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Beschluss vom 06.06.2023 · IWW-Abrufnummer 237201

Landesarbeitsgericht München - Aktenzeichen 3 Ta 59/23

1. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 Abs. 1 RVG.

2. Die Entscheidung des Erstgerichts ist durch das Beschwerdegericht nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern das Beschwerdegericht trifft eine eigene, unabhängige Ermessensentscheidung.

3. Die seit dem 01.06.2023 zuständige Kammer des LAG München für Beschwerden nach § 33 RVG und § 68 GKG folgt bei bestimmten typischen Fallkonstellationen im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit regelmäßig den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018.

4. Wird einem in der Klageschrift als Weiterbeschäftigungsantrag formulierten Antrag die Passage "Sollte die beklagte Partei im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die klägerische Partei weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag:" vorangestellt, ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Antrag nur angedroht, aber nicht rechtshängig gemacht werden soll, so dass für ihn mangels Rechtshängigkeit keine Wertfestsetzung erfolgt.

5. Die vergleichsweise Regelung über bezahlte Freistellung bis zum Kündigungstermin führt nicht zur Erhöhung des Vergleichswertes, wenn zwischen den Parteien ein Beschäftigungsanspruch streitig war, der ebenfalls durch den Vergleich erledigt worden ist. Die Regelung.

6. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann.

7. Streiten die Parteien zugleich über ein Zwischen- und ein Endzeugnis bzw. wird in einem Prozessvergleich zu beiden Zeugnisvarianten eine inhaltlich korrespondierende Regelung vereinbart, ist der Gegenstandswert nach dem kostenrechtlichen Streitgegenstandsbegriff regelmäßig auf insgesamt ein Monatseinkommen festzusetzen. Der gesamte Zeugniskomplex bzw. beide Zeugnisvarianten betreffen bei wirtschaftlicher Betrachtung ein einheitliches Interesse. Die Vereinbarung einer Bedauerns-, Dankes- und Wünscheformel rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie nur unwesentlich zur Erreichung des Zeugniszwecks beiträgt.

8. Der in einem Bestandsstreit hilfsweise gestellte Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist nur dann bei der Gegenstandswertfestsetzung nach § 45 Abs. 4 iVm. Abs. 1 S. 2 GKG zu berücksichtigen, wenn ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde und dieser Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist.

9. Bei Beschwerden gem. § 33 Abs. 3 RVG gegen die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist auch eine Verschlechterung (reformatio in peius) möglich.


Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägervertreters und unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 09.02.2023 - 25 Ca 7367/22 - teilweise abgeändert und der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich auf 132.243,87 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers begehrt im Beschwerdeverfahren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts des Verfahrens und Vergleichs zur Berechnung seiner Anwaltsgebühren.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2009 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom ... i.d.F. der Änderungsvereinbarungen vom ... und ... beschäftigt (Anlage K1 = Bl. 8 ff. d. A.). Danach erhielt er seit dem 01.04.2021 ein Monatsgehalt i.H.v. 7.441,00 € (vgl. Urteil des ArbG München vom 26.04.2022 - 25 Ca 7143/21 - S. 6 = Bl. 36 d.A.), ein zusätzliches Einmalentgelt i.H.v. 1,45 Bruttomonatsentgelten (Bl. 11 d. A.) und einen Bonus, der jährlich nach Feststellung der Zielerreichung mit der nächsten Entgeltabrechnung ausgezahlt wurde (Bl. 11 d. A.). 2021 lag der Bonusanspruch des Klägers bei 100% Zielerreichung bei 8.929,20 (vgl. Email vom 10.05.2022 = Anlage K6 = Bl. 86 d. A.).

3

Mit Schreiben vom 21.01.2021 (Bl. 217 d. A.) wurde der Kläger zum 01.02.2021 unter Fortzahlung der Bezüge widerruflich freigestellt. Unter dem 04.02.2021 und 06.04.2022 erteilte die Beklagte dem Kläger Zwischenzeugnisse.

4

Mit seiner am 05.08.2021 bei Arbeitsgericht München zum Az. 25 Ca 7143/21 eingegangenen Klage hat der Kläger u. a. die vertragsgemäße Beschäftigung und die Berichtigung des Zwischenzeugnisses vom 04.02.2021 verlangt. Durch Urteil vom 26.04.2022 - 25 Ca 7143/21 - hat das Arbeitsgericht München die Beklagte in Ziffer 1 verurteilt, den Kläger als Z. gem. den Arbeitsverträgen vom ..., ... und ... zu beschäftigen. Den Antrag auf Zwischenzeugnisberichtigung hat es neben anderen Anträgen abgewiesen. Gegen dieses Urteil (vgl. Anlage K5 = Bl. 31 ff. d. A.) haben beide Parteien Berufung vor dem Landesarbeitsgericht München zum Aktenzeichen 5 Sa 274/22 eingelegt. Die Beklagte hat Im Juni 2022 vor dem Arbeitsgericht München - 3 Ca 5394/22 - in Bezug auf ihre Verurteilung auf Beschäftigung eine Vollstreckungsabwehrklage und Anträge auf vorläufigen Rechtschutz rechtshängig gemacht.

5

Nach Anhörung des Betriebsrats, der der beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung widersprach, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.08.2022 ordentlich zum 28.02.2023, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin (vgl. Anlage K2 = Bl. 23 ff. d. A.). Gleichzeitig stellte sie den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Anrechnung auf noch offenen und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch entstehenden Urlaubs und sonstiger Ansprüche auf bezahlte Freistellung frei. Des Weiteren kündigte sie an, dass der Kläger seine Arbeitspapiere wie Lohnsteuerkarte, Arbeitszeugnis und Urlaubsbescheinigung mit der letzten Entgeltabrechnung erhalten sollte.

6

Hiergegen hat der Kläger am 23.08.2022 Kündigungsschutzklage (Ziff. I.) erhoben und neben dem allgemeinen Feststellungsantrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (Ziff. II.) die Verurteilung der Beklagten auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses (Ziff. III.) und auf Zahlung weiteren Bonus für 2021 i.H.v. 5.174,00 € brutto (Ziff. IV.) begehrt. Hinsichtlich der Weiterbeschäftigung heißt es in der Klageschrift:

"Sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichtes erklären, dass sie den Kläger weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag:

VI. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger (für den Fall des Obsiegens mit dem Fest stellungsantrag zu Ziffer I) als Program Manager Product Management (hilfsweise ergänzend: oder mit einer anderen vergleichbaren Tätigkeit) gemäß den Arbeitsverträgen vom 03.12.2008, 21.12.2011 sowie 13.02.2013 und der Versetzung vom 11.10.2019 (Anlagenkonvolut K1) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen."

7

Mit Schriftsätzen vom 09.11.2022 unterbreiteten die Parteien dem Arbeitsgericht München einen schriftlichen Vergleichsvorschlag. Das Arbeitsgericht München äußerte Bedenken hinsichtlich der Bedingung, wonach der Vergleich nur wirksam werden sollte, wenn die Beklagte die Bruttogrundgehälter für November und Dezember 2022 sowie die in Nrn. 2 und 3 genannten sonstigen Bruttoleistungen tatsächlich im Jahr 2022 an den Kläger auszahle. Daraufhin verständigten sich die Parteien auf einen außergerichtlichen Vergleich, der diese Bedingung enthielt. Nach Eintritt der Wirksamkeitsbedingung sollte eine gerichtliche Protokollierung der Nummern 1 bis 16 im Kündigungsrechtsstreit vorgenommen und festgestellt werden, welche Forderungen von der Beklagten bereits beglichen worden seien (Bl. 146 ff. d. A.). Die Beklagte leistete die vereinbarten Zahlungen spätestens mit dem Gehaltslauf Dezember 2022.

8

Nach Unterbreitung eines schriftlichen Vergleichsvorschlags durch die Parteien hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 19.01.2023 - 25 Ca 7367/22 - einen gerichtlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt (Bl. 184 ff. d. A.). Er enthielt u.a. folgende Regelungen:

"1. "Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigung der Beklagten vom 08. August 2022 wegen Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers zum Ablauf des 28. Februar 2023 ("Beendigungstermin").

