Urteil vom 07.06.2023 · IWW-Abrufnummer 237019
Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 12 Sa 297/23
1. Ein Betriebsrentner erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung . Die in § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vorgenommene Bestimmung des anspruchsberechtigten Personenkreises verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG .
2. Die hier maßgebliche Versorgungsordnung fingiert nicht das für § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung erforderliche Arbeitsverhältnis.
3. Die Corona-Sonderzahlung war nicht bei der in der Versorgungsordnung versprochenen dynamische Neufestsetzung der Betriebsrente zu berücksichtigen. Bezugsobjekt der diesbezüglichen Bestimmung der Versorgungsordnung sind nur die genannten Versorgungsbezüge. Zu diesen gehört die Corona-Sonderzahlung nicht. Soweit ggfs. die Tarifvertragsparteien aufgrund der Corona-Sonderzahlung eine geringere - bzw. zeitweise ausfallende - lineare Erhöhung der Tabellenentgelte im Gesamtpaket der Tarifrunde vereinbart haben, ändert dies nichts.
Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.01.2023 - 13 Ca 3308/22 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger als Betriebsrentner eine Corona-Sonderzahlung zusteht.
Der am 09.07.1952 geborene Kläger war vom 01.04.1990 bis zum 30.06.2016 bei der Beklagten, einer Ärztekammer in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts, auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 20.03.1990 beschäftigt. In diesem war u.a. Folgendes vereinbart:
"..... Für diese Tätigkeit erhält Herr I. die Bezahlung nach der Vergütungsgruppe III, Lebensaltersstufe 37, des Bundesangestelltentarifvertrags. Danach ergibt sich ab 1.4.1990 folgende monatliche Bruttovergütung: Grundvergütung .... Ortszuschlag (verh., 2 Kinder) .... Allg. tarifliche Zulage .... .... Im Übrigen richten sich die Arbeitsbedingungen, wie Urlaub, Weiterzahlung des Gehalts im Krankheitsfalle, Kündigung usw. nach dem Bundesangestelltentarifvertrag mit Ausnahme des § 46 des Bundesangestelltentarifvertrags, der die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung beinhaltet, da die Ärztekammer Nordrhein eine solche in eigener Regie eingerichtet hat. ...."Die Beklagte hatte ihren Arbeitnehmern eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung gemäß den Regelungen der "Alters- und Hinterbliebenenversorgung (AHV) für die Angestellten der Ärztekammer Nordrhein vom 01.07.1959" (im Folgenden AHV) zugesagt. In den AHV hieß es u.a.:
"§ 3 Berechnung der Versorgungsbezüge 1) Die Altersversorgung berechnet sich aus den versorgungsfähigen Dienstbezügen. Diese sind das vom Angestellten zuletzt bezogene Grundgehalt, der Ortszuschlag der jeweiligen Ortsklasse, die allgemeine tarifliche Zulage und ausdrücklich als versorgungsfähig bezeichnete Zulagen, multipliziert mit der Zahl 13, dividiert durch die Zahl 12. Die Altersversorgung wird berechnet nach Ablauf der Wartezeit mit 35 v.H. der versorgungsfähigen Dienstbezüge und erhöht sich in den folgenden 20 Dienstjahren mit jedem vollendeten Dienstjahr, frühestens jedoch vom vollendeten 30. Lebensjahr an, um 1 1/2 v.H. und von da an um 1 v.H. bis auf höchstens 75 v.H.. Dabei rechnen Dienstjahre von dem ersten Kalendermonat an, der dem Ablauf der Wartezeit bzw. der Vollendung des 30. Lebensjahres folgt. .... 4) Tarifliche Änderungen während des Bezuges von Versorgungsbezügen sowie tariflich bedingte Änderungen, die der/die ehemalige Angestellte bei Fortdauer des Angestelltenverhältnisses erfahren hätte, sind laufend durch Neufestsetzung der versorgungsfähigen Dienstbezüge zu berücksichtigen."Wegen der weiteren Einzelheiten der AHV wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift Bezug genommen. Nachdem der BAT im Bereich der Länder vom TV-L abgelöst worden war, wandten die Parteien nachfolgend übereinstimmend den TV-L auf das Arbeitsverhältnis an, soweit zuvor im Arbeitsvertrag auf den BAT verwiesen worden war. Im Hinblick auf die Vergütung wurde der Kläger gemäß den Regeln des TVÜ-Länder in den TV-L übergeleitet.
