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Urteil vom 03.03.2023 · IWW-Abrufnummer 237186

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 385/21

1. Eine fristlose Kündigung ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung kommt im Zusammenhang mit sexuellen Belästigungen nicht nur wegen körperlicher Berührungen oder wegen verbaler Übergriffigkeiten in Betracht, sondern auch wegen des Aufbaus und der Aufrechterhaltung einer Gesamtsituation in der Dienststelle, die von sexualisierter hierarchischer Einflussnahme geprägt ist.

2. Auch wenn die Feststellung einer sexuellen Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG nicht voraussetzt, dass sich die belästigte Person ablehnend äußert, so sind tatsächlich erfolgte Aufforderungen an die belästigende Person, sexualisiertes Verhalten künftig zu unterlassen, im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kündigung berücksichtigungsfähig.

3. Wenn ein belästigender Vorgesetzter seine Bemerkungen mit den Worten "jetzt aber kein metoo draus machen" abschließt, dann zeigt er damit, dass er weiß, was er tut und dass er weiß, dass er mit seinem Tun den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet.

4. Wenn der belästigende Vorgesetzte in einem Personalgespräch die von ihm begangenen Bemerkungen und Verhaltensweisen bestreitet und Verleumdungsklagen gegen die von ihm belästigten Frauen ankündigt, dann ist dies kein unerhebliches Nachtatverhalten, es ist auch kein zulässiges prozessuales Bestreiten, sondern es ist eine Tatsache, die zusätzlich die negative Zukunftsprognose begründen kann.

5. Wenn die Arbeitgeberin - vermittelt durch die sich erklärenden Arbeitnehmerinnen - konkrete Orte und konkrete Zeiten von immer wiederkehrenden Bemerkungen und Verhaltensweisen des Vorgesetzten während der vergangenen vier Jahre nicht eingrenzen kann, dann ist nicht etwa der Kündigungsschutzklage "mangels hinreichender Konkretisierung des Kündigungsvorwurfs" stattzugeben; vielmehr erlaubt dieser Mangel an Konkretisierung dem Arbeitnehmer ein bloß pauschales Bestreiten der ihm vorgehaltenen ca. 25 - teilweise immer wiederkehrenden - Bemerkungen und Verhaltensweisen und damit die Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der besagten Arbeitnehmerinnen.


Tenor: 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 20.05.2021 - 5 Ca 2273/20 - abgeändert und die Klage abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Dabei steht gegenüber dem Kläger der Vorwurf der sexuellen Belästigung im Raum.

Der Kläger ist am 1968 geboren, war im Zeitpunkt der letzten Berufungsverhandlung also 54 Jahre alt. Bei der beklagten Stadt ist er seit dem 01.08.1985, also seit über 35 Jahren, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Gemäß § 34 Abs. 2 TVöD ist im Falle des Klägers eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Zuletzt bezog der Kläger ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 6.216,36 EUR.

Seit dem Jahre 2014 bekleidet der Kläger eine leitende Funktion, nämlich die des stellvertretenden Fachbereichsleiters des Fachbereichs "Schule, Sport und Kultur" (43 Beschäftigte) und der Abteilung "Soziales" (15 Beschäftigte).

Im Rahmen einer bei der Beklagten im Oktober 2020 durchgeführten Mitarbeiterbefragung zur psychischen Gefährdungsbeurteilung, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind, kamen Vorwürfe über eine sexuelle Belästigung im Bereich Soziales auf.

Am 12.11.2020 wurden daraufhin alle weiblichen Beschäftigten der Abteilung Soziales zu einer Versammlung in das Rathaus gebeten. Dort wurde über den Sachverhalt berichtet. Ob hier von vornherein der Name des Klägers fiel, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Ankündigung in dieser Versammlung folgend ließ die Beklagte durch die Zeuginnen G und S in der Zeit vom 16.11.2020 bis zum 24.11.2020 Gespräche mit verschiedenen Mitarbeiterinnen durchführen. Dabei waren auch Mitarbeiterinnen betroffen, die inzwischen in anderen Abteilungen tätig sind oder die zu jener Zeit in Elternzeit waren.

Auf die zur Gerichtsakte gereichten Protokolle wird Bezug genommen. Wird die Richtigkeit dieser Protokolle unterstellt - der Kläger bestreitet sie - berichteten die befragten Mitarbeiterinnen in diesen Gesprächen von Bemerkungen des Klägers, von körperlichen Übergriffen, von wörtlichen Zitaten, von allgemeinen Wertungen, von eigene Reaktionen und insgesamt von Vorkommissen aus den Jahren 2016 bis 2020, die insgesamt vom Kläger bis zuletzt bestritten worden sind:

Körperliche Übergriffe:

- Einer Mitarbeiterin in den Bauch gekniffen.

- Einer Mitarbeiterin Papierschnipsel in den Ausschnitt geworfen.

- Einer Mitarbeiterin, die tatsächlich schwanger war, in den Bauch gepiekst und gefragt: "Sind Sie schwanger oder haben Sie zu viel gegessen?"

Konkrete Zitate:

- "Haben Sie wieder zugenommen" (regelmäßig).

- "Sie haben aber noch nicht viel abgenommen."

- "Die ist echt auseinandergegangen, die hat doch einen Braten in der Röhre."

- "Frau So hat so einen prallen Hintern, der lädt zum Draufklatschen ein" (mehrfach seit 2016, zuletzt 2020).

- "Frau So ist ja eine hübsche Frau, aber ungeschminkt möchte ich nicht neben ihr aufwachen" (seit 2016 immer wieder).

- "Frau So , kommen Sie nach der Geburt mal rein. Ich will wissen, wie groß ihre Brüste dann sind" (2019).

- "Frau So , gehen Sie sich bitte schminken, das kann man sich ja nicht ansehen" (immer wieder, wöchentlich).

- "Den Anblick kann ich mir nicht entgehen lassen" (Mit Blick auf Beine und Hintern 2020).

- "Wenn ich Sie in der Hose sehe, dann juckt es mich in der Hand."

- "Da kribbelt mir die Hand, wenn ich das sehe. Ihnen würde ich gerne mal auf den Hintern klatschen."

- "Frau C hat mal wieder zugenommen, das ist ja eklig."

- "Frau S hat aber zugenommen. Ist die schwanger?"

- "Hast du zugenommen oder bist du schwanger?"

- "Frau Ce hat schöne Beine" (regelmäßig).

- "Frau K hat eine tolle sportliche Figur."

- "Frau N hat aber auch eine tolle Figur und tolle Brüste."

- "Am liebsten habe ich bei Ihnen Schuhe mit Absatz."

- "Was haben Sie denn heute an, das steht Ihnen aber gar nicht."

- "Frauen tragen rote Klamotten, wenn sie ihre Tage haben."

- "Frau Ce hat aber eine gute Figur, vor allem dafür, dass sie Kinder hat." (regelmäßig).

- "Frau K hat eine Superfigur" (regelmäßig).

- "Frau K hat einen Knackarsch."

- "Frau S hat einen Entenarsch."

- "Machen Sie mal den Schal weg" - "Warum?" - "Ich möchte mal sehen, ob Ihre Brüste schon größer sind. Ihre Kollegin hatte während der Schwangerschaft so einen Atombusen."

- "Mit den Fotzen kann man nichts anfangen" (aus dritter Quelle, also erzählt bekommen).

- Eine Kollegin berichtet aus der Raucherpause "..., dass er Frau So und mich gerne mal bauchfrei sehn würde."

Zustandsbeschreibungen:

- Regelmäßig Sprüche über große Brüste von Mitarbeiterinnen.

- Schaut Frau B oft und offensichtlich auf die Brüste.

- Regelmäßig/Fortdauernd Sprüche über die Kleidung.

- "Er kommentiert alles, jedes Kleidungsstück, jede Frisur ..."

- "Er macht doofe zweideutige Sprüche."

- Angriff auf das Selbstwertgefühl: "Geh mal Kaffeekochen", "Schnautze Fury".

- "... nahm mir und meinen Kolleginnen das Selbstwertgefühl. Das wirkte sich auch privat aus."

- Die Oberweite von Frau B wird regelmäßig kommentiert.

- "Frauen sind für ihn Objekte. Im Umgang mit ihm ist immer ein fieser Beigeschmack, er ist immer sexuell und hinterhältig."

- "Bei ihm ist fast alles zweideutig."

- "Jede Frau, jede Figur wird kommentiert."

- "Er hat ein ganz schlimmes Frauenbild."

- Unangebrachte Fragen zu vermeintlicher Schwangerschaft insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass bei ihr ein bis dahin unerfüllter Kinderwunsch vorlag.

- Nachfrage, ob nach Geburt, die Brüste wieder seien wie vorher.

- Spricht Mitarbeiterinnen auf Schmuck an und recherchiert, was dieser Schmuck kostet; fragt, ob der Partner einen ernähren kann.

- "Er ist sexistisch, hetzt das Team gegeneinander auf, wie ist dieser Mann an so einer Position?"

- "Schwarze Frauen findet er toll. Diesen gegenüber ist er zuvorkommend. Hinterher bringt er sexistische Sprüche über die Frauen."

- Anzügliche Bemerkungen, er wisse wann welche Mitarbeiterin ihre Tage habe.

- "Zum Teil werden die Bemerkungen garniert mit 'Aber bitte jetzt nicht belästigt fühlen' oder 'Aber jetzt kein Me too draus machen.'"

- "Wenn mir einer an den Karren pissen will, habe ich meine Leute, mit denen ich drauf reagieren kann."

Eigene Reaktionen:

- "Man überlegt sich morgens, was man anziehen muss, um keinen Kommentar zu bekommen."

- Die Bemerkungen über fehlende Schminke seien ihr so unangenehm gewesen, dass sie sich deshalb geschminkt habe.

- "Wir Kolleginnen haben ihn schon mehrfach darauf hingewiesen, er solle aufhören, solche Äußerungen zu machen".

- "Es wurde ihm schon öfter gesagt, dass er aufpassen solle, wie er mit den Kolleginnen spricht."

- Aber auch:

- "Ich habe ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm, ich kann mit allen Fragen zu ihm kommen."

- "Hat eine sehr flapsige Art, ich kenn ihn nur so."

Der Leiter des Bereichs Zentrale Dienste, der Zeuge Bo , erhielt am 19.11.2020 die Protokolle dieser Befragungen. Auf welche Weise ab diesem Zeitpunkt der Personalrat in die Geschehnisse eingebunden war, welche Informationen er bekam und welche Informationen er schon hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 20.11.2020 stellte der Zeuge Bo den Kläger von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung frei.

Am 23.11.2020 wurde der Kläger zu den Vorwürfen angehört. Dabei waren der Fachdezernent W , der Fachbereichsleiter Wa , der Zeuge Bo , der Personalratsvorsitzende P und dessen Stellvertreterin Br anwesend. Der Kläger stritt die Vorwürfe ab, forderte die Mitteilung der Namen derjenigen Mitarbeiterinnen, die ihn auf diese Weise belastet hätten, und kündigte an, sich gegen diese Mitarbeiterinnen zu wehren.

Mit Schreiben vom 24.11.2020 (Bl. 67 d.A.) wandte sich der Zeuge Bo an den Personalrat mit dem Text:

Anhörung gem. § 74 Abs. 2 LPVG

hier: Kündigung

Sehr geehrter Herr P ,

sehr geehrte Damen und Herren,

beabsichtigt ist, Herrn D Kn mit sofortiger Wirkung außerordentlich zu kündigen.

Ich gebe Ihnen Gelegenheit, sich zu dieser Angelegenheit zu äußern. Eine ausführliche Begründung wird Ihnen nachgereicht.

Freundliche Grüße

Der Personalrat erhob keine Einwände. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.11.2020 (Bl. 8 d.A.) "mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund außerordentlich, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung einer sozialen Aushilfsfrist".

Mit der seit dem 01.12.2020 beim Arbeitsgericht Siegburg anhängigen Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, nach seiner Auffassung sei die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei. Die Worte "mit sofortiger Wirkung" hätten nach seiner Auffassung nicht die gleiche Bedeutung wie "fristlos".

Ein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne, liege nicht vor. Er bestreite, dass sich Mitarbeiterinnen im Rahmen der psychologischen Gefährdungsbeurteilung über sexuelle Belästigungen beschwert hätten. Er bestreite, dass es eine Auswertung der psychologischen Gefährdungsbeurteilung gegeben habe. Er bestreite, dass eine Mitarbeiterin oder mehrere Mitarbeiterinnen auf einem Fragebogen vermerkt hätten "Sexismus ist Standard." Er bestreite, dass die Mitarbeiterinnen in den Gesprächen mit den Zeuginnen G und S tatsächlich das berichtet hätten, was von den beiden Zeuginnen protokolliert worden sei. Er bestreite, dass der Inhalt der protokollierten Erklärungen richtig sei. Er bestreite die Behauptung der Beklagten, er habe seine Mitarbeiterinnen sexuell belästigt. Er bestreite den behaupteten sexualisierten Machtmissbrauch. Die Vorwürfe seien insbesondere in zeitlicher Hinsicht unbestimmt. Teilweise gehe es aus den Darlegungen nicht einmal hervor, in welchem Jahr die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen geschehen sein sollten. Die Beweisanträge seien daher als Anträge zum Ausforschungsbeweis zu werten, die Durchführung einer Beweisaufnahme verbiete sich folglich.

Die Zeugin S , die die Befragungen durchgeführt habe, sei parteiisch. Die Befragung der Zeuginnen durch sie sei insgesamt tendenziös gewesen. Die Befragung sei eine inszenierte Scheinbefragung gewesen. Der Bürgermeister selbst stelle sich im Karneval sexistisch als "Dralle Resi auf Männerfang" dar und bezeichne sich selbst als "Inklusionsfall ohne Brust". Es sei nicht berücksichtigt worden, dass im Arbeitsumfeld des Sozialamtes nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde. Jedenfalls für die Zeuginnen Ce , C , S und F habe es schon früher die Gelegenheit gegeben, etwaige Beschwerden vorzubringen, da diese Zeuginnen zum Zeitpunkt der Befragungen nicht mehr im Fachbereich tätig gewesen seien. Ähnliches gelte für die Zeugen G und H , die zum Zeitpunkt ihrer Befragung Mutterschutz bzw. Elternzeit in Anspruch genommen hätten.

In der Vergangenheit habe es keine Beschwerden gegeben, keine Anhörungen oder Zurechtweisungen durch Vorgesetzte, keine Ermahnungen, keine Abmahnungen. Seine einwandfreie Leistung und sein beanstandungsfreies Verhalten könne bezeugt werden durch den ehemaligen Bürgermeister E , durch die ehemalige Beigeordnete S -M , durch den ehemaligen Leiter des Personalamts Hö , durch den ehemaligen Amtsleiter Bu , durch den ehemaligen Leiter des Personalamts Ey , durch den ehemaligen Beigeordneten Dr. Sa , durch den ehemaligen Personalratsvorsitzenden Kni , durch die ehemalige Kollegin Ei , durch die aktuelle Kollegin Ha , durch den aktuellen Fachbereichsleiter Wa , durch den aktuellen Kollegen M , durch den aktuellen Kollege Fr , durch den aktuellen Kollegen Mi und den aktuellen Kollegen D .

Die persönliche Beziehung zu jeder einzelnen Zeugin müsse in die Betrachtung und Bewertung einer jeden behaupteten Bemerkung einbezogen werden, genauso wie der hohe Wert der Meinungsfreiheit. Jedenfalls sei eine Abmahnung als milderes Mittel notwendig gewesen. Als weitere mildere Mittel käme die Beschäftigung im Homeoffice in Betracht oder eine Versetzung in einen anderen Bereich oder eine zeitweilige Beurlaubung.

Die Personalratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Es fehle bereits an der Mitteilung seiner sozialen Daten. Der Personalrat habe keine ausreichende Kenntnis von den Gründen gehabt, die die Beklagte zur Kündigung bewegt hätten. Jedenfalls könne das Schreiben vom 24.11.2020 keine abschließende Personalratsanhörung sein, weil in diesem selbst noch weitere Informationen angekündigt worden seien. Hiernach sei am 30.11.2020, dem Tag des Zugangs der Kündigung, die dem Personalrat eingeräumte Stellungnahmefrist noch nicht abgelaufen gewesen. Auch die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB bestreite er.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.11.2020 nicht aufgelöst worden ist; 2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.11.2020 nicht aufgelöst worden ist; 3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet hat, sondern über den 30.11.2020 hinaus andauert; 4. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den arbeitsvertraglich geregelten Bedingungen und der Entgeltgruppe 12 Stufe 6 entsprechend bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Verteidigung gegen die Klage hat die Beklagte vorgetragen, die Kündigung sei aufgrund erwiesener Tat und hilfsweise aufgrund eines entsprechenden dringenden Tatverdachts ausgesprochen worden. Das externe Unternehmen, das die psychologische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt habe, habe in seiner zusammenfassenden Mitteilung berichtet "Sexismus ist Standard". Der Zeuge Bo habe daraufhin sofort den Personalrat informiert und umgehend weitere Ermittlungen durchgeführt, er habe die Mitarbeiterinnen aus dem Sozialamt in das Rathaus gebeten und sie dort über die Sachlage unterrichtet. Die Zeuginnen G und S seien dann beauftragt worden, mit den Mitarbeiterinnen der Abteilung Gespräche zu führen und zu protokollieren. Im Rahmen dieser Gespräche sei herausgekommen, dass der Kläger seit Jahren in seiner Abteilung Mitarbeiterinnen sexuell belästigt oder beleidigt habe. Jedenfalls bestehe der dringende Verdacht, er habe dies getan. Sie beziehe sich auf den Inhalt der Gesprächsprotokolle und trete für ihre Behauptung, die in den Protokollen beschriebenen Belästigungen seien tatsächlich erfolgt, Beweis an durch Vernehmung der befragten Mitarbeiterinnen als Zeuginnen. Aus den Gesprächsprotokollen ergebe sich, dass der Kläger sich notorisch anzüglich, abwertend und über das Äußere der Mitarbeiterinnen diffamierend geäußert habe. Dies sei sowohl direkt gegenüber den Mitarbeiterinnen geschehen als auch im Gespräch mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In wenigen Fällen habe er Mitarbeiterinnen sogar angefasst. Es gehe darüber hinaus um eine durch den Kläger in seiner Abteilung geschaffene dauerhafte Atmosphäre sexueller Belästigungen und Beleidigungen. Nach Bekanntwerden dieser Tatsachen, sei ihr die weitere Beschäftigung des Klägers nicht zumutbar gewesen, auch nicht nur bis zum Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist bzw. sozialen Auslauffrist. Das Vertrauensverhältnis sei durch die nun zu Tage getretenen über Jahre hinweg geübten Verhaltensweisen des Klägers unwiederbringlich zerstört. Ein weiterer Einsatz des Klägers für sie, die beklagte Stadt, sei ausgeschlossen. Das gelte auch nach umfassender Beachtung der Interessen des Klägers im Rahmen der Interessenabwägung und bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ein milderes Mittel sei nicht erkennbar. Insbesondere sei nicht erst eine Abmahnung auszusprechen gewesen. Der Kläger habe gewusst was er tue und er habe gewusst, dass ein solches Verhalten von seiner Arbeitgeberin nicht geduldet werden könne.

Soweit mit dem Kündigungsschreiben hilfsweise eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden sei, sei diese mit Blick auf den Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch § 34 TVöD gemäß § 140 BGB umzudeuten in eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Der Personalrat sei schon mit dem Schreiben vom 24.11.2020 ordnungsgemäß angehört worden. Im Übrigen sei die Kenntnis des beabsichtigten Kündigungsgrundes durch die Anwesenheit des Personalratsvorsitzenden während des Anhörungsgesprächs gewährleistet worden. Dass der Vorsitzende des Personalrats durch dessen umfassende Einbeziehung in die Ermittlungen und aus dienstlichen und privaten Quellen bereits am 24.11.2020 Kenntnis vom gesamten Kündigungssachverhalt und von den Sozialdaten des Klägers gehabt habe, stelle sie unter Beweis durch Vernehmung des Zeugen Bo , des Personalratsvorsitzenden Herrn P und dessen Stellvertreterin Frau Br . Zwar sei dem Personalrat erst am folgenden Tag, dem 25.11.2020 eine schriftliche Zusammenfassung der Vorwürfe sowie die zehn Gesprächsprotokolle überreicht worden. Dies sei aber nur die schriftliche Dokumentation der bereits zuvor erfolgten mündlichen Information gewesen.

Das Arbeitsgericht hat - unter Klageabweisung des allgemeinen Feststellungsantrages - der Klage mit Urteil vom 20.05.2021 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Im Rahmen der schriftlichen Anhörung fehle jeder Hinweis auf die persönlichen Daten des Klägers. Es fehle an der Benennung eines konkreten Kündigungsgrundes. Es sei nicht deutlich, was die Beklagte mit der "bereits vorliegenden schriftlichen Zusammenfassung" meine. Diese Zusammenfassung sei dem Gericht nicht vorgelegt worden. Und selbst wenn dies geschehen wäre, so sei davon auszugehen, dass es sich dann nur um Schriftsatzanlagen gehandelt habe, die prozessual nicht verwertbar seien.

Gegen dieses ihr am 16.06.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.06.2021 Berufung eingelegt und sie hat diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.09.2021 am 15.09.2021 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Zeugen P (Vorsitzender) und Br (stv. Vorsitzende) seien bei der Anhörung des Klägers am 23.11.2020 anwesend gewesen.

Herr P und Frau Br hätten die Protokolle im Rahmen der Anhörung des Klägers in Kopie erhalten. Am nächsten Tag, dem 24.11.2020 habe zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten ein ausführliches Gespräch zu den Vorwürfen und zum Verdacht stattgefunden. Im Rahmen des vorstehenden Gesprächs sei dann auch noch die schriftliche Anhörung übergeben worden. Bei der Übergabe habe der Zeuge Bo den Personalratsmitgliedern die persönlichen Daten des Klägers mitgeteilt. Am darauf folgenden Tag, dem 25.11.2020 seien dann per mail die anonymisierten schriftlichen Zeugenberichte und die Zusammenfassung des Anhörungsgesprächs übermittelt worden (Anlage B3). Der Personalrat wisse von den Geburts- und Einstellungsdaten des Klägers. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, komme es nicht darauf an, denn die Daten spielten für die Kündigungsabsicht keine Rolle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 20.05.2021- 5 Ca 2273/20 - teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten trägt der Kläger vor, er gehe davon aus, dass die nunmehr vorgelegte Dokumentation des Anhörungstermins dem Personalrat erst nachträglich zur Verfügung gestellt und rückdatiert worden sei. Im Übrigen bestreite er die von der Beklagten behauptete ordnungsgemäße Durchführung der Personalratsanhörung nach wie vor mit Nichtwissen.

Er gehe von der Begründung eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses aus, indem nämlich die Beklagte die Zeit bis zum Monat Juni 2021 abgerechnet und die Vergütung ausgezahlt habe. Das hierin zu erblickende Vertragsangebot habe er durch Entgegennahme des Geldes angenommen. Mangels Schriftform könne es sich nicht um eine Befristung handeln.

Mit Blick auf den von der Beklagten behaupteten Kündigungsgrund bleibe es dabei: Er bestreite mit Nichtwissen, dass die in den Gesprächsprotokollen aus dem Monat November 2020 niedergelegten Äußerungen der Zeuginnen tatsächlich so erfolgt seien; er bestreite, dass der Inhalt der protokollierten Äußerungen richtig sei. Er bestreite also, dass er die von den Zeuginnen beschriebenen Anzüglichkeiten, sexualisierten Grenzüberschreitungen und körperlichen Übergriffigkeiten tatsächlich begangen habe. Die Zeugin C habe nach Ausscheiden aus den Diensten eine WhatsApp an ihn geschrieben, in der sie mitgeteilt habe, sie sei auch die nächsten 10 Jahre bereit, mit ihm zusammen zu arbeiten.