2. ...

3. Das Arbeitsverhältnis wird von der Beklagten bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet und an den Kläger ausbezahlt. Dies beinhaltet insbesondere die Bruttogrundvergütung in Höhe von derzeit € 7.441,00, die jeweils zum Monatsende fällig ist, sowie die folgenden sonstigen Leistungen:

- Bonus 2022: EUR 8.929,20 brutto;

- Bonus 2023: EUR 4.464,60 brutto;

- Einmalentgelt 2022: EUR 10.789,45 brutto;

- Einmalentgelt 2023: EUR 5.394,73 brutto;

- Inflationsausgleichsprämie: EUR 3.000,00 netto.

Diese sonstigen Leistungen werden, teilweise abweichend von den Fälligkeitsbestimmungen in den einschlägigen kollektivvertraglichen Regelungen nach Abzug von Steuern und Abgaben bereits mit dem regelmäßigen Abrechnungslauf für den Monat November 2022, frühestens jedoch vierzehn Kalendertage nach dem Zustandekommen dieses Vergleichs, ausbezahlt und - zur Vermeidung von Doppelansprüchen - auf etwaige Ansprüche auf Boni bzw. Sonderentgelte aus kollektivvertraglichen Vereinbarungen angerechnet. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die sonstigen Leistungen erst im Jahr 2023 an den Kläger auszubezahlen.

Neben den in dieser Nr. 3 genannten Leistungen stehen dem Kläger bis zum Beendigungstermin keine weiteren Ansprüche auf Vergütung mehr zu.

4. Der Kläger wird bis zum Beendigungstermin unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Etwaige bereits entstandene und bis zum Beendigungstermin noch entstehende Ansprüche des Klägers auf Urlaub und sonstige bezahlte Freistellung werden auf die Freistellung angerechnet und gelten damit als zum nächstmöglichen Zeitpunkt in natura gewährt und genommen. Die Freistellung wird jeweils zum nächstmöglichen Zeitpunkt zunächst auf etwaige gesetzliche Urlaubsansprüche, und anschließend auf etwaige tarifvertragliche Urlaubsansprüche, sodann auf etwaige vertragliche Urlaubsansprüche und zuletzt auf etwaige sonstige Ansprüche auf bezahlte Freistellung angerechnet. Zum Beendigungstermin bestehen damit keinerlei Ansprüche des Klägers auf Urlaub oder sonstige bezahlte Freistellung oder einen finanziellen Ausgleich mehr. Das Verbot der Tätigkeit für einen Wettbewerber bis zum Beendigungstermin bleibt von der Freistellung unberührt; das gleiche gilt für die Möglichkeit der Anrechnung anderweitigen oder unterlassenen Zwischenverdienstes nach Maßgabe von § 615 Satz 2BGB sowie die Pflicht zur Einholung einer vorherigen Zustimmung bei Aufnahme einer Nebentätigkeit. Der Kläger bleibt bis zum Beendigungstermin verpflichtet, seinen Anzeige- und Nachweispflichten gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz gegenüber der Beklagten nachzukommen.

5. ...

6. ...

7. Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem Datum des 30. September 2022 auf dem Briefkopf der Beklagten mit den Unterschriften des Director Pricing & Product Herrn Y. (nicht in Vertretung) und des Head of HR Service Centers Germany Herr X.. ein sehr gutes wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis mit den Gesamtnoten "sehr gut" für die Leistung und das Verhalten und die Führung des Klägers und einer entsprechenden sehr guten Schlussklausel. Der Kläger ist berechtigt, einen Formulierungsvorschlag für das Zwischenzeugnis bei der Beklagten vorzulegen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Das Zwischenzeugnis wird spätestens binnen zwei Wochen nach Zugang des Formulierungsvorschlags bei der Beklagten zu Händen des Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt.

8. Die Beklagte erteilt dem Kläger zudem unter dem Datum des 28. Februar 2023 auf dem Briefkopf der Beklagten mit den Unterschriften des Director Pricing & Product Herrn Y. (nicht in Vertretung) und des Head of HR Service Centers Germany Herr X. ein sehr gutes wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis mit den Gesamtnoten "sehr gut" für die Leistung und das Verhalten und die Führung des Klägers und einer sehr guten üblichen dreigliedrigen Abschlussformel des Bedauerns, des Dankes und der guten Wünsche für die Zukunft entsprechenden Schlussklausel. Der Kläger ist berechtigt, einen Formulierungsvorschlag für das Zeugnis bei der Beklagten vorzulegen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Das Zeugnis wird zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und binnen zwei Wochen nach Zugang des Formulierungsvorschlags bei der Beklagten zu Händen des Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt.

9. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger sämtliche Arbeitspapiere, insbesondere die Sozialversicherungsnachweise für die Jahre 2022 und 2023 sowie die elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen für die Jahre 2022 und 2023 spätestens zum Beendigungstermin zu übersenden.

10. Die Beklagte verpflichtet sich, die Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III gemäß Ziffer 1 dieses Vergleichs zu erstellen und dem Kläger zum Beendigungstermin zu übersenden.

11. ...

12. Der Kläger wird alle ihm während seiner Tätigkeit bekannt gewordenen vertraulichen Angelegenheiten der Beklagten oder eines verbundenen Unternehmens im Sinne von § 15 AktG, vor allem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach den Bestimmungen des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes, auch über den Beendigungstermin hinaus strengstens geheim halten. Ergänzend gelten die nachwirkenden Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag.

Beide Parteien werden Dritten gegenüber Stillschweigen über den Inhalt dieses Vergleichs bewahren. Die Geheimhaltungspflichten gelten nicht, wenn und soweit der Kläger gesetzlich zur Auskunft verpflichtet ist oder die Auskunft aus steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Gründen gegenüber Behörden oder zur Wahrung von Rechtsansprüchen in außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahren erforderlich ist oder die Offenlegung für Zwecke der Rechtsberatung oder Vertretung des Klägers erforderlich ist.

13. ...

14. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit sowie der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht München mit Az. 25 Ca 5394/22 sowie das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht mit dem Az. 5 Sa 274/22 erledigt.

15. Der Kläger verpflichtet sich den Titel im Verfahren 25 Ca 7143/21 an die Beklagte herauszugeben und die Parteien sind sich darüber einig, dass das erstinstanzliche Endurteil vom 26.04.2022 in seiner Nr. 1 wirkungslos ist.

16. ...

17. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte folgende Zahlungen bereits im Kalenderjahr 2022 an den Kläger geleistet und somit die Ansprüche des Klägers aus diesem gerichtlichen Vergleich insoweit vollständig erfüllt hat:

- EUR 3.890,20 brutto als weiteren Bonus für das Kalenderjahr 2021

- EUR 8.929,00 brutto als Bonus für das Kalenderjahr 2022;

- EUR 10.789,45 als Einmalentgelt für das Kalenderjahr 2022;

- EUR 4.464,60 brutto als Bonus für das Kalenderjahr 2023;

- EUR 5.394,73 brutto als Einmalentgelt für das Kalenderjahr 2023;

- Inflationsausgleichsprämie: EUR 3.000,00 netto;

- Gehalt für November 2022 in Höhe von EUR 7.441,00 brutto;

- Gehalt für Dezember 2022 in Höhe von EUR 7.441,00 brutto."

9

Durch Beschluss vom 24.01.2023 hat das Landesarbeitsgericht München den Streitwert für das Berufungsverfahren zum Aktenzeichen 5 Sa 274/22 auf 54.396,43 € festgesetzt.

10

Auf Antrag des Klägervertreters, den Gegenstandswert für das Verfahren auf 50.594,80 € und für den Vergleichsmehrwert auf 169.780,40 € festzusetzen, hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 09.02.2023 den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 41.510,64 € und für den Vergleich auf 162.779,63 € festgesetzt. Für den Verfahrenswert hat es die Kündigungsschutzklage mit drei Gehältern und den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses mit einem Gehalt berücksichtigt, wobei es für das Gehalt 9.084,16 € zugrunde legte. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei unberücksichtigt geblieben, da er hilfsweise für den Fall des Obsiegens gestellt worden sei.

