Urteil vom 16.05.2023 · IWW-Abrufnummer 237062
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 5 Sa 160/22
Je nach auszuübender Tätigkeit kann es bei einem Außendienstmitarbeiter im kommunalen Ordnungs- und Sicherheitsdienst an selbstständigen Leistungen im Sinne des TVöD-V fehlen, wenn die vor Ort infrage kommenden Maßnahmen nach Art und Umfang beschränkt sind und ansonsten Sachverhaltsfeststellungen zu treffen sind, auf deren Grundlage Innendienstmitarbeiter die entsprechenden Bescheide erlassen.
Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 11.05.2022 - 5 Ca 440/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung eines Außendienstmitarbeiters im kommunalen Ordnungs- und Sicherheitsdienst.
Der 1971 geborene Kläger ist ausgebildeter Klempner und Installateur. Von Juni 2007 bis Juni 2009 ließ er sich zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit ausbilden. Am 01.12.2009 nahm er bei der beklagten Stadt eine Vollzeitbeschäftigung im allgemeinen Verwaltungsdienst als Außendienstmitarbeiter auf. Die Arbeitgeberin ist eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern auf einer Fläche von etwa 7000 ha. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 26.11.2009 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach der Durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) und den ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung in den TVöD in der jeweils geltenden Fassung. Der Kläger bezog zunächst die Vergütung der Entgeltgruppe 5 TVöD-V.
Mit Schreiben vom 02.03.2010 bestätigte der Landkreis als Kreisordnungsbehörde gemäß § 103 Abs. 3 SOG MV die Bestellung des Klägers zum Vollzugsbeamten mit örtlicher Zuständigkeit für das Gebiet der beklagten Stadt. Die sachliche Zuständigkeit erstreckt sich auf folgende Rechtsgebiete:
• Sicherheits- und Ordnungsgesetz MV
• Gewerbeordnung
• Gaststättengesetz
• Straßenverkehrsgesetz
• Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
• Personenstandsgesetz
• Nichtraucherschutzgesetz MV
• Feiertagsgesetz MV
• Straßen- und Wegegesetz MV
• Schornsteinfegergesetz
• Meldegesetz MV
• Hundehalterverordnung MV
• Landesverwaltungsverfahrensgesetz MV
• kommunale Satzungen der beklagten Stadt.
Die Beklagte beschrieb den Arbeitsplatz des Klägers mit Stand 14.05.2012 wie folgt:
"...
1. Organisatorische Einordnung des Arbeitsplatzes
1.1. Amt Ordnungsamt 1.2. Abteilung Allg. ordnungsbehördliche Aufgaben 1.3. Sachgebiet Kommunaler Ordnungs- und Sicherheitsdienst2. Stelle
2.1. Bezeichnung Vollzugsbeamter 2.2. Name [Kläger]3. Tätigkeiten
3.1. Verzeichnis der am Arbeitsplatz auszuführenden Arbeitsgänge:
1. Entgegennahme von Hinweisen aus der Bevölkerung, Abhören des Anrufbeantworters sobald Nachrichteneingang festgestellt wird; Prüfung und ggf. Weiterleitung der Informationen
2. Überprüfung eingehender Beschwerden und Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr auf Grundlage des SOG M-V, wie z. B.:
- § 13 (allg. Befugnisse zum Treffen notwendiger Gefahrenabwehrmaßnahmen)
- § 25 - § 30 (Erhebung personenbezogener Daten, allg. Befugnisse zur Datenerhebung, Befragung und Auskunftspflicht, Identitätsfeststellung)
- § 50 (Vorladungen)
- § 52 (Platzverweise)
- § 59 (Betreten von Räumen)
- § 61 (Sicherstellung von Sachen)
- § 90 (unmittelbarer Zwang)
3. Abarbeitung von Vorgängen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG) u. U. mit Anwendung von unmittelbarem Zwang
- Aufforderung mit Fristerteilung zur Entfernung oder Beseitigung von abgestellten Fahrzeugen mit Hilfe von Plaketten und deren Nachkontrollen aus dem öffentlichen Verkehrsraum
- Müllablagerungen und weitere Veranlassung zur Beseitigung
4. Feststellung und Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wie z. B.:
- bei Gebäuden auch im städtischen Eigentum