Er rüge die Besetzung der Richterbank. Während die Berufungsverhandlung vom 02.12.2021 und der Termin zur Beweisaufnahme über die Personalratsanhörung vom 24.03.2022 noch unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richterin Se stattgefunden habe, sei statt ihrer bei der Beweisaufnahme über die Kündigungsgründe am 03.03.2023 der ehrenamtliche Richter Ma anwesend gewesen. Die Auskunft des Vorsitzenden, die ehrenamtliche Richterin Se sei kurzfristig ausgefallen und liege im Krankenhaus und der ehrenamtliche Richter Ma sei der nach Nummer III 3 des richterlichen Geschäftsverteilungsplans an nächstbereiter Stelle nachgeladene Beisitzer, reiche ihm nicht.

Es ist Beweis erhoben worden zu der Behauptung der Beklagten, der Personalrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden, unter anderem zu der Behauptung, dem Personalrat seien die Protokolle der Aussagen der Mitarbeiterinnen und die "Begründung der Kündigung" zur Verfügung gestellt worden durch Vernehmung der Zeugen F P , A Br und G Bo . Auf das Protokoll der Beweisaufnahme (Bl. 284 d.A.) wird Bezug genommen.

Weiter ist Beweis erhoben worden zur Behauptung der Beklagten, der Kläger habe sich gegenüber den Zeuginnen A Ce , N So , J C , S S , S B , J F , I Gu , A H und A Be so verhalten, wie sie es der Zeugin G gegenüber im Rahmen der Befragungen zwischen dem 16.11.2020 und dem 24.11.2020 zu Protokoll erklärt haben, durch Vernehmung der vorbenannten Zeuginnen. Auf die Protokolle der Beweisaufnahme vom 02.03.2023 und vom 03.03.2023 (Bl. 404 ff der Akte) wird Bezug genommen. Soweit sich der Beweisbeschluss zur vorerwähnten Beweisaufnahme ursprünglich auch auf die Zeugin Kö bezogen hatte, ist er insoweit aufgehoben worden, da die Beklagte nicht nur auf die Zeugin, sondern auch auf ihren Vortrag verzichtet hat, der diese Zeugin betraf.

Weiter ist Beweis erhoben worden zur Behauptung der Beklagten, die protokollierten Erklärungen der Zeuginnen stimmten mit den tatsächlichen Erklärungen der Zeuginnen in den Gesprächen überein, durch Vernehmung der Zeugin C G . Auch hier wird auf die Protokolle der Beweisaufnahme vom 02.03.2023 und vom 03.03.2023 (Bl. 404 ff der Akte) Bezug genommen.

Kurz vor den ursprünglich für die Beweisaufnahme anberaumten Terminen am 20.10.2022 und 21.10.2022 hat der Kläger mit dem am 17.10.2022 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz den Vorsitzenden der 6. Kammer und die ehrenamtliche Richterin Se wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 08.12.2020 ist das Ablehnungsgesuch des Klägers zurückgewiesen worden. Zuvor hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Bürgermeister der beklagten Stadt eine WhatsApp mit dem folgenden Wortlaut zugesandt:

Sehr geehrter Herr V ,

es könnte jetzt eine einmalige Option sein, die Kündigung von Herrn Kn zurückzunehmen. Den Weg hat das LAG Köln durch die Aufhebung der beiden Termine zur Beweisaufnahme für morgen und übermorgen freigemacht. Das war durch meine Prozessführung auch mein Angebot für einen Ausstieg für Sie persönlich aus der Causa [...] Der Befangenheitsantrag gegen die Kammer gibt Ihnen die Möglichkeit, jetzt frei zu handeln [...]

Eine Erklärung des Klägers zu dieser Nachricht, die von der Beklagten zur Akte gereicht worden war, ist ausgeblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30.11.2020 am Tag des Zugangs des Kündigungsschreibens sein Ende gefunden. Denn die Kündigung ist als fristlose Kündigung wirksam. Die bloße Zahlung von Entgelt durch die beklagte Stadt und das Geschehenlassen der Überweisung durch den Kläger stellen keine zwei übereinstimmenden Willenserklärungen zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses dar. Die Kündigungserklärung ist hinreichend konkret und bestimmt (1.). Es liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor (2.), die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten worden (3.), der Personalrat ist ordnungsgemäß angehört worden (4.), weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich (5.) und die weiteren Einwendungen des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis (6.).

1. Die Kündigung ist nicht mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Eine Kündigungserklärung unterliegt zwar nicht der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB (hierzu und zum Folgenden: BAG v. 20.01.2016 - 6 AZR 782/14 -). Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung aber so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Deshalb muss sich aus der Kündigungserklärung oder den Umständen ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist (BAG v. 23.05.2013 - 2 AZR 54/12 -). Im Fall einer ordentlichen Kündigung genügt regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (BAG v. 10.04.2014 - 2 AZR 647/13 -).

Nach diesem Maßstab ist die streitgegenständliche Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, denn der Wortlaut "mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund außerordentlich, hilfsweise ..." ist nicht anders zu verstehen als "fristlos". Der Kläger hat nicht vorgetragen, wie er die Kündigungserklärung verstanden hat, wenn nicht als die Erklärung, das Arbeitsverhältnis möge ohne Einhaltung einer Frist am Tag des Zugangs der Kündigungserklärung enden. Ob die Erklärung hinsichtlich der "hilfsweise" ausgesprochenen Erklärung verständlich ist, ist nicht relevant für die vorliegende Entscheidung, denn es ist - wie zu zeigen sein wird - die Bedingung, nämlich die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, nicht eingetreten.

2. Die Beklagte hatte einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses. Nach dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - im Falle von tariflich unkündbaren Beschäftigten bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist - nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG v. 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - mwN).

Nach diesen Grundsätzen liegt ein wichtiger Grund "an sich" vor und die von der Beklagten vorgenommene Interessenabwägung ging zu recht zu Lasten des Klägers aus.

a. Ein wichtiger Grund "an sich" für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB liegt vor. Das ist das Ergebnis der Beweisaufnahme. Dabei zeigen sich nach den bewiesenen Darlegungen der Beklagten drei Facetten, die zunächst jede für sich allein einen wichtigen Grund "an sich" darstellen können, sowie am Ende der Betrachtung erst recht in Kombination miteinander.

Alle drei Sachverhaltsbereiche betreffen den Vorwurf sexueller Belästigung. Eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG ist gem. § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die "an sich" als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (BAG v. 29.06. 2017 - 2 AZR 302/16 -; BAG v. 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 -). Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Schutzgut der § 7 Abs. 3, § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (BAG v. 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 -). Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als das Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem oder mehreren anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert zu werden (Köhler/Koops BB 2015, 2807, 2808). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit verlangt - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG - nicht, dass der oder die Betroffene ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG v. 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 -).

Der erste wichtige Grund "an sich" sind die körperlichen Übergriffigkeiten, nämlich das Kneifen in die Seite von Frau C , das Pieksen in den Schwangerschaftsbauch von Frau So und das Werfen von Papierschnipseln in den Ausschnitt von Frau B . Diese Vorgänge sind entgegen der Auffassung des Klägers hinreichend bestimmt. Dem Kläger ist es ohne weiteres möglich, sich zu diesem Vortrag entsprechend der Vorgaben aus § 138 Abs. 2 ZPO einzulassen. Für die Frage, welche Auswirkungen solche Vorgänge für die Entwicklung des Vertrauensverhältnisses in der Zukunft haben werden, ist es unerheblich, wann sich diese Vorgänge zugetragen haben sollen und unter welchen räumlichen Bedingungen. Es handelt sich um derart spezifische Vorwürfe, dass sie auch vom Täter nur dann hätten vergessen werden können, wenn solche Verhaltensweise alltäglich gewesen wären.

Der zweite wichtige Grund "an sich" sind verbale Übergriffe gegenüber den Zeuginnen oder in Gegenwart derselben, die sich als Beleidigung und insbesondere als sexuelle Belästigung darstellen. Auch der Vortrag hierzu ist hinreichend konkret. Die dem Kläger vorgeworfenen Bemerkungen sind in den von der Beklagten vorgelegten Gesprächsprotokollen im Wortlaut dargelegt (hier eine Auswahl): "Braten in der Röhre;

hat so einen prallen Hintern; ... wie groß ihre Brüste dann sind; gerne mal auf den Hintern klatschen; schöne Beine; sportliche Figur; tolle Brüste; rote Klamotten, wenn sie ihre Tage haben; Knackarsch; Entenarsch; Atombusen; gerne mal bauchfrei sehen" etc. Das weitgehende Fehlen einer zeitlichen Eingrenzung dieser dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen kann im Rahmen der abgestuften Darlegungslast nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO Auswirkungen auf die Anforderungen haben, die an die Einlassung des Klägers nach § 138 Abs. 2 ZPO gestellt werden. Wie konkret das Bestreiten sein muss, um die Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 ZPO (Annahme eines unstreitigen Sachverhalts bei nicht hinreichend konkretem Bestreiten) zu vermeiden und eine Beweisaufnahme auszulösen, richtet sich bekanntlich danach, wie konkret das Vorbringen der beweisbelasteten Partei ist (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 138 Rn. 8 ff). Wegen des besagten Fehlens einer zeitlichen Konkretisierung der einzelnen dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge und Bemerkungen hat die erkennende Kammer das nur pauschale Bestreiten des Klägers ausreichen lassen und aufgrund mehrerer Beweisbeschlüsse Vernehmungen durchgeführt, die insgesamt rund 20 Stunden in Anspruch genommen haben (einschließlich der Beweisaufnahme zur Personalratsanhörung). Der vom Kläger bemühte Begriff des "Ausforschungsbeweises" hat mit der vorliegenden Fallgestaltung nichts zu tun. Das Verbot des Ausforschungsbeweises betrifft neben der Behauptung des Beweisführers "ins Blaue hinein" vor allem Beweismittelanträge, mit denen der Beweisführer beweiserhebliche Tatsachen durch die Beweisaufnahme erst zu erfahren sucht, um sie dann zur Grundlage eines neuen Prozessvortrags zu machen (Baumgärtel, MDR 1995, 987; BAG v. 27.09.2012 - 2 AZR 516/11 -). Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Es geht vielmehr ganz konkret z.B. um die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe bezüglich einzelner seiner Mitarbeiterinnen die Worte Knackarsch, Entenarsch und/oder Atombusen benutzt. Das ist weder eine Behauptung ins Blaue hinein noch eine Behauptung, die mit dem Ziel in den Prozess eingeführt worden ist, um (erst) über eine Beweisaufnahme beweiserhebliche Tatsachen zu erfahren.

Der dritte wichtige Grund "an sich", der sich der erkennenden Kammer nach 15 Stunden Beweisaufnahme durch Vernehmung der 10 Zeuginnen zunächst von Stunde zu Stunde deutlicher und am Ende in einer besonderen Klarheit bestätigte, ist der über Jahre hinweg erfolgte Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Grundsituation im Fachbereich, die von sexualisierter hierarchischer Einflussnahme durch den Kläger geprägt war. Auch der Vortrag der Beklagten hierzu war hinreichend konkret. Einen solchen Dauertatbestand mit einzelnen Vorgängen darzulegen und herzuleiten ist auch dann schwierig, wenn es um Vorgänge aus unmittelbarer Vergangenheit geht. Je mehr Zeit aber verstreicht, desto mehr verschwimmen die einzelnen Übergriffigkeiten die in ihrer Gesamtheit zu der prägenden Sexualisierung der Situation geführt haben. Dabei sind die besagten Übergriffigkeiten in den von der Beklagten vorgelegten Gesprächsprotokollen inhaltlich hinreichend konkret, wenn es dort heißt (auch hier nur eine Auswahl): "Regelmäßig Sprüche über große Brüste; Kläger schaut Frau B oft und offensichtlich auf die Brüste; kommentiert alles, jedes Kleidungsstück, jede Frisur; geh mal Kaffeekochen; Schnautze Fury". Dazu kommen weniger konkrete Zustandsbeschreibungen, die sehr individuell sind und dabei eher das Verständnis der Empfängerin als das des Senders betreffen und die daher für den Sender nur unter erschwerten Bedingen einlassungsfähig sind: "immer ein fieser Beigeschmack; immer sexuell und hinterhältig; bei ihm ist fast alles zweideutig; jede Frau, jede Figur wird kommentiert; er ist sexistisch, hetzt das Team gegeneinander auf; doofe zweideutige Sprüche." Diese Zustandsbeschreibungen sind aber ihrerseits flankierend konkretisiert durch die einzelnen in den Protokollen zu findenden Bemerkungen, die - wie zum zweiten Kündigungsvorwurf ausgeführt - jede für sich hinreichend konkret und damit einlassungsfähig sind. Wie bei den Behauptungen zu den einzelnen sexistischen Bemerkungen (zweiter Kündigungsvorwurf s.o.) hat die erkennende Kammer auch hier ein pauschales Bestreiten des Klägers ausreichen lassen, um zu einem Beweisbeschluss zu gelangen. Die Frage nach der Konkretisierung eines Gesamtvorwurfs, der sich aus einzelnen Handlungen zusammensetzt, stellt sich ähnlich in Mobbingprozessen. Dort ist anerkannt, dass es nach allgemeinen Grundsätzen die betroffenen Arbeitnehmerinnen sind, die die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der jeweils einzelnen Mobbinghandlung tragen. In diesen Fällen haben die Arbeitnehmerinnen konkret die Tatsachen anzugeben, aus denen sie das Vorliegen von Mobbing ableiten soll (vgl. BAG v. 16.05.2007- 8 AZR 709/06 -). Pauschaler und wertender Vortrag mit Worten wie z. B. "gängeln" (vgl. LAG SH v. 28.03.2006 - 5 Sa 595/06 -), "beschimpfen" (LAG Nürnberg v. 05.09.2006 - 6 Sa 537/04 -, "verbalen Übergriffen, Beleidigungen und massiven Drohungen" (LAG Köln v. 21.04.2006 - 12 (7) Sa 64/06 - ist nicht ausreichend. Vorliegend sind die Darlegungen der Beklagten zu den Verhaltensweisen weitaus konkreter, es geht in den meisten Fällen um wörtliche Zitate und ganz spezifische Verhaltensweisen. Im Übrigen ist die prozessuale Situation des Mobbingprozesses nicht ohne weiteres vergleichbar mit der vorliegenden. In Mobbingverfahren geht es in der Regel um Ansprüche gegen die Arbeitgeberin, die im Allgemeinen damit begründet werden, dass das Opfer durch einzelne Handlungen von Erfüllungsgehilfen der Arbeitgeberin, die erst und vor allem in ihrem Zusammenwirken eine massive Rechtsbeeinträchtigung darstellen können, in ihrer Persönlichkeit oder ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. Hier geht es aber nicht um Erfüllungsgehilfen der in Anspruch genommenen Partei, die zurecht nur mit den Schultern zucken kann, wenn ihr nicht gesagt wird, wer wann was getan haben soll; hier geht es um den Kläger selbst, um sein ganz persönliches Verhalten und sein ganz persönliches Verhältnis zu seinen Mitarbeiterinnen in den fünf Jahren vor Zugang des Kündigungsschreibens. Damit kann er aus eigener Sicht und eigenem Erleben berichten und sich auf die Vorwürfe einlassen.

Alle drei Phänomene verbindet die zusätzlich das Vertrauensverhältnis belastende Tatsache, dass der Kläger in der Anhörung im Rathaus und bis zuletzt keine Einsicht gezeigt hat, dass er mit dem Bestreiten der ihm vorgehaltenen Sachverhalte die Beklagte belogen hat und dass er die betroffenen Zeuginnen, also die Opfer seines Verhaltens, der Verleumdung bezichtigt hat. Diese Verhaltensweise im Rahmen der persönlichen Anhörung im Rathaus stellt nicht etwa "Nachtatverhalten" dar. Es gehört vielmehr zu dem die Kündigung begründenden Sachverhalt dazu, wie der zur Rechenschaft aufgeforderte Arbeitnehmer reagiert. Neben dem wahrheitswidrigen Bestreiten der Vorwürfe, der Artikulation von Wut und der Beschimpfung und Bedrohung der Opfer käme als alternative Verhaltensweise auch Einsicht, Reue und Bitte um Entschuldigung in Betracht.

Insgesamt stellt sich somit der dreigliedrige Kündigungsvorwurf der Beklagten, der sich kurz zusammengefasst daraus ergibt, dass die vorgelegten Gesprächsprotokolle authentisch und inhaltlich richtig sind, als hinreichend konkret und einer Beweisaufnahme zugänglich dar. Von einem unzulässigen Ausforschungsbeweis kann keine Rede sein.

Dass die vorgenannten Tatsachen wahr sind, ergibt sich aus der durchgeführten Beweisaufnahme. Nach § 286 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG hat das Gericht ohne Bindung an Beweisregeln unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Dabei darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob die Behauptung wahr und bewiesen ist. Vielmehr dürfen und müssen sich die Richterinnen und Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BAG v. 25.06.2014 - 7 AZR 847/12 -).

Die erkennende Kammer hat nicht nur einen derartigen Grad an Gewissheit über die Richtigkeit der Behauptungen der Beklagten aufgrund des erhobenen Zeugenbeweises erlangt; sie ist darüber hinaus zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger mit seinem Bestreiten gegenüber der Beklagten und gegenüber dem Gericht die Unwahrheit erklärt hat.

Die zehn vernommenen Zeuginnen A Ce , N So , J C , S S , S B , J F , I Gu , A H , A Be und C G sind glaubwürdig und ihre Bekundungen waren glaubhaft. Während der besagten insgesamt 15 Stunden Beweisaufnahme am 02.03.2023 und 03.03.2023 hat sich vor den Augen der erkennenden Kammer ein facettenreiches Bild der Abteilung Soziales im Fachbereich Schule, Sport, Kultur und Soziales der beklagten Stadt N entwickelt. Die Zeuginnen haben nicht nur von Verhaltensweisen des Klägers berichtet, sondern auch von systemischen Fehlern, von fehlendem Rückhalt untereinander, von nicht funktionierenden Strukturen, von Versagen in der Hierarchie, von Versagen im Personalamt, im Personalrat und bei der Gleichstellungsbeauftragten. Die Bekundungen der Zeuginnen waren unterschiedlich strukturiert, die Zeuginnen waren unterschiedlich emotional, unterschiedlich intensiv selbst betroffen und sie haben die Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet; im Kern haben ihre Erinnerungen übereingestimmt und sie haben sich nicht widersprochen. Diese Übereinstimmung im Kern bei einer Vielfalt von unterschiedlichen Blickwinkeln, Funktionen, Betroffenheiten und Charaktereigenschaften ist ein Realkennzeichen von sehr hohem Gewicht für die Annahme, dass jede einzelne Zeugenaussage erlebnisbasiert war.

Es hat keinen Hinweis auf eine Verschwörung gegen den Kläger gegeben. Sinngemäß hatte er vorgetragen, alles sei falsch, unkonkret und nur vorgeschoben. Auf die Nachfrage durch die Kammer "vorgeschoben vor was?" hat er nichts antworten können. Damit ist nach seinem Vortrag bis zuletzt nicht deutlich geworden, warum die zehn vernommenen Mitarbeiterinnen wahrheitswidrig und deshalb im Zweifel strafwürdig - und auch zunächst mit den Gesprächsprotokollen schriftlich - gelogen von sexualisierten Übergriffigkeiten berichten sollten. Auch irgendwelche Vermutungen, wie es zu diesen Übereinstimmungen habe kommen können - wenn nicht durch die verbindende Klammer "Wahrheit" - sind vom Kläger nicht geäußert worden. Lediglich im Hinblick auf die Zeugin S hat der Kläger vorgetragen, es habe eine Auseinandersetzung wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Schlechtleistung gegeben, die Anlass für eine Racheaktion sein könne. Diese Vermutung mag eine besonders kritische Betrachtung der Bekundungen der Zeugin S rechtfertigen, bietet aber keinen Hinweis auf eine Verschwörung, also darauf, dass sich mehrere befreundete Kolleginnen zusammentun, um die eine unter ihnen zu rächen. Bei einer solchen Racheaktion, mit der sich der gesamte Kolleginnenkreis dem Risiko der Strafverfolgung ausgesetzt hätte, wären auch andere Lügen zu erwarten gewesen als "Papier in den Ausschnitt geworfen" und "der Kollegin in den Bauchspeck gekniffen".

Es ist gerade die sehr unterschiedliche Art der Bekundungen der zehn Zeuginnen (sprunghaft, emotional, flüssig, stockend, still, um Worte ringend, abgeklärt, distanziert, betroffen, aus systemischer Perspektive betrachtend), die die erkennende Kammer zur Überzeugung geführt hat, dass der übereinstimmende Kern der Aussagen - über die tatsächlich geschehenen körperlichen Übergriffe, über die zahlreichen sexuellen Belästigungen und über den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung einer von sexualisierter hierarchischer Einflussnahme bestimmten Gesamtsituation - tatsächlich wahr war und die Bekundungen jeweils tatsächliches eigenes Erleben widerspiegelten.

Alle Zeuginnen waren in der Vernehmungssituation sehr konzentriert. Allen war die Anspannung anzumerken, die mit der (vom Kläger zu verantwortenden) Zumutung einer solchen Beweisaufnahme verbunden ist; zwei Meter entfernt von dem Menschen, über dessen Übergriffigkeiten sie zu berichten hatten. Allen war anzumerken, dass sie sich durchaus vorher Gedanken zur Frage gemacht hatten, was sie erzählen wollen, dass sie aber auf konkrete Nachfrage durchaus bemüht waren, über ihre vorgedachten Berichte hinaus Einzelheiten zu erinnern, die teilweise Jahre zurücklagen. Es gab bei dem Inhalt der Bekundungen Überschneidungen, aber keine Hinweise auf eine - von der Wahrheit, also von dem jeweils individuell erfahrenen Geschehensablauf abweichende - Absprache unter den Zeuginnen mit dem Ziel, den Kläger aus anderen sachwidrigen Gründen aus der Position zu drängen.