11

Der Vergleichswert sei wie folgt festgesetzt worden:

12

Der Wert des erledigten Verfahrens vor dem Arbeitsgericht München zum Aktenzeichen 25 Ca 5394/22 sei mit insgesamt zwei Bruttomonatsgehältern zu berücksichtigen. Für die Zwangsvollstreckungsgegenklage gegen die Weiterbeschäftigung sei ein Gehalt und für zwei Anträge auf einstweilige Einstellung je ein halbes Gehalt gemäß dem Vorschlag des Klägervertreters zugrunde zu legen.

13

Das Verfahren vor dem LAG München zum Aktenzeichen 5 Sa 274/22 sei gemäß dem Beschluss vom 24.01.2023 in Höhe von 54.369,43 € zu berücksichtigen.

14

Die Stillschweigeklausel in Ziff. 12 des Vergleiches werde mit einem halben Regelstreitwert, d.h. 2.500,00 €, bewertet, da der Inhalt als streitig bezeichnet worden sei.

15

Für den Streit über die Weiterbeschäftigung nach § 102 BetrVG werde ein Gehalt berücksichtigt.

16

Die Regelung des Endzeugnisses in Ziff. 8 des Vergleichs sei nicht werterhöhend. Es sei angemessen, für den Zeugniskomplex insgesamt ein Gehalt festzusetzen. Der Kläger habe die Erteilung eines Zwischenzeugnisses eingeklagt; insoweit sei die Erteilung des Zwischenzeugnisses und Endzeugnisses die Folge der Klage und nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Dies umfasse auch die einzelnen Zeugnisregelungen.

17

Die in Ziff. 9 und 10 geregelten Arbeitspapiere seien mit jeweils 10% eines Bruttomonatsgehaltes in Höhe von 9.084,16 € zu bewerten, so dass sich ein Wert von 5 mal 908,42 € ergebe.

18

Die Freistellung sei nicht werterhöhend, da ein Wert für die Beschäftigung in Ansatz gebracht worden sei. Der Kläger könne entweder weiterbeschäftigt oder freigestellt werden.

19

Ziff. 3 des Vergleiches sei in Höhe der titulierten Ansprüche, d.h. mit 32.577,98 € zu bewerten.

20

Gegen den ihm am 20.02.2023 zugestellten Beschluss hat der Klägervertreter am 23.02.2023 im eigenen Namen Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren auf 50.594,80 € und für den Vergleich auf insgesamt 201.158,35 € festzusetzen.

21

Für den Gegenstandswert des Verfahrens sei zusätzlich der Wert des Weiterbeschäftigungsanspruchs zu berücksichtigen. § 45 GKG, den das Arbeitsgericht zugrunde gelegt haben dürfte, fände vorliegend keine Anwendung. § 45 GKG betreffe nur den Streitwert (der Gerichtsgebühren), nicht den Tatbestand der Rechtsanwaltsgebühren; Rechtsanwaltsgebühren entstünden bereits mit der Antragstellung. Dies sei auch die Auffassung des LAG München (2 Ta 247/16). Darüber hinaus hätten die Parteien über die Weiterbeschäftigung nach möglichem Obsiegen gestritten; die Beklagte habe jegliche Weiterbeschäftigung abgelehnt.

22

Auch der Gegenstandswert für den Vergleich sei höher festzusetzen. Mit dem Vergleich sei der Streit über den Weiterbeschäftigungsanspruch, den der Kläger geltend gemacht habe, da er von der Unwirksamkeit der Kündigung ausgegangen sei, zwischen den Parteien beigelegt worden und müsse im Vergleichsmehrwert Berücksichtigung finden. Bei dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag handele es sich um einen anderen Anspruch als bei dem Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 BetrVG (LAG München - 2 Ta 305/09), den das Arbeitsgericht berücksichtigt habe. Beide Ansprüche unterschieden sich bereits zeitlich (Anspruch nach § 102 BetrVG: nach Ablauf der Kündigungsfrist; allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch: nach Obsiegen in erster Instanz).

23

Die Wertfestsetzung für die Verschwiegenheitsverpflichtung (Ziff. 12 des Vergleichs) mit % des Regelstreitwerts sei ohne Begründung nicht nachvollziehbar. Es habe Streit zwischen den Parteien über den Umfang der Verschwiegenheitspflicht des Klägers bestanden, der nach Auffassung des Klägers nur im Rahmen des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes bestehe. Da es dem Kläger um die zukünftige berufliche Verwertung seiner Kenntnisse gehe, sei sein Interesse gemäß § 3 ZPO mit einem Bruttomonatsgehalt zutreffend und angemessen bewertet.

24

Die Regelung zum Endzeugnis sei mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten. Die Erteilung eines Endzeugnisses sei mit der Klage nicht geltend gemacht worden. Auch liege ein eigener Streitgegenstand vor, wenn eine Einigung über den streitigen Inhalt eines Zeugnisses einschließlich der Schlussformel, die im Zwischenzeugnis nicht enthalten sei, erfolge (LAG München - 8 Ta 71/20 -). Wie der vorangegangene Rechtsstreit hinsichtlich des Zwischenzeugnisses zeige, seien Umfang der Tätigkeit und die Bewertungen des Klägers zwischen den Parteien streitig gewesen.

25

Für die Erstellung der Arbeitspapiere sei nach § 3 ZPO insgesamt ein Bruttomonatsgehalt anzusetzen. Es sei nicht nur die Erteilung der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III als solche, sondern auch ihr Inhalt gemäß Ziff. 1 des Vergleichs vereinbart worden.

26

Die Regelung in Ziff. 4 des Vergleichs - Freistellung mit Einbringung des gesamten Urlaubs - sei mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten. Soweit das Arbeitsgericht darauf verweise, für die Weiterbeschäftigung sei bereits ein Ansatz erfolgt, sei unklar, auf welche Weiterbeschäftigung sich das Gericht beziehe. Beim Vergleichsmehrwert habe bisher nur der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG Berücksichtigung gefunden. Bei der Freistellung sei es um die Weiterbeschäftigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegangen. Darüber hinaus hätten sich die Parteien auf die Einbringung des gesamten während der Freistellung gewährten Urlaubs geeinigt. Es habe ein erheblicher Urlaubsanspruch bestanden, da durch die widerrufliche Freistellung vom 21.01.2021 kein Urlaub aus 2021 und 2022 gewährt worden sei. Mit Ziff. 4 des Vergleichs habe der Kläger deshalb auf den ihm zustehenden, nicht unerheblichen Urlaubsanspruch verzichtet.

27

Durch Beschluss vom 23.02.2023 - 25 Ca 7367/22 - hat das Arbeitsgericht München der Beschwerde des Klägervertreters nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

28

Durch Beschluss vom 29.03.2023 wurden dem Klägervertreter Hinweise zur beabsichtigten Gegenstandswertfestsetzung durch das Beschwerdegericht gegeben und ihm und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.04.2023 eingeräumt. Eine Stellungnahme des Klägers ist nicht erfolgt. Im Rahmen seiner Stellungnahme hat der Klägervertreter das durchschnittliche Gehalt des Klägers nunmehr auf monatlich 9.983,28 € beziffert. Das Jahresgrundgehalt habe 89.292,00 €, das Einmalentgelt in Höhe von 1,45 Bruttomonatsgehältern 10.789,45 € und der jährliche Bonus bei 100%-iger Zielerreichung 19.718,00 € betragen. Das Jahresgehalt mit reinem Entgeltcharakter in Höhe von 119.799,45 € entspreche dem genannten durchschnittlichen Monatsgehalt.

29

Für den Vergleichsmehrwert sei nach der Rechtsprechung des LAG München - 7 Ta 55/17 - unter Abweichung vom Streitwertkatalog alles, was Regelungsgegenstand des Vergleichs sei, in einen Vergleich einzubeziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - 3 AZB 34/11 - könne ein gerichtlicher Vergleich nicht in streitige und unstreitige Gegenstände geteilt werden.