Mit Ablauf des 30.06.2016 endete das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger erbrachte nachfolgend keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte und erhielt keine Arbeitsvergütung mehr. Er bezog seit dem 01.07.2016 Rente, zum einen aus dem berufsständischen Versorgungswerk der Beklagten, zum anderen Leistungen der Beklagten aus der Zusage gemäß den AHV. Bei der Berechnung der Betriebsrente gemäß der AHV wurde der zwischen den Parteien unstreitige Versorgungshöchstsatz von 75 v.H. zu Grunde gelegt. Die Ausgangsbetriebsrente berechnete die Beklagte auf der Grundlage eines versorgungsfähigen Gehalts von 8.004,89 Euro. 75 v.H. von 13/12 von diesem Betrag waren 6.503,97 Euro. Abzüglich der Rente aus dem berufsständischen Versorgungswerk ergab sich für den Kläger ab dem 01.07.2016 eine monatliche Betriebsrente von 4.951,01 Euro. Nachfolgend berechnete die Beklagte die Betriebsrente des Klägers unter Berücksichtigung der prozentualen Tariferhöhungen des TV-L jeweils neu. Konkret ging die Beklagte jeweils von einem tariflich erhöhten versorgungsfähigen Gehalt des Klägers aus und berechnete die Betriebsrente wie oben beschrieben neu. Sie brachte zugleich eine ggfs. erhöhte Rente aus dem Versorgungswerk in Abzug. Zuletzt ergab sich eine monatliche Betriebsrente des Klägers ab dem 01.01.2021 von monatlich 5.705,58 Euro brutto ausgehend von einem monatlichen versorgungsfähigen Gehalt von 8.991,50 Euro und einer abzuziehenden Rente aus dem Versorgungswerk von 1.600,01 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Erhöhungsschreiben der Anlagen K 4 bis K 9 zur Klageschrift Bezug genommen.
Am 29.11.2021 schlossen die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der dbb Beamtenbund und Tarifunion einen Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung (TV-Corona-Sonderzahlung). Dieser enthielt u.a. folgende Regelungen:
"§ 1 Geltungsbereich Dieser Tarifvertrag gilt für Personen, die am 29.11.2021 unter den Geltungsbereich eines der nachstehenden Tarifverträge fallen: a) Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) .... § 2 Einmalige Corona Sonderzahlung (1) Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, erhalten eine einmalige Corona-Sonderzahlung spätestens mit dem Tabellen-, Ausbildungs-, Studierenden- bzw. Praktikantenentgelt (Entgelt) für März 2022 ausgezahlt, wenn das Arbeits-, Ausbildungs-, Studien- oder Praktikantenverhältnis am 29.11.2021 bestanden hat und in der Zeit vom 01.01.2021 bis zum 29.11.2021 an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt bestanden hat. (2) Die Höhe der einmaligen Corona-Sonderzahlung beträgt für die Beschäftigten im Sinne von § 1 Buchst. a 1.300 Euro, .... . (3) Die einmalige Corona-Sonderzahlung ist bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht zu berücksichtigen."In einer Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 TV-Corona-Sonderzahlung war folgendes festgehalten:
"1. Die einmalige Corona-Sonderzahlung wird zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Entgelt gewährt. Es handelt sich um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise im Sinne des § 3 Nr. 11a des Einkommensteuergesetzes. .... 5. Die einmalige Corona-Sonderzahlung ist kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt. ...."Mit Schreiben vom 10.02.2022, das der Kläger am 10.03.2022 an die Beklagte übermittelte, machte er die Zahlung der Sonderzahlung in Höhe von 1.300,00 Euro nach dem TV Corona-Sonderzahlung geltend und verlangte von der Beklagten dazu eine verbindliche Erklärung. Mit E-Mail vom 16.03.2022 lehnte die Beklagte die Zahlung der Corona-Sonderzahlung ab.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass er Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung als Bestandteil seiner Versorgungsbezüge nach der AHV habe. Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der Auffassung sein sollte, dass sich aus der AHV kein unmittelbarer Anspruch auf die Einmalzahlung ergebe, seien jedenfalls seine Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der Corona-Sonderzahlung neu festzusetzen. Da es sich um eine tarifliche Änderung im Sinne von § 3 Abs. 4 AHV handele, bestehe ein Anspruch auf die Neufestsetzung mit Wirkung zum 01.04.2022. Dass er sich nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten befand und auch in der Zeit vom 01.01.2021 bis zum 29.11.2021 nicht mindestens an einem Tag Anspruch auf Entgelt hatte, stehe seinem Anspruch nicht entgegen. Es gehe vorliegend nicht um einen unmittelbaren Anspruch aus dem TV Corona-Sonderzahlung, sondern um einen Anspruch aus den Regelungen der AHV. Er sei nach § 3 Abs. 4 AHV bezogen auf tarifliche Änderungen während des Bezugs von Versorgungsbezügen so zu behandeln, als bestehe das Angestelltenverhältnis fort. "Tarifliche Änderung" in diesem Sinne seien auch Einmalzahlungen. Vor diesem Hintergrund sei er so zu behandeln, als habe das Arbeitsverhältnis und ein Entgeltanspruch am 29.11.2021 (fort-)bestanden, so dass die Voraussetzungen nach § 2 des TV Corona-Sonderzahlung als erfüllt anzusehen seien.