- herabfallende Gebäudeteile
- offene Regenwassereinläufe und Schachtabdeckungen
- Schlaglöcher auf Straßen
5. Kontrollen und Ermittlungen auf Grundlage von Bundes- und Landesgesetzen sowie Verordnungen und Erstellung von Ermittlungsberichten zur Vorlage beim Vorgesetzten
5.1. Personenstandsrecht (PStG), z. B.:
- Vernachlässigung der Anzeigepflicht (Geburten, Sterbefälle)
5.2. Gewerberecht, z. B.:
- § 14 GewO (Anzeigepflicht)
- § 55 GewO (Reisegewerbekarten)
- § 33 GewO (Spielgeräte, Spielhallen)
- § 35 GewO (Gewerbeuntersagung und deren Durchsetzung)
- § 69 GewO (Marktfestsetzung)
- Ermittlungen bei festgestellten Verstößen
5.3. Gaststättenrecht, z. B.:
- § 2 GastG (Erlaubnis und deren Einhaltung)
- § 12 GastG (Gestattung und deren Einhaltung)
- § 15 GastG (Widerruf Gaststättenerlaubnis und deren Durchsetzung)
- Ermittlungen bei festgestellten Verstößen
5.4. Nichtraucherschutzgesetz
- anlassbezogene Kontrollen
- Ermittlungen bei festgestellten Verstößen
5.5. Sonn- und Feiertagsgesetze
- Einhaltung der Ladenöffnungszeiten
- Ermittlungen bei festgestellten Verstößen
5.6. Melderecht
- örtliche Ermittlungen
5.7. Straßenverkehrsordnung
- Kontrollen zur Durchsetzung der verkehrsrechtlichen Anordnungen gemäß § 45 StVO
- Kontrollen der Einhaltung der Ausnahmegenehmigungen gem. § 46 StVO
- Überwachung des ruhenden Verkehrs auf Grundlage §§ 12 und 13 StVO
• Erfassung ordnungswidrig abgestellter Fahrzeuge gem. bundeseinheitlichem Tatbestandskatalog zur weiteren Bearbeitung in der Bußgeldstelle
• Abwenden von unmittelbaren Gefahren (Abschleppen/Umsetzen von Fahrzeugen)
- nicht zugelassene Fahrzeuge o. ä. Hindernisse gemäß § 32 StVO
5.8. Hundehalterverordnung M-V
- Kontrolle der Leinenpflicht für "Kampfhunde"
- Kontrolle der Erlaubnis zum Führen von Kampfhunden
- Kontrolle der Maulkorbpflicht u. a.
...
5.9. Hundeverordnung der Barlachstadt Güstrow
- Leinenzwang
- Mitnahmeverbot
- Mitführen von Beseitigungsutensilien für Hundekot
- sofortige Beseitigung von Hundekot
6. Durchsetzung des Ortsrechtes in der Barlachstadt Güstrow u. U. durch unmittelbaren Zwang und Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten und Erstellung des Ermittlungsberichts zur Vorlage beim Vorgesetzten
6.1. Straßenreinigungssatzung
- Feststellung von Verunreinigungen durch Vernachlässigung der Reinigungspflicht (Hundekot, Winterdienst u. a.)
6.2. Marktsatzung
- Zuweisen der Standplätze
- Führung der Anwesenheitsnachweise für Markthändler
- Kontrolle der korrekten Nutzung der zugewiesenen Plätze
- Ablesen der Zählerstände bei Sonderveranstaltungen
6.3. Gehölzschutzsatzung
- Illegales Fällen oder Beeinträchtigung von Gehölzen
- unerlaubte Aufgrabungen im Traufebereich von Gehölzen
6.4. Sondernutzungssatzung
- Kontrolle der erteilten Sondernutzungserlaubnisse vor Ort
- Feststellung und Dokumentation von illegaler Sondernutzung zur Einleitung von entsprechenden Verfahren
6.5. Hausnummernsatzung
- Feststellung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
6.6. Hundesteuersatzung
- Feststellung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
6.7. Straßennamensatzung
- Feststellung fehlender Schilder und Weitergabe an Bearbeiter
7. Kontrolle und Durchführung von Maßnahmen im Zusammenhang mit Groß- und Sonderveranstaltungen (z. B. Inselseefest, Stadtfest u. a.)
8. Aussprechen Verwarnungen mit und ohne Verwarnungsgeld gem. Tatbestandskatalog für sonstige Ordnungswidrigkeiten, ggf. Anwendung von unmittelbarem Zwang
9. Turnusmäßige Kontrollen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht auf
- öffentlichen Straßen (Schlaglöcher, Verkehrszeichen und -einrichtungen u. a.)
- Spielplätzen
- Parkanlagen und übrigen Einrichtungen
- Straßenbeleuchtungsanlagen
10. Kontrollen zur Spielplatznutzung
- Altersbegrenzung u. a.