Allen Zeuginnen sind einleitend vor der Einlassung zur Sache vom Vorsitzenden die gleichen Informationen und die gleichen allgemeinen Fragen gegeben worden, insbesondere sind alle Zeuginnen aufgefordert worden, ihre Geschichte ganz von vorne zu beginnen, also mit ihrem jeweiligen Eintritt in den Fachbereich. Mit dieser Aufforderung "ganz von vorne zu beginnen" sind die Zeuginnen in einen erzählerischen Kontext versetzt worden, der zumindest zunächst verhindert hat, vorformulierte oder auswendig gelernte Textpassagen zu bringen. Die Kammer hat sich mit der Beweisaufnahme viel Zeit genommen, die Zeuginnen haben ausführlich berichten können, sie hatten die Gelegenheit nachzudenken und zu konkretisieren. Sie haben sich nicht verhaspeltoder widersprochen. Manchmal sind einzelne Daten durcheinandergeraten, wiederholt sind den Zeuginnen während der Vernehmung neue Einzelheiten eingefallen, mit denen sie ihre Aussagen konkretisiert haben. Letzteres hat auf die Kammer aber eher den Eindruck einer authentischen und deshalb nicht in jeder Facette vollkommenen Erinnerung gemacht, als den Eindruck einer zutage tretenden Belastungstendenz oder gar einer Lüge. Im Einzelnen sind die erhobenen Beweise wie folgt zu würdigen:

(1.) Die Zeugin A Ce ist am ersten Tag der Beweisaufnahme als erste Zeugin zum Beweisthema befragt worden. Sie hat sich zusammengefasst wie folgt geäußert:

Sie sei im Februar 2016 in den Fachbereich gekommen. Zuvor habe sie zusammen mit Frau So eine Ausbildung bei der Stadt K gemacht. Zu Beginn sei alles ganz nett gewesen und sie habe sich mit Herrn Kn gut verstanden. Schwierig sei es geworden, als Frau S gekommen sei. Da sei es mit komischen Bemerkungen losgegangen. Herr Kn habe Frau S spüren lassen, dass sie nach seiner Auffassung ihren Job nicht beherrsche. Er habe sie alleingelassen. Er habe auch ein merkwürdiges Verhältnis zu Frau So entwickelt. Frau So sei oft ungeschminkt zur Arbeit gekommen und habe dann von ihm gesagt bekommen, "gehen Sie sich mal schminken, das kann ja keiner ertragen" oder "neben Ihnen möchte ich morgens so nicht aufwachen". Das sei nach ihrem Empfinden unterirdisch. Immer wieder seien Bemerkungen darüber gekommen, wie hübsch er Frau So finde, insbesondere deren Hintern und dass er Lust habe "drauf zu klatschen". Er habe es allgemein schön gefunden, wenn Frauen hohe Schuhe angehabt hätten. Dementsprechend habe sie sich morgens besonders angezogen und eher darauf geachtet, flache Schuhe zu tragen. So sei das heute noch. Sie mache sich morgens immer noch besondere Gedanken über ihre Garderobe, um nicht komische Reaktionen bei den "Herren der Schöpfung" zu provozieren. Das Verhalten von Herrn Kn könne man natürlich unterschiedlich beschreiben, man könne auch sagen, es sei aufmerksam oder eben neugierig. Diese Art von "Aufmerksamkeit" habe sie als nicht schön empfunden. Die wirklich schwierigen Bemerkungen seien nicht gegen sie, sondern gegen Kolleginnen gefallen. Da seien Sachen gesagt worden, wie "Sie sind so dick, das ist ekelig". Das sei insbesondere Richtung Frau C gegangen. Die sexuellen Bemerkungen hätten sich vor allem gegen Frau So gerichtet. Eine andere Kollegin, Frau Ha , habe immer gesagt bekommen "sei leise Fury". Das sei sehr auffällig gewesen. Das alles sei lange her und teilweise könne sie die einzelnen Situationen nicht mehr konkretisieren. Sie könne sich aber genau an die Schwangerschaft von Frau So erinnern. Da sei dieser Spruch mit den Brüsten gekommen: "Komm nach der Schwangerschaft rein, damit ich sehen kann, wie groß deine Brüste sind". Auch an das letzte Gespräch, das sie mit ihm gehabt habe, könne sie sich sehr genau erinnern. Da sei sie schon im Standesamt beschäftigt gewesen. Sie sei zu Frau So rübergegangen, um in ihrem Büro einen Kaffee zu trinken. Dort hätten sie sich unterhalten und dann sei Herr Kn dazugekommen. Auch dieses Gespräch sei wieder auf den Hintern von Frau So hinausgelaufen. Sie und Frau So hätten ihm dann gesagt, dass sie das nicht in Ordnung fänden. An eine konkrete Antwort könne sie sich nicht mehr erinnern, aber es ist eben so, dass Herr Kn das so einfach witzig finde. Herr Kn habe es immer total witzig gefunden auf dieses "me too-Thema" zu kommen und habe immer "me too, me too" gesagt. Das Thema sei ja eigentlich überhaupt nicht witzig.

Ganz konkret könne sie sich auch an ein Personalgespräch erinnern, das sie mit dem damaligen Vorgesetzten Herrn Sa geführt habe. Bei diesem Gespräch habe sie einen Top angehabt und offensichtlich habe da ihr BH durchgeschimmert. Herr Kn habe das bemerkt und er habe ihr gegenüber die Vermutung geäußert, sie habe das Top ganz gezielt angezogen, um Eindruck zu machen. Auf diese Sache sei er dann in der Folgezeit immer wieder eingegangen und das habe sie auf die Dauer sehr gestört.

Immer mal wieder, ohne dass sie einzelne Tage benennen könne, seien die folgende Sachen vorgefallen: Die Sache mit dem Schminken, die Sache mit dem Hintern und die Sache mit den hohen Schuhen, die Sache gegenüber Frau S mit den fehlenden Know-how und insgesamt eigentlich immer die Optik von allen Kolleginnen im Fachbereich. Sie habe insgesamt das Gefühl gehabt, dass Herr Kn ein bisschen sadistisch sei und dass er es vor allem witzig finde, sich über Menschen lustig zu machen; er habe Spaß dabei, jemanden spüren zu lassen, wenn er von ihm oder ihr nichts hält. Das "spüren lassen" sei durch nicht helfen, durch bloßstellen, durch entsprechende Bemerkungen und durch Auflaufen-lassen geschehen. Mehrere Male habe sie und Frau So dem Kläger gesagt, dass diese Bemerkungen nicht in Ordnung seien, aber da habe er nur gelächelt und versucht, die Sache "herunter zu schaukeln". Ein "jetzt reicht's" oder "ich gehe" oder gar "jetzt reicht's oder sie fliegen raus" habe es im Fachbereich nicht gegeben. Sie und die Kolleginnen hätten dann immer die Fachebene gesucht. Insgesamt könne sie sagen, dass sie mit dem Kläger ein gutes Verhältnis gehabt habe, obwohl "gutes Verhältnis" jetzt ein bisschen drüber sei. Richtiger sei wohl "entspanntes Verhältnis" und da habe es dann eben solche Situationen gegeben, wo alle zusammengestanden hätten, Spaß miteinander gehabt hätten und dann sei plötzlich eine Bemerkung gekommen, die gar nicht gehe, auf die sie dann aber nicht reagiert habe. Manchmal sei deshalb keine Reaktion gekommen, weil alle so schockiert gewesen seien.

Die Bekundungen der Zeugin Ce bestätigten zwar nicht die körperlichen Berührungen, wohl aber die anderen von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründe: Dauerhafte verbale sexuelle Belästigungen, teilweise in Kombination mit fachlicher und persönlicher Zurücksetzung, und den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung einer Gesamtsituation, die von sexualisiertem Machtmissbrauch geprägt ist. Hervorzuheben ist das wiederholt geäußerte Bedürfnis, auf den Hintern der Zeugin So klatschen zu wollen, die Aufforderung an die Kollegin nach der Schwangerschaft in den Fachbereich zu kommen, um eine Betrachtung ihres Busens zu ermöglichen, die über einen langen Zeitraum wiederholt geäußerten Anzüglichkeiten in Kombination mit unsachlicher fachlicher Kritik des Vorgesetzten an der Arbeit der nachgeordneten Mitarbeiterin und schließlich die Tatsache, dass der Kläger wiederholt durch die Zeugin und ihre Kollegin aufgefordert worden ist, die Übergriffigkeiten zu unterlassen.

Die Zeugin hat sich als eine gebildete und sehr reflektierte Beamtin dargestellt. Ihre Bekundungen waren konzentriert und differenziert. Großen Wert legte sie auf ihre Erinnerung, dass sie sich am Anfang mit dem Kläger gut verstanden habe, und dass es erst "schwierig" geworden sei, als Frau S in die Abteilung gekommen sei. Es ist neben den bereits genannten allgemeinen Realkennzeichen diese Ausgewogenheit in der Erzählung der Zeugin, die die erkennende Kammer von der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen überzeugt hat.

(2.) Nach der Zeugin Ce ist die Zeugin N So vernommen worden. Sie hat sich zu dem streitigen Sachverhalt zusammengefasst wie folgt geäußert:

Als sie im Jahre 2011 im Fachbereich angefangen habe, sei sie 21 Jahre alt gewesen und weitgehend unerfahren. Zu jener Zeit sei der Kläger noch Sachbearbeiter und nicht stellvertretender Fachbereichsleiter gewesen. Sie habe mit dem Kläger ein insgesamt nettes Verhältnis gehabt, das sei auch in Raucherpausen deutlich geworden. Der Kläger sei im Jahre 2012 stellvertretender Fachbereichsleiter geworden und mit den Jahren habe sich dann die Stimmung negativ entwickelt. Unangenehme Dinge seien im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geschehen. Da habe der Kläger immer wieder gefragt: "Sind Sie denn jetzt schwanger?". Es sei von ihm alles durchanalysiert worden. Einmal habe er sie sogar in den Bauch gepikst und wieder gefragt: "Sind Sie denn jetzt schwanger?". Sie habe das als unmöglich und unglaublich empfunden. Dass es zu so einem körperlichen Übergriff gekommen sei, da gehe es um den Babybauch der angegangen werde, das schockiere sie noch heute. Das gehe gar nicht. Dann sei sie immer wieder auf ihre Brustgröße angesprochen worden und der Kläger habe ihr gesagt, bei einer anderen Kollegin sei es auch so gewesen, dass sie während der Schwangerschaft einen Atombusen bekommen habe. Das Ganze sei total unangenehm gewesen und sie habe das als körperlich übergriffig empfunden. Genau könne sie sich noch an eine konkrete Situation erinnern, da sei sie ihm auf dem Parkplatz entgegengekommen und sie habe einen Schal umgehabt und da habe er gesagt: "Machen Sie mal den Schal weg!" und sie habe gefragt: "Wieso das denn?" und darauf habe er gesagt: "Ich will sehen, ob die Brust schon größer geworden ist." Im Büro nach der Schwangerschaft habe sie mit einer Kollegin darüber gesprochen, wie sich der Körper nach der Schwangerschaft entwickelt habe und da sei er dazu gekommen und habe sofort gefragt, ob die Brüste denn kleiner geworden seien. Ab dem Jahr 2015 sei es immer unangenehmer geworden. Sie habe auf die Bemerkungen des Klägers zunächst nie laut protestiert, aber doch ziemlich deutlich gemacht, dass sie das nicht gut finde. Dann aber kurz vor der streitgegenständlichen Kündigung habe es doch ein sehr deutliches Gespräch zwischen ihr, Frau Ce und dem Kläger gegeben. Im Laufe dieses Gespräches habe sie zusammen mit der Kollegin dem Kläger deutlich gemacht, "das ist nicht in Ordnung" und "wir möchten das nicht". Es sei "unmöglich" gewesen, wie hier ein "alter Chef" so mit Mitarbeiterinnen spreche. "Figurtechnisch" sei viel kommentiert worden. Er habe bei hohen Schuhen gesagt, das finde er toll, "Tragen Sie die immer!". In Zukunft habe sie dann aber ihre Garderobe kontrolliert und sie habe versucht, solche Bemerkungen zu vermeiden. Nicht nur sie ei betroffen gewesen. So sei es z.B. bei Frau B immer um die Oberweite gegangen und bei der Kollegin Ce um die Beine und die Fesseln. Einmal sei das obere Kleidungsstück von Frau Ce nicht ganz blickdicht gewesen. Das habe der Kläger immer wieder kommentiert. Das sei über Jahre gegangen. Das sei alles andere als witzig gewesen. Eine Bemerkung des Klägers habe die Kollegin K betroffen "sportlicher Hintern" und über die Kollegin S : "Die hat aber zugenommen, ist die schwanger?".

Dem Kläger sei schon klar gewesen, dass bestimmte Dinge nicht in Ordnung seien. Nach einem Gespräch mit dem Personalrat sei er zu ihr und den Kolleginnen gekommen und habe sich über das Gespräch lustig gemacht und er habe dann gesagt: "Machen Sie kein me too draus."

Der Inhalt der Kommentare des Klägers sei saisonabhängig gewesen. Im Sommer sei es z.B. so gewesen, dass sommerliche Kleidung immer wieder ganz ausdrücklich vom Kläger befürwortet worden sei. Wenn sie sich mal etwas Schöneres angezogen habe, z.B. bei feierlichen Anlässen höhere Absätze, dann sei das sofort kommentiert worden. Sie habe immer Bemerkungen bekommen, wenn sie ungeschminkt zur Arbeit erschienen sei und dann eben auch die Bemerkung, dass er ihr auf den Hintern hauen wolle. Das habe mindestens drei- bis fünfmal gesagt. An die genaue Anzahl und die genauen Daten könne sie sich nicht erinnern. Wenn sie genauer gefragt werde, ob es in der Wortwahl des Klägers eher um den "Hintern" gegangen sei oder um den "Arsch", dann könne sie sich insbesondere an eine Situation erinnern, als sie mit einer Leggings zur Arbeit gekommen sei, da habe der Kläger von ihrem "Arsch" gesprochen. Eine Bemerkung über einen "Atombusen" habe die Zeugin Be betroffen. Fachliche Auseinandersetzungen habe es weniger gegeben. Ganz im Gegenteil sei es so gewesen, dass der Kläger fachlich durchaus hilfsbereit gewesen sei und das sei insgesamt ganz ok und nicht unfair gewesen.

Die Zeugin So hat alle drei Kündigungsgründe bestätigt. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass sie selbst diejenige war, die während ihrer Schwangerschaft vom Kläger auf Bauch und Busen angesprochen worden ist. Sie hat aus eigener Erfahrung eindringlich und auch als Zeugin heute noch sichtbar schockiert von der körperlichen Berührung ihres "Babybauchs" gesprochen. Sie hat auch die dauerhaften sexualisierten Bemerkungen gegenüber den Kolleginnen B , Ce , K und S bestätigt. Ausdrücklich hat sie auch bekundet, dass der Kläger auf sein Verhalten angesprochen belustigt reagiert habe und von "me too" gesprochen habe.

Die Zeugin So ist glaubwürdig und ihre Bekundungen waren glaubhaft. Es gilt hier das zu Frau Ce Gesagte entsprechend. Auch die Bekundungen von Frau So waren im Ganzen ausgewogen und differenziert. Insbesondere hat sie klar gekennzeichnet, an welche Tatsachen sie sich noch genau erinnere ("Machen Sie mal den Schal weg") und welche Tatsachen sie nicht mehr konkret habe benennen können, sondern eher als eine Art alltägliches Hintergrundrauschen wahrgenommen habe ("Kommentare ... saisonabhängig"). Neben den oben genannten allgemeinen Realkennzeichen ist es auch hier die inhaltliche Ausgewogenheit und die konzentriert-überlegte Formulierung der Bekundungen gewesen, die die Kammer von der Glaubhaftigkeit der Bekundungen überzeugt hat.

(3.) Als dritte Zeugin ist Frau J C vernommen worden. Sie hat sich zum Beweisthema wie folgt geäußert:

Sie sei seit dem 01.10.2011 im Fachbereich tätig. Den Kläger habe sie dort als Kollegen kennen gelernt, der sich schnell auch in Randgebiete habe einarbeiten können. Das Team sei in der Folgezeit jünger geworden. Die Flüchtlingswelle im Jahre 2015 habe Stress verursacht. Man habe viel Zeit miteinander verbracht. Mit dem Kläger habe sie sich oft im Raucherbereich getroffen. Das habe sie mit ihm verbunden. Ende des Jahres 2021 habe sie im Fachbereich aufgehört und sei zuletzt aus rein privaten Gründen nach Bra gezogen. Vorher habe sie noch eine kurze Zeit in Eu gearbeitet. Nach der hier streitgegenständlichen Kündigung habe es im Fachbereich irgendwie nicht mehr richtig funktioniert. Zum Thema des Beweisbeschlusses könne sie berichten, dass es da einmal eine Situation gegeben habe, in der Frau So eine sogenannte "Glanzleggins" angehabt habe. Sie, die Zeugin C selbst, sei es gewesen, die Frau So gesagt habe, das sehe so aus wie diese Schlauchluftballons, aus denen auf Volksfesten Clowns Figuren machten. Frau So habe nun mal eine gute Figur und lange Beine und dann habe sie diese Glanzleggins an und dann habe der Kläger diese Bemerkung fallen lassen. Was genau Herr Kn darauf gesagt habe, wisse sie nicht mehr, aber irgendwas in der Richtung wie "die hat man ja immer zum Platzen gebracht" oder so etwas Ähnliches. Zwar habe sie in dem Gespräch mit Frau G und Frau S zu Protokoll gegeben, dass der Kläger sie mal in die Seite gekniffen habe. Das habe sie damals aber nicht als anzüglich empfunden. Der Kläger sei ins Büro gekommen, sei an ihr vorbeigegangen und habe ihr einen "Zwicker" gegeben unter dem Motto: "Na, willst Du mit eine rauchen gehen?". Da man so viel Zeit miteinander verbracht habe, sei das Kollegenverhältnis insgesamt über das Fachliche hinausgegangen. Das sei sogar so eine Art freundschaftliches Verhältnis gewesen. Die Bemerkungen über ihre Figur habe sie auch als wertfrei empfunden. Sie sei halt eine Frau, die mal eine Diät mache und so sei das nun mal. Er habe genauso wertfrei einmal gesagt: "Hast Du zugenommen?" oder andersherum "hast Du abgenommen?". Ansonsten habe sie sich um ihre Arbeit gekümmert. Der Kläger habe schon immer eine sehr direkte und ehrliche Art gehabt. So habe er einmal Kritik geäußert und das habe dann wohl zu Unmut geführt. Wenn sie ausweislich des Gesprächsprotokolls mitgeteilt habe, die Kolleginnen hätten dem Kläger gesagt, er solle aufhören, so habe dies das Verhalten der Zeugin Ha gegenüber betroffen. Zu den offensichtlich hier im Raume stehenden Vorwürfen könne sie nichts sagen, Sie habe ja schließlich ein Einzelbüro gehabt. Sie habe da nichts mitbekommen. Umgekehrt seien aber auch Bemerkungen über den Kläger gefallen, z.B. die, dass er auch nicht jünger werde.

Das alles sei ja lange her und rund um die hier streitgegenständliche Kündigung seien alle im Fachbereich sehr aufgeregt gewesen. Sie gehe aber davon aus, dass sie die Situationen, die im Gesprächsprotokoll stünden, auch tatsächlich im Einzelnen erzählt habe. Die Situation unter den Kolleginnen sei der typische Klüngelverein gewesen.

Wenn die Zeugin C im Rahmen ihrer Bekundungen auch ausdrücklich darauf hingewiesen hat, sie selbst fühle sich vom Kläger nicht angegriffen oder belästigt, so hat sie doch zumindest zwei der von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründe bestätigt. Sie hat bestätigt, dass es Bemerkungen des Klägers zu den Leggins und den Beinen von Frau So gegeben hat und sie hat bestätigt, dass der Kläger sie selbst in Gegenwart von Kolleginnen in die Seite gekniffen hat. Im Übrigen waren ihre Bekundungen wenig ergiebig. Sie sind aber auch nicht umgekehrt als Gegenbeweis geeignet. Die Zeugin hat nicht von Verschwörungen berichtet; sie hat nicht berichtet, dass konkret von den Kolleginnen behauptete Vorkommnisse nicht oder nicht so vorgefallen seien. Vielmehr hat sie sich auf die Mitteilung beschränkt, sie habe in einem Einzelzimmer gesessen und sie habe daher nichts wahrgenommen. Ganz offen hat sie sich als Freundin des Klägers dargestellt und ganz deutlich ist der erkennenden Kammer ihr Bemühen geworden, die hier streitigen Verhaltensweisen zu bagatellisieren.

Hinsichtlich des Kerns ihrer Aussage, sind ihre Bekundungen aber glaubhaft. Es ist gerade die im Übrigen erkennbare Tendenz der Zeugin, den Kläger so wenig wie möglich zu belasten, die die übriggebliebenen belastenden Mitteilungen als besonders authentisch hat erscheinen lassen.

(4.) Als vierte Zeugin ist Frau S S vernommen. Sie hat zur Beweisfrage zusammengefasst das Folgende vorgetragen.

Sie sei im Jahre 2016 als Quereinsteigerin weitgehend unerfahren in den Fachbereich gekommen. Es sei dann gleich mit der Flüchtlingswelle losgegangen und es sei viel zu tun gewesen. Bei der Einarbeitung habe sie keine Unterstützung erhalten. Wörtlich hat die Zeugin ausgeführt: "Eigentlich kann ich sagen, dass ich von Tag eins die Arschkarte gezogen hatte. Vielleicht war es ein persönliches Ding, aber ich hatte das Gefühl, dass ich von Anfang an keine Chance hatte." Der Kläger habe ihr von Anfang an deutlich gemacht, dass er sich durch ihre Einstellung bestraft fühle. Sie sei insgesamt nur 7 Monate im Fachbereich gewesen. Danach habe sie sich wegbeworben. Ihr sei es darum gegangen einfach nur wegzukommen auch um den Preis einer Herabgruppierung, "Hauptsache raus". Zum eigentlichen Beweisthema müsse sie vorweg darauf hinweisen, dass das alles lange her sei. Das, was sie hier berichten könne, sei im Jahre 2016 geschehen. Sie könne jedenfalls als dauerhaftes Gefühl mitteilen, dass man sich vom Kläger beäugt gefühlt habe, körperlich und von oben herab. Auch hier am Tag der Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer sei es am Morgen so gewesen, dass sie sich gefragt habe, was sie anziehen solle. Das sei nämlich genau das, was man sich dann immer gedacht habe, um Bemerkungen des Klägers zu vermeiden. Eine Situation sei besonders prägend gewesen, da habe sie im Büro geweint (an dieser Stelle weinte die Zeugin auch während der Beweisaufnahme). Da sei es um die Partnerschaft mit ihrem damaligen Freund gegangen. Da habe der Kläger gesagt: "Das wird eh nichts. Das wird gar nichts." Sie empfinde es als eine völlig inakzeptable Sache, wenn ein Vorgesetzter sich so über eine private Angelegenheit äußere. Das habe sie stark unter Druck gesetzt und sie habe nicht mehr einschlafen können, ohne Baldrian zu nehmen. Ein paar Jahre später sei es dann tatsächlich zu einer Trennung gekommen. Auch wenn sie einem anderen Fachbereich zugewiesen sei und in einem anderen Haus arbeite, sei die Information bis zu ihr gedrungen, dass der Kläger sich über die Trennung lustig gemacht habe. Sie glaube generell, dass sich die Frauen im Fachbereich unwohl gefühlt hätten, weil sie als Menschen vom Kläger nicht für voll genommen würden. Sie könne sich an eine Situation erinnern, wo Frau C aus der Raucherpause gekommen sei und gesagt habe: "Dich und Natascha würde der gerne mal bauchfrei sehen."

An einen weiteren Vorfall könne sie sich genau erinnern. Ihr sei zugetragen worden, dass sich der Kläger über sie wie folgt geäußert habe: "Die ist so fett geworden, die hat bestimmt einen Braten in der Röhre." Dadurch habe sie sich veranlasst gefühlt, zu ihrem Chef zu gehen und ausdrücklich zu erklären, dass sie nicht schwanger sei.

Bezogen auf andere Kolleginnen könne sie sich daran erinnern, dass gegenüber Frau So häufig Bemerkungen über deren Hintern gefallen seien. Diese Bemerkungen habe sie persönlich mitbekommen. Frau K , eine andere Kollegin, habe bei ihr im Büro gesessen und diese Kollegin habe auch Bemerkungen über ihren Hintern hören müssen. Sie glaube die Hintern seiner Mitarbeiterinnen seien bei ihm allgemein beliebt gewesen.

Die Umfrage habe sie zusammen mit Frau G durchgeführt, weil sie damals schon seit einem Jahr im Personalamt tätig gewesen sei. Dort sei sie für den Arbeitsschutz zuständig und damit unmittelbar für die Gefährdungsbeurteilung, deren Durchführung der Ausgangspunkt des vorliegenden Falles gewesen sei. Hinsichtlich dieser Befragung habe sie das selbst als total unangenehm empfunden und sie habe sich selbst gefragt, warum sie das denn machen solle, wo sie doch selbst eine Betroffene gewesen sei. Da habe es dann aber ein Gespräch mit Frau G , Herrn Bo und Herrn W gegeben und diese hätten sie ausdrücklich gebeten, die Befragung durchzuführen.

Im Rahmen der Befragung sei es vorgekommen, dass die Befragten darum gebeten hätten, bestimmte Dinge nicht aufzunehmen. Nach ihrer Erinnerung seien einige etwas schockiert gewesen, als sie sich den Text vorgelesen noch einmal angehört hätten. Einige hätten gesagt: "Das hört sich ja wirklich schlimm an, wenn ich das so höre." Das habe in einigen Fällen zu einer Änderung des Textes im Protokoll geführt. Sie habe das Gefühl gehabt, dass die Leute irgendwie Angst gehabt hätten. Sie könne sich in diesem Zusammenhang an Frau B und Frau C erinnern. Diese beiden Kolleginnen hätten um Änderungen gebeten. Soweit Änderungen vorgenommen worden seien, seien vor allem Abschwächungen vorgenommen worden. Bei genauerem Nachdenken könne sie sich auch noch an eine Situation erinnern, die sie persönlich betroffen habe: Da sei eine Bemerkung des Klägers über die Guess-Jeans gefallen, die sie an jenem Tag angehabt habe. In dem Augenblick habe sie genau gewusst, weil das Logo von der Firma auf der hinteren Tasche eingestickt gewesen sei, dass er ihr jetzt gerade auf den Hintern geschaut habe und genau das seien so Situationen, die sie als unangenehm empfunden habe. Die Sache mit Frau So und der Schminke habe sie regelmäßig mitbekommen. Die Türen seien ja offen gewesen.