Der Anspruch sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 5 zu § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung festgelegt haben, dass es sich bei der einmaligen Corona-Sonderzahlung nicht um ein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt handele. Den Tarifvertragsparteien fehle die Regelungsmacht, die einzelvertragliche Vereinbarung, auf die er sich nach § 3 Abs. 4 AHV berufen könne, auszuhebeln. Tatsächlich regele die Protokollerklärung insoweit nur, dass die Corona-Sonderzahlung kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt sei. Dies habe für die Berechtigung der Klageforderung aber keine Bedeutung, weil er die Corona-Sonderzahlung nur einmalig und nicht (dauerhaft) als Erhöhung der Grundlage für die Ermittlung seiner künftigen Versorgungsbezüge geltend mache.
Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Tarifvertragsparteien die vom Gesetzgeber geschaffene steuer- und sozialversicherungsfreie Zuwendung genutzt hätten, um die auch versorgungswirksame prozentuale Erhöhung der tariflichen Tabellenentgelte für einen erheblichen Zeitraum der Laufzeit des Tarifabschlusses zu vermeiden. Und die Voraussetzungen des TV Corona-Sonderzahlung stellten nicht sicher, dass nur Personen die Sonderzahlung erhielten, die zusätzlichen Belastungen in Folge der Corona-Krise ausgesetzt waren.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.300,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu zahlen; 2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die durch den Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 29.11.2021 eingetretene Änderung durch Neufestsetzung seiner versorgungsfähigen Dienstbezüge zu berücksichtigen und den sich daraus ergebenden Bruttobetrag des Versorgungsbezugs an ihn zu zahlen; 3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die durch den Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 29.11.2021 eingetretene Änderung durch einmalige Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge und einmalige Erhöhung des monatlichen Brutto-Zahlbetrages von derzeit 5.705,58 Euro um 1.300,00 Euro zu berücksichtigen und den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag an ihn zu zahlen.Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.Sie hat gemeint, dass der vom Kläger behauptete Anspruch aus § 3 Abs. 1 und Abs. 4 der AHV i. V. m. §§ 1 und 2 des TV Corona-Sonderzahlung tatbestandlich nicht erfüllt sei. Gleiches gelte für die vom Kläger in seinen Hilfsanträgen geltend gemachte "Neufestsetzung der versorgungsfähigen Dienstbezüge" unter Berücksichtigung der Sonderzahlung, sei es dauerhaft oder einmalig. Die Hilfsanträge seien zudem mangels Bezifferung unzulässig.
Die AHV sehe keine unmittelbare Zahlung von tariflich zugesagten Entgeltbestandteilen vor, sondern berücksichtige diese allenfalls, sofern sie tatbestandlich nach § 3 Abs. 1 AHV als Grundlage bei der Festsetzungsentscheidung der Altersversorgung in Betracht kämen. Nur in diesem Rahmen könne die vom Kläger als anspruchsbegründend behauptete vermeintliche "Fortgeltung" des Arbeitsverhältnisses aufgrund von § 3 Abs. 4 AHV berücksichtigt werden. Die AHV lege hingegen keine unmittelbare Weitergeltung des Arbeitsverhältnisses fest, aus der sich dann Ansprüche auf unmittelbare Zahlung von Tarifentgelten ergeben könnten. Selbst wenn man - unzutreffender Weise - eine "unmittelbare" Fortgeltung des Arbeitsverhältnisses über § 3 Abs. 4 AHV fingieren wolle, bliebe aber festzuhalten, dass hierüber nicht die zweite tatbestandliche Voraussetzung von § 2 TV Corona-Sonderzahlung begründet werden könne. Der Kläger hätte als vermeintlich Berechtigter in der Zeit vom 01.01.2021 bis zum 29.11. 2021 an mindestens einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt haben müssen, was - unstreitig - nicht der Fall war. Auch ein Anspruch auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge bestehe nicht, weil der TV Corona-Sonderzahlung ausdrücklich regele, dass die Sonderzahlung kein zusatzversorgungsberechtigtes Entgelt sei. Es fehle daher nicht nur eine positive Feststellung, dass die Corona-Sonderzahlung versorgungsfähig sei, sondern diese sei ausdrücklich als nicht versorgungsfähig definiert worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 10.01.2023 ist dem Kläger am 30.01.2023 zugestellt worden. Er hat am 22.02.2023 Berufung eingelegt und diese am 30.03.2023 begründet.
Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass der TV-Corona-Sonderzahlung nicht isoliert stehe, sondern wesentliches Entgeltelement des TV-L 2021 sei. Dies sei bei der Auslegung von §§ 3, 4 AHV zu berücksichtigen, wenn gefragt werde, was eine "tarifliche Änderung" sei. Dieses Merkmal sei betreffend die Corona-Sonderzahlung erfüllt.
Zu berücksichtigen sei weiter, dass die steuer- und sozialversicherungsfreien Corona-Sonderzahlungen in zahlreichen aktuellen Tarifverträgen genutzt würden. Dies führe aus Sicht der Arbeitgeberseite zu geringeren Personalkosten aufgrund vermindert erhöhter Tabellenentgelte und zugleich zur Ersparnis von Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen. Letztlich seien die arbeitnehmerseitigen Forderungen in geringer steigendende Tabellenentgelte jedoch verbunden mit den Corona-Sonderzahlungen umgewandelt worden. Wenn nicht die Corona-Sonderzahlung vereinbart worden wäre, dann wäre das Tabellenentgelt erhöht worden, was unstreitig zu einem Anstieg der Altersversorgung nach der AHV geführt hätte.