11. Hinterfragung der Genehmigung von Abrissarbeiten an Gebäuden
12. Kontrolle der Parkscheinautomaten und öffentlichen Uhren auf korrekte Funktion
13. Unterweisung von Praktikanten und Auszubildenden im Aufgabenbereich
14. Persönliche Zustellungen an Bürger
15. Amtshilfe für z. B.:
- Polizei
- Zoll
- andere Ermittlungsbehörden des Bundes und des Landes M-V
16. Kontrolle der Einhaltung Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (§ 9) und der PKW-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (§ 7)
..."
Bei der Beklagten sind regelmäßig neun Außendienstmitarbeiter/innen im kommunalen Ordnungs- und Sicherheitsdienst tätig. Bei den Streifengängen sind die Mitarbeiter jeweils zu zweit unterwegs. Die Frühschicht beginnt um 06:00 Uhr und endet um 14:30 Uhr. Diese Schicht nutzt regelmäßig den Pkw, der dem KOSD zur Verfügung steht. Die Normalschicht arbeitet sodann von 07:30 Uhr bis 16:00 Uhr und ist regelmäßig zu Fuß unterwegs. Die Spätschicht hat Dienst von 13:30 Uhr bis 22:00 Uhr und ist zu Fuß, ggf. auch mit dem Pkw unterwegs. In der Winterzeit dauert die Spätschicht von 10:30 Uhr bis 19:00 Uhr. Die Außendienstmitarbeiter/innen entscheiden in den jeweiligen Schichten selbst, wo sie kontrollieren, sofern nicht bestimmte Aufträge abzuarbeiten sind. Fest vorgegebene abzulaufende Routen gibt es nicht.
Die Ermittlung von Adressen bzw. Wohnorten im Auftrag von anderen Stellen der Beklagten oder im Wege der Rechtshilfe nimmt weniger als fünf Prozent der Arbeitszeit in Anspruch. Diese Tätigkeit fällt nur unregelmäßig an, insbesondere im Vorfeld von Wahlen.
Bei der Kontrolle des ruhenden Verkehrs erfassen die Außendienstmitarbeiter die maßgeblichen Daten mit einer speziellen Software und senden diese per Handy an den Innendienst. An dem Auto wird ein Hinweis angebracht, der eine zu erwartende Verwarnung ankündigt. Der Innendienst druckt die Verwarnung aus und übersendet sie dem Halter. Die Außendienstmitarbeiter kassieren Verwarngelder seit dem Jahr 2014 nicht mehr vor Ort ab. Der Kläger kann das Abschleppen eines Fahrzeugs veranlassen. Grundsätzlich kontaktiert er jedoch zuvor den Abteilungsleiter, es sei denn, dass dieser nicht erreichbar ist, z. B. außerhalb der üblichen Büro- und Geschäftszeiten. Vor Anordnung des Abschleppens wird im Regelfall in Abstimmung mit der Polizei der Halter ermittelt und dieser gebeten, das Fahrzeug zu beseitigen. Ein Abschleppen wird nur in seltenen Fällen veranlasst, zumal ein städtischer Verwahrplatz nicht zur Verfügung steht und die Beklagte zunächst in Vorkasse gehen muss. Im Kalenderjahr 2020 wurden insgesamt 10 Fahrzeuge abgeschleppt (2 Schrottfahrzeuge, 7 Falschparker, 1 Gefahrenabwehrmaßnahme). Der Kläger hat ggf. die Fahrzeugidentitätsnummer festzustellen bzw. bei Fahrrädern und Krafträdern die Rahmennummer, damit die Polizei prüfen kann, ob der Pkw oder das Rad als gestohlen gemeldet wurde.
Bei den Marktkontrollen hat der Kläger u. a. zu prüfen, ob Preisauszeichnungen vorhanden sind, ob der Stand korrekt platziert ist und ob Obst und Gemüse bei Frost nicht auf dem Boden gelagert wird. Im Falle von Lärmbelästigungen (z. B. durch Jugendliche auf der Skaterbahn) hat der Kläger den Störer aufzufordern, dies zu unterlassen; ggf. kann er, soweit es sich um öffentliche Plätze handelt, einen Platzverweis aussprechen. Bei illegaler Müllentsorgung hat er vor Ort zu prüfen, ob der Verursacher feststellbar ist, und sodann einen Bericht für den Innendienst zu fertigen und weiterzuleiten. Der Kläger hat verschiedene Berechtigungsscheine zu kontrollieren, z. B. Reisegewerbekarten, Parkausweise, Sachkundenachweise, Wesenstestbescheinigungen für Hunde etc. Stellt der Kläger Schäden an öffentlichen Spielgeräten oder Wegen fest, sperrt oder sichert er diese mit Warnband oder Leitkegeln. Anschließend ist der Baubetriebshof zu benachrichtigen. Werden Bürger gegenüber dem Ordnungsdienst aggressiv, insbesondere unter Alkoholeinfluss, oder kommt es zu Pöbeleien und Beleidigungen, versucht der Kläger, deeskalierend auf sie einzuwirken. Nötigenfalls wird die Polizei hinzugezogen.