In dem Gesprächsprotokoll stehe vieles nicht drin, weil sie es so konkret nicht mehr in Erinnerung gehabt habe. Sie könne sich an ihre Überraschung erinnern, was Frau F alles über sie erzählt habe, und dann habe sie sich wieder erinnern können.

Sehr genau erinnern könne sie sich an ihre Beschwerde beim Personalrat. Das sei damals die Vorsitzende Frau L gewesen. Diese habe sie damals um Rat gefragt aber im Prinzip sei nichts passiert. Sie habe ihr sinngemäß gesagt: "Du weißt doch, wie er ist." und "Du musst schon sehen, wie Du selbst damit klarkommst.

Die Bekundungen der Zeugin S haben den Kündigungsvorwurf der sexuellen Anzüglichkeiten bestätigt und sie haben die Verknüpfung der Übergriffe mit dem Machtgefälle zwischen dem Vorgesetzten und den Mitarbeiterinnen erhärtet. Sie haben des Weiteren die dauerhafte Gegenwärtigkeit einer vom Kläger ausgehenden sexualisierten Grundstimmung im Fachbereich bestätigt. Die Bekundungen der Zeugin waren zwar sehr emotional und sprunghaft, aber gerade deshalb waren sie sehr glaubhaft. Denn gerade die chronologisch ungeordnete Aussage spricht dafür, dass die Aussage erlebnisbasiert ist (Hamacher/Happe NZA 2021, 665 ff mwN); diejenige, die etwas aus dem Gedächtnis wiedergibt, kann ohne Aufwand in der zeitlichen Reihenfolge hin- und herspringen. Dies wird einer Lügnerin, die die Geschichte konstruieren muss und sich nicht in Widersprüche verfangen will, schwerer fallen. Die Zeugin hat von Anfang an keinen Hehl aus ihrer persönlichen Abneigung gegen den Kläger gemacht. Aus diesem Grund hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bezüglich dieser Zeugin auch von einer "Belastungstendenz" gesprochen. Es ist aber wie gezeigt gerade die Sprunghaftigkeit der Bekundungen, die sie glaubwürdig macht. Diese Sprunghaftigkeit ist nicht gespielt oder eingeübt gewesen: das Weinen, das genaue Erinnern an das eine Gespräch, das Nichthervorheben der Dinge, um die es hier und in der Umfrage eigentlich gegangen ist. Dabei lässt die Kammer dahinstehen, warum es während der Beweisaufnahme zu den Tränen gekommen ist: Aus Trauer über die verlorene Beziehung oder aus Wut und Betroffenheit über die damalige Situation und das Verhalten des Klägers (letzteres schien mit Blick auf die Gesamtsituation der Aussage als wahrscheinlicher). Schlüssig ist dabei auch die Tatsache, dass die Zeugin bei den Bekundungen über die Befragungen im Jahre 2021 ruhiger, geordneter und konkreter geworden ist. Ihre Glaubwürdigkeit fördernd war auch das klare Bekenntnis, dass sie die Aufgabe nur ungern übernommen habe und die Darstellung, dass sie an ihrem Befragungsbogen nichts verändert habe, nachdem sie im Rahmen der Befragungen durch die Darstellungen der Zeugin F wieder Einzelheiten habe erinnern können, die sie zuvor zunächst vergessen oder als nicht so wichtig betrachtet habe. Die erkennende Kammer ist daher von der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen überzeugt gewesen.

(5.) Als fünfte Zeugin ist Frau S B vernommen worden. Sie hat zusammengefasst das Folgende bekundet:

Nach der Ausbildung bei der beklagten Stadt sei sie im Jahre 2016 in das Büro neben dem des Klägers gewechselt. Die Situation im Fachbereich habe sich über Jahre hinweg entwickelt. Zunächst habe es nur Probleme mit Zweifeln an der Fachlichkeit gegeben. Das habe insbesondere die Kolleginnen F und S betroffen. Das seien die ersten Jahre gewesen. Als das Thema sexualisierte Übergriffigkeiten aufgekommen sei, sei sie selbst emotional nicht so berührt gewesen, auch wenn sich das ja über Jahre hingezogen habe. Sie könne sich genau an eine Situation mit der Kollegin Wi erinnern, die sich auf der Kirmes abgespielt habe, also eher privat. Da sei es um eine Tasche und deren Tragegurt gegangen, der quer über die Brust verlaufen sei. Hierzu habe es eine Bemerkung des Klägers gegeben. Danach sei die Kollegin zum Personalrat gegangen, um sich dort zu beschweren. Tatsächlich habe er selbst, also Herr Kn , dann auch zum Personalrat gehen müssen. Jedenfalls erinnere sie sich so. Danach habe es ein Gespräch mit einer Auszubildenden gegeben, da habe der Kläger von diesem Vorfall erzählt und das sei so eine Gelegenheit gewesen, wo sie dann gesagt habe, das gehe gar nicht. Zum Thema Grenzen einhalten erinnere sie sich sehr genau an einen Zwischenfall mit der Kollegin Frau L . Die habe in der Raucherpause den Kläger gefragt, ob es denn eine Kleiderordnung bei der Stadt N gebe und der Kläger habe ihr darauf sinngemäß geantwortet, dass sich die Kleiderordnung nach dem Körperumfang richte. Das habe die Kollegin nicht witzig gefunden. Die Kollegin sei nämlich ein bisschen korpulenter. Diese Mitarbeiterin Frau L sei dann zu ihrer Vorgesetzten, der Leiterin des Jugendamtes, gegangen und habe sich dort beschwert. Daraufhin habe dann die Leiterin des Jugendamtes das Gespräch gesucht mit meinem Vorgesetzten und dem Vorgesetzten von Herrn Kn und dieser Vorgesetzte hat dann mit Herrn Kn gesprochen. Das Ganze sei also thematisiert worden und dann habe der Kläger über die Angelegenheit mit ihr gesprochen und in diesem Zusammenhang habe er die Leiterin des Jugendamtes als dumme Fotze bezeichnet. Das müsse so im Sommer 2020 gewesen sein. Im Übrigen könne sie über viele kleinere Dinge berichten, die ihr so von anderen erzählt worden seien. Bei ihr persönlich habe er häufig über ihre Brüste gesprochen. Einmal habe er sie gefragt: "Wie groß werden denn deine Brüste, wenn Du Mal schwanger bist?" Dass der Kläger ihr mal Schnipsel in den Ausschnitt geworfen habe, erinnere sie noch. Das sei für sie aber nicht so prägnant gewesen. Deutlich könne sie sich an Bemerkungen über den Po von Frau So erinnern. Zur allgemeinen Situation in der Abteilung könne sie sagen, dass es grundsätzlich immer Andeutungen und viele zweideutige Sachen gab. Es habe Aussagen zu Äußerlichkeiten wie zur Frisur und zur Kleidung gegeben. In ihrer Anwesenheit habe der Kläger Frau C in den Bauch gekniffen und dann seien wieder so Sachen gekommen wie zugenommen, abgenommen, Gewicht usw. Wenn sie von der Richterbank gefragt werde, ob das Verhalten des Klägers im Fachbereich als normal betrachtet werden könne, müsse sie betonen: Nein, das sei nicht normal. Das sei nur der Kläger gewesen, der sich so geäußert habe. Natürlich sei mal ein Gegenspruch gekommen. Man habe nicht alles geschluckt und hingenommen, aber grundsätzlich sei es so, dass die belastende Situation vom Kläger ausgegangen sei.

Mit ihren Bekundungen hat die Zeugin alle drei Facetten des Kündigungsgrundes bestätigt. Sie selbst ist es gewesen, der der Kläger Papierschnipsel in den Ausschnitt geworfen hatte; sie hat von einer Vielzahl an belästigenden Bemerkungen berichtet, das Wort "Fotze" ist zitiert worden, und sie hat davon berichtet, dass es der Kläger gewesen ist, der die allgemein unangenehm sexualisierte Stimmung im Fachbereich erzeugt hat. Auch die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei von den Betroffenen darauf hingewiesen worden, das die Art der Kommunikation nicht gewünscht sei, hat die Zeugin bestätigt.

Die Zeugin ist ruhig und konzentriert aufgetreten. Ihre Bekundungen zeichneten sich durch eine besondere Ausgewogenheit aus. Ihr eine Belastungstendenz zu unterstellen vertrüge sich nicht mit ihrer Darlegung, sie habe es selbst als gar nicht so schlimm empfunden, als der Kläger ihr Papierschnipsel in den Ausschnitt geworfen habe. Ihre Bekundungen waren daher glaubhaft.

(6.) Als sechste Zeugin ist sodann Frau C G vernommen worden, dies - dem Beweisbeschluss folgend - insbesondere zur Behauptung der Beklagten, die protokollierten Erklärungen der Zeuginnen stimmten mit den tatsächlichen Erklärungen der Zeuginnen in den Gesprächen überein. Zusammengefasst hat die Zeugin das folgende bekundet:

Sie könne sich an die psychische Gefährdungsanalyse recht genau erinnern. Es habe sich damals um eine anonymisierte Befragung gehandelt. Die Befragung sei anhand von Fragebögen abgelaufen. Es sei ein externer Sicherheitsingenieur, Herr R , gewesen, der die Fragebögen ausgewertet habe. Da sei es um die Beantwortung standardisierter Fragen gegangen aber auch um Freitexteingaben. Herr R habe die Auswertung so aufbereitet, dass es dort einen Bereich zum Verhältnis zu den Vorgesetzten gegeben habe und dort, daran könne sie sich genau erinnern, habe sich dieser Satz "Sexismus ist Standard" gefunden. Schon bei der Vorlage der anonymisierten Fragebögen sei klar gewesen, dass es sich hier um einen Vorgesetzten in der Abteilung Soziales handele und es habe daher nahegelegen, dass es sich bei diesem Vorgesetzten um den Kläger handeln müsse. Ausdrücklich auf den Kläger fokussiert habe sich die Betrachtung aber im Rahmen der geführten Personalgespräche. Wenn in den Protokollen unter dem Thema ausdrücklich der Name des Klägers stehe, dann sei dieser erst nach den Befragungen in das Protokoll eingeführt worden. Die ursprüngliche Frage sei vollkommen offen gewesen und habe mit dem Kläger allenfalls funktionsmäßig etwas zu tun gehabt.

Alle Gespräche seien mit der gleichen offenen Frage eingeleitet worden. Es sei auch so, dass Frau S und sie in jedem Gespräch ausdrücklich noch nach Herrn Wa gefragt hätten. Es habe sich nicht um Interviews gehandelt, sondern um ein Dreiergespräch mit Frau S , ihr und der jeweiligen Kollegin. Nach dem Gespräch und nach Erstellung des Protokolls habe sie das Protokoll immer noch einmal vorgelesen und da könne sie gleich sagen, das sei eine ganz andere Hausnummer, wenn die Leute das nochmal hörten. Tatsächlich seien dann einige Protokolle abgeändert worden. Frau C und Frau B hätten hier nach ihrer Erinnerung um abschwächende Änderungen gebeten. Am Ende habe sie die Protokolle ausgedruckt und so sei es dann auch nochmal vorgelesen worden. Wenn in einem Gesprächsprotokoll das Wort "sinngemäß" stehe, dann sei das nicht ein Hinweis auf eine Interpretation durch sie, dann sei es vielmehr so, dass die Kollegin sich nicht genau habe erinnern können und im Gespräch von "sinngemäß" gesprochen habe.

Die Bekundungen der Zeugin bestätigen, dass die Gesprächsprotokolle der Wahrheit entsprechen, dass die Beschäftigten in den Gesprächen also tatsächlich das gesagt haben, was anschließend protokolliert wurde. Wenn es zu nachträglichen Änderungen gekommen ist, so waren dies Abschwächungen in den Formulierungen, also Änderungen zu Gunsten des Klägers. Hier stimmten die Bekundungen der Zeugin mit den Bekundungen der Zeugin S überein.

Die Zeugin hat auf die erkennende Kammer einen besonders glaubwürdigen Eindruck gemacht. Sie hat aus einem objektivierten Horizont berichtet. Sie ist selbst von den Übergriffigkeiten nicht betroffen gewesen. Daher sind ihre Bekundungen auch besonders glaubhaft.

(7.) Als erste Zeugin des zweiten Tages der Einvernahme der betroffenen Beschäftigten ist Frau J F vernommen worden. Sie hat im Rahmen der Vernehmung zusammengefasst das Folgende bekundet:

Sie sei im Jahre 2016 von der Stadt K zur Stadt N gewechselt. Es sei eine Stelle für Asyl gewesen, auf die sie sich beworben habe. Es habe sich dann aber herausgestellt, dass auch Sozialrecht zu ihren Aufgaben gehören sollten. Eigentlich komme sie aus dem mittleren Dienst und es habe sich herausgestellt, dass die Stelle eine Stelle für den gehobenen Dienst gewesen sei. Sie sei ungefähr gleichzeitig mit Frau S gekommen. Es sei ja klar: Aus dem mittleren Dienst auf einer Stelle des gehobenen Dienstes sei etwas Besonderes. So habe der Kläger dann zunächst mit einigem Recht gesagt: "Sie sind ja gar nicht qualifiziert". Sie sei dann von Frau K und Frau B eingearbeitet worden. Im Laufe der Zeit sei die Situation schwierig geworden. Insbesondere sei auf Frau S herumgehackt worden. Ihr sei deutlich gemacht worden, dass sie noch weniger qualifiziert sei als sie. Der Kläger habe dann auch mehrfach gesagt, dass die Einstellung von Frau S und ihre eigene Einstellung Fehlentscheidungen der Personalchefs gewesen seien. Es seien Sätze gefallen wie: "Ich muss das immer ausbaden." Der Kläger habe Frau S sehr zugesetzt. Sie beide seien neu gewesen und sie seien auf Hilfe angewiesen gewesen. Der Kläger habe sie aber manchmal bei Fragen einfach zurückgeschickt und keine Auskunft gegeben. Das habe er wohl extra gemacht. Er habe Frau K wohl sehr attraktiv gefunden und so habe er zwischendurch mal gesagt: "Die hat aber einen Knackarsch". Es sei dann das persönliche Verhältnis zwischen dem Kläger, Frau K und Frau S immer schwieriger geworden. Sie könne sich an eine Situation recht genau erinnern, da seien der Kläger, Frau S und sie selbst anwesend gewesen. Da sei es um den neuen Freund von Frau S gegangen. Die Situation habe sich irgendwie zugespitzt. Mit gezielten Fragen sei Frau S irgendwie in die Ecke gedrängt worden. Jedenfalls habe das Ganze damit sein Ende gefunden, dass Frau S weinend das Büro verlassen habe. Der Kläger habe irgendwie ein Talent, sich gut und geschickt auszudrücken und mit Worten umzugehen und wie man was aus jemanden rauskitzeln könne. Er könne das so gut, dass man sich genötigt sehe, ihm dann zuzustimmen, wenn er Dinge sage wie: "War doch gar nicht so schlimm". Weitere Tage nach diesem Vorfall sei immer wieder über diese Sache gesprochen worden. Der Kläger habe auch deutlich gemacht, dass es auf ihn ankomme. Wenn er es also wolle, dann bekomme er jemanden aus dem Fachbereich raus. Er habe gesagt, er könne die Fäden ziehen und einen Weggang veranlassen. Das sei ja dann auch bei Frau S so gewesen. Als Frau S den Fachbereich verlassen habe, habe der Kläger danach kundgetan, dass der Wechsel von Frau S auf seinem Mist gewachsen sei, dass er ihn also irgendwie veranlasst habe.

An eine Situation könne sie sich genau erinnern. Da habe der Kläger gesagt, Frau S habe einen Entenarsch. Bei der Situation sei der Kläger, sie selbst und Frau S , also die Betroffene selbst, dabei gewesen. Es habe da noch eine Situation mit Frau B gegeben. Frau B habe am Schreibtisch gesessen, der Kläger ihr gegenüber und außerdem seien noch sie selbst und Frau Ce anwesend gewesen. Mitten im Gespräch habe der Kläger Frau B Papierschnipsel in den Ausschnitt geworfen. Frau B sei das richtig unangenehm gewesen. Wenn sie gefragt werde, was dann passiert sei, könne sie nur sagen, dass sie dann in die Büros gegangen seien oder eine rauchen. Sie wisse das nicht mehr so genau. Sie könne sich nur noch an diese Kernsituation erinnern, wie der Kläger mit einem Grinsen diese Schnipsel in den Ausschnitt geworfen habe. Später habe es dann noch eine Situation gegeben, wo der Kläger gesagt habe, dass Frau Ce aber eine super Figur habe dafür, dass sie vier Kinder habe. Das sei jetzt schwer auszudrücken; das sei nicht so mit Respekt, sondern irgendwie anders gewesen. Man könne das ja unterschiedlich sagen, sie habe hier aber das Gefühl, dass das so etwas Unterschwelliges gehabt habe, irgendwie mit sexuellen Gedanken im Hintergrund. Genauer könne sie das jetzt nicht sagen. Außerdem sei es so gewesen, dass der Kläger immer gemerkt habe, wenn irgendwie neuer Schmuck oder neue Anziehsachen im Spiel gewesen seien. Das habe er immer sofort gemerkt und sofort angesprochen. Es habe in der Vergangenheit vor Frau K und Frau B noch eine Frau Sch gegeben. Die habe er auch rausgeekelt. Das habe er seinen Beschäftigten gegenüber selbst so vermittelt. Er habe allen das Gefühl vermittelt, er sei unantastbar. Er habe z.B. die Geschichte erzählt, dass er mal einer Kollegin die Haare abgeschnitten habe so irgendwie von hinten am Arbeitsplatz und dann habe er erzählt, dass ihm da auch nichts passiert sei. Und damit, dass ihm nichts passiert sei, habe er sich dann auch ihr und ihren Kolleginnen gegenüber gebrüstet. Sie selbst sei dann auch ein bisschen davon ausgegangen, dass er unantastbar gewesen sei. Häufig habe er gegenüber ihr und ihren Kolleginnen deutlich gemacht, dass er mit Entscheidungen aus dem Rathaus nicht einverstanden sei. Er sei es dann, der aufgrund seiner fachlichen und beruflichen Überlegenheit seinen Willen durchsetzen könne; und dass er es dann gewesen sei, der diese Entscheidung in irgendeiner Weise beeinflusst habe. Auch daraus sei für sie und ihre Kolleginnen der Eindruck entstanden, dass er innerhalb dieser Organisation unantastbar gewesen sei. Er habe den Eindruck vermittelt, er könne sich alles erlauben. An einen Spruch von ihm in dieser Richtung könne sie sich nicht erinnern, das sei jetzt total schwierig das auszudrücken. Man sei halt so abgeschottet in diesem einen Gebäude und es sei nur er gewesen, der ins Rathaus gegangen sei und er habe einfach dieses Gefühl vermittelt. Er habe gute Kontakte über einen Kegelverein, so habe er es jedenfalls gesagt. Man müsse ja sehen, das sei eine kleine Kommune und da kenne auch irgendwie jeder jeden.

Soweit in ihrem Gesprächsprotokoll vermerkt sei, dass sie die Abteilung wechseln wolle, habe das eher einen fachlichen Hintergrund. Es sei ja einfach so, dass sie nicht zu denen gehört habe, die so unmittelbar belästigt worden seien. Eine Situation falle ihr noch ein, das sei nach der Geburt ihres ersten Sohnes gewesen. Da habe sie die Kollegen besucht gehabt und da sei der Kläger mit Frau Be rauchen gegangen und da sei er an ihr vorbeigegangen und während des Vorbeigehens habe er gesagt: "Sie haben aber nicht viel abgenommen". Das sei ihr irgendwie sehr unangenehm gewesen.

Auch die Bekundungen der Zeugin F bestätigen alle drei Facetten des Kündigungsgrundes bestätigt: die manipulative Machtausübung durch den einzigen Vorgesetzter im Verwaltungsgebäude vor Ort, die wiederholten sexuellen Belästigungen; die Schaffung einer Gesamtsituation im Fachbereich, die von sexualisierter Übergriffigkeit geprägt ist; die Vermittlung des Eindrucks, "man könne ihm nichts".

Die Zeugin F hat flüssig und im Zusammenhang berichtet. Sie hat sehr differenziert dargestellt, an welche Situationen sie sich genau habe erinnern können und welche Einzelheiten ihr nicht mehr geläufig seien. Das von ihr beschriebene Kerngeschehen stimmt in weiten Teilen mit den Bekundungen der anderen Zeuginnen überein, insbesondere mit den Bekundungen der Zeugin S (Szene rund um den neuen Freund der Zeugin) und den Bekundungen der Zeugin B (Papierschnipsel in den Ausschnitt). Diese Übereinstimmung in den Berichten über die jeweiligen Kerngeschehen aus so unterschiedlichen Blickwinkeln und so unterschiedlichen Betroffenheiten sind starke Realkennzeichen für die Annahme, dass die Erzählung erlebnisbasiert ist. Die Bekundungen der Zeugin F waren mithin für die erkennende Kammer glaubhaft, insbesondere im Zusammenspiel mit den allgemeinen Realkennzeichen (s.o.).

(8.) Als weitere Zeugin ist Frau I Gu vernommen worden. Zusammengefasst hat die Zeugin das Folgende bekundet:

Sie sei seit dem Jahr 2017 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Am Anfang sei das alles ganz unkompliziert gewesen und sie habe den Kläger sehr sympathisch gefunden. Aber es habe da so ein, zwei Situationen gegeben, die sie habe vorsichtig werden lassen. Tatsächlich habe sich dann mit der Zeit auch bestätigt, dass sie mit dem Kläger nicht auf der gleichen Wellenlänge unterwegs sei. Tendenziell habe sie sich dann auch aus der Mittagspause immer früher zurückgezogen. Einmal habe der Kläger erzählt, dass er mal einer Kollegin die Haare abgeschnitten habe. Sie sei total überrascht gewesen, wie wenig ihm klar gewesen sei, dass sowas schockierend sei. Er habe das lustig gefunden. Er habe darüber gelacht und sie habe das Gefühl gehabt, er sei stolz auf sich. Das mit dem sympathischen Einstieg könne sie vertiefend so erläutern, dass er das ganz gut könne: Er könne sehr gut nachfragen und er könne sehr gut zuhören. Sie habe das dann häufig gesehen, wie er bei Kolleginnen im Büro gestanden und sich mit denen unterhalten habe und wenig später in einem anderen Büro gewesen sei und dort das, was er gerade erfahren habe, weitererzählt habe. Bei ihr sei das Gefühl entstanden, dass der Kläger tatsächlich vorgehabt habe, die Leute gegeneinander auszuspielen. Er habe die Informationen von der einen bekommen und sei dann ins andere Büro gegangen und habe dort so getan, als habe er die Information irgendwoher bekommen und er habe dann diese Information leicht abgewandelt. Sie habe das Gefühl, dass er Spaß dabeigehabt habe. Irgendwie sei immer Gift gesprüht worden. Einzelheiten könne sie aber jetzt nicht mehr sagen. Das sei jetzt wirklich lange her. Sie habe sich im Vorfeld dieser Beweisaufnahme Gedanken dazu gemacht, ob ihr da irgendwas Konkretes einfalle, und sie sei da jetzt eher vorsichtig, weil sie nichts Falsches sagen wolle. Im Sachgebiet sei der Kläger zweifellos sehr gut qualifiziert. Er kenne sich da auch mit Paragraphen aus, ohne sie nachlesen zu müssen. Das sei irgendwie sehr beeindruckend. Aber seine Funktion als Vorgesetzter habe er überhaupt nicht wahrgenommen. Wenn sie im Rahmen der Beweisaufnahme auf die Sprüche über Busen angesprochen werde, über die in ihrem Gesprächsprotokoll berichtet würden, wolle sie konkretisieren, dass sie selbst das nicht erlebt habe, ihr das aber von einer Kollegin erzählt worden sei. Eine Sache falle ihr noch ein. Die habe etwas mit Kleidung zu tun, und zwar sei das im Sommer gewesen: Wenn man ein Kleid angehabt habe, dann sei man deutlich gemustert worden. Wenn man mit so einem Kleid erschienen sei, dann sei man einmal komplett von oben bis unten gemustert worden. Natürlich schaue man, wenn eine Kollegin an einem vorbeigehe, was hat sie für Schuhe an usw. Aber dieses gucken sei für sie sehr unangenehm gewesen. Aus verschiedenen Situationen und Berichten könne sie zusammenfassend sagen, dass der Kläger ganz bös gegen Frau So gestichelt habe und irgendwie versucht habe, Frau C zu beeinflussen.