30

Bezüglich der Arbeitspapiere habe eine Ungewissheit bestanden, da sie im Vergleichsvorschlag der Beklagten trotz umfänglicher Abgeltungsklausel nicht enthalten gewesen seien. Darüber hinaus sei der Inhalt der Arbeitsbescheinigung streitig gewesen, insbesondere welcher Grund für die Kündigung gegeben sei. Die Parteien hätten sich darüber geeinigt, dass der Arbeitgeber eine Arbeitsbescheinigung aufgrund des Wegfalls des Arbeitsplatzes und der betriebsbedingten Kündigung ausstellen müsse, um eine Sperrzeit zu vermeiden.

31

Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG erhöhe den Wert des Vergleichs. Der Kläger habe diesen Anspruch geltend gemacht, wie aus der Klageschrift, Seite 6, ersichtlich, denn dort sei formuliert: "Darüber hinaus besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG". Da die Parteien die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart hätten, hätten sie sich auch über die Weiterbeschäftigung geeinigt.

32

Die in Ziff. 2 und 3 geregelten Zahlungen seien Voraussetzung und Grundlage des gerichtlichen Vergleichs und deshalb auch Gegenstand der Streitigkeiten der Parteien gewesen. Diese Zahlungen hätten aus steuerlichen Gründen im Jahr 2022 bezahlt werden müssen.

33

Mit der Freistellungsregelung (Ziff. 4) sei ein Streit und eine Ungewissheit beigelegt worden. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass auch die Freistellung durch die Kündigung vom 08.08.2022 rechtswidrig gewesen sei. Dies sei mit dem Vergleich beigelegt worden. Hilfsweise beantragt der Kläger, den Gegenstandswert der Ziff. 4 für den streitigen Urlaub auf 20.605,84 € festzusetzen. Der Kläger habe für 2021 und 2022 einen Urlaubsanspruch von 60 Tagen gehabt, der wegen der nach seiner Auffassung rechtswidrigen Freistellung durch Kündigungsschreiben vom 08.08.2022 streitig gewesen sei. Ausgehend vom Grundgehalt errechne sich pro Tag ein Betrag in Höhe von 343,43 €.

34

Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch sei werterhöhend zu berücksichtigen, da § 45 GKG nicht auf den Gegenstandswert anwendbar sei. Danach käme es nicht darauf an, ob der Antrag hilfsweise oder nicht hilfsweise gestellt werde, da bereits die Stellung des Antrags Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sei. Jedenfalls müsse der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag im Rahmen des Vergleichs Berücksichtigung finden, wenn die Parteien darüber gestritten hätten, ob ein solcher bestehe oder nicht. Der Streit sei mit der Einigung auch beigelegt worden.

35

Für die Beschwerde über den Gegenstandswert gelte das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius).

36

Im Übrigen wird für das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

37

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Gegenstandswert für das Verfahren ist in zutreffender Höhe festgesetzt worden. Für den Vergleich war er auf 132.243,87 € herabzusetzen.

38

1. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft. Sie richtet sich gegen einen Beschluss nach § 33 Abs. 1 RVG.

39

a) Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegen stands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt.

40

b) Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob diese Voraussetzungen bei einem Wegfall der Gerichtsgebühren aufgrund der Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich (Vorbemerkung 8 zu Teil 8 der Anlage 1 zum GKG) vorliegen.

41

aa) Nach einer Auffassung kann von einem Fehlen eines für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts i.S.d. § 33 Abs. 1 RVG nur ausgegangen werden, wenn das Gerichtsverfahren nicht gebührenpflichtig ist, wie dies bei den gerichtsgebührenfreien Beschlussverfahren gem. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG und bei isolierten Prozesskostenhilfeverfahren der Fall ist. Denn § 32 Abs. 1 RVG begründe ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Gegenstandswert als der Berechnungsgrundlage anwaltlicher Vergütungsansprüche und der Höhe des vom Gericht für die Berechnung der Gerichtsgebühren festzusetzenden Streitwerts. Der zunächst nicht absehbare Wegfall oder eine von der Art der Verfahrenserledigung abhängige Minderung oder Nichterhebung von Gebühren ändere an der Gebührenpflichtigkeit des Gerichtsverfahrens und damit an der durch § 32 Abs. 1 RVG begründeten Bindung nichts (vgl. zuletzt LAG Hamm, Beschluss vom 27.01.2023 - 8 Ta 232/22 - Rn. 8; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.2012 - 1 Ta 104/12 - unter II. der Gründe; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.01.2016 - 5 Ta 93/15 - Rn. 7; LAG Düsseldorf, Beschl. vom 19.03.2018 - 4 Ta 466/17 - Rn. 4; LAG Nürnberg, Beschluss vom 09.04.2021 - 2 Ta 31/21 - Rn. 7).

42

Da in einem Kündigungsrechtsstreit wie dem Vorliegenden anders als im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren i.S.d. §§ 80 ff. ArbGG (§ 2 Abs. 2 GKG) grundsätzlich Gerichtsgebühren ausgelöst werden, ist es für diese Auffassung streitwertrechtlich nicht relevant, ob und inwieweit diese infolge des später geschlossenen Prozessvergleichs nicht erhoben werden.

43

bb) Nach anderer Auffassung ist im Falle des nachträglichen Entfalls der Gerichtsgebühren die Gegenstandswertfestsetzung nach § 33 RVG vorzunehmen. Die Wertfestsetzung nach § 63 GKG diene vor allem dem Zweck, die Höhe der Gerichtsgebühren zu bestimmen. Seien Gerichtsgebühren nicht (mehr) zu erheben, fehle ein Anlass für diese Wertfestsetzung. Dem Interesse des Rechtsanwalts, seine Gebühren berechnen zu können, werde durch die sachnähere Wertfestsetzung nach § 33 RVG ausreichend Rechnung getragen. Die Bindung der Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG für die anwaltliche Vergütung (§ 32 Abs. 1 RVG) stehe dem nicht entgegen. Das Streitwertfestsetzungsverfahren nach § 63 GKG erfolge "für die Gerichtsgebühren" und sei bei einem Wegfall der Gerichtsgebühren ohne Gegenstand (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. 07.2017 - 17 Ta (Kost) 6030/17 - Rn. 6; vom 19.06.2019 - 26 Ta (Kost) 6052/19 - Rn. 5; LAG Hamburg, Beschluss vom 09.11.2015 - 6 Ta 22/15 - Rn. 10; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.11.2020 - 8 Ta 75/20 - Rn. 22; LAG Nürnberg, Beschluss vom 21. 06. 2013 - 7 Ta 41/13 - unter II. der Gründe; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.12.2011 - 6 Ta 198/11 - Rn. unter II. 1. b der Gründe; LAG Hamburg, Beschluss vom 09.11.2015 - 6 Ta 22/15 - unter II. 2) a) der Gründe; LAG Hessen, Beschluss vom 25.02.2011 - 1 Ta 483/10 -; vom 21.01.1999 - 15/6 Ta 630/98 -; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.03.2004 - 11 Ta 35/04 - unter II. 2) a) der Gründe; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 - 4 Ta 172/13 (2) - unter II. der Gründe).

44

cc) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer folgt der letztgenannten Auffassung.