Mit Schreiben vom 03.08.2017 machte der Kläger rückwirkend zum 01.01.2017 die Vergütung der Entgeltgruppe 6 TVöD-V geltend. Diesem Antrag gab die Beklagte am 29.08.2017 statt. Der Entgeltgruppe 6 TVöD-V sind mittlerweile alle Außendienstmitarbeiter im kommunalen Ordnungs- und Sicherheitsdienst zugeordnet.
In der Tatbestandsliste für allgemeine Ordnungswidrigkeiten (Stand 30.01.2018) sind verschiedene Verstöße und die hierfür zu verhängenden Verwarngelder aufgeführt, z. B. für das Wegwerfen einer Zigarettenkippe auf öffentlichen Grund und Boden € 10,00, das Wegwerfen von Flaschen oder Dosen auf öffentlichen Grund und Boden € 10,00, Verstöße gegen den Leinenzwang bei Hunden € 15,00, das Mitführen von Hunden in Verbotszonen € 15,00, Verstöße gegen die Pflicht, Utensilien zur Beseitigung von Hundekot mitzuführen € 10,00 usw.
Mit Schreiben vom 16.11.2020 forderte der Kläger von der Beklagten rückwirkend zum 01.05.2020 die Vergütung der Entgeltgruppe 9a TVöD-V und die Nachzahlung der Differenzbeträge zur Entgeltgruppe 6. Das lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Kontrollgängen und Kontrollfahrten um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handele. Zu 85 % der Arbeitszeit überwache der Kläger die Einhaltung von verschiedenen Vorschriften. Dabei gehe es zwar um Vorschriften aus unterschiedlichen Bereichen. Dennoch handele es sich um ein einheitliches Arbeitsergebnis, da der Kläger während des Kontrollgangs nicht wisse, was konkret auf ihn zukommen werde. Etwa 5 % der Arbeitszeit benötige er für Amtshilfemaßnahmen. Etwa 10 % nehme die Dienstvor- und -nachbereitung in Anspruch, insbesondere das Fertigen der Tagesberichte. Seine Tätigkeit erfordere nicht nur gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, sondern darüber hinaus selbstständige Leistungen im Sinne des Tarifvertrages. Er müsse, um ein optimales Arbeitsergebnis zu erreichen, eine Vielzahl von Ermessensentscheidungen treffen. Er entscheide über die zu treffenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Beendigung von Ordnungswidrigkeiten. Das erfordere eine eigene Gedankenarbeit. Welche Intensität eine Ordnungswidrigkeit habe, werde vom Kläger eingeschätzt, der daraufhin einen entsprechenden Bericht verfasse. Der Kläger entscheide über das Wie und Ob. Er leiste dieselbe geistige und fachliche Arbeit wie der Innendienst, der aufgrund des Sachberichts vom Außendienst lediglich das Anhörungsschreiben und den Bußgeldbescheid erlasse. Die Einleitung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens beginne mit der Tätigkeit des Klägers. Auch in anderen Kommunen seien die Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes in der Entgeltgruppe 9a TVöD-V eingruppiert.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger rückwirkend ab dem 01.05.2020 nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 6 TVöD-VKA zu vergüten und die sich daraus ergebenden monatlichen Differenzbeträge jeweils ab dem 1. des Folgemonats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe schon nicht vorgetragen, dass die Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordere. Unabhängig davon verlange die Tätigkeit jedenfalls keine selbstständigen Leistungen im Sinne des Tarifvertrages. Der Kläger erfasse lediglich die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort. Der zuständige Sachbearbeiter im Innendienst erlasse die entsprechenden Bescheide. Dieser treffe die Ermessensentscheidung, nicht der Kläger. Der Kläger fordere den Störer auf, sofern er ihn antreffe, die Störung zu beseitigen. Komme der Störer dem nicht nach, informiere der Kläger die zuständigen Sachbearbeiter des Innendienstes. Zu 80 % seiner Arbeitszeit überwache der Kläger den ruhenden Verkehr. Hierfür müsse er lediglich einige wenige Vorschriften der StVO kennen, insbesondere zum Halten und Parken. Sofern der Kläger im Einzelfall an einem Pkw eine Parkkralle anbringe oder einen Ventilwächter einsetze bzw. diese wieder entferne, beruhe das auf einem Auftrag des Sachbearbeiters Vollstreckung. Bei Zweifelsfällen könne sich der Kläger an die Sachbearbeiter im Innendienst und an seine Vorgesetzten wenden. Körperliche Gewalt setze der Kläger nicht ein; nötigenfalls rufe er die Polizei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Tätigkeitsmerkmal "selbstständige Leistungen" sei nicht erfüllt. Der Kläger verfüge nicht über einen entsprechenden Beurteilungsspielraum. Es stehe nicht in seiner Disposition, ob er Ordnungswidrigkeiten verfolge oder nicht. Eine Ermessensentscheidung treffe lediglich der Innendienst.