Mit ihren Bekundungen hat die Zeugin die manipulative Übergriffigkeit im Verhalten des Klägers und die zahlreichen sexuellen Belästigungen bestätigt.

Die Zeugin hat auf die erkennende Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Ganz offen und sehr natürlich hat sie deutlich gemacht, wie sie den Kläger zunächst als sympathisch empfunden habe, dann aber aufgrund einiger Vorkommnisse vorsichtig geworden sei. Die Bekundungen der Zeugin sind der erkennenden Kammer besonders deshalb so glaubhaft erschienen, weil die Zeugin sehr genau deutlich gemacht hat, welche Erinnerung ihr besonders präsent und damit sicher und welche Einzelheiten ihr nicht mehr geläufig gewesen sind. Auch kann sich die Annahme der Glaubhaftigkeit der Bekundungen insgesamt auf das starke Realkennzeichen stützen, dass der Kern des Berichts der Zeugin dem Kern der Berichte der anderen Zeuginnen entspricht, ohne dass die gleichen Schwerpunkte gesetzt oder gar die gleichen Worte verwendet worden wären.

(9.) Als weitere Zeugin ist Frau A H vernommen worden. Sie hat sich zusammengefasst wir folgt geäußert:

Sie sei seit 2016 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Als sie gekommen sei, habe es keinen Leiter des Fachbereichs gegeben, sondern nur einen stellvertretenden Leiter, nämlich den Kläger. Sie sei als Flüchtlingskoordinatorin eingestellt worden. Diese Tätigkeit sei nur wenig definiert gewesen. Ihre erste Erinnerung an den Kläger sei dessen Äußerung: "Ihr Thema interessiert mich nicht". Das habe sie doch sehr überrascht. Persönliche Angriffe auf sie selbst habe es selten gegeben. Sie könne sich aber an zwei Situationen erinnern, die sie zwar nicht wirklich als verletzend empfunden habe, die man aber durchaus als sexualisiertes Verhalten bezeichnen könne. Das sei eine lapidare Mitteilung zwischen Tür und Angel gewesen. "Sie haben da was Weißes im Gesicht." Sie sei dann etwas panisch zur Toilette gelaufen und habe im Spiegel gesucht, was denn da sei. Sie habe gedacht, das sei irgendwie ein Joghurtrest oder so. Dann sei ihr klargeworden, dass der Kläger wohl ihren etwas glitzernden Lippenstift gemeint habe. Ebenfalls zwischen Tür und Angel sei mal passiert, dass sie vom Kläger von oben bis unten gemustert worden sei und er in der Mitte aufhört habe und sie daraufhin gefragt habe: "Haben Sie abgenommen?". Sie könne für sich sagen, dass sie nicht so der Opfertyp sei. Also greife sie das alles nicht an. Damals sei sie noch nicht Gleichstellungsbeauftragte gewesen, also in dem Thema noch nicht wirklich drin. Insgesamt habe die Problematik aber irgendwie im System gesteckt. Sie könne sich an eine Situation erinnern, wo sie mit einer Kollegin einen Schreibtisch habe tragen müssen. Sie habe gewusst, dass da jetzt ein Spruch komme. Und tatsächlich kam dann auch ein Spruch und irgendwie sei sie darauf vorbereitet gewesen und habe dann sehr deutlich zum Kläger gesagt: "Halten Sie die Klappe Herr Kn oder packen Sie mit an!". Irgendwie habe sie das Gefühl gehabt, dass seitdem das Verhältnis zwischen ihr und dem Kläger auf eine gewisse Weise geklärt gewesen sei. Relativ früh und relativ schnell seien Kolleginnen zu ihr gekommen und hätten ihr Dinge erzählt, insbesondere Verunsicherungen. Das habe ihr am Anfang durchaus geschmeichelt. Das sei ja nett, wenn Kolleginnen zu ihr kämen, aber es habe sie auch ganz schön von der Arbeit abgehalten. Unter anderem sei ihr gesagt worden - und das habe sie auch am Anfang sehr gewundert - "Wenn ich was Rotes trage, sagt er gleich wieder, dass ich meine Tage habe. Ich trage also nichts Rotes." oder es sei irgendwie insgesamt um Anziehsachen gegangen, die von den Kolleginnen speziell im Hinblick auf mögliche Bemerkungen des Klägers ausgewählt worden seien. Eigentlich sei das nicht ihr Thema gewesen und eigentlich sei sie auch damit von der Arbeit abgehalten worden.

Sie habe sich insgesamt die Situation angesehen und sie könne nur sagen, sie kenne das aus ihrem Berufsleben. Viele Männer seien so und viele Frauen seien auch so. Sie erinnere sich an viele Situationen, wo Kolleginnen gesagt hätten, "da muss man doch wohl was machen" und "da muss sich doch was ändern". Hierzu müsse sie aus heutiger Perspektive schon sagen: Es habe damals zwar eine Gleichstellungsbeauftragte gegeben, aber so etwas wie Schulungen, Informationsveranstaltungen, Coaching usw. habe es damals nicht gegeben. Das seien alles Dinge, die sie habe einführen müssen. So gebe es auch bis heute keine AGG-Beschwerdestelle und auch die im Landesgleichstellungsgesetz vorgesehene Schulung zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz habe es vorher nicht gegeben. Das sei schon seltsam. Es sei insgesamt der anstrengendste Job ihres Lebens gewesen, weil da so viel zusammengelaufen sei. Schließlich sei dann ein Vorgesetzter gekommen. Das sei Herr Wa gewesen und mit dem habe sie das Gespräch gesucht. Sie habe ihm dann aufgezeigt, was im Fachbereich alles schieflaufe und sie habe ihm gesagt, dass es nun an ihm sei, hier aktiv zu werden. Als Antwort habe sie sinngemäß bekommen: "Frau H , das sehe ich anders. Ich kann mich auf ein bisschen Selbständigkeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen". Sie sei sich sicher, so sei der O-Ton gewesen.

Konkret zum Beweisthema könne sie nicht sagen, dass sie persönlich unter den Sexualisierungen gelitten habe und sie gehe davon aus, dass es vielleicht hilfreich gewesen wäre, wenn hier jemand mal gesagt hätte, "so Jung, lass das mal alles".

Wenn sie ihre bisherige Aussage in der Beweisaufnahme im diktierten Protokoll des Vorsitzenden der Kammer höre, müsse sie da noch ein bisschen korrigieren. Das betreffe insbesondere den Bereich, wo sie gesagt habe, sie habe selbst nicht gelitten. Ihr Ego habe da immer gesagt, "ich bin stark, das ist für mich kein Leid", aber tatsächlich habe sie das natürlich wahrgenommen und schmerzhaft wahrgenommen, das sei auch der Grund, warum sie sich heute noch erinnere. Z.B. diese Sache mit dem Weißen im Gesicht, da habe sie nicht in dem Sinne "gelitten", aber es habe sie doch sehr berührt.

Wenn sie nach sexualisierten Übergriffigkeiten gefragt werde, könne sie keine Einzelheiten berichten. Das liege aber daran, dass das irgendwie Standard gewesen sei. Ganz viel sei bei ihr "da rein, da raus" gegangen. Da seien zunächst persönlich Bemerkungen, die man jetzt nicht als sexualisierende Übergriffigkeiten definieren könne und dann im nächsten Satz vielleicht doch wieder irgendwas Persönliches. Insgesamt sei die Situation so gewesen (die Zeugin überlegt lange und sucht nach Worten) ... Das sei der generelle Habitus gewesen. Der generelle Habitus sei die generelle Haltung, nach unten Treten zu dürfen, weil man eine Machtposition habe. Und dann sei es in diesem Zusammenhang auch erstmal egal, ob das sexualisiert geschehe oder persönlich oder fachlich. Um diese Haltung gehe es ihr ganz besonders, die ihr da in Erinnerung geblieben sei.

Mit den Ermittlungen im vorliegenden Verfahren sei sie auch in einem gewissen Ausmaß befasst gewesen. Sie habe seit Mai 2021 die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten. Damals habe sie, aus der Elternzeit kommend, erst einmal mit einer ganz extrem geringen Stundenzahl angefangen. Herr Bo habe ihr in der Zeit nach der hier streitgegenständlichen Kündigung irgendwann gesagt: "Machen Sie mal, Sie sind doch Gleichstellungsbeauftragte." Sie habe nicht so recht gewusst, wie sie sich da jetzt einbringen solle. Sie habe versucht, Hilfsangebote zu koordinieren auch externe Hilfsangebote. Dann habe sich die Frage gestellt, ob die Betroffenen das überhaupt wollten. Irgendwie sei sie dann auch mit den verschiedenen Rollen verunsichert gewesen, auf der einen Seite Gleichstellungsbeauftragte, dann aber auch Betroffene und Zeugin usw. Das sei ein bisschen kompliziert gewesen. Sie sei ja im Grunde nur in einer Vermittlungsposition gewesen. Sie sei ja nicht diejenige die berät, sondern sie vermittle nur Beratungsmöglichkeiten. Sie habe in ihrer Funktion versucht, Hilfsangebote zu koordinieren und nach ihrer Kenntnis seien hier auch einige Hilfsangebote angenommen worden.

Wenn sie gefragt werde, ob denn von einer speziellen Gesamtsituation in dem Fachbereich ausgegangen werden könne oder ob Herr Kn die Quelle der hier beschriebenen Probleme gewesen sei, müsse sie sagen: "Er war die Quelle". Sicherlich sei mit einer deutlichen Ansage eine Änderung der Situation denkbar gewesen. Wir seien ja alle sozialisiert in einer Gesellschaft, in der gelte: "Ein Mann kommt in einen Raum und ist kompetent; es kommt eine Frau in den Raum und die ist inkompetent." Das sei die Struktur die man vorfinde. Sie sei einmal zu Herrn Wa gegangen. Sie habe ihm gesagt, er möge ein bisschen genauer hinsehen. In diesem Gespräch sei es nicht speziell um den Kläger gegangen, sondern insgesamt um Schnittstellen und Ablaufprobleme und Organisationsprobleme und da habe sie aber kein befriedigendes Feedback bekommen. Vielmehr sei da nicht viel passiert ist. Wenn sie nun gefragt werde, ob sie gerade bekundet hätte, dass die Frauen selbst schuld seien, dann müsse sie das richtigstellen, wenn das so angekommen sei. Es sei nur strukturell so, dass in dem Augenblick, wo Verantwortliche sagen "Wie kann denn so etwas passieren" die denkbare Antwort sei: "Weil die Opfer dran schuld sind." Das sei eine strukturelle Frage, hat aber mit dem vorliegenden Fall im Konkreten nichts zu tun. Systemisch habe sich in der Zwischenzeit leider nichts geändert. Sie bemühe sich zwar redlich, aber z.B. die Beschwerdestelle gebe es immer noch nicht und so etwas wie hier könne jederzeit wieder passieren.

Konkret könne sie zum Beweisthema noch etwas zu den "roten Anziehsachen" beitragen. Diese roten Anziehsachen im Zusammenhang mit "den Tagen" sei ein running gag gewesen. Es sei dann sogar schon so weit gekommen, dass, wenn jemand was Rotes angehabt habe, die anderen von sich aus gesagt hätten: "Hast Du deine Tage?". Das sei eine Art Solidarisierung gegen einen übermächtigen Gegner gewesen. Dabei lege sie Wert auf die Verdeutlichung, dass das mit dem "übermächtigen Gegner" eher systemisch gemeint sei, das System. Sie habe damit noch nicht gesagt, dass das der Kläger sei.

Die Bekundungen der Zeugin H bestätigen, dass es im Fachbereich eine zu bekämpfende oder zumindest eine zu bearbeitende Gesamtsituation männlicher Einflussnahme gegeben hat. Sie bestätigen sexuelle Belästigungen (z.B. dass rote Anziehsachen in den Zusammenhang mit der Menstruation gebracht werden). Von konkrete Äußerungen hat die Zeugin nicht berichtet, dazu aber gesagt "das liegt aber daran, dass das irgendwie Standard gewesen ist." Körperliche Übergriffigkeiten waren nicht Gegenstand ihrer Bekundungen.

Die Bekundungen der Zeugin H sind etwas Besonderes. Sie haben sich von den Bekundungen der anderen Zeuginnen durch die Perspektive, aus der die Zeugin berichtet, unterschieden. Sie hat sich als eine Kollegin erklärt und gerechtfertigt (oder hat gemeint, sich rechtfertigen zu müssen), die um Hilfe gebeten worden sei. Sie hat aus der aktuellen Funktion als Gleichstellungsbeauftragte berichtet. Sie hat deutlich gemacht, wie sehr es ihr um den Kern ihrer professionellen Aufgabe, nämlich um den Kampf gegen die systemisch vorgefundenen Missstände im Angesicht geschlechtsbedingte Benachteiligung geht. Aus dieser Perspektive ist auch nachvollziehbar, wie unzufrieden und teilweise auch ungeduldig sie mit der Verwirklichung des Ziels ihrer Aufgabe gehadert hat. Sie hat sich mit ihren Bekundungen vor allem auf die Versäumnisse der Beklagten in ihren Strukturen konzentriert. So ist ihre Feststellung "Er war die Quelle" beinahe beiläufig gekommen. Diese besondere Perspektive gibt der gesamten Beweisaufnahme im Gesamtbild der zehn Zeuginnen ein ganz besonderes Gewicht. In der Wahrnehmung der erkennenden Kammer verklammern die Bekundungen der Zeugin die Bekundungen der anderen Kolleginnen geradezu und sie stellen sich als eigene Realkennzeichen für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der anderen Zeuginnen dar.

(10.) Als zehnte Zeugin ist sodann Frau A Be vernommen worden. Sie hat zusammengefasst das Folgende bekundet:

Im Jahre 2001 habe sie bei der Stadt N angefangen. Dort sei sie insbesondere mit Wohngeldfragen befasst gewesen. Schon zu jener Zeit habe sie den Kläger kennengelernt. Im Jahre 2011 sei sie dann zur Abteilung Sozialhilfe gewechselt. Dort sei sie vom Kläger eingearbeitet worden. Seitdem könne sie mit jeder Frage zum Kläger kommen. Er habe ihr immer helfen können.

Irgendwelche sexuellen Belästigungen hätten nicht stattgefunden. Wenn sie vom Gericht gefragt werde, ob sie denn nichts mitbekommen habe von den Dingen, die andere Kolleginnen hier erzählt hätten, sei das tatsächlich so: Sie habe nichts mitbekommen. In der Zeit nach der hier streitgegenständlichen Kündigung seien dann Leute zu ihr gekommen und hätten gesagt, dies gehe nicht und das gehe auch nicht. Da sei es um irgendwelche Bemerkungen gegangen.

Bei dem Gespräch, das sie mit Frau G und Frau S geführt habe, und das hier protokolliert worden sei, sei es ausdrücklich um die Frage "sexuelle Belästigung" gegangen und da sei auch ausdrücklich der Name des Klägers gefallen. Es sei also ganz gezielt nach sexuellen Belästigungen durch den Kläger gefragt worden und dann habe sie diese Sachen zu Protokoll gegeben, die sie jetzt in der Beweisaufnahme aber nochmal ein wenig konkretisieren müsse. Sie habe durchaus gesehen, wie der Kläger Frau C gekniffen habe. Das sei aber in einem freundschaftlichen Verhältnis geschehen. Man sei damals häufiger rauchen gewesen und da werde dann schon mal privat miteinander gesprochen.

Sie sei im Januar/Februar 2016 in Elternzeit gegangen und im Jahre 2017 wieder aus der Elternzeit zurückgekommen.

Sie habe überhaupt nicht den Eindruck, dass es hier zu sexuellen Übergriffen gekommen sei. Ehrlich gesagt sei sie ein wenig schockiert über die Vorwürfe gewesen. Sie sitze in einem Einzelbüro. Aber da komme sie natürlich raus. Wenn sie, wie im Gesprächsprotokoll festgehalten, von einer "flapsigen" Art gesprochen habe, dann habe sie damit gemeint, dass der Kläger auch mal ironisch sein könne. Sie selber habe sich aber nie belästigt gefühlt.

Es habe sie sehr gewundert, dass Frau S dieses Gespräch geführt habe, denn Frau S sei ja selbst betroffen gewesen.

Insgesamt sei die Stimmung gut, freundschaftlich und kollegial gewesen. Sie könne sich noch daran erinnern, dass sie mit den Kolleginnen bei einem Frühstück beisammengesessen hätten und es darum gegangen sei, ob ein Weihnachtskalender angeschafft werden solle. Frau C habe damals irgendwann als Nebentätigkeit bei Douglas gearbeitet und da gebe es ja so Kalender mit Erotikartikeln. Irgendwie sei aus dem Kreis der Kolleginnen dann der Vorschlag gemacht worden, diesen Kalender für die Arbeit zu kaufen. Wenn sie jetzt genau nachdenke, dann sei das Frau C selbst gewesen. Irgendwie sei das dann aus dem Frühstücksgespräch an Herrn Wa und den Kläger herangetragen worden. Beide hätten dann aber gesagt, dass das keine gute Idee sei. Für sie sei das nur ein Beispiel dafür, dass insgesamt die Stimmung im Fachbereich ganz nett und informell gewesen sei.

In der Abteilung habe insgesamt eine freundschaftliche Stimmung geherrscht. So habe sie es wahrgenommen. Auch nach dem Weggang des Klägers habe sich die Grundstimmung nicht geändert. Wenn sie vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gefragt werde, ob sie sich denn an eine Situation erinnern könne, in der jemand dem Kläger angeboten habe, "die Hose zuzumachen", dann könne sie dazu folgendes erklären: Ja, an diese Situation könne sie sich erinnern. Das sei Frau B gewesen. Die habe im Spaß zum Kläger gesagt: "Wollen Sie sich die Hose zumachen oder soll ich das selbst machen". Sie könne sich nicht mehr genau erinnern, wo im Büro sie damals gestanden habe, aber es sei halt so gewesen, dass der Kläger in seinem Büro gesessen habe und die Hose offen gehabt habe. Frau B habe im Nachbarbüro gesessen und irgendwie habe Frau B das gesehen und dann sei diese Bemerkung gefallen. Ob davor irgendwas gesagt worden sei, könne sie nicht mehr sagen. Für sie sei das nur ein Zeichen dafür, wie insgesamt informell die Stimmung vor Ort gewesen sei.

Die Bekundungen von Frau Be sind für das Beweisthema weitgehend unergiebig mit der einen Ausnahme, dass sie das Kneifen in die Seite der Zeugin C bestätigt hat. Im Übrigen hat sie die von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründe nicht ausdrücklich bestätigt. Ihre Erinnerungslücken sind auffällig und die Bekundungen widersprüchlich. So hat sie "Irgendwelche sexuellen Belästigungen haben nicht stattgefunden" bekundet; wenig später hat sie dann aber konstatiert "Frau S war ja selbst betroffen". Es kann dahinstehen, ob die Erinnerungslücken nur vorgespiegelt worden sind. Jedenfalls hat sich im Rahmen der Vernehmung herausgestellt, dass die Zeugin zum Beweisthema schon deshalb nur wenig beitragen konnte, weil sie in einer für das Beweisthema hoch relevanten Zeit, nämlich im Jahre 2016, wegen ihrer Elternzeit gar nicht in der Dienststelle gewesen ist. Gerade von diesem Jahr hatten die anderen Zeuginnen berichtet, dass in jener Zeit das ursprünglich unkomplizierte und kollegiale Verhältnis sein Ende gefunden habe und dass das Verhalten des Klägers in der beschriebenen Art unangenehm geworden sei.

Mit Interesse hat die erkennende Kammer die vom Klägervertreter selbst angesprochene Situation mit der offenen Hose zur Kenntnis genommen. Hier hat sich die Zeugin an einen konkreten Satz im Wortlaut erinnert: "Wollen Sie sich die Hose zumachen oder soll ich das selbst machen". Zu den Geschehnissen vor und nach diesem so deutlich erinnerten Satz hat sie aber gemeint, sich nicht erinnern zu können. Die Zeugin, und mit seiner anregenden Frage wohl auch der Klägervertreter, hat mit diesem Zitat offensichtlich deutlich machen wollen, dass sich nicht nur der Kläger anzüglich geäußert habe. Wenn das aber so war, so bringt dies den Fall seiner Lösung nicht näher. Die beschriebene Bemerkung erfolgte in der Hierarchie "von unten nach oben" und nicht in umgekehrter Richtung. Es ist hier aber gerade der sexualisierte Missbrauch der hierarchischen Stellung des Klägers, um die es geht. Außerdem ist die erzählte Geschichte in sich nicht vollständig. Der zitierte Satz zeugt von einer gewissen Ungeduld der Sprechenden. Es wäre damit hilfreich gewesen zu wissen, was vorher geschehen ist, ob die Zeugin B den Kläger also möglicherweise schon vorher mit anderen Worten auf den Fehler in seiner Kleiderordnung hingewiesen hatte. Trotz aller deshalb begründeter Zweifel geht die Kammer schon wegen der beschriebenen Irrelevanz einer solchen Bemerkung "von unten nach oben" zu Gunsten des Klägers von der Richtigkeit der Bekundung aus, dass also tatsächlich der Satz von Frau B gesprochen worden ist und dass die Zeugin Be tatsächlich nicht mehr weiß, was vorher geschehen war. Zurück bleibt das Bild des Klägers, der mit offener Hose in seinem Büro sitzt.

(11.) Am zweiten Tag der Beweisaufnahme ist schließlich noch einmal die Zeugin G zum Hergang der Gespräche im Rathaus befragt worden. Zusammengefasst hat sie das Folgende bekundet:

Frau S und sie seien bei allen Gesprächen gemeinsam anwesend gewesen. Eine Ausnahme sei das Gespräch mit Frau Be gewesen. Telefonisch seien die Gespräche mit Frau H und Frau Gu geführt worden. Die Telefonate seien mit Frau S zusammengeführt worden. Zu Frau H könne sie sagen, dass das Protokoll eine Kombination aus Gespräch und schriftlicher Stellungnahme sei. Man habe telefoniert und Frau H habe darum gebeten, am Abend in Ruhe dazu etwas schreiben zu dürfen. Sie habe dann eine E-Mail mit dem Inhalt des bis dahin geführten Gesprächs an Frau H gesendet und Frau H habe dann diese E-Mail ergänzt und zurückgesandt.

Die Bekundungen der Zeugin G bestätigen damit insgesamt, dass die Protokolle die Erklärungen der Zeuginnen in den Gesprächen wiedergegeben haben. Sie bestätigen insbesondere, dass in den Protokollen keine überschießenden Zitate zu finden sind, die so von den Mitarbeiterinnen gar nicht geäußert wurden. Im Gegenteil ergibt sich aus den Darlegungen der Zeugin, dass teilweise zunächst protokollierte Erklärungen zu Gunsten des Klägers und auf Wunsch der jeweiligen Gesprächspartnerin nachträglich abgeschwächt wurden. Die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen ergibt sich auch und vor allem aus den Übereinstimmungen mit den Bekundungen der Zeugin S .