Die Protokollerklärung Nr. 5 bringe nur zum Ausdruck, dass entsprechend der grundsätzlichen Steuer- und Abgabenfreiheit der Corona-Sonderzahlung auch keine Beiträge zur Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anfielen. Zu laufenden Zahlungen sei damit keine Aussage getroffen.
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der AHV um eine Gesamtversorgung handele. Der Gesamtversorgungsgrad von 75 % würde unterschritten, wenn die Corona-Sonderzahlung als Tarifelement des TV-L 2021 nicht berücksichtigt werde. Dies sei bei der gebotenen objektiven Auslegung zu berücksichtigen.
Der Hilfsantrag werde für den Fall gestellt, dass das Gericht ihm keinen vollständigen Anspruch auf Auszahlung der Corona-Sonderzahlung, sondern lediglich eine Berücksichtigung dieser Zahlung für die laufenden Bezüge zuerkenne. In diesem Fall sei die Sonderzahlung in das versorgungsfähige Gehalt einzubeziehen, so dass sich ein Zahlungsanspruch nach der Formel "75 % des versorgungsfähigen Gehalts x 13/12" ergebe.
Der Kläger bleibt dabei, dass (heutige) Tarifverträge die Zusage der Beklagten nach der AHV nicht einschränken könnten. Die laufende Neufestsetzung der Versorgungsbezüge bedeute hier die einmalige Neufestsetzung und Auszahlung der Corona-Sonderzahlung. Auf die Einschränkungen im Anwendungsbereich in § 2 TV-Corona-Sonderzahlung komme es wegen § 3 Abs. 4 AHV nicht an. Die Beklagte vermenge zudem die Bestimmungen zur abschließenden Berechnung der erstmaligen Versorgungsbezüge (§ 3 Abs. 1 AHV) mit der zugesagten laufenden Neufestsetzung der versorgungsfähigen Dienstbezüge (§ 3 Abs. 4 AHV).
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.01.2023, 13 Ca 3308/22, abzuändern und 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.300,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu zahlen und 3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.056,25 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Zunächst gehe es gar nicht darum, dass der TV Corona-Sonderzahlung die dem Kläger erteilte Zusage nach der AHV einschränke. Vielmehr verlange die AHV eine als versorgungsfähig bezeichnete Zulage. Daran fehle es.
Entgegen der Ansicht des Klägers werde bei der Neufestsetzung nach § 3 Abs. 4 AHV begrifflich an die "versorgungsfähigen Dienstbezüge" und damit an die Definition von diesen in § 3 Abs. 1 AHV angeknüpft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere ausreichend begründet i.S.v. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Mit der Berufungsbegründung führt der Kläger im Einzelnen aus, warum die Corona-Sonderzahlung nur ein Teilelement des TV-L 2021 sei, was für einen bestimmten Zeitraum an die Stelle einer prozentualen Erhöhung der Tabellenentgelte getreten und deshalb für ihn zu berücksichtigen sei. Er führt in der Berufungsbegründung den Aspekt der AHV als Gesamtversorgung an, welche die vollständige Berücksichtigung der Corona-Sonderzahlung bedinge. Damit setzt der Kläger sich in genügender Weise mit der Begründung des Arbeitsgerichts zur Auslegung der AHV auseinander. Ob die vom Kläger mit der Berufungsbegründung angeführten Argumente zutreffen, ist keine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern von deren Begründetheit.
II. Die Berufung ist unbegründet, weil die zulässigen Zahlungsanträge mit Haupt- und Hilfsantrag unbegründet sind. Dem Kläger steht weder ein unmittelbarer Anspruch auf Zahlung der vollständigen Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300,00 Euro brutto zu noch ein Anspruch auf Zahlung von 1.056,25 Euro brutto aufgrund der Berücksichtigung der Corona-Sonderzahlung im Rahmen der laufenden Neufestsetzung der Versorgungsbezüge.
1. Die Zahlungsanträge sind als Haupt- und Hilfsantrag zulässig, auch wenn der Betrag von 1.056,25 Euro brutto in demjenigen von 1.300,00 Euro brutto als Minus enthalten ist. Der Kläger bringt damit zum Ausdruck, dass er zunächst als Hauptbegehren die letztlich unmittelbare und vollständige Zahlung der Corona-Sonderzahlung von einmalig 1.300,00 Euro begehrt, sei es rechtlich alleine aus § 2 TV Corona-Sonderzahlung oder aus § 2 TV Corona-Sonderzahlung i.V.m. § 3 Abs. 4 AHV. Nur hilfsweise verlangt er die Berücksichtigung der Corona-Sonderzahlung im Rahmen der Neufestsetzung gemäß § 3 Abs. 4 AHV mit 75 v.H. von 13/12 von 1.300,00 Euro brutto, d.h. von 1.056,25 Euro brutto.