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte dem Kläger keinerlei Arbeitsanweisungen erteile, auch nicht zum Verhalten in bestimmten Situationen. Die Auswahl der Vollzugsmaßnahme liege beim Kläger. Er entscheide, ob er selbst einschreite, die Polizei rufe oder einen Bericht an den Innendienst verfasse. Es stehe in seinem Ermessen, Platzverweise zu erteilen, Maßnahmen zur Identitätsfeststellung einzuleiten oder Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen. Das gelte bei Lärmbelästigungen auf öffentlichen Plätzen ebenso wie bei unbefugtem Zelten oder unbefugter Wohnmobilnutzung. Könne ein Gewerbetreibender eine Gewerbeerlaubnis nicht vorlegen, obliege es dem Kläger, ob er die Tätigkeit durch unmittelbaren Zwang sofort unterbinde oder eine Nachfrist zur Vorlage der Erlaubnis setze.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 11.05.2022 - 5 Ca 440/21- abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger rückwirkend ab dem 01.05.2020 nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 6 TVöD-VKA zu vergüten und die sich daraus ergebenden monatlichen Differenzbeträge jeweils ab dem 1. des Folgemonats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger verwechsele das Tarifmerkmal "selbstständige Leistungen" mit dem Begriff "selbstständig arbeiten". Er arbeite lediglich eine durch Gesetz oder Verordnung vorgegebene Prozesskette ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vergütung der Entgeltgruppe 9a TVöD-V ab dem 01.05.2020 nebst Verzinsung von Differenzbeträgen.
Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft einzelvertraglicher Vereinbarung dem TVöD-V. Der Tarifvertrag hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, folgenden Inhalt:
"...
§ 12 Eingruppierung
(1) 1Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA). 2Die/der Beschäftige erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
(2) 1Die/der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. 2Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. 3Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. 4Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. ...
Protokollerklärung zu Absatz 2:
1Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). 2Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. ...
Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA)
...
Teil A
Allgemeiner Teil
I.
Allgemeine Tätigkeitsmerkmale
...
3. Entgeltgruppen 2 bis 12 (Büro-, Buchhalterei-, sonstiger Innendienst und Außendienst)
...
Entgeltgruppe 5
1. Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und entsprechender Tätigkeit.
2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
(Gründliche Fachkenntnisse erfordern nähere Kenntnisse von Rechtsvorschriften oder näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen usw. des Aufgabenkreises.)
Entgeltgruppe 6
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert, sowie
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
(1Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der die/der Beschäftigte tätig ist, zu beziehen. 2Der Aufgabenkreis der/des Beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)
Entgeltgruppe 7
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit mindestens zu einem Fünftel selbstständige Leistungen erfordert.
(Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Entgeltgruppe 8
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit mindestens zu einem Drittel selbstständige Leistungen erfordert.
(Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Entgeltgruppe 9a
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit selbstständige Leistungen erfordert.
(Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Entgeltgruppe 9b
1. Beschäftigte mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert.
(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in den Entgeltgruppen 6 bis 9a geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)
..."
Nach § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 TVöD-V ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
1. Arbeitsvorgänge
Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist der Arbeitsvorgang. Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis.
Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD-V auch Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger "Atomisierung" der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG, Urteil vom 17. März 2021 - 4 AZR 327/20 - Rn. 16 f., juris = AP Nr. 6 zu § 12 TVöD; BAG, Urteil vom 24. Februar 2021 - 4 AZR 269/20 - Rn. 17, juris = ZTR 2021, 456).
Die Tätigkeit des Klägers besteht aus zwei Arbeitsvorgängen.