(12.) Nach Vernehmung dieser insgesamt zehn Zeuginnen ist dem Kläger die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Zuvor ist er auf die Tatsache hingewiesen worden, dass die Kammer die Beweisaufnahme als ergiebig erachte und dafürhalte, dass die vernommenen Zeuginnen glaubwürdig seien und ihre Bekundungen glaubhaft. Der Kläger hat sodann das Folgende erklärt:

Er sei sehr überrascht über die Masse der Vorwürfe. Diese seien frei erfunden und er könne deshalb eigentlich gar keine Stellungnahme abgeben.

Er gehe jetzt mal auf Frau S ein. Frau S sei nur sieben Monate im Fachbereich gewesen. Er habe nie über ihren Freund geredet. Dieser Freund sei ihm vollkommen unbekannt. Zu dem Gespräch, von dem hier behauptet werde, es habe ein bis zwei Stunden gedauert, könne er etwas sagen. Frau S habe damals gesagt: "Mein Freund nervt, der kann keine zehn Minuten alleine bleiben". Darauf habe er geantwortet: "Wenn man verliebt ist, dann kann man nicht alleine bleiben", dann sei das Gespräch weitergegangen und irgendwann habe er gesagt: "Wenn Sie das nicht verstehen, dann waren sie wohl noch nicht verliebt".

Jetzt müsse er erst einmal lesen, was die Zeuginnen hier gesagt hätten. Er sei jedenfalls insgesamt schockiert über die Zeugenaussagen. Er müsse auch sagen, dass er insgesamt drei Monate krank gewesen sei. Für ihn sei das alles aus heiterem Himmel gekommen. Herr Bo habe ihn damals am Wochenende angerufen und aufgefordert: "Denken Sie mal nach, was Sie falsch gemacht haben". Am Montag sei er dann ins Rathaus gebeten worden und dort sei er dann auf die bekannte Runde getroffen. Dort seien ihm dann ein paar Wortfetzen entgegengeworfen worden. Da habe er dann gleich gesagt, dass alles falsch sei, dass er das alles nicht getan habe. Man dürfe auch nicht vergessen, dass Frau F , Frau So , Frau Ce und Frau S nicht nur einfach Kolleginnen seien, sondern auch sehr gut befreundet. Die hätten sich hier zusammengetan. Die seien so gute Freundinnen, dass sie sich auf den jeweiligen Hochzeiten besuchten und hier nach der Hochzeit von Frau So auch kräftig angefangen hätten zu lästern (über die Musik und über die Tatsache, dass da irgendwie zu wenig Leute vor Ort gewesen seien). Er habe den Ehemann von Frau So insgesamt nur zweimal kurz gesehen, als er sie abgeholt habe, aber ansonsten kenne er ihn überhaupt nicht. Er sei im Übrigen doppelt so alt wie Frau So . Die Frau interessiere ihn gar nicht.

Er sehe sich hier mit Aussagen konfrontiert ... wenn er hier z.B. die Sache mit den roten Klamotten höre, das sei nicht sein Niveau. Er habe sich nicht an den Mittagspausen beteiligt. Er sei überwiegend mit den Kolleginnen per "Sie" gewesen. Das habe auch seine Gründe. So etwas wie: "Nehmen Sie Ihren Schal beiseite!" habe es nicht gegeben.

Er gehe davon aus, dass das Ganze auch von jedem anderen bestritten würde, selbst wenn es so gewesen sei. Das seien ja so grobe Vorwürfe.

Die behaupteten Bemerkungen zu fehlenden Qualifikationen seien so nicht gefallen. Man müsse sich aber schon klarmachen, dass es schwierig sei, wenn jemand aus dem mittleren Dienst auf eine Stelle komme, die für den gehobenen Dienst vorgesehen sei. Das habe er so damals auch gesagt. Er habe nicht gesagt, dass irgendjemand dumm oder unqualifiziert sei. Er habe hier nicht irgendwie ein Standesdünkel, dass er meine, es funktioniere hier nur ab einer Ausbildung zum gehobenen Dienst.

Man habe hier während der Beweisaufnahme von angeblichen Äußerungen von ihm gehört "Popo, Knackarsch, Entenarsch, ..." Das sei er nicht. Das seien nicht Worte, die er benutze. Es sei jetzt halt insgesamt sehr schwer bei der Masse von Vorwürfen, Stellung zu nehmen.

Eine Sache störe ihn hier besonders. Hier stehe im Protokoll von Frau Ce dieser angebliche Satz: "Kommen Sie mal nach der Geburt rein, damit ich sehe, wie groß Ihre Brüste sind (2019)". Das könne alles gar nicht sein, weil die hier Beteiligten 2019 gar nicht vor Ort gewesen seien. Hier sei also ein ganz klarer Fehler und deshalb könne er das nur bestreiten. Ihm sei es auch rätselhaft, wie es sein könne, dass jetzt so viel Zeit vergangen sei und die Stadt immer noch nicht korrigierend eingegriffen habe.

Er halte die Ermittlungen, die hier von der Stadt vorgenommen worden seien, insgesamt für einseitig. Ausgerechnet die emotionalste Zeugin in den letzten beiden Tagen - das sei hier wohl Frau S - sei ausgerechnet diejenige gewesen, die hier die Gespräche mit den Kolleginnen geführt habe. Das finde er sehr bedenklich. Insbesondere störe ihn aber die Tatsache, dass von vorneherein der Name Kn gefallen sei und so habe er auch die Beweisaufnahme verstanden, dass bei der Personalversammlung im Rathaus sofort die Rede davon gewesen sei, dass es um Herrn Kn , also um ihn gehe. Und er wolle nochmal wiederholen, dass er das alles als ein unfaires Verfahren betrachte, z.B. den Ausdruck "me too", den habe ihm das erste Mal Herr W gesagt in der Anhörung und tatsächlich habe er es einmal, glaube er, in der Dienststelle gesagt. Da habe er irgendwie andeutungsweise gemeint, es sei doch komisch, wenn hier Leute mit Vorwürfen um die Ecke kämen, die 30 Jahre alt seien.

Insgesamt verstehe er, dass sein Bestreiten auch als Schutzbehauptung verstanden werden könne. Das möge dann eine Frage der Beweiswürdigung sein. Aber er finde es doch schockierend, dass hier nicht Ross und Reiter genannt worden seien und er habe sich hier mehr Entgegenkommen von einer Behörde und von einer Stadt gewünscht, für die er 35 Jahre ohne weitere Vorwürfe gearbeitet habe. Dabei wolle er noch klarmachen, dass er selbst die Vorwürfe, die hier im Raum stünden, ganz schrecklich finde. Für den Fall, dass die Vorwürfe zuträfen, erwarte er kein Entgegenkommen.

Diese Einlassungen des Klägers ändern nichts an der Überzeugung der erkennenden Kammer, dass die zehn Zeuginnen glaubwürdig sind und dass ihre Bekundungen glaubhaft waren. Vielmehr ist die Kammer überzeugt, dass der Kläger mit dem Bestreiten der ihm gegenüber geäußerten Vorwürfe die Unwahrheit sagt. Das liegt schon daran, dass seine Einlassungen tiefgreifend widersprüchlich sind. So behauptet er zunächst, nie über den Freund von Frau S gesprochen zu haben und zitiert sich dann zwei Sätze später selbst mit den Worten "Wenn man verliebt ist, dann kann man nicht alleine bleiben". Damit ist der Freund von Frau S gemeint gewesen. Sein Prozessbevollmächtigter hatte für ihn geltend gemacht, die Vorwürfe seien zu unbestimmt, um auf sie eingehen zu können. Dabei hat sich der Kläger selbst beispielsweise recht konkret an das Gespräch mit Frau S erinnern können, wenn auch der Inhalt seiner Erinnerungen andere waren, als die der Zeuginnen. Der Kläger hat zum Ausdruck gebracht, dass grobe Vorwürfe, wie die hier im Raume stehenden, von jedem, demgegenüber solche Vorwürfe geäußert würden, bestritten würden. Das ist aber die Herstellung einer von der Rechtsordnung nicht vorgesehenen Verknüpfung zwischen der Schwere einer Pflichtverletzung einerseits und der Wahrscheinlichkeit wahrheitswidrigen Prozessvortrages andererseits. Letztlich hat der Kläger damit das Gewicht seiner Einlassungen vollständig selbst entwertet, indem er der erkennenden Kammer verdeutlicht hat, er würde auch dann die Vorwürfe bestreiten, wenn sie zuträfen.

Nach zwei Tagen Beweisaufnahme während eines Zeitraums von insgesamt 15 Stunden war es schließlich auch die Art und der Tonfall, in dem sich der Kläger selbst zitierte mit den Worten "Wenn man verliebt ist, dann kann man nicht alleine bleiben" und "wenn Sie das nicht verstehen, dann waren Sie wohl noch nicht verliebt", der der Kammer - durch den Kläger selbst - vor Augen geführt hat, was gemeint gewesen ist, wenn zum Beispiel die Zeugin F bekundet hat, "Man kann das ja unterschiedlich sagen und ich hatte aber das Gefühl, das hatte so was Unterschwelliges, irgendwie mit sexuellen Gedanken im Hintergrund"; oder wenn die Zeugin S bekundet hat "Ich kann jedenfalls als dauerhaftes Gefühl mitteilen, dass man sich beäugt gefühlt hat, so körperlich von oben herab ..."; oder wenn die Zeugin Gu berichtet hat "irgendwie ist immer Gift gesprüht worden"; oder wenn die Zeugin H zu sexualisierten Übergriffen "das war irgendwie Standard" bekundete hat.

Dass der Kläger fachlich qualifiziert ist und im Übrigen persönlich integer, was er mit der Benennung einer Vielzahl von Zeugen unter Beweis gestellt hat, unterstellt die Kammer zu seinen Gunsten als unstreitig.

Nach Durchführung dieser umfangreichen Beweisaufnahme steht wie eingangs bereits erwähnt fest, dass der Kläger ihm unterstellte Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hat. Dies geschah durch Berührungen, durch zahlreiche Bemerkungen und durch den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer von sexualisierter hierarchischer Einflussnahme geprägten Gesamtsituation im Fachbereich. Daher ist es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht überraschend gewesen, dass sich die Untersuchung im Jahre 2020 recht schnell auf ihn fokussiert hat. Dies ist vielmehr angesichts der vom Kläger ausgehenden und von ihm initiierten Gesamtsituation im Fachbereich naheliegend und jedenfalls keine Tatsache, die auf eine unsachgemäße Behandlung der Angelegenheit schließen lässt.

b. Dieser so festgestellte wichtige Grund "an sich" ergibt sich aus Tatsachen, aufgrund derer der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (1). Mildere Mittel zur Wahrung der Interessen der Arbeitgeberin insbesondere zum Schutz der Mitarbeiterinnen der beklagten Stadt sind nicht ersichtlich, insbesondere kommt eine Abmahnung als ein milderes Mittel in diesem Sinne nicht in Betracht (2.).

(1.) Die im Rahmen der Prüfung der Kündigung notwendig vorzunehmende Interessenabwägung erfolgt im Ergebnis zu Lasten des Klägers. Das Trennungsinteresse der Beklagten überwiegt hier bei weitem das Bestandsinteresse des Klägers.

Der Kläger kann auf eine jahrzehntelange Betriebszugehörigkeit zurückblicken und auf einwandfreie Zeugnisse. Er hat ein fortgeschrittenes Lebensalter, das es als schwierig erscheinen lässt, kurzfristig eine ähnlich gut bezahlte Position auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Unterhaltspflichten sind nicht ersichtlich, genauso wenig eine Schwerbehinderung oder andere persönliche Merkmale, die ihn als besonders schutzwürdig erscheinen ließen. Der tarifvertraglich vorgesehene Ausschluss einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses hat bei der Betrachtung einer fristlosen Kündigung keine entscheidende Bedeutung.

Gegenüber diesen Interessen des Klägers überwiegen die Interessen der beklagten Stadt. Die bewiesenen Pflichtverletzungen sind gravierend. Sie rechtfertigen die Prognose, dass eine weitere Beschäftigung des Klägers im Rahmen des dafür notwendigen Vertrauens auch für eine nur kurze Zeit nicht möglich - weil unzumutbar - ist.

aa. Das gilt schon bei einer singulären Betrachtung der körperlichen Übergriffigkeiten. Die Stadt musste ihre Mitarbeiterinnen vor solchen Angriffen durch sofortige Herausnahme des Klägers aus der Organisation schützen. Angesichts der Schwere der Vorwürfe war ein weiteres Abwarten weder der beklagten Stadt noch den zu schützenden Opfern zumutbar. Durch die Vernehmungen der Zeuginnen ist bewiesen worden, dass der Kläger Frau C in die Seite gekniffen, Frau So in den Schwangerschaftsbauch gepiekst und Frau B Papierschnipsel in den Ausschnitt geworfen hat. Der Kläger hat dabei zwar keine primären Geschlechtsorgane berührt (vgl. BAG 20.05.2021 - AZR 596/20 - und BAG 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 -), jedenfalls hat hier aber ein Vorgesetzter den Schutzbereich der körperlichen Integrität dreier ihm unterstellter Mitarbeiterinnen verletzt.

Die besagten Übergriffe stellen massive sexuelle Belästigungen dar. Ob eine Handlung sexuell bestimmt im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG ist, hängt nicht allein vom subjektiv erstrebten Ziel des Handelnden ab oder von einer besonderen sexuellen Motivation des Täters oder gar expliziter sexueller Lust. Denn eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zeichnet sich, wenn sie durch einen Vorgesetzten erfolgt, insbesondere durch den mit ihr verbundenen Ausdruck von Hierarchie und Machtausübung aus (Köhler/Koops BB 2015, 2807, 2809). Für die Qualifikation einer hierarchischen Einflussnahme als sexuelle Belästigung muss das jeweilige Verhalten bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht. Für das "Bewirken" genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle. Ebenso kommt es auf vorsätzliches Verhalten nicht an (BAG v. 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 -).

Wenn die Zeugin C bekundet, sie habe das Kneifen in die Seite (den "Zwicker") nicht als anzüglich empfunden und wenn die Zeugin B im Rahmen ihrer den Kläger im Übrigen massiv belastenden Aussage berichtet, die Papierschnipsel in ihrem Ausschnitt habe sie als nicht so prägnant in Erinnerung, so nehmen diese Mitteilungen über die subjektiven Empfindungen der Opfer dem Geschehen zwar eine besondere Spitze. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass die sexuell konnotierten Handlungen an den Zeuginnen in Anwesenheit anderer vorgenommen wurden und diesen anderen gegenüber zum Ausdruck gebracht wurde, man könne sich dies alles sanktionslos erlauben (vgl. hierzu insbesondere die Bekundungen der Zeuginnen F , Gu und H ). Die besagte Spitze des Vorwurfs kommt bei den Bekundungen der Zeugin So jedoch besonders zum Tragen, wenn sie zum Ausdruck bringt, dass sie die Berührung ihres Babybauchs noch heute schockiere.

bb. Einer - auch nur kurzfristig - weiteren Beschäftigung des Klägers in der Organisation der Beklagten steht erst recht die negative Verhaltensprognose entgegen, die sich aus den zahlreichen verbalen sexuellen Belästigungen ergibt. Über Jahre hinweg hat sich der Kläger seinen Mitarbeiterinnen gegenüber Äußerungen erlaubt, die jede für sich alleine betrachtet schon in einem privaten Umfeld einen anzüglichen Übergriff darstellt und die so angesprochene Person zu einem Objekt reduziert. Besonderes Gewicht bekommen diese verbalen Angriffe nicht nur durch ihren professionellen Kontext, sondern vor allem durch ihre schiere Anzahl, durch die hierarchische Stellung des Klägers und durch die Kombination mit unsachlicher Kritik, dienstelleninterner Erniedrigung und großtuerischem Gehabe.

cc. Die körperlichen Übergriffigkeiten und die verbalen sexuellen Belästigungen finden ihre besondere Ausprägung und Klammer in der vom Kläger aufgebauten und aufrechterhaltenen Gesamtsituation im Fachbereich, die von unsachlicher Kritik, Erniedrigung und Belästigung der weiblichen Mitarbeiterinnen durch sexuelle Übergriffigkeit und sexualisierte Einflussnahme geprägt ist. Diese vom Kläger aufgebaute und aufrechterhaltene Gesamtsituation rechtfertigt die Prognose, dass eine weitere Zusammenarbeit - auch nur für eine kurze Zeit - in einer Behörde, die in besonderen Maße dem Grundgesetz, dem Gleichheitssatz und den Grundsätzen des AGG sowie dessen europarechtlichen und internationalrechtlichen Quellen verpflichtet ist, nicht in Betracht kommen kann (vgl. Art. 21 GRCh; Art 19 AEUV; Art 57 AEUV; RL 2000/78/EG v. 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; RL 2004/113/EG v. 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen; RL 2006/54/EG v. 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen; Art. 1 Nr. 3 und Art. 55 lit. c UN-Charta).

dd. Der Kläger wusste, was er tat. Wie dargestellt kommt es bei der Qualifikation eines Verhaltens als sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 AGG nicht auf einen Hinweis des Opfers an, das Verhalten sei unerwünscht. Ein derartiger Hinweis macht aber die danach folgende weitere Belästigung besonders vorwerfbar und bestätigt in besonderer Weise die negative Prognose. Solche Hinweise gab es hier. Die Zeuginnen Ce und So haben im Rahmen ihrer Vernehmungen von ausdrücklichen Beschwerden an den Kläger berichtet, dass das Verhalten als störend und verletzend empfunden werde. Der Kläger selbst, so hat die Beweisaufnahme ergeben, sprach in unmittelbarem Zusammenhang mit entsprechenden Entgleisungen von "me too" (Zeuginnen Ce , So ). Den Kläger können daher die Vorwürfe nicht überrascht haben.

ee. Die negative Verhaltensprognose wird nicht von der Tatsache berührt, dass sich die Organisation der beklagten Stadt zum Thema "Prävention und Bekämpfung sexueller Belästigung" als fehlerhaft erwiesen hat. Frühere Hinweise auf Verhaltensauffälligkeiten des Klägers sind vorbeigezogen, ohne dass notwendige Maßnahmen ergriffen worden wären. Ein Fehler in der Präventionsorganisation mag dem Täter sexueller Belästigungen zwar seine Tat erleichtern, sie ist aber nicht geeignet, seine Tat zu rechtfertigen. Auch der fragwürdige Karnevalsauftritt des Bürgermeisters als "dralle Resi und Inklusionsfall ohne Brust" (Bl. 100 d.A.) ändert deshalb nichts.

(2.) Mildere Mittel als eine fristlose Kündigung, also die "ultima ratio", kommen vorliegend nicht in Betracht. Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat bei Vorliegen einer Vertragspflichtverletzung auch zum Gegenstand, ob der kündigenden Arbeitgeberin eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, also insbesondere eine Abmahnung oder eine fristgerechte Kündigung zumutbar war.

aa. Eine Abmahnung war im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Zwar setzt grundsätzlich die außerordentliche Kündigung eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen. Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann zwar nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation bzw. das "Klima", in der bzw. in dem sie sich ereignete (BAG v. 20.05.2021 - 2 AZR 596/20 -).

Hier liegen beide Ausnahmetatbestände vor. Die Abmahnung war überflüssig, weil nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen war und die Pflichtverletzung war derart schwer, dass die Hinnahme des Verhaltens - mit oder ohne Abmahnung - nach objektiven Maßstäben offensichtlich ausgeschlossen war.

aaa. Die Abmahnung war überflüssig, weil nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen war. Der Kläger ist mehrfach von den Opfern seiner Belästigungen auf sein Fehlverhalten hingewiesen worden verbunden mit der Aufforderung, das Verhalten zukünftig zu unterlassen (Zeuginnen Ce und So ); er ist wegen einer Belästigung vom Personalrat zur Rede gestellt worden; eine Belästigung ist von der Leiterin des Jugendamtes thematisiert worden, die der Kläger deshalb anschließend als "dumme Fotze" bezeichnet hat (Zeugin B ); in seiner Anhörung am 23.11.2020 hat sich der Kläger uneinsichtig und "nicht erreichbar" gezeigt (Zeuge Bo s.u.). Der Kläger ist also mehrfach auf seine Vertragspflichten hingewiesen worden; er ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er diese Vertragspflichten verletzt hat und dass dies in Zukunft zu unterlassen sei. Es gehört zum Kündigungsvorwurf selbst dazu, dass der Kläger über Jahre hinweg den Opfern seiner Übergriffigkeiten verdeutlicht hat, ihm könne nichts passieren, er habe gute Verbindungen in das Rathaus (Zeugin F ), er könne Mitarbeiterinnen sogar gegen deren Willen die Haare abschneiden, ohne dass es zu Konsequenzen komme (Zeugin Gu ). Der Kläger hat auf diese Weise trotz der Beschwerden und Hinweise sein Verhalten nicht geändert. Selbst in einem Termin, in dem er zum Verdacht einer schweren Vertragspflichtverletzung angehört wurde, zeigte er keine Einsicht. Danach bleibt keine Tatsache übrig, die dafürsprechen könnte, dass im Verhalten des Klägers nach Ausspruch einer Abmahnung mit einer Änderung gerechnet werden könnte. Nichts ändert an diesem Ergebnis die Bekundung der Zeugin H , es habe nach ihrer Auffassung vielleicht hilfreich sein können, wenn dem Kläger gesagt worden wäre "so Jung, lass das mal." Diese Bekundung ist die Äußerung einer Gleichstellungsbeauftragten, die aus ihrem professionellen Selbstverständnis heraus auch in dem hier verhandelten Fall an den möglichen Erfolg ihrer Arbeit glaubt. Die erkennende Kammer tut das in diesem konkreten Fall nicht, denn - wie gezeigt - ist dem Kläger mehrfach gesagt worden "so Jung, lass das mal", ohne dass es zu einer Verhaltensänderung gekommen wäre.

bbb. Die hier bewiesene Pflichtverletzung - sexuelle Belästigung durch körperliche Übergriffe, durch verbale Anzüglichkeiten, durch Aufbau und Aufrechterhaltung einer sexualisierten Gesamtsituation - wiegt im Übrigen so schwer, dass ihre Hinnahme durch die beklagte Stadt von vornherein ausgeschlossen war. Dabei ist nicht ohne Bedeutung, dass sich das Thema "sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz" in den vergangenen 35 Jahren entwickelt hat. Den Kläger kann das nicht überraschen - und es überrascht ihn auch nicht, sonst wäre nicht zu erklären, dass er teilweise seinen Belästigungen ein "jetzt aber kein me too draus machen" nachgeschoben hat. Die beklagte Stadt ist mit ihrer Verwaltung, ganz besonders im Bereich Soziales, dem Grundgesetz, dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem AGG und den bereits oben benannten europarechtlichen Rechtsquellen verpflichtet. Das weiß jede und jeder, die oder der dort arbeitet. Ein Irrtum ist ausgeschlossen.

Nach diesen Vorgaben bedurfte es einer vorher ausgesprochenen einschlägigen Abmahnung nicht. Eine solche Abmahnung kam danach auch als mildere Maßnahme nicht in Betracht.

bb. Andere mildere Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Nach § 12 Abs. 3 AGG hat die Arbeitgeberin bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot, zu denen auch sexuelle Belästigungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind aber nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft beseitigen, das heißt, eine Wiederholung ausschließen (Besgen, B+P 2023, 243, 244). Eine Versetzung in das Homeoffice mag körperliche Übergriffigkeiten erschweren, wäre aber nicht geeignet, verbale Belästigungen auszuschließen. Gleiches gilt für eine Umsetzung, eine Versetzung oder eine vorübergehende Freistellung.

Nach allem ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Beklagte im Verhalten des Klägers einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung hatte. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen musste zehn Frauen zugemutet werden, sich zum Thema sexuelle Belästigung vernehmen zu lassen. Diese Zumutung hat der Kläger zu verantworten, sein Bestreiten war wahrheitswidrig.

3. Die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten worden. Mit Ausspruch der fristlosen Kündigung am 30.11.2020 hat die Beklagte die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt, welche mit dem Ende der Anhörung des Klägers am 23.11.2020 zu laufen begonnen hatte.

Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG v. 25.04.2018 - 2 AZR 611/17 -). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG v. 27.06.2019 - 2 ABR 2/19 -; 01.06. 2017 - 6 AZR 720/15 -). Von der völligen - und sei es grob fahrlässigen - Unkenntnis des Kündigungssachverhalts ist der Fall zu unterscheiden, dass schon einige Tatsachen bzw. Umstände bekannt sind, die auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeuten. Dann kann der Lauf der Ausschlussfrist ausgelöst werden (vgl. KR/Fischermeier 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 337). Allerdings darf der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt indes nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen soll, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (vgl. BAG v. 27.06.2019 - 2 ABR 2/19 -; BAG v. 01.06.2017 - 6 AZR 720/15 -). Handelt es sich bei der Arbeitgeberin um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat (BAG v. 27.06.2019 - 2 ABR 2/19 -; BAG v. 16.07.2015- 2 AZR 85/15 -). Hiernach kommt es auf die Kenntnis des Zeugen Bo als Fachbereichsleiter Zentrale Dienste an.

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist nicht bereits bei Abgabe des Berichts über die psychische Gefährdungsbeurteilung durch das externe Unternehmen bei der für das Thema Arbeitssicherheit zuständigen Zeugin G im Oktober 2020 zu laufen begonnen hat und dass dies auch nicht bereits mit Konkretisierung der Verdachtsmomente auf den Kläger rund um die Versammlung vom 12.11.2020 geschehen ist. Zwar war offensichtlich für alle Eingeweihten naheliegend, dass sich die im Rahmen der psychischen Gefährdungsbeurteilung anonym geäußerten Beschwerden über sexuelle Belästigung wohl auf den Kläger beziehen, denn wie gezeigt war es das Verhalten des Klägers, das bereits Gegenstand von Beschwerden gewesen ist. Bis zur Durchführung der Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und bis zur Protokollierung derselben fehlte es aber an konkretem Sachverhalt für eine Konkretisierung dieser Vermutung. Bis zu diesem Punkt hat die beklagte Stadt zügig ermittelt und insbesondere dem Kläger die Gelegenheit gegeben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB begann somit frühestens am 19.11.2020, also dem Tag der Kenntniserlangung des Zeugen Bo vom Inhalt der Gesprächsprotokolle. Tatsächlich begann die Frist aber erst mit Anhörung des Klägers am 23.11.2020. Die Zweiwochenfrist endete damit frühestens am 03.12.2020, tatsächlich aber erst am 07.12.2020. Die Kündigung vom 30.11.2020, die dem Kläger am gleichen Tag zugegangen ist, ist daher innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgt.

5. Der Personalrat ist gemäß § 74 Abs. 2 LPVG ordnungsgemäß angehört worden. Zwar finden sich im Schreiben vom 24.11.2020, mit dem sich der Zeuge Bo an den Personalrat gewandt hatte, weder eine Angabe zum Kündigungsgrund noch sind persönliche Daten des Klägers benannt worden. Der Personalrat, jedenfalls in Person seines Vorsitzenden, war aber am 24.11.2020, dem Tag an dem die Beklagte das Anhörungsverfahren durch Übergabe des Anhörungsschreibens eingeleitet hatte, nach den Grundsätzen der subjektiven Determination vollständig über die Kündigungsgründe sowie über die persönlichen Daten des Klägers unterrichtet. Die Personalratsanhörung muss nicht schriftlich erfolgen. Das Schreiben vom Dienstag, dem 24.11.2020, macht unmissverständlich klar: "jetzt geht's los". Das ergibt sich vor allem aus der eindeutigen Bezugnahme auf § 74 Abs. 2 LPVG. Dort heißt es:

Nach der Beweisaufnahme vom 24.03.2022 ist davon auszugehen, dass dieses Schreiben dem Personalrat auch am 24.11.2020 zugegangen ist. Dass weitere (schriftliche) Informationen erst am 25.11.2020 nachgereicht wurden, ist unschädlich. Aus der Beweisaufnahme ergib sich nämlich, dass dem Personalrat im Zeitpunkt des Zugangs des Anhörungsschreibens am 24.11.2020 alle persönlichen Daten des Klägers bekannt waren. Teilweise bestand unter den Personalratsmitgliedern eine Bekanntschaft mit dem Kläger seit der Kindheit. Ein Personalratsmitglied hat die Geburtstagsliste geführt. Aus der Beweisaufnahme ergibt sich weiter, dass Herr Bo in den Tagen zuvor durchgehend zusammen mit dem Personalratsvorsitzenden, dem Zeugen P , kommuniziert und den Sachverhalt gemeinsam ermittelt hat. Herrn P war also bekannt, dass hier eine außerordentliche Kündigung wegen einzelner körperlicher Berührungen, wegen mehrfacher sexualisierter Belästigungen verteilt über mehrere Jahre und wegen des Aufbaus einer Gesamtsituation der sexualisierten Einflussnahme durch den Kläger ausgesprochen werden sollte sowie dass der Kläger mit diesem Vorwurf konfrontiert wütend alles abgestritten und mit der Erhebung von Verleumdungsklagen gedroht hat. Der Personalratsvorsitzende selber war bei der Anhörung des Klägers vom 23.11.2020 anwesend.

Nach Ablauf von drei Arbeitstagen nach Anhörung des Personalrats und ohne ausdrückliche Stellungnahme desselben kann die Kündigung ausgesprochen werden.

(6) Hat der Personalrat gegen eine beabsichtigte Kündigung in der Probezeit oder gegen eine außerordentliche Kündigung Einwendungen, gibt er diese binnen drei Arbeitstagen der Dienststelle schriftlich zur Kenntnis. Absatz 4 gilt entsprechend.

Der 24.11.2020, der Tag, an dem die Beklagte mit Übergabe des Anhörungsschreibens signalisiert hat, dass nunmehr das Anhörungsverfahren beginne, war ein Dienstag, die Frist der drei Arbeitstage (Mittwoch, Donnerstag und Freitag) war also am Freitag, dem 27.11.2020, um 24:00 Uhr abgelaufen. Daher konnte am Montag, dem 30.11.2020, die Kündigung ausgesprochen werden.

Dass die Behauptung der Beklagten, der Personalrat sei am 24.11.2020 über den Kündigungsgrund und die persönlichen Verhältnisse des Klägers umfassend unterrichtet gewesen, wahr ist, ergibt sich aus dem Ergebnis der diesbezüglichen Beweisaufnahme, deren Gegenstand die Vernehmung der Zeugen P (Personalratsvorsitzender), Br (dessen Stellvertreterin) und Bo gewesen ist.

(1.) Zunächst ist der Zeuge F P vernommen worden. Er hat zum Beweisbeschluss zusammengefasst das Folgende bekundet:

Er habe als Personalratsvorsitzender am 19.11.2020 das erste Mal erfahren, dass belastende Unterlagen vorlägen. Am 20. November habe er von Herrn Bo die Mitteilung bekommen, dass beabsichtigt sei, den Kläger zu suspendieren. Er sei dann mit Herrn Bo zusammen zum Kläger gegangen, um ihm mitzuteilen, dass diese Suspendierung stattfinde. Die Nachfrage durch das Gericht nehme er zum Anlass, das zu konkretisieren: Herr Bo habe ihn damals zu einem Gespräch gebeten. Zu diesem Zeitpunkt habe er schon gewusst, dass es eine Befragung gegeben habe und er habe gewusst, dass Protokolle erstellt worden seien und dass diese Protokolle Herrn Bo vorgelegen hätten. Herr Bo habe ihm mitgeteilt, dass er entschieden habe, den Kläger zu suspendieren. Herr Bo habe ihm Andeutungen gemacht, dass es um sexuelle Belästigungen gehe. Das habe er zur Kenntnis genommen. Als Personalrat habe er auch schon aus früherer Zeit gewusst, dass sich Frauen belästigt gefühlt hätten und dass diese Frauen teilweise die Abteilung gewechselt hätten und dass diese Sachverhalte bisher nicht an die Oberfläche gelangt seien, weil die Frauen das so gewollt hätten.

Am 23. November habe dann eine Anhörung des Klägers stattgefunden. Im Rahmen dieser Anhörung sei dem Kläger gesagt worden, dass belastende Unterlagen vorlägen. Herr Bo habe dem Kläger gegenüber aus den Protokollen Einzelheiten zitiert. Der Kläger habe darauf entrüstet reagiert und gesagt: "Das stimmt so nicht, das ist eine Frechheit." Der Kläger habe auch verlangt, dass die Namen derjenigen Mitarbeiterinnen genannt würden, die hier zu Protokoll die Erklärungen abgegeben hätten. Weiter habe der Kläger verlangt, dass die Stadt für den Fall, dass die protokollierten Aussagen sich als nichtzutreffend erweisen sollten, gegen die Kolleginnen Ermittlungsverfahren einleiten solle.

Der Personalrat sei dann am 24. November zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden. Das Anhörungsschreiben vom 24.11. sei bei ihm tatsächlich am 24.11. eingegangen. Er habe das Schreiben hier (im Gerichtssaal) vorliegen. Auf dem Schreiben sei auch der entsprechende Eingangsvermerk von ihm, nämlich ein Vermerk, dass dieses Schreiben am 24. November ihm zugegangen sei. Zu dem Zeitpunkt hätten die Protokolle, also die Unterlagen um die es gegangen sei, noch nicht vorgelegen.

Was die persönlichen Daten des Klägers angehe, könne er sagen, dass er in der Zeit von 2002 bis 2005 selbst im Fachbereich gearbeitet habe und den Kläger deshalb sehr gut kenne. Im Übrigen kenne er den Kläger seit der Kindheit, weil man im gleichen Dorf aufgewachsen sei. Die persönlichen Daten seien ihm also durchaus bekannt und diese persönlichen Daten seien in der Personalratssitzung auch ausführlich thematisiert worden, insbesondere die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers. Einigen anderen Personalratsmitgliedern sei der Kläger ebenfalls seit langer Zeit, teilweise seit der Kindheit, bekannt. Der Kläger sei im gleichen Jahr geboren wie er, habe aber vor ihm Geburtstag. Das wisse er schon immer, wie gesagt, weil man sich seit der Kindheit kenne. Er wisse, dass der Kläger ledig sei und damals eine Freundin gehabt habe. Von Unterhaltspflichten sei ihm nichts bekannt. Wie lange der Kläger bei der Stadt zum Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens beschäftigt gewesen sei, könne er nicht genau sagen. Er wisse aber, dass der Kläger seine Ausbildung bei der Stadt gemacht habe und seitdem bei der Stadt beschäftigt sei. Die Ausbildung habe der Kläger direkt nach der Schule begonnen.

Die Gesprächsprotokolle seien ihm erst am 25. November, also am Folgetag zur Verfügung gestellt worden. Dabei sei er sich nicht mehr sicher, ob er die Unterlagen persönlich bekommen habe oder ob sie per E-Mail an ihn übersandt worden seien. Jedenfalls hätten sie ihm zur Vorbereitung der Personalratssitzung am 25. November zur Verfügung gestanden. Er habe die Protokolle ein- oder zweimal ausgedruckt und in die Personalratssitzung mitgenommen. Trotz Anonymisierung sei ihm und damit dem Gremium grob bekannt gewesen, aus welchem Kreis der Mitarbeiterinnen diese Protokolle stammten. Es sei klar gewesen, dass es um Mitarbeiterinnen aus dem Sozialamt gegangen sei und dass zu den berichtenden Beschäftigten auch ehemalige Kolleginnen gehört hätten, also Kolleginnen die zu jener Zeit nicht mehr im Sozialamt tätig gewesen seien.

Am 25. November habe dann auch die Personalratssitzung stattgefunden und im Rahmen dieser Personalratssitzung hätten alle Personalratsmitglieder von den Unterlagen Kenntnis nehmen können. Die Personalratssitzung habe am 25. November um 10:30 Uhr begonnen sei dann um 10:55 Uhr zu Ende gewesen. Die Protokolle seien anonymisiert gewesen. Aus den Protokollen sei also nicht ablesbar gewesen, welche Mitarbeiterinnen tatsächlich hier diese Aussagen gemacht hätten. Der Personalrat habe eigentlich zehn Mitglieder. In der Personalratssitzung damals seien acht Mitglieder anwesend gewesen und diese acht Mitglieder hätten die Gelegenheit gehabt sich in diese Protokolle einzulesen.

Nach einem Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf die Uhrzeit einer E-Mail, aus der sich ergebe, dass bei der Sitzung des Personalrats am 25. November die Gesprächsprotokolle noch gar nicht hätten vorliegen können, müsse er - nach Einsichtnahme in seine Unterlagen - das Datum korrigieren: Die Personalratssitzung habe am 26. November und nicht schon am 25. November stattgefunden.

Er habe Herrn Bo mitgeteilt, dass der Personalrat nicht reagieren werde. Wenn ihm nun im Rahmen seiner Vernehmung deutlich gemacht werde, dass die abschließende Mitteilung an die Arbeitgeberin "keine Stellungnahme" und die Mitteilung "Frist verstreichen lassen" möglicherweise zwei unterschiedliche Dinge seien, dann verstehe er das nicht so recht. Jedenfalls habe sich das Gremium nicht äußern wollen.

Er könne sich nicht so genau daran erinnern, wann er Herrn Bo die Entscheidung des Personalrats mitgeteilt habe. Es sei möglich, dass das direkt nach der Personalratssitzung gewesen sei. Es sei aber auch möglich, dass es am nächsten Tag gewesen sei. Üblicherweise gäbe der Personalrat die Informationen direkt nach der Sitzung raus. Wie das hier gewesen sei, könne er einfach nicht mehr sagen.

Auf die Nachfrage könne er jetzt zu der Einzelbeschwerde, die in der Zeit davor geschehen sei, noch Folgendes sagen: Das sei ungefähr ein Jahr vor den hier streitigen Geschehnissen passiert. Da sei eine Mitarbeiterin zu ihm gekommen und habe von Anzüglichkeiten berichtet, wie sie hier auch in den Protokollen zu lesen seien. Die Kollegin habe ihm aber gesagt, dass sie sich das nur von der Seele reden wolle und ausdrücklich habe ihm diese Kollegin mitgeteilt, dass sie keine weitere Veranlassung wünsche. Er habe das dann zur Kenntnis genommen und tatsächlich selbst nichts weiter veranlasst. Allerdings habe er mit der Gleichstellungsbeauftragten gesprochen. Auch die Gleichstellungsbeauftragte habe ihm gesagt, dass man nichts machen könne, solange die Mitarbeiterin keine Veranlassung wünsche. Nach seiner Erinnerung sei er dann auch zum Kläger gegangen und habe unter vier Augen die Sache angesprochen.

Auf die Frage, ob er denn auch differenziert zu einer Tat- oder Verdachtskündigung angehört worden sei, könne er (nach Erklärung durch den Vorsitzenden, was der Unterschied zwischen Tat- und Verdachtskündigung sei) sagen, dass er zu einer Verdachtskündigung nicht angehört worden sei, sondern schlicht dazu, dass der Kläger eine Kündigung erhalten solle, weil er das getan habe, was hier durch die Mitarbeiterinnen protokolliert worden sei.

Auf die Nachfrage, ob der Personalrat zu einer fristlosen oder zu einer ordentlichen Kündigung angehört worden sei, dann gehe hier aus seinen Unterlagen hervor, dass er zu einer außerordentlichen Kündigung angehört worden sei. Wenn ihm jetzt gesagt werde, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zwingend eine fristlose sei, dann könne er sagen, dass er von einer fristlosen ausgegangen sei. Ihm sei jedenfalls nicht mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, auch hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Der Personalrat habe die Information, die er hier von der Arbeitgeberin bekommen habe, so hingenommen wie sie gewesen seien und habe nicht weiter nachgefragt. Er könne auch sagen, warum das so gewesen sei. Er sei ja durch das Gespräch mit der Kollegin ein Jahr zuvor schon ein wenig auf den Sachverhalt vorbereitet gewesen. Hinzukomme, dass der Kläger schon in dem Anhörungstermin und auch später gar nicht auf den Personalrat zugegangen sei oder in irgendeiner Weise Dinge mitgeteilt habe, die auf eine Entlastung hätten hinwirken können.

Die Bekundungen des Zeugen P haben bestätigt, dass der Zeuge in seiner Funktion als Personalratsvorsitzender am 24. November von den sozialen Daten des Klägers (Alter, Betriebszugehörigkeit, keine Unterhaltspflichten, keine Schwerbehinderung) Kenntnis hatte und dass er von der Beklagten über ihre Absicht unterrichtet worden ist, dem Kläger gegenüber eine fristlose Kündigung auszusprechen ("mit sofortiger Wirkung außerordentlich" s.o. II 1 der Entscheidungsgründe) und dass dies wegen sexueller Belästigungen geschehen solle. Weiter hat die Aussage des Zeugen bestätigt, dass er bei der Anhörung des Klägers anwesend war.

Auch wenn die Bekundungen des Zeugen als sprunghaft, man könnte auch sagen: ungeordnet, bezeichnet werden können, haben sie sich der erkennenden Kammer dennoch - und gerade deshalb - als glaubhaft erwiesen. Die vorstehende Zusammenfassung der Bekundungen ist hier (im Gegensatz zu der nahezu wortgetreuen Wiedergabe der Vernehmung der 10 Mitarbeiterinnen) im Bemühen erfolgt, die Mitteilungen zu strukturieren. Es musste viel nachgefragt werden. Das lag augenscheinlich daran, dass es dem Zeugen an Kenntnis über die Grundlagen des Personalvertretungsrechts gefehlt hat. Dem Zeugen war nicht bekannt, dass es einen bedeutenden Unterschied gibt zwischen der Mitteilung "wir werden die Frist verstreichen lassen" und der Mitteilung "wir geben keine Stellungnahme ab". Dem Zeugen war der Unterschied zwischen Tat- und Verdachtskündigung unbekannt. Er wusste auch nicht, dass eine "außerordentliche Kündigung" nicht zwingend eine fristlose sein muss. Aus dem von ihm mitgeteilten Sachverhalt der Einzelbeschwerde einige Monate zuvor geht - offensichtlich ohne Störgefühl beim Bekundenden - ein bagatellisierender Umgang mit einer Beschwerde über sexuelle Belästigung hervor. Das gleiche muss für die Inaktivität der damaligen Gleichstellungsbeauftragten gelten. Nach dieser Vernehmung hat die erkennende Kammer bei der später durchgeführten Vernehmung der Zeugin H Verständnis entwickeln können, als diese zum Ausdruck brachte, wie sehr bei der beklagten Stadt nach ihrer Auffassung in Sachen Gleichstellung und Personalführung ein Optimierungsbedarf besteht.

Dies vorausgeschickt haben die Bekundungen des Zeugen P aber den Kern des Beweisthemas bestätigt: Der Personalrat wurde durch Mitteilung gegenüber seinem Vorsitzenden über den Kündigungsgrund "sexuelle Belästigung" und über die Tatsache informiert, dass nach dem Willen der Beklagten am 24. November das personalvertretungsrechtliche Anhörungsverfahren zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung beginnen solle. Die persönlichen Daten des Klägers waren dem Personalrat bekannt.

Die Bekundungen, mit denen dies bestätigt wurde, waren glaubhaft. Es ist gerade die fast vollständig fehlende Struktur der Bekundungen gewesen, der sprunghafte Bericht der Vorkommnisse (die doch eigentlich nur an drei unmittelbar folgenden Tagen geschehen sind) und vor allem der unsorgfältige und offensichtlich unvorbereitete Vortrag zum Tag der Personalratsanhörung, der die Glaubhaftigkeit des Zeugen nicht erschüttert, sondern unterstreicht. So diffus lügt kein Lügner. Hinzukommt, dass nicht einmal ein Anlass oder irgendein Interesse existierte, die Personalratsanhörung vom 26. November auf den 25. November "zu verlegen". Rechtlich geht es hier vor allem um den Tag der Anhörung des Personalrats und den Inhalt derselben und nicht um den Tag der Personalratssitzung - wenn auch dies möglicherweise so vom Zeugen nicht erkannt worden ist.

(2.) Als weitere Zeugin zum Thema Personalratsanhörung ist die Zeugin A Br vernommen worden. Sie hat zusammengefasst das Folgende bekundet:

Zur eigentlichen Personalratsanhörung habe sie Herr P eingeladen, nachdem Herr Bo das Schreiben geschickt gehabt habe. Dann seien ja auch noch die anonymisierten Unterlagen gekommen, die hätten dann donnerstags zur Sitzung vorgelegen. Die Protokolle seien rundgegangen und die Personalratsmitglieder hätten die Gelegenheit gehabt, die Protokolle zu lesen. Am Donnerstag der Woche davor habe Herr Bo sie und den Zeugen P zu sich gerufen. Dort habe sie und der Zeuge P die Gelegenheit gehabt, die damals schon fertigen Protokolle einzusehen. Einige Protokolle seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gewesen. In dieser Vorwoche, nach ihrer Erinnerung am Freitag, sei dann der Zeuge P mit dem Zeugen Bo zum Kläger ins Büro gegangen. Dort habe der Zeuge Bo dem Kläger mitgeteilt, dass er bis auf Weiteres suspendiert sei. Montags habe dann das Anhörungsgespräch mit dem Kläger stattgefunden. Bei diesem Anhörungsgespräch sei sie dann auch wieder dabei gewesen. Dem Kläger seien die Vorwürfe mitgeteilt worden und er sei aufgefordert worden sich dazu zu äußern. Es sei um den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegangen. Dieser Vorwurf habe im Raum gestanden. Der Kläger habe ungläubig reagiert und habe gesagt, das stimme alles nicht. Ihr Eindruck sei gewesen, dass der Kläger sehr ärgerlich gewesen sei. Das habe sie zu der Bitte an den Dezernenten veranlasst, dafür zu sorgen, dass der Kläger jetzt nicht in die Abteilung laufe und einzelne Kolleginnen zur Rede stelle. Allerdings glaube sie nicht (soweit das Gericht hier nachfrage), dass im Anhörungsgespräch die Vorwürfe so personalisierbar gewesen seien, dass der Kläger habe wissen können, welche Kolleginnen hier diese Vorwürfe geäußert haben könnten. In der Anhörung seien Sätze aus den Protokollen genannt worden, aber nicht strukturiert nach den einzelnen Protokollen, sondern beispielhaft und inhaltlich sortiert.

Die persönlichen Daten des Klägers habe Herr P dem Personalrat in der Personalratssitzung mitgeteilt. Es sei erwähnt worden, dass der Kläger seit 35 Jahren dabei sei, und dass er in N wohne. Sein Alter sei mitgeteilt worden und die Tatsache, dass er alleinstehend sei. Viele Personalratsmitglieder würden den Kläger ja auch deshalb kennen, weil er in N wohne.

Wenn sie hier vom Vorsitzenden mit Blick auf den Kalender des Jahres 2020 gefragt werde, welcher Donnerstag gemeint gewesen sei, an dem die Personalratssitzung stattgefunden habe, dann könne sie mitteilen: Es sei Donnerstag, der 26. November 2020, gewesen.

Zur Personalratssitzung habe neben den Protokollen auch noch ein Vermerk vorgelegen. Wann dem Personalrat dieses Schreiben vorgelegt worden sei, könne sie jetzt nicht mehr genau sagen. Dies sei entweder zusammen mit dem Anhörungsschreiben geschehen oder eben am Tag der Personalratssitzung. An genaueres erinnere sie sich jetzt nicht mehr.

Ihr sei durchaus bekannt gewesen, dass auch solche Kolleginnen befragt worden seien, die nicht mehr in der Abteilung tätig gewesen seien. Diese Kolleginnen seien von den anderen erwähnt worden und deshalb sei die Stadt auf diese ausgeschiedenen Kolleginnen zugegangen. Teilweise hätten ja Beschäftigte nicht nur die Abteilung, sondern auch die Stadt verlassen.