2. Die Zahlungsklage ist mit Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten weder die Zahlung von 1.300,00 Euro brutto noch von 1.056,25 Euro brutto verlangen.
a) Der Kläger kann von der Beklagten keine Zahlung von 1.300,00 Euro brutto verlangen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder unmittelbar aus § 2 TV Corona-Sonderzahlung noch aus § 2 TV Corona-Sonderzahlung i.V.m. § 3 Abs. 4 AHV.
aa) Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300,00 Euro brutto aus § 2 TV Corona-Sonderzahlung zu. Dies ergibt sich aus zwei selbständig tragenden Gründen.
(1) Zunächst steht dem Kläger der Anspruch auf Zahlung von 1.300,00 Euro brutto nicht alleine auf § 2 Abs. 1, 2 TV Corona-Sonderzahlung zu. Diese tarifliche Vorschrift findet im Versorgungsverhältnis der Parteien aufgrund des dem Kläger erteilten Versorgungsversprechens schon keine unmittelbare Anwendung. Die Versorgungsbezüge des Klägers richten sich nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht originär nach dem BAT und entsprechend nachfolgend nicht originär nach dem TV-L. Diese Tarifverträge finden im Versorgungsverhältnis des Klägers keine unmittelbare Anwendung mehr. Der Umstand, dass dies im laufenden Arbeitsverhältnis anders war, ändert daran nichts. Zutreffend hat die Beklagte in der Kammerverhandlung darauf hingewiesen, dass der Arbeitsvertrag für die Versorgungsbezüge die Bezugnahme auf § 46 BAT ausschloss und stattdessen die Zusage der Altersversorgung für den Kläger nach den AHV erfolgte. Damit wird klar, dass im Versorgungsverhältnis nicht die tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes, sondern abschließend die AHV gelten sollen. Der Kläger fiel bereits nicht in den Geltungsbereich des TV Corona-Sonderzahlung, weil für seine Versorgungsbezüge nicht, wie von § 1 Buchst. a) TV Corona-Sonderzahlung gefordert, der TV-L galt.
(2) Aber selbst wenn man dies für Zahlungen wie die Corona-Sonderzahlung anders sehen wollte und weiterhin eine Anknüpfung an die tariflichen Regelungen des TV-L annehmen wollte, änderte sich nichts. Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung nicht. Die in § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vorgenommene Bestimmung des anspruchsberechtigten Personenkreises verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(2.1.) Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung nicht. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Der Kläger stand am 29.11.2021 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Er hatte zudem in der Zeit vom 01.01.2021 bis zum 29.11.2021 nicht an mindestens einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt. Er war bereits am 30.06.2016 bei der Beklagten ausgeschieden und bezog seit dem 01.07.2016 Rentenleistungen. Darüber besteht kein Streit.
(2.2.) Die in § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vorgenommene Bestimmung des anspruchsberechtigten Personenkreises verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(2.2.1.) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen (BAG 23.02.2021 - 3 AZR 618/19, juris Rn. 39; BAG 22.03.2023 - 10 AZR 553/20, juris Rn. 19 jeweils m.w.N.).
Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags haben die Gerichte allerdings zu beachten, dass den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Sie bestimmen in diesem Rahmen nicht nur den Zweck einer tariflichen Leistung. Ihnen kommt auch eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind, sowie ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Die in einer Tarifregelung vorgesehenen Differenzierungsmerkmale müssen im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen (BAG 23.02.2021 - 3 AZR 618/19, Rn. 40; BAG 22.03.2023 - 10 AZR 553/20, juris Rn. 20 f. jeweils m.w.N.). Auf abstrakt denkbare Zwecke kommt es dabei nicht an, sondern auf solche, die den Tarifnormen im Weg der Auslegung zu entnehmen sind (BAG 22.03.2023 - 10 AZR 553/20, juris Rn. 21).
Der allgemeine Gleichheitssatz kommt insbesondere zur Anwendung, wenn bei einer Regelung unterschiedliche Gruppen gebildet werden. Eine unterschiedliche Gruppenbildung liegt vor, wenn für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen werden. Dann verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BAG 23.02.2021 - 3 AZR 618/19, juris Rn. 41 m.w.N.).
