umfang - als begründet erweist und lediglich im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen war, ist die Anschlussberufung der Beklagten insgesamt unbegründet.

1. Die Berufung des Klägers ist insoweit begründet, als ihm ein weitergehender Anspruch auf Zuschuss zum Krankengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum von September 2021 bis 15.05.2022 i. H. v. 3539,99 € nebst Zinsen zusteht. Einen darüber hinausgehenden Zuschussanspruch besitzt der Kläger ebenso wenig wie einen Abrechnungsanspruch für diesen Zeitraum, da dieser bereits erfüllt ist.

2. Den weitergehenden Zuschussanspruch kann der Kläger im ausgeurteilten Umfang aus seinem schriftlichen Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2002 gemäß § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages herleiten

a. Für die Bestimmung der Höhe der Zuschussleistung der Beklagten ist maßgeblich der Begriff der Nettovergütung gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages.

Der Begriff der Nettovergütung ist in der Rechtsterminologie mit einer bestimmten Bedeutung belegt. Unter Nettovergütung wird die um die gesetzlichen Abzüge, d. h. die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge und die auf die Bezüge entfallende Lohnsteuer, verminderte Bruttovergütung verstanden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.08.2005 - 5 AZR 6/05). Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien auf eine andere Begriffsbestimmung abgestellt hätten, sind nicht erkennbar. Eine abweichende Beurteilung kann nicht aus § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages, auf den § 7 Abs. 2 verweist, hergeleitet werden. Auch hier ist geregelt, dass das Bruttogehalt nach Abzug der gesetzlichen Abgaben in zwölf gleichen Beträgen gezahlt.

b. Zu der Nettovergütung gehören die nach § 257 Abs. 2 SGB V und § 61 Abs. 2 SGB XI einen privat krankenversicherten Arbeitnehmer wie dem Kläger durch den Arbeitgeber gewährten Beitragszuschüsse nicht. Diese stellen kein Bruttoarbeitsentgelt und keinen Gehaltsbestandteil dar, sondern bilden das Gegenstück zu dem in § 249 Abs. 1 SGB § 58 Abs. 1, 3 SGB XI gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitgeberanteil für in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig Beschäftigte. Der Arbeitgeber soll dadurch in gleicher Weise wirtschaftlich an den Versicherungsbeiträgen beteiligt werden, wie dies bei einem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Fall ist (Bundesarbeitsgericht aaO). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.08.2005 - 5 AZR 6/05 - in der zitierten Passage den Beitragszuschuss des Arbeitgebers betrifft, der das Gegenstück zum Arbeitgeberanteil für in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung versicherte Beschäftigte betrifft.

Diesbezüglich greift nach Auffassung der Kammer die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts, dass diese keine Nettovergütung darstellen und ihre Berücksichtigung bei der Berechnung der Nettovergütung nicht zur Vermeidung einer Schlechterstellung der privat krankenversicherten Angestellten gegenüber den freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Angestellten führt. Hierbei führt die Außerachtlassung der Beitragszuschüsse des Arbeitgebers nicht zu einer sachwidrigen Benachteiligung der privat krankenversicherten Arbeitnehmer. Zwar sind Arbeitnehmer, die gesetzlich pflichtversichert oder der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beigetreten sind, gemäß § 224 Abs. 1 SGB V während des Bezugs von Krankengeld beitragsfrei krankenversichert. Für privat krankenversicherte Arbeitnehmer gilt dies ohne gesonderte Absprachen mit ihrer privaten Krankenversicherung nicht. Diese Beitragsfreiheit stellt jedoch eine Leistung dar, die durch die Beiträge der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung bewirkt werden. Demgegenüber hat es der Gesetzgeber den privat krankenversicherten Arbeitnehmern weitgehend selbst überlassen, welche Leistungen sie absichern wollen. § 257 SGB V fordert für privat krankenversicherte Beschäftigte zwar nunmehr eine Vollversicherung - insoweit haben sich die gesetzlichen Grundlagen nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.8.2005, wie der Kläger zutreffend vortragen lässt, durch die Gesetzesänderung in den Jahren 2007/2009 geändert. Allerdings hat wiederum die Beklagte zutreffend darauf verwiesen, dass eine Vollversicherung bei einer privaten Krankenversicherung hinsichtlich der Art der Leistungen zwar entsprechend sein, aber nicht den gesamten Umfang abdecken müssen. Die Entsprechensklausel in § 257 SGB V bedeutet nicht, dass eine vollständige Identität der Leistungen einer privaten Krankenversicherung mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegen muss (Grimmke in juris-PK, § 257 SGB V, Rz. 71). Ein Ausgleich der strukturellen Unterschiede der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung ist nicht geboten. Vielmehr würde es ansonsten systemwidrig dazu führen, dass der Arbeitgeber für den Zeitraum, während dessen er den privat krankenversicherten Arbeitnehmer den Krankengeldzuschuss arbeitsvertraglich zu leisten hat, mittelbar einen Beitragszuschuss leisten müsste, obwohl er hierzu gesetzlich nicht verpflichtet ist. Der Krankengeldzuschüsse, die zusammen mit dem Krankengeld den Nettolohn nicht übersteigen, gehören nach der ausdrücklichen Anordnung in § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Daher kann der Anspruch auf Zuschuss zum Krankengeld keinen Anspruch auf Zahlung eines Beitragszuschusses nach § 257 SGB V und § 61 SGB XI begründen.