In der Personalratssitzung sei das Gremium zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Personalrat dazu nicht äußern wolle, dass er also von seinem Anhörungsrecht kein Gebrauch machen werde. Wenn sie vom Gericht gefragt werde, ob ihr der Unterschied bekannt sei zwischen "Frist verstreichen lassen" und der Mitteilung "keine Stellungnahme" abgeben zu wollen, so könne sie durchaus bestätigen, dass ihr dieser Unterschied bekannt sei. Bei genauem Nachdenken könne sie aber jetzt nicht wirklich konkret sagen, was der Personalrat damals beschlossen habe, da müsse sie in die Unterlagen schauen, sie meine sich aber zu erinnern, dass der Personalrat nichts habe sagen wollen. Natürlich gebe es ein Protokoll der Personalratssitzung und dort sei natürlich auch das Ergebnis der Beratung nachzulesen.

Wenn sie vom Klägervertreter gefragt werde, ob sie denn das Geburtsdatum des Klägers kenne, dann könne sie das bestätigen. Sie sei diejenige, die die Geburtstagsliste führe und in dieser Geburtstagsliste stünden die Geburtsdaten. Die Entgeltgruppe ergebe sich aus den Stellenplänen, die der Personalrat regelmäßig vom Dienstherrn bekomme. Die habe sie natürlich nicht im Kopf, aber das könne man jederzeit nachsehen. Der Personenstand des Herrn Kn sei ihr durch Herrn P mitgeteilt worden, nämlich ledig. Über Unterhaltspflichten sei nicht gesprochen worden.

Auf die Frage, ob der Personalrat zu einer beabsichtigten fristlosen oder zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung angehört worden sei, müsse sie auch nach langem Nachdenken sagen, dass sie das nicht genau sagen könne. Auch wenn sie gefragt werde, ob die beabsichtigte Kündigung eine Tat- oder eine Verdachtskündigung gewesen sei, wisse sie das auch nicht mehr so richtig. Sie könne sich auch nicht mehr erinnern, ob darüber tatsächlich gesprochen worden sei. Auf die Nachfrage, ob denn das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich kündbar bzw. unkündbar gewesen sei, könne sie nach ihrem Wissenstand erklären, dass man hier wohl von Unkündbarkeit sprechen müsse. Sie könne aber nicht mehr sagen, ob der Dienstherr dies mitgeteilt habe. Noch einmal auf den Unterschied zwischen Tat- und Verdachtskündigung angesprochen, könne sie sicher sagen, dass der Kläger habe entlassen werden sollen, weil er belästigt habe und nicht nur wegen eines entsprechenden Verdachts.

Auf Nachfrage nach dem Verlauf des Anhörungsgesprächs vom 23. November könne sie sagen, dass der Kläger nicht, wie er behaupte, einem "Feuerwerk von Vorwürfen" ausgesetzt gewesen sei, ohne eine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt zu haben. Vielmehr sei ihm diese Gelegenheit eingeräumt worden. Es seien ihm einzelne Sätze aus den Gesprächsprotokollen gesagt worden. Daraufhin habe er antworten können. Sie könne nicht beurteilen, ob der Kläger sich an die jeweilige Situation oder die jeweilige Kollegin habe erinnern können. Jedenfalls habe er alles vehement abgestritten.

Wenn sie auf vorangegangene Beschwerden von Mitarbeiterinnen angesprochen werde, könne sie sagen, dass der Zeuge P tatsächlich von einer Beschwerde aus einer früheren Zeit erzählt habe. Sie sei schockiert gewesen, als sie aus den Protokollen habe schließen können, dass eine Mitarbeiterin sich schon einmal an die ehemalige Personalratsvorsitzende gewandt habe und damals nichts veranlasst worden sei. Von einer Einbeziehung der Gleichstellungsbeauftragten wisse sie nichts. Damals sei Frau L die Personalratsvorsitzende gewesen. Es habe sie besonders berührt, dass Frau L damals nichts weiter veranlasst habe.

Die Bekundungen der Zeugin Br waren glaubhaft. Ihr Bericht war deutlich geordneter als der des Zeugen P . Trotz der unterschiedlichen Perspektive und trotz der unterschiedlichen Art des Vortrags und des Auftretens stimmten ihre Bekundungen im Kern mit denen des Zeugen P überein. Dies ist ein starkes Realkennzeichen, das für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen sowohl der Zeugin Br als auch des Zeugen P spricht.

(3.) Zuletzt ist zum Beweisthema der Zeuge G Bo vernommen worden. Zusammengefasst hat er das Folgende bekundet:

Am Donnerstag, den 19.11.2020, habe er von Frau G die Gesprächsprotokolle zugeleitet bekommen. Er habe dann dem Personalrat mitgeteilt, dass solche Protokolle vorlägen und erst noch einmal gesichtet werden müssten. Zu diesem Zeitpunkt seien es acht Protokolle gewesen, zuletzt seien es ja insgesamt zehn. Am Freitagmorgen habe er Rücksprache mit dem zuständigen Dezernenten und dem Bürgermeister gehalten. Es sei daraufhin entschieden worden, den Kläger zunächst einmal freizustellen. Der Personalrat sei dann am Freitag zusammenfassend über den Sachverhalt informiert worden. Er sei mit dem Zeugen P zusammen in das Büro des Klägers gegangen und habe dort dem Kläger mitgeteilt, dass er freigestellt sei und er habe den Kläger gleichzeitig zu einem Anhörungsgespräch am darauffolgenden Montag geladen. Bei diesem Anhörungsgespräch seien der Personalratsvorsitzende, dessen Stellvertreterin, Herr W und er selbst anwesend gewesen. Im Rahmen der Anhörung sei der Kläger mit den Vorwürfen konfrontiert worden. Er habe sofort alles abgestritten. Er habe zum Kläger überhaupt keinen Zugang gefunden. Der Kläger habe sogar mit Klage gegen die betroffenen Mitarbeiterinnen gedroht. Den ganzen Tag über sei er mit dem Personalrat im Gespräch gewesen und habe man sich gemeinsam Gedanken gemacht, wie es denn jetzt weitergehen solle. Dabei sei über die ganze Zeit hinweg die Tatsache thematisiert worden, dass Herr Kn schon solange dabei sei und über 50 und ledig sei. Bei all diesen Überlegungen sei der Personalrat "mitgenommen" worden. Im Ergebnis sei man dann gemeinsam zu der Schlussfolgerung gekommen, dass es nicht anders gehe und dass hier eine Kündigung ausgesprochen werden müsse. Am Dienstag den 24. November habe er das dann mit dem Personalrat erörtert und das erstmal mündlich mitgeteilt. Anschließend sei dann das Schreiben übermittelt worden, das hier in der Akte zu finden sei. In der Zwischenzeit habe es noch zwei weitere Gespräche mit betroffenen Mitarbeiterinnen gegeben. Entsprechende Protokolle seien noch zu fertigen gewesen. Deshalb stehe in diesem Schreiben, dass Informationen noch nachgereicht werden würden. Das sei ja dann auch am Mittwoch per E-Mail geschehen. Nach seiner Kenntnis habe der Personalrat am Donnerstag getagt. Jedenfalls sei dann am Donnerstag oder Freitag das Schreiben des Personalrats gekommen, dass der Personalrat keine weitere Äußerung abgeben wolle. Dem folgend sei dann am Montag, dem 30. November, die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung ausgesprochen worden.

Wenn er befragt werde, ob er denn tatsächlich nach der Personalratssitzung ein Schreiben vom Personalrat bekommen habe oder ob er selbst es gewesen sei, der hier einen Vermerk gemacht habe, könne er das nicht mehr genau sagen. Jedenfalls habe er ein Schreiben vom Personalrat zurückbekommen. Das sei nach seiner Erinnerung das Anhörungsschreiben gewesen, das er dem Personalrat zuvor gegeben habe. Da sei er jetzt aber auch irgendwie verwirrt und habe das nicht mehr genau im Kopf. Der Zeuge P müsse wohl bei ihm gewesen sein und habe ihm wohl gesagt, dass der Personalrat keine Stellungnahme abgeben wolle. Und dann habe er selbst wohl den Vermerk auf das Schreiben gesetzt. Er könne sich auf jeden Fall daran erinnern, dass er dem Zeugen P noch gesagt habe, dass es nach seiner Auffassung nicht schlecht sei, wenn der Personalrat eine ausdrückliche Stellungnahme abgäbe. Aber das sei ja nun so im Zustimmungsverfahren, dass das nicht notwendig sei. Es sei ja schließlich um die Mitarbeiterinnen gegangen und deshalb habe er sich eine Stellungnahme gewünscht.

Auf die Bitte des Gerichts um Konkretisierung könne er seine Bekundungen zur Information des Personalrats noch wie folgt ergänzen: Er sei mit dem Personalrat täglich im Gespräch gewesen, da habe sich vor allem die Frage gestellt, wer der Kläger eigentlich wirklich sei. Natürlich sei er in der ganzen Behörde bekannt gewesen. Man sei auch ein kleines Haus. Im Grunde kenne jeder den Kläger und er sei durchaus kein einfacher Mensch - wer sei das schon -, aber dass das hier ein derartiges Ausmaß annehme, das habe ihn dann doch überrascht. Deshalb habe sich die Frage gestellt, ob da irgendetwas bekannt gewesen sei. Aber aus der Zeit davor habe er dann erstmal nichts gehört. Durchaus sei darüber gesprochen worden, ob Herr Kn irgendwie anders eingesetzt werden könne. Es seien alle Abteilungen durchgegangen worden. Zu einem Ergebnis sei diese Suche nach Alternativen allerdings nicht gekommen.

Er habe in jener Zeit ständig mit dem Zeugen P geredet. Am Dienstag habe er wie berichtet die Absicht geäußert, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Am Mittwoch habe er dann die Protokolle anonymisiert und diese dem Personalrat per E-Mail zur Verfügung gestellt. Auch über die denkbare Möglichkeit einer Kombination aus Abmahnung und Versetzung sei gesprochen worden, aber das habe sich dann auch nicht als richtig erwiesen. Man habe das nicht als mögliche Lösung des Problems erkannt. Wenn er nun hier bisher allgemein von Kommunikation gesprochen habe, dann könne er das derart konkretisieren, dass es zu einem unmittelbaren persönlichen Austausch zwischen ihm und dem Zeugen P sowie der Zeugin Br gekommen sei. Mal sei er zu denen ins Büro gegangen und mal seien die zu ihm gekommen. Die lange Betriebszugehörigkeit, das Alter von 52 Jahren und die Tatsache, dass er letztlich ledig sei, sei thematisiert worden und das sei ja auch Gegenstand der Überlegungen gewesen, ob es irgendwelche Alternativen zur Lösung des Problems gebe. Der Personalrat habe ein Fach. Er gehe nicht davon aus, dass er das Schreiben persönlich vorbeigebracht habe. Er könne sich nicht genau erinnern, wie genau das Schreiben nun in den Bereich des Personalrats gekommen sei. Jedenfalls könne er sagen, dass mit Sicherheit auch am 24.11. zwischen ihm und dem Personalrat ausführlich Gespräche stattgefunden hätten. Er habe so einen Fall ja noch nie gehabt und sowas könne man auch nicht machen ohne entsprechende Kommunikation mit dem Mitbestimmungsgremium.

Das Ganze sei auf die Gefährdungsbeurteilung im Oktober des gleichen Jahres zurückzuführen gewesen. Er könne sich da noch an den Satz "Sexismus ist Standard" erinnern. Die Firma, die die Gefährdungsbeurteilung erstellt habe, habe der Verwaltung damals gesagt, dem müsse man nachgehen und selbstverständlich habe er auch ohne diese Anregung die Sache objektiv betrachtet. Frau G habe sich dann aber darum gekümmert und er habe an jenem Donnerstag von Frau G das Ergebnis der Befragungen erhalten. Die seien zunächst anonymisiert gewesen, später habe er sie aber auch namentlich benannt bekommen.

Die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers erinnere ihn an den Termin im Rathaus am 12.11.2020. Dort habe er eine Versammlung veranlasst. Das sei wegen der Gefährdungsbeurteilung geschehen. Das sei der Termin gewesen, aufgrund dessen man die Erstellung der Gesprächsprotokolle beschlossen habe und aufgrund dessen die Zeugin G die Protokolle erstellt habe. Zu diesem Treffen am 12. November habe er alle Mitarbeiterinnen wegen des Ergebnisses aus der Gefährdungsbeurteilung zusammengerufen. Dort habe er den Mitarbeiterinnen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung mitgeteilt und die Tatsache, dass eine Befragung durchgeführt werden müsse, um die Fragestellungen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergäben, zu vertiefen. Es gehe hier um eine Gruppe von ca. 14 Mitarbeiterinnen. Zu jenem Termin seien aber nach seiner Erinnerung nur die Hälfte der Mitarbeiterinnen anwesend gewesen.

Die Bekundungen des Zeugen Bo bestätigen die Behauptung der Beklagten, der Personalrat sei am 24. November bei Übergabe des Anhörungsschreibens vollständig über die Sozialdaten des Klägers und die Gründe für die beabsichtigte Kündigung informiert gewesen.

Seine Bekundungen sind glaubhaft gewesen. Das folgt insbesondere aus der Gesamtschau auf seine Vernehmung sowie die Vernehmungen des Zeugen P und der Zeugin Br , die bei aller Unterschiedlichkeit im Kern übereinstimmen.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht somit fest, dass die streitgegenständliche Kündigung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht mangels ordnungsgemäßer Personalratsanhörung unwirksam ist.

5. Weitere Unwirksamkeitsgründe bestehen nicht. Insbesondere genießt der Kläger keinen gesetzlichen Sonderkündigungsschutz. Der Kläger ist nicht schwerbehindert; eine Maßregelung für eine Wahrnehmung von Rechten ist nicht ersichtlich. Tatsachen, die im Übrigen die Kündigung als treuwidrig oder sittenwidrig erscheinen lassen könnten, sind vom Kläger nicht vorgetragen worden.

6. Die weiteren Einwendungen des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis. Eine Fortsetzung der Beweisaufnahme durch eine Vernehmung der Zeugin Kö war nicht notwendig (a.), die Vernehmung der vom Kläger gegenbeweislich benannten Zeugen konnte ausbleiben (b.); ein Schriftsatznachlass war nicht einzuräumen (c.); die Richterbank war nicht fehlerhaft besetzt (d.); die Entscheidung verletzt die Meinungsfreiheit des Klägers nicht (e.).

a. Eine Fortsetzung der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin Kö in einem weiteren Termin war nicht notwendig. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Die streitgegenständliche Kündigung war wie gezeigt wirksam. Die von den zehn Zeuginnen vorgebrachten Tatsachen waren mehr als ausreichend, um von einem wichtigen Grund auszugehen. Ob zusätzlich die Zeugin Kö als ein weiteres Opfer sexueller Übergriffigkeiten erkannt wird, ist für den Ausgang des Rechtsstreits nicht erheblich. Die erkennende Kammer unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass eine hypothetisch durchgeführte Vernehmung der Zeugin Kö unergiebig geblieben wäre.

Soweit ein Gesprächsprotokoll über die Äußerungen der Zeugin Kö vorliegt und soweit diese Äußerungen ursprünglich gleichfalls Gegenstand der Vorwürfe der Beklagten gegen den Kläger gewesen sind, hat die Beklagte nicht nur auf die Vernehmung der Zeugin, sondern auch auf die Verwertung des auf sie bezogenen Sachverhalts verzichtet. Dies geschah durch ausdrückliche Erklärung im letzten Kammertermin.

Die sodann vom Kläger vorgebrachten Gründe, denen zufolge die Zeugin Kö noch zu hören sei, sind unzutreffend. Der Kläger persönlich hat im letzten Termin zur Beweisaufnahme erklärt, er wolle schon gerne Frau Kö hören. Er würde sie ja auch manchmal beim Einkaufen treffen und dort habe er nicht das Gefühl, dass sie besonders unter Druck stehe. Der Klägervertreter hat danach weiter erklärt, er könne auf Frau Kö nicht verzichten und trete hier ausdrücklich Beweis an für die Behauptung, dass Frau Kö persönlich nicht vom Kläger unter Druck gesetzt worden und insbesondere nicht sexuell belästigt worden sei. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat daraufhin erklärt, sie verzichte auf den Beweisantritt hinsichtlich der Zeugin Kö . Sie sei der Auffassung, dass es auf den Vortrag auch nicht ankomme und sie sei auch bereit, auf den Vortrag hinsichtlich Frau Kö zu verzichten.

Dieser Erklärung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten folgend hat die erkennende Kammer den Vortrag, der sich auf die Zeugin Kö bezieht, nicht berücksichtigt. Er ist ersichtlich nicht Gegenstand des Tatbestandes dieses Urteils. Dass die Zeugin Kö als gegenbeweisliche Zeugin in Betracht kommen könne, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nur pauschal behauptet. Er war ausweislich des Protokolls des letzten Kammertermins auf Nachfrage nicht in der Lage, die bewiesenen Tatsachen zu bezeichnen, für deren Unrichtigkeit er die Zeugin Kö benennen wolle. Ohne weiteres konnte damit am Ende der Beweisaufnahme vom 03.03.2023 der Beweisbeschluss hinsichtlich der Zeugin Kö aufgehoben werden.

b. Wie bereits dargestellt, konnte auf eine Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen verzichtet werden. Dass der Kläger nämlich fachlich qualifiziert und im Übrigen persönlich integer ist, konnte von der erkennenden Kammer zu seinen Gunsten als unstreitig unterstellt werden - abgesehen von der Tatsache, dass der Kläger die Beklagte und das Gericht mit dem Bestreiten der Vorwürfe belogen hat. Für die Behauptung, dass konkrete von der Beklagten zur Begründung der Kündigung vorgebrachte Tatsachen unrichtig seien, sind im Übrigen vom Kläger keine gegenbeweislichen Zeugen benannt worden.

c. Ein Schriftsatznachlass war dem Kläger nicht mehr zu gewähren. Weder musste dem Kläger gesonderte Zeit für die Gelegenheit eingeräumt werden, auf den letzten Schriftsatz der Beklagten vom 02.03.2023 zu erwidern, noch war dem Kläger zum Zwecke der Beweiswürdigung ein Schriftsatznachlass einzuräumen. Auch im Übrigen ist dem Kläger bis zuletzt ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

(1.) Der Schriftsatz der Beklagten vom 02.03.2023 war nicht entscheidungserheblich und konnte unberücksichtigt bleiben. Es handelte sich nicht um neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 282 Abs. 2 ZPO (vergl. dazu Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 283 Schriftsatzfrist für Erklärungen zum Vorbringen des Gegners, Rn. 2a), sondern lediglich um die Vorlage der schriftlichen Zusammenfassung der psychischen Gefährdungsbeurteilung. Damit ging es hier lediglich um die Wiederholung oder Vertiefung früheren Vorbringens, die für das Ergebnis des Rechtsstreits nicht erheblich war. Folglich bedurfte es auch keiner Einlassung des Klägers.

(2.) Auch für eine Beweiswürdigung war ein Schriftsatznachlass nicht einzuräumen. Hierauf besteht grundsätzlich kein Anspruch (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 285, Rn. 2; BGH v. 24.10.1990 - XII ZR 101/89 -). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann allenfalls dann angenommen werden, wenn ein sofortiges Verhandeln über das Beweisergebnis nicht zumutbar ist, zum Beispiel dann, wenn die Vernehmung eines Sachverständigen Fragen aufgeworfen hat, zu denen die Partei sich ohne sachkundige Beratung nicht äußern kann (BGH v. 14.06.2018 - III ZR 54/17 -). In einem solchen Fall wäre die Gelegenheit zu einer nachträglichen Stellungnahme in angemessener Frist nach Vorliegen des Protokolls einzuräumen (BGH v. 28.07.2011 - VII ZR 184/09 -). Ein solcher Fall war aber vorliegend nicht gegeben. Es ist kein Sachverständiger vernommen worden, sondern Mitarbeiterinnen des Klägers, die über sexuelle Belästigungen berichtet haben. Der Kläger persönlich und sein Prozessbevollmächtigter waren während der gesamten Beweisaufnahme anwesend. Die Beweisaufnahme zur Vernehmung der zehn Zeuginnen erstreckte sich über zwei Tage. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht in der Lage gewesen sein sollten, im Rahmen der Erörterungen zur Sach- und Rechtslage und insbesondere im Rahmen der Erörterungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme abschließend Stellung zu nehmen. Denn genau das hat er getan. Denn ausweislich des Protokolls des letzten Kammertermins haben die Parteien gemäß § 285 Abs. 1 ZPO über das Ergebnis der Beweisaufnahme verhandelt, nachdem dem Kläger persönlich die Gelegenheit gegeben worden war, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu erklären. Eines Schriftsatznachlasses bedurfte es nach alldem nicht.

(3.) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt im Übrigen nach insgesamt sechs Verhandlungstagen (2 x Arbeitsgericht, 4 x Landesarbeitsgericht) schon deshalb nicht in Betracht, weil sich am Ende des letzten Verhandlungstages die Sach- und Rechtslage - abgesehen von den offenen Beweisfragen - nicht viel anders dargestellt hat, als am Ende des ersten Verhandlungstages vor der erkennenden Kammer. Hinweise waren über die bereits gegebenen Hinweise hinaus nicht mehr zu geben. Im Zeitraum vom ersten bis zum vierten Verhandlungstag vor der Berufungskammer hat sich die Sach- und Rechtslage nur dergestalt entwickelt, dass die Wahrheitswidrigkeit des Klägervortrages immer deutlicher wurde. Der Antrag auf Schriftsatznachlass stellt sich somit nach dem gestellten - und als jedenfalls unbegründet erachteten - Befangenheitsantrag lediglich als weiterer Versuch des Klägers dar, den Rechtsstreit zu verzögern. Das wird durch die Tatsache bestätigt, dass der Kläger bis zuletzt keine Erklärungen über die E-Mail seines Prozessbevollmächtigten an den Bürgermeister der beklagten Stadt abgegeben hat, die eine Kausalverbindung zwischen Befangenheitsantrag und Zeitgewinn herzustellen scheint.

d. Die Richterbank war richtig besetzt. Darauf sind die Parteien im Protokoll vom 02.03.2023 hingewiesen worden. Die ehrenamtliche Richterin Se (die Richterin, die der Kläger zuvor abgelehnt hatte) war an den beiden Tagen der Beweisaufnahme krankheitsbedingt in stationärer Behandlung. Sie war daher verhindert. Gemäß III 3. des GVP für den richterlichen Dienst des Landesarbeitsgerichts Köln, ist der ehrenamtliche Richter Ma an nächstbereiter Stelle nachgeladen worden.

e. Die vorliegende Entscheidung verletzt den Kläger nicht in seiner Meinungsfreiheit. Zu den allgemeinen Gesetzen, die gemäß Art 5 Abs. 2 GG das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art 5 Abs. 1 S 1 GG) beschränken, zählen unter anderem auch arbeitsrechtliche Vorschriften, hier die Regelungen in §§ 1, 7, 12 AGG. In der Regel verlangt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (BVerfG v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -). Nur ausnahmsweise tritt die Meinungsfreiheit bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (BVerfG v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -). Verletzt eine Äußerung die in Art 1 Abs. 1 GG als unantastbar geschützte Menschenwürde, so muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten, da die Menschenwürde mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist. Die Menschenwürde ist verletzt, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Objekt adressiert wird; durch eine solche Äußerung wird gleichzeitig das Diskriminierungsverbot (Art 3 Abs. 3 S 1 GG), also das Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig vom Geschlecht verletzt (BVerfG v. 02.11.2020 - 1 BvR 2727/19 -).

Mit den Bemerkungen wie "kommen Sie nach der Entbindung mal ins Büro, damit ich sehen kann, wie groß Ihre Brüste dann sind; Knackarsch; super Figur; Entenarsch; gute Figur dafür, dass sie Kinder hat; ist die schwanger?; sportliche Figur; schöne Beine; tolle Brüste; hübsche Frau, aber ungeschminkt möchte ich nicht neben der aufwachen; die Abteilungsleiterin ist eine dumme Fotze" etc. verletzt der Erklärende die Menschenwürde der so Adressierten indem er sie auf ein Objekt reduziert. Er kann sich zur Rechtfertigung solcher Äußerungen daher nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, insbesondere nicht gegenüber ihm hierarchisch nachgeordneten Mitarbeiterinnen.

III. Nach allem war die klagestattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Als unterliegende Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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