(2.2.2.) In Anwendung dieser Grundsätze verstößt die tatbestandliche Voraussetzung in § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung, die an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am Stichtag 29.11.2021 anknüpft und damit ausgeschiedene Beschäftigte und damit auch die Betriebsrentner von dem Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung ausschließt, nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (so i.E. auch für beamtete Versorgungsempfänger VG Koblenz 22.11.2022 - 5 K 645/22.KO, juris; VG Gelsenkirchen 01.02.2023 - 1 K 3232/22, juris). Für die gewählte Differenzierung besteht ein sachlicher Grund im oben genannten Sinne, die sich aus dem TV Corona-Sonderzahlung selbst ergibt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist nach der tariflichen Regelung zunächst das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am Stichtag 29.11.2021. Hinzu kommt, dass im Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 29.11.2021 an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt bestehen muss. Diese tatbestandliche Voraussetzung wird mit den Belastungen durch die Corona-Pandemie verknüpft, wie die Bezugnahme auf § 3 Nr. 11 a EStG in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung zeigt. Richtig ist, dass es nicht um Anerkennung von besonderen Leistungen der Arbeitnehmer z.B. in Krankenhäusern geht, die in § 3 Nr. 11 b EStG geregelt sind (darauf hinweisend LAG Düsseldorf 14.06.2022 - 8 Sa 869/21, juris Rn. 45). Dies ändert aber nichts daran, dass es um die Belastungen durch die Coriona-Pandemie geht, welche Arbeitnehmer treffen. Diese sind im Grundsatz betreffend Flexibilität, Einsatzbereitschaft und möglichen Belastungen für die Gesundheit anderen Belastungen ausgesetzt, als bereits ausgeschiedene Beschäftigte - hier Betriebsrentnern (vgl. a. VG Koblenz 22.11.2022 - 5 K 645/22.KO). Richtig ist, dass es genügt, wenn an einem Tag Anspruch auf Entgelt bestand und Tatbestände, wie z.B. Kurzarbeit oder durchgehender Krankengeldbezug ebenfalls genügen, um den Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung zu begründen (darauf hinweisend betreffend die Passivphase der Altersteilzeit LAG Düsseldorf 14.06.2022 - 8 Sa 869/21, juris Rn. 46, nachgehend BAG 28.03.2023 - 9 AZR 330/22, Gründe noch nicht vorliegend). Diese aus sozialen Erwägungen erfolgten Gleichstellungen im bestehenden Arbeitsverhältnis ändern nichts daran, dass es um die allgemeinen Belastungen durch die Corona-Pandemie für Arbeitnehmer geht. Weder mit Beschäftigten, die eine Arbeitsleistung erbringen noch mit denjenigen Beschäftigten, die z.B. Kurzarbeitergeld oder Krankengeld bei bestehendem Arbeitsverhältnis beziehen, sind Betriebsrentner vergleichbar. Es liegen, auch ausgehend von dem Zweck, die allgemeinen Belastungen der Corona-Pandemie auszugleichen, erhebliche Unterschiede zu Betriebsrentnern vor (s.a. LAG Düsseldorf 14.06.2022 - 8 Sa 869/21, juris Rn. 48: Arbeitsverhältnis .... in der Freistellungsphase .... weder rechtlich noch faktisch beendet ...."). Das Ende des Arbeitsverhältnisses ist für den Versorgungsschuldner eine wesentliche Zäsur (vgl. für die Hinterbliebenenversorgung BAG 15.10.2023 - 3 AZR 653/11, juris Rn. 38). Die nachfolgende Lebensgestaltung des Betriebsrentners ist losgelöst vom Arbeitsverhältnis und fällt in dessen private Sphäre. Diese muss der Arbeitgeber bei Leistungen der Betriebsrente nicht mehr berücksichtigen und folgerichtig auch keine Belastungen für letztlich in den privaten Bereich des Betriebsrentners fallende Einschränkungen durch eine Corona-Sonderzahlung kompensieren. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Tarifvertragsparteien mit der Corona-Sonderzahlung eine für einen Zeitraum des Tarifabschlusses ausgebliebene Gehaltserhöhung kompensiert hätten und die eigentliche Gehaltserhöhung in der Corona-Sonderzahlung liege, ändert dies nichts. Zum einen haben die Tarifvertragsparteien für einen bestimmten Zeitraum eben keine prozentuale Gehaltserhöhung vereinbart, sondern nach der Lesart des Klägers die Corona-Sonderzahlung. Dies ist dann aber keine Umgehung einer eigentlich gewollten Gehaltserhöhung, sondern der Verzicht auf eine solche und die Vereinbarung einer anderen Leistung. Und selbst wenn in der Corona-Sonderzahlung ein teilweiser Inflationsausgleich liegen sollte, änderte dies nichts. Die Betriebsrentner sind diesbezüglich schon mit den aktiven Beschäftigten aufgrund der nur für Betriebsrentner geltenden Anpassungsprüfungspflicht aus § 16 BetrAVG nicht vergleichbar. § 18 Abs. 1 BetrAVG findet hier keine Anwendung, auch wenn die Beklagte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Der Kläger ist nicht über eine in § 18 Abs. 1 BetrAVG genannte Zusatzversorgung versichert (vgl. a. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto., 8. Aufl. 2022, § 18 BetrAVG Rn. 22). Vielmehr ist § 46 BAT von der Bezugnahme im Arbeitsvertrag ausgeschlossen und stattdessen gelten die AHV als arbeitgeberfinanzierte eigenständige Versorgungszusage. Die Wahl des Stichtags 29.11.2021 ist nicht zu beanstanden (vgl. dazu VG Gelsenkirchen 01.02.2023 - 1 K 3232/22, juris Rn. 47).
bb) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in Höhe von 1.300,00 Euro bruttosteht ihm auch nicht aus § 2 TV Corona-Sonderzahlung i.V.m. § 3 Abs. 4 AHV zu. Die genannten Regelungen begründen keinen dem Kläger zustehenden Zahlungsanspruch von 1.300,00 Euro brutto. Entgegen der Ansicht des Klägers fingiert die Regelung in § 3 Abs. 4 AHV nicht das für § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung erforderliche Arbeitsverhältnis. Dies ergibt die Auslegung von § 3 Abs. 4 AHV.