45

Die in § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG verwandte Formulierung "oder es fehlt an einem solchen Wert" umfasst nach ihrem Wortsinn nicht lediglich Fälle, in denen nach den Verfahrensvorschriften schon keine Gerichtsgebühr anfällt, sondern auch Fälle, in denen eine Gerichtsgebühr aufgrund der Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich (oder in den Fällen der Nr. 8210 Abs. 2 KV GKG) nachträglich entfällt. Auch dann "fehlt" es an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert, weil Gerichtsgebühren nicht zu erheben sind und eine "Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren" - so die Überschrift des § 63 GKG - seitens des Gerichts (§ 63 Abs. 2 S. 2 GKG) nicht erfolgt (so LAG Nürnberg, Beschluss vom 21. 06. 2013 - 7 Ta 41/13 - unter II. der Gründe; vgl. auch LAG SachsenAnhalt, Beschluss vom 15.03.2004 - 11 Ta 35/04 - unter II. 2) der Gründe für die Vorgängerregelung (§ 10 Abs. 1 BRAGO)). Die Gegenmeinung liest deshalb das Wort "überhaupt" in § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG hinein, um zu begründen, dass § 33 RVG nur dann Anwendung findet, wenn das gerichtliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist (vgl. etwa Potthoff in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015, § 33 RVG Rn. 1: oder wenn es an einem Wert für die Gerichtsgebühren überhaupt fehlt."). Eine solche Gesetzesinterpretation widerspräche indessen dem Willen des Gesetzgebers. Denn in der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 25 Abs. 2 GKG mit Wirkung zum 01.01.1997 heißt es zur Vorgängerregelung des § 33 RVG: "Soweit nur für Anwaltsgebühren eine Festsetzung erforderlich ist, erfolgt sie nach § 10 BRAGO auf Antrag" (vgl. BT-Dr 13/3993, S. 15, zitiert nach LAG Hessen, Beschluss vom 21.01.1999 - 15/6 Ta 630/98 -; ebenso LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.03.2004 - 11 Ta 35/04 - unter II. 2) der Gründe); zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts auf das arbeitsgerichtliche Verfahren vgl. Natter NZA 2004, 686, 689). Schließlich ist nach der Überschrift des § 33 RVG Gegenstand der Norm die "Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren". Nur um diese geht es bei Wegfall der Gerichtsgebühren bei vergleichsweiser Regelung des Rechtsstreits bzw. den Fällen der Nr. 8210 Abs. 2 KV GKG, weil Gerichtsgebühren nicht (mehr) erhoben werden.

46

Der hier vertretenen Auslegung steht § 32 Abs. 1 RVG nicht entgegen, der hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren die Grundregel aufstellt, dass sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach der Höhe des Streitwertes für die Gerichtsgebühren richtet. Denn auch diese Norm setzt nach ihrem Wortlaut im ersten Halbsatz voraus, dass der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert gerichtlich festgesetzt wird; (nur) in diesem Fall ist die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (2. HS) (vgl. auch BAG, Beschluss vom 30.11.1984 - 2 AZN 572/82 (B) unter B. I. 1. der Gründe zur Vorgängerregelung: "Soweit ein für die Gerichtsgebühren maßgeblicher Wert vorhanden ist und sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach diesem richten, kann der Rechtsanwalt nach § 25 GKG i.V. mit § 9 Abs. 2 BRAGO aus eigenem Recht beantragen, den für die Gerichtsgebühren und damit gem. § 9 Abs. 1 BRAGO auch für seine Gebühren maßgeblichen Wert des Streitgegenstandes gerichtlich festzusetzen."). Wie die Überschrift des § 32 RVG im Übrigen verdeutlicht, bezieht sich seine Regelung auf die "Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren", zu der es aber wegen Wegfalls der Gebühr bei vergleichsweiser Erledigung des Rechtsstreits gerade nicht mehr kommt.

47

Schließlich spricht für die Anwendbarkeit des § 33 RVG in Fällen, in denen im Zeitpunkt der Wertfestsetzung keine Gerichtsgebühren zu erheben sind, der Sinn und Zweck der Regelung. § 33 RVG soll es auf einfache und praktikable Weise ermöglichen, den Wert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren festzusetzen (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVGKommentar, 25. Auflage 2021, § 33 RVG Rn. 3). Dazu wirkt der Wertfestsetzungsbeschluss nach § 33 Abs. 1 RVG regelmäßig nur für und gegen den antragstellenden Rechtsanwalt und die von ihm vertretene Partei. Dementsprechend sind nur diese beiden im Wertfestsetzungsverfahren zu beteiligen und insbesondere anzuhören. Nur sie sind berechtigt, Beschwerde gem. § 33 Abs. 3 RVG mit der lediglich zweiwöchige Beschwerdefrist einzulegen (vgl. Mayer a.a.O., § 33 RVG Rn. 3, 11 und 13). Es wäre sinn- und zweckwidrig, sie auf das Wertfestsetzungsverfahren nach § 32 Abs. 1 RVG i. V. m. § 63 Abs. 2 GKG zu verweisen. Denn das Verfahren nach § 63 GKG dient dazu, zur Entlastung des Kostenbeamten die verbindliche Grundlage für die Berechnung der Gerichtsgebühren zu schaffen (vgl. LAG Hessen, Beschluss vom 21.01.1999 - 15/6 630/98 -). Ein Beschluss nach § 63 Abs. 2 GKG wirkt deshalb für und gegen alle am Gerichtsverfahren Beteiligten einschließlich des Bezirksrevisors als Vertreter der Landeskasse (vgl. etwa Müller in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2022, §§ 32, 33 RVG Rn. 5), die folglich zu beteiligen und insbesondere anzuhören sind. Darüber hinaus unterliegt der Streitwertbeschluss nach § 63 Abs. 2 GKG dem Beschwerderecht aus § 68 Abs. 1 GKG aller Beteiligten und einer sechsmonatigen Beschwerdefrist (§ 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG). Das Verfahren nach § 63 GKG ist folglich aufwändiger, kostenintensiver und langwieriger, um eine Wertfestsetzung zu treffen, die regelmäßig nur für die Partei und ihrem Prozessbevollmächtigen von gebührenrechtlicher Relevanz ist. Darüber hinaus fehlt es an Gründen dafür, dass die Wertfestsetzung, die ausschließlich zum Zwecke der Berechnung der Anwaltsgebühren erfolgt, nachträglich von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 GKG abgeändert werden kann. Dies liegt weder im Interesse des antragstellenden Rechtsanwalts noch seiner Partei noch in dem des Gerichts. Ebenso wenig ist verständlich, dass das Beschwerdeverfahren nach § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei wäre, obwohl es allein im Interesse der Partei und ihres Prozessbevollmächtigen durchgeführt wird (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.12.2011 - 6 Ta 198/11 - Rn. unter II. 1. b der Gründe; LAG Hessen, Beschluss vom 21.01.1999 - 15/6 Ta 630/98 -; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.03.2004 - 11 Ta 35/04 - unter II. 2) a) der Gründe).

48

2. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 und S. 3 RVG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,00 € ohne Weiteres. Die zweiwöchige Beschwerdefrist ist gewahrt. Nach Zustellung des streitgegenständlichen Beschlusses am 20.02.2023 hat der Prozessbevollmächtigte seine Beschwerde am 23.02.2023 beim Arbeitsgericht München eingelegt und begründet.

49

3. Die Beschwerde aber unbegründet. Der Gegenstandswert für das Verfahren ist mit 41.510,80 € zutreffend festgesetzt worden. Er war für den Vergleich auf 132.243,87 € herabzusetzen.

50

a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat.

51

Eine solche nur eingeschränkte Überprüfbarkeit des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses ist der Regelung des § 33 RVG nicht zu entnehmen (vgl. TZA-Paschke, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, 2012, 1 B Rn. 290). Zudem ist das Beschwerdegericht auch in Streitwertsachen eine zweite Tatsacheninstanz, weshalb das Rechtsmittel auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden kann (§ 571 Abs. 2 ZPO), die bei der Festsetzung des Gegenstandswerts zu berücksichtigen sind (vgl. GK-ArbG/Schleusener, Nov. 2020, § 12 ArbGG Rn. 372; Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG § 33 Rn. 17; Riedel/Sußbauer RVG/Potthoff, 10. Aufl. 2015, RVG § 33 Rn. 74; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 33 Rn. 25; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2019 - 26 (Kost) 6016/19 - Rn. 10).

52

b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018 (im Folgenden: Streitwertkatalog 2018, abgedruckt in NZA 2018, 497 ff.; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2014 - 4 Ta 83/14 - Rn. 18 und Beschluss vom 29.07.2021 - 2 Ta 72/21 - Rn. 9; LAG Hessen, Beschluss vom 04.12.2015 - 1 Ta 280/15 - Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2016 - 5 Ta 264/15 - Rn. 4; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2016 - 5 Ta 7/16 - Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 - 4 Ta 172/13 (2) unter II. 1 der Gründe^ LAG Hamm Beschluss vom 26.10.2022 - 8 Ta 198/22 - Rn. 11). Dabei wird nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist.