Soweit der Kläger im Auftrag anderer Ämter der Stadtverwaltung oder im Wege der Amtshilfe für Polizei, Zoll oder andere Bundes- und Landesbehörden konkrete Feststellungen vor Ort trifft, insbesondere Adressen oder Aufenthaltsorte ermittelt, handelt es sich um ein eigenständiges, von den übrigen Aufgaben abgrenzbares Arbeitsergebnis. Dieser Arbeitsvorgang nimmt etwa 5 % der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch. Das Arbeitsergebnis besteht darin, den Auftrag abzuarbeiten und die gewonnenen Erkenntnisse zurückzumelden. Hat der Kläger die jeweils geforderten Feststellungen getroffen und weitergeleitet, ist der Vorgang abgeschlossen. Überschneidungen mit den übrigen Tätigkeiten gibt es nicht. Die Adressermittlung und -prüfung ist nicht darauf gerichtet, Ordnung und Sicherheit in der Stadt durchzusetzen.
Die übrigen Tätigkeiten des Klägers bilden einen einheitlichen Arbeitsvorgang im Zeitumfang von 95 %. Der Kläger hat im Stadtgebiet dafür zu sorgen, dass Sicherheit und Ordnung gewährleistet sind. Wenn auch die Rechtsverstöße, gegen die der Kläger einzuschreiten hat, sehr unterschiedlicher Art sein können, so geht es dennoch stets darum, in dem übertragenen örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich für ein regelkonformes Verhalten der Bürger zu sorgen. Eine Unterscheidung nach einzelnen Rechtsgebieten oder Gesetzesgrundlagen ist nicht möglich. Zum einen kann ein bestimmtes Verhalten verschiedene Rechtsgrundlagen betreffen. Zum anderen sind während eines Streifengangs stets sämtliche Vorschriften, deren Einhaltung der Kläger zu kontrollieren hat, im Blick zu behalten (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 30. November 2022 - 4 AZR 195/22 - Rn. 23, juris = NJ 2023, 220 zur Tätigkeit eines Wachpolizisten im Objektschutz; BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 - 4 AZR 284/18 - Rn. 21, 22, juris = ZTR 2020, 207 zu einem Außendienstmitarbeiter im Straßenverkehrsamt; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Oktober 2022 - 3 Sa 23/22 - Rn. 97, 98, juris = ZTR 2023, 281 zu einem Angestellten im Streifendienst; LAG Hessen, Urteil vom 18. Mai 2021 - 8 Sa 1393/19 - Rn. 130, juris = öAT 2021, 262 zur Eingruppierung eines Ordnungspolizisten bei der Stadtpolizei; LAG Düsseldorf, Urteil vom 15. Mai 2019 - 12 Sa 465/18 - Rn. 53, juris = ZTR 2019, 430 zu einem Außendienstmitarbeiter im Streifendienst zur Verkehrsraumüberwachung).
2. Bewertung der Arbeitsvorgänge
Maßgeblich für die Eingruppierung des Klägers ist der Arbeitsvorgang Streifendienst, der etwa 95 % der Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Dieser Arbeitsvorgang erfüllt zwar die Anforderungen der Entgeltgruppe 6 TVöD-V, nicht jedoch diejenigen der Entgeltgruppe 9a TVöD-V. Die Tätigkeit erfordert keine selbstständigen Leistungen im Sinne des Tarifvertrages.
In der Entgeltgruppe 9a TVöD-V sind Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 TVöD-V eingruppiert, deren Tätigkeit selbstständige Leistungen erfordert. Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 TVöD-V sind solche der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 TVöD-V, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert sowie solche der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-V, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert. In der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 TVöD-V sind Beschäftigte eingruppiert mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und entsprechender Tätigkeit. In der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-V sind Beschäftigte eingruppiert, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
Die Bezugnahme auf andere Entgeltgruppen verdeutlicht den Willen der Tarifvertragsparteien, die Anforderungen der niedrigeren Entgeltgruppe einzubeziehen. Die Tätigkeitsmerkmale der höheren Entgeltgruppe sind im systematischen Zusammenhang mit der Bezugsgruppe zu bestimmen.
a) Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-V
In der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-V sind Beschäftigte eingruppiert, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert. Gründliche Fachkenntnisse erfordern nähere Kenntnisse von Rechtsvorschriften oder näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen usw. des Aufgabenkreises.
Die Fachkenntnisse müssen sich nicht notwendig auf Rechtsvorschriften beziehen, wie sich bereits aus dem Zusatz "usw." zu der Klammerdefinition zur Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-V ergibt. Vielmehr zählen hierzu auch alle sonstigen zur Ausübung der Tätigkeit benötigten Fachkenntnisse wie Erfahrungswissen oder Wissen der Allgemeinbildung. Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Das Tätigkeitsmerkmal erfordert danach erweiterte Fachkenntnisse sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht (BAG, Urteil vom 30. November 2022 - 4 AZR 195/22 - Rn. 28, juris = NJ 2023, 220; BAG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 4 AZR 562/17 - Rn. 34, juris = EzTöD 400 Eingruppierung BAT Allg Verwaltungsdienst VergGr VI b Nr. 3).