(1) Die Beklagte hat dem Kläger - wie von den Parteien übereinstimmend vorgetragen und im Termin bestätigt - Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der AHV im Wege einer Gesamtzusage versprochen. Die von der Beklagten vorformulierte AHV finden auf eine Vielzahl von Arbeitsverträgen Anwendung. Die einzelnen Bestimmungen der AHV sind daher Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB (vgl. bereits BAG 13.01.2015 - 3 AZR 897/12, juris Rn. 23). Auch darüber besteht kein Streit.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG 23.03.2021 - 3 AZR 99/20, juris Rn. 15 m.w.N.)
(2) Ein Anspruch auf die Zahlung von 1.300,00 Euro brutto ergibt sich schon deshalb nicht, weil selbst tariflich bedingte Änderungen, die der Kläger bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte, immer nur zu einer Neufestsetzung der Versorgungsbezüge führen, nicht aber zu einem originären Zahlungsanspruch in Höhe der tariflichen Leistung, hier der Corona-Sonderzahlung gemäß § 2 TV Corona-Sonderzahlung. Bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 4 AHV ist zur Überzeugung der Kammer eindeutig. Sowohl die tariflichen Änderungen während des Bezugs von Versorgungsbezügen als auch die danach genannten tariflichen bedingten Änderungen im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis führen in ihrer Rechtsfolge nicht zur Zahlung der tariflichen Leistung in voller Höhe. Dies ist nicht versprochen. Vielmehr werden die Versorgungsbezüge neu festgesetzt. Die "neue" Festsetzung der Versorgungsbezüge ist aber nichts Anderes als die erstmalige Festsetzung der Versorgungsbezüge nur unter Berücksichtigung der geänderten tariflichen Parameter. Dementsprechend führt auch eine tarifliche prozentuale Erhöhung nicht zu einer Weitergabe der vollen monatlichen Tariflohnerhöhung, als würde der Kläger noch arbeiten. Vielmehr wird eine vollständige Neuberechnung der Versorgungsbezüge durchgeführt. Das versorgungsfähige Ausgangsgehalt wird - wie auch geschehen - um den tariflichen Steigerungsprozentsatz erhöht und mit 13/12 berücksichtigt. Die Versorgungsleistung ergibt sich - vorbehaltlich der Anrechnung der Leistungen aus dem Versorgungswerk - aber nur mit dem individuellen Versorgungsprozentsatz, d.h. hier mit 75 v.H. Dies entspricht dem Zweck der Bestimmung in § 3 Abs. 4 AHV, der darin besteht, die Versorgungsbezüge durch Neufestsetzung an den Tariferhöhungen bzw. tariflich bedingten Änderungen teilhaben zu lassen. Es ist aber in keiner Weise ersichtlich, dass auf diese Weise die Versorgungsleistungen über den individuellen Versorgungsprozentsatz von 75 v.H. hinaus erweitert werden sollen, egal ob es sich dabei um eine laufende monatliche Erhöhung oder eine Einmalzahlung handelt. Auslegungszweifel i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB bestehen nicht.
b) Der Kläger kann von der Beklagten keine Zahlung von 1.056,25 Euro brutto aufgrund der Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge gemäß § 3 Abs. 4 AHV verlangen. Dies ergibt die Auslegung von § 3 Abs. 4 AHV.
aa) Ausgangspunkt ist zunächst, dass es zulässig ist, im Rahmen der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung nur an bestimmte Entgeltbestandteile anzuknüpfen. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, kann der Arbeitgeber die Höhe der Versorgung frei bestimmen. Er ist nicht gehalten, alle Entgeltkomponenten in die Berechnung der Versorgungsbezüge einzubeziehen (BAG 23.02.2021 - 3 AZR 618/19, juris Rn. 43). Dies gilt auch für die Zusage von Betriebsrentenleistungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dabei ist z.B. auch eine klare und verständliche Regelung nicht zu beanstanden, wonach nur das feste monatliche Grundgehalt rentenfähig ist und Zulagen nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Arbeitgeberin diese für rentenfähig erklärt hat (BAG 10.12.2019 - 3 AZR 478/17, juris Rn. 63 f.). Nichts Anderes gilt für eine Gesamtversorgung. Der Gesamtversorgungsgrad ergibt aus den in der Versorgungsordnung versprochenen Komponenten der Betriebsrentenleistung.