53

c) Der Gegenstandswert für das Verfahren hat das Arbeitsgericht zu Recht auf 41.510,80 € festgesetzt.

54

aa) Der Kündigungsschutzantrag ist mit drei durchschnittlichen Bruttomonatsvergütungen des Klägers zu bewerten, d.h. i. H. v. 27.252,60 € (Ziff. I. 20 des Streitwertkatalogs 2018).

55

(1) Dabei berechnet sich die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung nach dem arbeitsleistungsbezogenen Entgelt des auf den Beendigungstermin folgenden Vierteljahreszeitraums. Jahres- und sonstige Leistungen werden unabhängig vom Ausgangszeitpunkt berücksichtigt, wenn sie auch Entgeltcharakter haben (vgl. ... zu Ziff. I. 20 Streitwertkatalog 2018).

56

(2) Bezgl. der zum 28.02.2023 wirkenden Kündigung waren für den Kündigungsschutzantrag drei durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen von je 9.084,20 € zu berücksichtigen. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung i. H. v. 9.084,20 € errechnet sich als ein Zwölftel des Jahresfestgehalts von 89.292,00 € (12 x 7.441,00 €), der Einmalzahlung i. H. v. 10.789,45 € (1,45 eines Monatsgehalts von 7.441,00 €) und des Jahresbonus i. H. v. 8.929,99 €. Soweit der Klägervertreter erstmals im Beschwerdeverfahren für den Bonusanspruch 2023 einen Wert von 19.718,00 € angibt, hat er dies nicht begründet. Noch in der Klageschrift ist auch er von einem Jahresgehalt von 109.010,00 € und einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 9.084,16 € ausgegangen.

57

bb) Der allgemeine Feststellungsantrag, der im Anschluss an den Kündigungsschutzantrag gestellt ist, ist nicht zusätzlich zu bewerten (Ziff. I. 17.2 des Streitwertkatalogs 2018).

58

cc) Der Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses war mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt i.H.v. 9.084,20 € zu berücksichtigen. (Ziff. I.29.3 Streitwertkatalog 2018).

59

dd) Der Zahlungsantrag ist in der Höhe des eingeklagten Betrags von 5.174,00 € zu bemessen.

60

ee) Für den in der Klageschrift formulierten Antrag auf Weiterbeschäftigung ist kein Wert zu berücksichtigen, weil er nicht rechtshängig geworden ist.

61

Wird einem in der Klageschrift als Weiterbeschäftigungsantrag formulierten Antrag die Passage "Sollte die beklagte Partei im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die klägerische Partei weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag:" vorangestellt, ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Antrag nur angedroht, aber nicht rechtshängig gemacht werden soll (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2011 - 5 Ta 1/11 - unter II. 3. b) der Gründe; GK-ArbGG/Schleusener, Stand Nov. 2020 § 12 ArbGG Rn. 226a; Hamacher in: Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2019, I. Systematische Einleitung Rn. 131; Altenburg in: Münchner Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, Hrsg. Moll, 5. Auflage 2021, § 3 Rn.

62

(116) Dies folgt aus der Auslegung des Antrags. Nach den für Prozesserklärungen geltenden Grundsätzen ist analog § 133 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände - gegebenenfalls in einer Gesamtbetrachtung mehrerer gleichzeitiger Erklärungen - zu ermitteln. Die Prozesspartei darf nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden. Vielmehr sind Prozesserklärungen im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus der Sicht der Prozessparteien nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Daneben sind aber auch die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urt. v. 15. 5. 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 16).

63

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist ein Weiterbeschäftigungsantrag nicht rechtshängig geworden. Ein solcher Antrag wäre vom Wortlaut her unzulässig, weil der Eintritt der Bedingung nicht von einer Entscheidung des Gerichts, sondern vom Verhalten des Gegners abhinge (vgl. Hamacher in: Hamacher, a.a.O.; BAG, Urteil vom 08.04.1988 - 2 AZR 777/87 - unter 2 a) der Gründe zur Formulierung eines zulässigen "uneigentlichen" Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung). Darüber hinaus bliebe offen, wie bei einem schriftlichen Anerkenntnis vor dem Gütetermin zu entscheiden wäre (vgl. Hamacher in: Hamacher, a.a.O.). Zweifel der Zulässigkeit können sich auch hinsichtlich seiner Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ergeben (hierzu LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2011 - 5 Ta 1/11 - unter II. 3. b) der Gründe). Es ist aber nicht anzunehmen, dass der anwaltlich vertretene Kläger einen unzulässigen Antrag zu stellen beabsichtigte. Der Antrag ist deshalb dahingehend auszulegen, dass er nur angedroht, aber nicht rechtshängig gemacht werden sollte.

64

Über die Formulierung in der Klageschrift hinaus ist ein Weiterbeschäftigungsantrag nicht gestellt worden.

65

Ist das Weiterbeschäftigungsbegehren nicht rechtshängig geworden, kommt es auf die weiteren Gründe, die der Klägervertreter für dessen Bewertung angeführt hat, nicht an.

66

c) Der Gegenstandswert für den Vergleich war auf 90.733,23 € festzusetzen. aa) Eine Einigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit fällt gem. Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages an, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dem tragen die Regelungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs 2018 Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert anfällt, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

67

Der Wert des Vergleichs bestimmt sich daher allein danach, worüber - und nicht worauf - sich die Parteien verglichen haben (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auf. 2021, § 3 ZPO Rn. 230). Einer etwa entgegenstehenden Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München (Beschluss vom 09.02.2018 - 7 Ta 55/17 -) schließt sich die nunmehr zuständige Beschwerdekammer nicht an. Die Entscheidung des BAG im Beschluss vom 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - betraf nicht die Bewertung einzelner Regelungen eines Vergleichs nach § 33 RVG, sondern die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine vom Gericht protokollierte Vereinbarung einen Vergleich i.S.d. § 779 BGB darstellt.

68

bb) Die mit der Beschwerde angegriffenen Regelungen sind wie folgt zu bewerten:

69

(1) Die in Ziff. 3 des Vergleichs aufgeführten Leistungen sind nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des gerichtlichen Vergleichsabschlusses am 19.01.2023 waren diese nicht mehr zwischen den Parteien streitig; es bestand über sie auch keine Ungewissheit. Die Beklagte hatte sie unstreitig bereits 2022 an den Kläger geleistet und damit - aus steuerlichen Gründen - seine diesbezüglichen Ansprüche aus dem außergerichtlichen Vergleich erfüllt. Hiermit übereinstimmend hatten die Parteien außergerichtlich vereinbart, dass im gerichtlichen Vergleich festzustellen sei, welche Forderungen von der Beklagten bereits beglichen worden seien. Eine Zahlungspflicht der Beklagten wurde durch den gerichtlichen Vergleich vom 19.01.2023 gerade nicht begründet. Eine bloß deklaratorische Erwähnung von Rechtsbeziehungen wirkt nicht werterhöhend (OLG Köln Beschluss vom 06.06.2016 - 19 W 9/16 - Rn. 3).

70

(2) Die in Ziff. 4 des Vergleichs vereinbarte unwiderrufliche Freistellung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung unter Anrechnung von Urlaub und sonstigen Ansprüche auf bezahlte Freistellung ist wertmäßig nicht zu berücksichtigen.

71

Die Regelung über die bezahlte Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses führt vorliegend schon deshalb nicht zur Erhöhung des Vergleichswertes um ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt, weil das in Ziff. 14 des Vergleichs erledigte Berufungsverfahren vor dem LAG München zum Az. 5 Sa 274/22 einen Beschäftigungsantrag umfasste (so auch der Klägervertreter im Schriftsatz vom 25.01.2023, S. 2 = Bl. 192 d. A.) und dessen Wert in Höhe eines durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts auf die Freistellungsregelung anzurechnen ist, Ziffer I.25.1.4 Streitwertkatalog 2018. Denn die Regelung über die Freistellung ist nur das kontradiktorische Gegenteil des Beschäftigungsanspruchs und damit kostenrechtlich ein Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 GKG analog (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.09.2021 - 2 Ta 89/21 - Rn. 16). Mit der Regelung über die Freistellung liegt zugleich eine Regelung darüber vor, ob und in welchem Umfang während der restlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses noch eine Weiterbeschäftigung stattfinden soll (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 10.11.2015 - 11 Ta 336/15 - Rn. 5).