Derartige Fachkenntnisse sind für den Streifendienst notwendig. Der Kläger muss die jeweiligen Rechtsvorschriften im Einzelnen kennen und auf die vorgefundenen Sachverhalte anwenden können. Eine oberflächliche Kenntnis der Vorschriften genügt nicht. Der Kläger muss wissen, welches Verhalten unter welchen Voraussetzungen rechtlich erlaubt und was nicht erlaubt ist. Das gilt bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs ebenso wie bei gewerberechtlichen und Marktkontrollen sowie sonstigen Kontrollaufgaben. Gründliche Rechtskenntnisse sind nötig, um Bürgern den jeweiligen Rechtsverstoß erklären und auf eine Abhilfe dringen zu können. Der Kläger muss wissen, welche Anordnungen er bei welchen Verstößen zu treffen hat. Je nach Rechtslage und Art der Störung sind Platzverweise auszusprechen, das Nachreichen von Genehmigungen anzuordnen, die Bürger zur Unterlassung von Störungen anzuhalten oder aber Feststellungen für ein Ordnungswidrigkeitsverfahren zu treffen. Der Kläger hat im Rahmen seiner Befugnisse - durch abgestufte Maßnahmen bis hin zum unmittelbaren Zwang - dafür zu sorgen, dass Störungen abgestellt werden bzw. durch den Innendienst weiterverfolgt werden können. Verhalten sich Bürger aggressiv und uneinsichtig, hat sich der Kläger mit den in seiner Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit erworbenen Kenntnissen um eine Deeskalation und die Durchsetzung der Anordnung, z. B. Platzverweis, zu bemühen. Hierzu gehört es auch, einschätzen zu können, in welcher Situation die Polizei hinzuzuziehen ist. Alltagswissen genügt hierfür nicht.
b) Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 TVöD-V
In der Entgeltgruppe 6 TVöD-V sind u. a. Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 eingruppiert, deren Tätigkeit nicht nur gründliche, sondern darüber hinaus vielseitige Fachkenntnisse erfordert. Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse müssen sich zwar nicht auf das gesamte Gebiet der jeweiligen Verwaltung beziehen. Der Aufgabenkreis des Beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann (Tarifvertragliche Erläuterung zur Entgeltgruppe 6 TVöD-V).
Das Eingruppierungsmerkmal "vielseitige Fachkenntnisse" fordert im Vergleich zu den "gründlichen Fachkenntnissen" eine Erweiterung des Fachwissens dem Umfang nach. Dies kann sich beispielsweise aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich auf einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben. Denkbar ist zwar, dass sich der Wissensbereich nur auf ein einzelnes, abgegrenztes Teilgebiet beschränkt, in dem der Angestellte eingesetzt wird; jedoch reicht ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung nicht aus (BAG, Urteil vom 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 - Rn. 36, juris = ZTR 2012, 440; LAG Köln, Urteil vom 24. Juni 2021 - 6 Sa 975/20 - Rn. 154, juris; LAG Hamm, Urteil vom 23. September 2020 - 3 Sa 433/20 - Rn. 60, juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16. April 2019 - 1 TaBV 19/18 - Rn. 67, juris = NZA-RR 2019, 533).
Der Kläger kann seine Aufgaben nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn er nicht nur über gründliche, sondern auch über vielseitige Fachkenntnisse verfügt. Er muss mehrere unterschiedliche Rechtsgebiete gleichermaßen gründlich beherrschen. Sein Aufgabengebiet beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Rechtsgebiet oder wenige einzelne Rechtsgebiete, beispielsweise den ruhenden Straßenverkehr. Vielmehr benötigt der Kläger Rechtskenntnisse aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Er hat verschiedene Vorschriften für Gewerbebetriebe zu beachten, z. B. aus der Gewerbeordnung, dem Gaststättengesetz, die Marktsatzung der Beklagten, das Feiertagsgesetz MV, das Straßen- und Wegegesetz MV, die Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung usw. Ein anderer Bereich sind die verschiedenen Vorschriften zum Halten von Hunden (Hundehalterverordnung MV, Hundesteuersatzung der Stadt, Verordnung über das Halten und Führen von Hunden in der Stadt). Ein wiederum anderes Rechtsgebiet ist das Naturschutzrecht, beispielsweise die Gehölzschutzsatzung.
c) Entgeltgruppe 9a TVöD-V
In der Entgeltgruppe 9a TVöD-V sind Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 TVöD-V eingruppiert, deren Tätigkeit nicht nur gründliche und zudem vielseitige Fachkenntnisse, sondern darüber hinaus selbstständige Leistungen erfordert.
Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmal "selbstständige Leistungen" darf nicht mit dem Begriff "selbstständig arbeiten" verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen ist. Eine selbstständige Leistung im Tarifsinn ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbstständige Leistungen im tariflichen Sinn ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht nicht entgegen (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 - 4 AZR 284/18 - Rn. 33, juris = ZTR 2020, 207; LAG Hamm, Urteil vom 10. August 2022 - 3 Sa 1592/21 - Rn. 50, juris = ZTR 2023, 97; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2022 - 1 Sa 21/21 - Rn. 80, juris = öAT 2022, 105).
Der Kläger hat keine Entscheidungen zu treffen, die auf Grundlage der vorausgesetzten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse eine Abwägung zwischen verschiedenen Möglichkeiten mit einer eigenständigen Begründung für die jeweilige Vorgehensweise erfordern. Stellt der Kläger bei Streifengängen einen Verstoß gegen die zu überwachenden Vorschriften fest, hat er auf eine Beseitigung der Störung hinzuwirken und ggf. die weitere Verfolgung durch den Innendienst vorzubereiten. Der Kläger hat dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Vorschriften von den Bürgern eingehalten werden, seien es Gewerbetreibende, Hundehalter, Fahrzeugführer, Grundstückseigentümer, feiernde Jugendliche etc. Sofern die Verkehrssicherheit zu kontrollieren ist, z. B. von Spielplätzen, verfügt der Kläger nicht über Entscheidungsspielräume. Ist eine Anlage nicht verkehrssicher, hat er aufgrund seiner Fachkenntnisse die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen, nämlich die Absperrung des jeweiligen Spielgeräts oder je nach Gefährdungspotenzial des gesamten Platzes. Bei Gebäuden im Privateigentum sind die Eigentümer anzuhalten, die Gefahr zu beseitigen. Soweit der Kläger berechtigt ist, unmittelbaren Zwang anzuwenden, sind die zur Verfügung stehenden Maßnahmen je nach Art der Störung in abgestufter Reihenfolge einzusetzen. Um diese Maßnahmen zielgerichtet anwenden zu können, sind gründliche Fachkenntnisse nötig, beispielsweise auch zum Verhalten im Falle einer Eskalation. Geht es darum, ob das Abschleppen eines Fahrzeugs zu veranlassen ist, sind zuvor die weniger belastenden Maßnahmen anzuordnen, insbesondere die Beseitigung durch den Halter. Können Gewerbetreibende die notwendige Erlaubnis nicht vorlegen, ist ihnen aufzugeben, diese nachzureichen. Haben Hundehalter ihren Hund nicht angeleint oder Hundekot nicht beseitigt, sind sie dazu anzuhalten. Die im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen ergeben sich aus dem jeweiligen Rechtsverstoß und der Reaktion der Bürger auf die Hinweise und Anordnungen des Klägers. Zeigen sich diese einsichtig und beseitigen oder unterlassen sie die Störung, erübrigen sich regelmäßig weitere Maßnahmen. Andernfalls kann der Kläger in beschränktem Umfang Zwangsmittel einsetzen, z. B. das Abschleppen eines Fahrzeugs.
Der Kläger kann im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs vor Ort Verwaltungsakte erlassen. Die Möglichkeiten des Außendienstes sind allerdings begrenzt. Unmittelbar vor Ort können nur wenige Anordnungen getroffen werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Platzverweise, Verwarnungen bzw. Anordnungen, das rechtswidrige Verhalten abzustellen. Im Übrigen sind die notwendigen Feststellungen zu treffen, um dem Innendienst eine weitere Verfolgung des Verstoßes zu ermöglichen. Die endgültige rechtliche Bewertung des Verhaltens und dessen Sanktionierung obliegt dem Innendienst. Der Kläger kann und muss sich nicht vor Ort mit unbestimmten Rechtsbegriffen auseinandersetzen und hierzu Stellung beziehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, die zahlreichen durchzusetzenden Vorschriften und die hierfür infrage kommenden Maßnahmen im Kopf zu haben. Das wird tarifvertraglich von dem Tätigkeitsmerkmal der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse erfasst und ist mit der Entgeltgruppe 6 TVöD-V abgegolten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.