c. Dies gilt nach Auffassung der Kammer allerdings nicht für die Eigenbeiträge des Klägers zu seiner privaten Krankenversicherung. Diese sind als Nettoverdienst im Sinne des § 7 Abs. 2 seines schriftlichen Arbeitsvertrages aus dem Jahr 2002 zu werten. Bei ihnen greift nämlich nicht die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts aus dem Urteil vom 31.08.2005 zu den arbeitgeberseitig geschuldeten Beitragszuschüssen zur privaten Krankenversicherung, da durch die Berücksichtigung der Eigenbeiträge des Arbeitnehmers nicht bewirkt wird, dass der Arbeitgeber mittelbar verpflichtet wird, Beiträge für Zeiten - hier des Krankengeldbezuges - zu leisten, für die er gesetzlich nicht verpflichtet werde. Vielmehr steht hier im Vordergrund, dass der Kläger in diesem Fall schlechter gestellt wird als die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer. Er müsste nämlich von dem unter Abzug auch des Eigenbeitrags zur privaten Krankenversicherung ermittelten Nettoeinkommens während des Krankengeldbezuges diesen Eigenbeitrag verdienstmindernd noch an die private Krankenversicherung abführen, während der gesetzlich versicherte Arbeitnehmer in diesem Zeitraum beitragsfrei bleibt und somit über ein höheres Nettoeinkommen verfügen würde. Dies wird dem Sinn und Zweck des Krankengeldzuschusses, die Verdienstlücke zwischen den üblichen Nettoeinkommen und dem gezahlten Krankengeld abzudecken, nicht gerecht und ist bei dem Begriff der maßgeblichen Nettovergütung im Rahmen des § 7 Abs. 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages und bei dessen Auslegung zu berücksichtigen.

d. Daraus ergibt sich, dass dem Kläger ein Nachzahlungsanspruch i. H. v. 3539,99 € nebst Zinsen zusteht. Dabei ist zugrunde zu legen, dass für den Kläger ausweislich der vorgelegten Abrechnung für Oktober 2021 unter Einrechnung seiner Eigenbeteiligung für seine private Krankenversicherung von einem regelmäßigen monatlichen Nettoeinkommen von jeweils 4926,99 € für September 2021 bis 15.05.2022 auszugehen ist. Hiervon ist das an den Kläger gezahlte Krankengeld i. H. v. 30.382,08 € abzuziehen. Gemäß dem erstinstanzlichen Schriftsatz des Klägers vom 13.06.2022 hat die Beklagte hierauf im Oktober 2021 als Krankengeldzuschuss ein Nettobetrag von 5135,54 €, im Februar 2022 655,41 € und in den Monaten März und April 2022 einen weiteren Nettobetrag i. H. v. 1996,80 € gezahlt. Hieraus ergibt sich der weitergehende Zahlungsbetrag i. H. v. 3539,99 € zugunsten des Klägers nebst entsprechender Zinsen seit Rechtshängigkeit.

2. Die Anschlussberufung der Beklagten ist nach den obigen Ausführungen als unbegründet zurückzuweisen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien nach dem Grad ihres Obsiegens bzw. Unterliegens gemäß § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits nach § 72 ArbGG zugelassen.

Vorschriften