72

Die in Ziff. 4 des Vergleichs vereinbarte Urlaubsanrechnung vermag ebenfalls keine Werterhöhung zu begründen. Der Klägervertreter hat nicht ausreichend dargelegt, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über den Urlaubsanspruch des Klägers für die Jahre 2021 und 2022 bestand. Hierzu hat er zuletzt lediglich behauptet, die unwiderrufliche Freistellung im Kündigungsschreiben vom 08.08.2022 sei "nach Auffassung des Klägers" rechtswidrig gewesen, weshalb auch keine wirksame Gewährung des Urlaubs gegeben sei. Dies genügt nicht. Denn selbst wenn der Kläger dieser Auffassung gewesen sein sollte, fehlt es an einem Vortrag dazu, dass er die noch offenen Urlaubsansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht und streitig verhandelt hat. Auch im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG gilt der Beibringungsgrundsatz (vgl. Riedel/Sußbauer RVG/Potthoff, a.a.O., § 33 RVG Rn. 42). Auf einen angeblich streitigen Urlaubsanspruch hat sich der Klägervertreter zudem weder in seiner Antragsbegründung noch in seiner Beschwerdeschrift berufen.

73

(3) Die Regelung zu Ziff. 7 des Vergleichs über die Erteilung eines Zwischen- und Endzeugnisses mit "sehr guter" Leistungs- und Verhaltensbeurteilung begründet im vorliegenden Fall eine gesonderte Wertfestsetzung in Höhe einer Bruttomonatsvergütung.

74

(a) Typischerweise wird das Merkmal der "Ungewissheit" - insbesondere bei Vereinbarung eines Arbeitszeugnisses mit inhaltlichen Festlegungen zum Leistungs- und Führungsverhalten - in einem Rechtsstreit über eine auf Verhaltens- oder Leistungsmängel gestützte Kündigung gegeben sein; dies ist zusätzlich mit einem Monatsgehalt zu bewerten (vgl. Ziff. I. Nr. 25.1.3 i.V.m. I. Nr. 29.2 Streitwertkatalog 2018). Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit - wie hier - oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg (26. Kammer), Beschluss vom 08.04.2020 - 26 Ta (Kost) 6012/20 - Rn. 10; LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.09.2022 - 2 Ta 49/22 - Rn. 16; LAG Hamm, Beschluss vom 26.10.2022 - 8 Ta 198/22 - Rn. 20).

75

(b) Eine derartige Unsicherheit über den Inhalt des Zwischen- und Endzeugnisses ist im vorliegenden Fall gegeben: Zwar wurde dem Kläger mit Schreiben vom 08.08.2022 eine ordentliche betriebsbedingte und keine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen. Allerdings stritten die Parteien unabhängig vom Kündigungsschutzverfahren bereits über den Inhalt des Zwischenzeugnisses vom 04.02.2021: Durch Urteil vom 26.04.2022 - 25 Ca 7143/21 - hatte das Arbeitsgericht München den Antrag des Klägers auf Zwischenzeugnisberichtigung neben anderen Anträgen abgewiesen; hierüber war zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ein Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht München zum Aktenzeichen 5 Sa 274/22 anhängig. Die inhaltlichen Festlegungen für das neuerliche Zwischenzeugnis vermochten daher einen Streit der Parteien vermeiden.

76

(4) Die weitere Vereinbarung der Parteien auf Erteilung eines Endzeugnisses in Ziff. 8 des Vergleichs, führt nicht zu einer Erhöhung des Vergleichswertes, Ziff. I. Nr. 29.3 Streitwertkatalog 2018.

77

(a) Ziff. I. Nr. 29.3 Streifwertkatalog rechtfertigt sich aus dem kostenrechtlichen Streitgegenstandsbegriff der §§ 39 ff. GKG, der nicht mit dem allgemeinen zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff identisch ist. Ob und inwieweit eine Identität der Streitgegenstände i. S. d. Kostenrechts vorliegt, ist deshalb nicht allein nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff des Zivilprozessrechts, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei zeigt das Additionsprinzip des § 39 Abs. 1 GKG, dass einer Mehrheit von Streitgegenständen regelmäßig ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse innewohnt. Daran fehlt es, wenn die erhobenen Ansprüche wirtschaftlich betrachtet ganz oder teilweise identisch sind, womit der Grund dafür, die Parteien mit erhöhten Kosten und Gebühren zu belasten, entfällt (vgl. BAG, Beschluss vom 01.03.2022 - 9 AZB 38/21 - Rn. 8 ff.).

78

Wird - wie vorliegend - zugleich über ein Zwischen- und ein Endzeugnis gestritten bzw. wird zu beiden Zeugnisvarianten eine inhaltlich korrespondierende oder letztlich überhaupt nur eine Regelung getroffen, so betrifft der Gesamtkomplex das Zeugnisinteresse des Arbeitnehmers insgesamt nur einmal. Denn dann geht es im Kern um die Darstellung einer Tätigkeit und eine Beurteilung von Leistung und Führung in einem engen zeitlichen Zusammenhang. In diesem Fall ist für eine unterschiedliche bzw. abweichende Darstellung oder Beurteilung in beiden Varianten des Arbeitszeugnisses regelmäßig kein Raum, jedenfalls, wenn Anlass oder Notwendigkeit einer zwischenzeitlichen und gegebenenfalls abweichenden Neubeurteilung nicht erkennbar sind. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nach dem Interesse der klagenden Partei sind Zwischen- und Endzeugnis dann regelmäßig wertidentisch. Etwaige Begleitangaben begründen bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen in einem zusätzlichen Ansatz auszudrückenden wirtschaftlichen Mehrwert. (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 27.01.2023 - 8 Ta 232/22 - Rn. 13 f.; LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.06.2022 - 2 Ta 12/22 - Rn. 25; Beschluss vom 24.02.2020 - 5 Ta 12/20 - Rn. 10 ff.).

79

(b) Diese Voraussetzungen sind auch mit den Ziff. 7 und 8 des Vergleichs zu bejahen. Die Regelungen zum Inhalt von Zwischen- und Endzeugnis sind mit Ausnahme der Schlussformel einerseits und der Bedauerns-, Dankes- und Wünscheformel andererseits, die jedoch beide "sehr gut" sein sollten, identisch. Das Endzeugnis folgt im Abstand von nur vier bis sechs Wochen dem Zwischenzeugnis nach. Eine Neubeurteilung kam grundsätzlich wegen der bis zum Beendigungstermin vereinbarten Freistellung des Klägers nicht in Betracht. Mit der Erteilung des Zwischenzeugnisses im Januar 2023 stand deshalb auch der Inhalt des Endzeugnisses fest, womit dem Zeugnisinteresse des Klägers entsprochen war. Der Ersetzung der Schlussformel durch eine Bedauerns-, Dankes- und Wünscheformel, auf die ein Arbeitnehmer nach bekannter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen Anspruch hat, kam keine wertsteigernde Bedeutung zu. Sie trägt nur unwesentlich zur Erreichung des Zeugniszwecks bei (vgl. BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 18).