bb) Ausgehend von dem Wortlaut des § 3 Abs. 4 AHV beziehen sich die beiden Möglichkeiten, nämlich tarifliche Änderungen während des Versorgungsbezugs und tariflich bedingte Änderungen, als wenn das Arbeitsverhältnis fortbestanden hätte, nur auf eine Neufestsetzung der versorgungsfähigen Dienstbezüge. Bezugsobjekt sind mithin die in § 3 Abs. 1 AVH genannten Versorgungsbezüge. Dies sind das Grundgehalt, der Ortszuschlag, die allgemeine tarifliche Zulage und als versorgungsfähig bezeichnete Zulagen. Dies ist eine klare und verständliche Aufzählung der versorgungsfähigen Vergütungskomponenten, auf die sich - ausgehend von 13/12 - der individuelle Gesamtversorgungsgrad bezieht. An der hinreichenden Klarheit ändert sich nicht dadurch etwas, dass die Beklagte die AHV nicht an die Begrifflichkeiten des TV-L angepasst hat. Grundvergütung, allgemeine Zulage und Ortszuschlag sind gemäß § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder im Vergleichsentgelt aufgegangen. Damit bleibt klar, dass sich die Versorgungsbezüge des Klägers ausgehend von dessen Vergleichsentgelt - hier zuletzt Entgeltgruppe 15 Ü mit individueller Endstufe - berechnen. Der Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte vom 17.05.1982, welcher die allgemeine Zulage aber auch andere Zulagen enthielt, ist gemäß § 2 Abs. 1 TVÜ-Länder i.V.m. Nr. 9 Anlage 1 TVÜ-Länder Teil B zum 01.11.2006 außer Kraft getreten. Damit ist auch klar, dass die Corona-Sonderzahlung nicht etwa eine allgemeine Zulage i.S.v. § 3 Abs. 1 AHV ist. Sie ist damit auch kein versorgungsfähiger Dienstbezug i.S.v. § 3 Abs. 4 AHV. Richtig ist, dass weiterhin gemäß § 3 Abs. 1 AHV ausdrücklich als versorgungsfähig bezeichnete Zulagen zu den versorgungsfähigen Dienstbezügen rechnen. Insoweit kann die zweite in § 3 Abs. 4 AHV normierte Voraussetzung durchaus einen über prozentualen Erhöhungen der Tabellenentgelte hinausgehenden Anwendungsbereich haben. Führten die Tarifvertragsparteien für die aktiven Beschäftigten eine neue versorgungsfähige Zulage ein, deren tatbestandliche Voraussetzungen der Kläger bei fiktivem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erfüllt hätte, könnte diese zu einer Neufestsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers mit dessen Versorgungsprozentsatz führen. An einem solchen Tatbestand fehlt es jedoch. Die Corona-Sonderzahlung ist gerade nicht als versorgungsfähig bezeichnet worden. Dadurch entwerten nicht etwa die Tarifvertragsparteien das Versorgungsversprechen des Klägers. Vielmehr fehlt es schlicht an der gemäß § 3 Abs. 1 ,4 AHV erforderlichen Voraussetzung, dass die Zulage ausdrücklich als versorgungsfähig bezeichnet werden muss. Es kann offenbleiben, ob diese Voraussetzung auch erfüllt ist, wenn es an einer solchen ausdrücklichen Bezeichnung fehlt, die Begrenzung der Zulage nur auf aktive Beschäftigte unter Ausschluss der Betriebsrentner aber gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Dies ist - wie ausgeführt - nicht der Fall. Der Umstand, dass bei dem Versorgungsversprechen noch nicht an eine Corona-Sonderzahlung gedacht werden konnte, ändert an dem Ergebnis nichts. Eine Auslegung über den klaren Wortlaut des § 3 Abs. 1 AHV hinaus kommt nicht in Betracht, denn die Vorschrift kennt bereits besondere Zulagen, nämlich solche des Tarifvertrags über Zulagen an Angestellte vom 17.05.1982. Dort ist z.B. eine Zulage für Angestellte in psychiatrischen Krankenanstalten genannt. Dies zeigt, dass Zulagen aus besonderen Umständen bekannt waren. Diese sollten indes nur dann versorgungsfähig sein, wenn dies ausdrücklich so geregelt ist. Für die Corona-Sonderzahlung gilt nichts Anderes. Soweit ggfs. die Tarifvertragsparteien aufgrund der Corona-Sonderzahlung eine geringere - bzw. zeitweise ausfallende - lineare Erhöhung der Tabellenentgelte im Gesamtpaket der Tarifrunde vereinbart haben, ändert dies nichts. Hier gilt nichts Anderes, als wenn die Tarifvertragsparteien aus Anlass einer Tarifrunde eine sonstige Einmalzahlung neben Tariflohnerhöhungen vereinbart haben. Zählt diese nicht zu den versorgungsfähigen Bezügen, führt dies zu keiner Neufestsetzung bezogen auf diese Einmalzahlung gemäß § 3 Abs. 4 AHV. Auslegungszweifel i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB bestehen nicht.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
C. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Dr. GotthardtLeis Bremer-Glaser