80

(5) Die Einigung auf die Ausstellung sämtlicher Arbeitspapiere (Ziff. 9 des Vergleichs) und auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung (Ziff. 10 des Vergleichs) waren nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Es ist nicht ersichtlich, dass hierüber ein Streit oder eine Ungewissheit bestand. Die Beklagte hatte bereits im Kündigungsschreiben vom 08.08.2022 mitgeteilt, die Abgangspapiere wie Lohnsteuerbescheinigung dem Kläger mit der letzten Entgeltabrechnung zukommen zu lassen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte von dieser Erklärung zu einem späteren Zeitpunkt abgerückt ist. Hierfür spricht auch nicht der Umstand, dass die Beklagte die Ausstellung der Arbeitspapiere in ihrem Vergleichsentwurf nicht aufgenommen hatte; dies kann sich auch darin erklären, dass es sich für sie dabei um eine Selbstverständlichkeit handelte. Zudem ist der Inhalt der Arbeitsbescheinigung entgegen der pauschalen Behauptung des Klägervertreters nicht streitig gewesen, da die Beklagte eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 28.02.2023 ausgesprochen hat. Eine etwaige Sperrzeit zu vermeiden stand deshalb von vornherein nicht im Raum.

81

(6) Für die in Ziff. 12 des Vergleichs geregelte Verschwiegenheitsverpflichtung war eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen. Gem. § 3 ZPO war das Interesse des Klägers an der Beschränkung seiner Verschwiegenheitsverpflichtung nach den Bestimmungen des GeschGehG zu bewerten (vgl. ArbG Aachen, Urteil vom 13.01.2022 - 8 Ca 1229/2086, das für den Rechtsmittelstreitwert das wirtschaftliche Interesse der dort klagenden Arbeitgeberin nach § 3 ZPO zugrunde legte). Das Interesse des Klägers bestimmt sich nach der Verwertung seiner Arbeitsleistung in einem neuen beruflichen Umfeld, so dass die Anknüpfung an eine mögliche Monatsvergütung wie bisher naheliegt.

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(7) Die in Ziff. 14 des Vergleichs getroffene Regelung zur Erledigung des Berufungsverfahrens vor dem LAG München zum Az. 5 Sa 274/22 ist gem. Beschluss der Kammer 5 vom 24.01.2023 mit 54.396,43 € zu berücksichtigen.

83

Die dort weiter getroffene Regelung zur Erledigung des Verfahrens vor dem ArbG München zum Az. 25 Ca 5394/22 ist in Höhe von zwei durchschnittlichen Bruttomonatsvergütungen zu bewerten.

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(8) Für einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch oder einen Weiterbeschäfti gungsanspruch nach § 102 BetrVG war kein Wert festzusetzen.

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(a) Nach Ziff. I Nr. 26 des Streitwertkatalogs 2018 ist für den unbedingt gestellten Wei terbeschäftigungsantrag inklusive des Anspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG eine Monatsvergütung festzusetzen. Kündigt ein Arbeitnehmer im Kündigungsrechtsstreit den Antrag an, den Arbeitgeber "für den Fall des Obsiegens" zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, liegt ein unechter oder uneigentlicher Hilfsantrag vor, für den Ziff. I.18 des Streitwertkatalogs 2018 bestimmt, dass § 45 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 GKG gilt. Diese Empfehlung folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 13.08.2014 - 2 AZR 871/12 Rn. 4) und verschiedener Landesarbeitsgerichte (vgl. u.a. LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.06.2022 - 2 Ta 12/22 - Rn. 16; LAG Niedersachsen 24.01.2020 - 8 Ta 13/20 - Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.01.2018 - 5 Ta 137/17 - Rn. 14 und die Nachw. weiterer landesarbeitsgerichtlicher Rechtsprechung bei GKArbGG/Schleusener, Nov. 2020 § 12 Rn. 171), nach der der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung streitwerterhöhend nur dann gem. § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigen ist, wenn über ihn entschieden worden ist oder die Parteien im Vergleich eine Vereinbarung treffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 S. 2 GKG vergleichbar ist (vgl. BAG, Beschluss vom 13.08.2014 - 2 AZR 871/12 - Rn. 5). Dies ist dann der Fall, wenn ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses verabredet wurde und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist; eine tatsächliche Beschäftigung ist nur für die Zukunft regelbar (vgl. LAG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2020 - 8 Ta 13/20 - Rn. 17; LAG Nürnberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 2 Ta 84/20 - Rn.15 und vom 30.06.2022 - 2 Ta 12/22 - Rn. 18).

86

Hiergegen kann nicht eingewandt werden, § 45 GKG sei nur auf die Streitwertfestsetzung für Gerichtsgebühren anwendbar mit der Folge, dass der Antrag bereits durch seine Stellung Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit geworden und zu bewerten sei. Der Gesetzgeber, dem diese Auffassung bekannt sein musste, hat anlässlich der verschiedenen Neufassungen der Kostengesetze eine Differenzierung zwischen Gerichts- und Anwaltsgebühren nicht vorgenommen, so dass sich ein klarer gesetzgeberischer Wille dahin ergibt, dass der aus § 45 Abs. 1 S. 2 GKG folgende Wert auch für die Gebühren der Rechtsanwälte maßgebend ist (vgl. GK-ArbGG/Schleusener, a.a.O. § 12 Rn. 172).

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(b) Nach diesen Grundsätzen war weder der allgemeine Weiterbeschäftigungsan spruch noch der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG für den Gegenstandswert des Vergleichs werterhöhend zu berücksichtigen. Die Parteien haben im Vergleich über beide Weiterbeschäftigungsansprüche keine Vereinbarung getroffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG vergleichbar wäre. Der in Ziff. 1 des Vergleichs vereinbarte Beendigungszeitpunkt entspricht dem ursprünglichen Kündigungstermin. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers über den 28.02.2023 hinaus wurde nicht vereinbart.

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d) Das Beschwerdegericht ist nicht an einer Herabsetzung des durch das Arbeitsge richt festgesetzten Wertes gehindert. Das Verbot der reformatio in peius findet im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG keine Anwendung (vgl. BayObLG Beschluss vom 19.01.1982 - 1 Z 20/81 - JurBüro 1982, 1024; LAG München, Beschluss vom 23.06.2015 - 3 Ta 170/15 -; ihm folgend OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.02.2022 - 3 WS 33/21 - Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 23.06.2014 - 4 Ta 95/14 (3) -; GKArbGG/Schleusener, a.a.O. § 12, Rn. 372 m. w. Nachw. auch zu der abweichenden Meinung; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Müller, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2022, §§ 32, 33 RVG Rn. 51). Ein allgemeines Verbot der reformatio in peius ist im RVG nirgends enthalten (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG § 32 Rn. 98). In § 33 RVG findet sich insbesondere keine § 528 Satz 2 ZPO entsprechende Regelung, nach der die Entscheidung des ersten Rechtszugs nur insoweit abgeändert werden darf, als eine Abänderung beantragt ist. Bei der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG handelt es sich auch nicht um eine sofortige Beschwerde i.S.d. §§ 567 ff. ZPO, für das Verschlechterungsverbot grundsätzlich anerkannt ist (vgl. insoweit Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 572 Rn. 39 ff.). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu Wertfestsetzungen nach § 32 Abs. 1 RVG i. V. m. § 63 Abs. 2 GKG ist zudem der Grundsatz der Streitwertwahrheit (§§ 61 Satz 2, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG) auch bei einer gerichtlichen Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 zu beachten (vgl. Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Mülle r, a.a.O.). Dieser verpflichtet das Gericht, den "richtigen" Streitwert festzusetzen (vgl. Riedel/Sußbauer RVG/Potthoff, 10. Aufl. 2015, RVG § 33 Rn. 43).

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Schließlich überzeugt das für die Geltung des Verschlechterungsverbots angeführte Interesse der Rechtssicherheit (vgl. Potthoff, a.a.O., Rn. 82) nicht. Die Rechtssicherheit wird im Festsetzungsverfahren nach § 33 RVG dadurch hergestellt, dass regelmäßig aufgrund der nur zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG) eine schnelle Entscheidung im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG getroffen wird, die aufgrund einer fehlenden Abänderungsbefugnis von Amts wegen für die Partei und ihren Prozessbevollmächtigten bestandskräftig ist.

III.

90

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG. Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde hat der Klägervertreter die angefallene Gebühr, Nr. 8614 KV GKG, zu tragen.IV.

91

Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO BAG, Beschluss vom 17.03.2003 - 2 AZB 21/02 - NZA 2003, 682).

Vorschriften