Urteil vom 13.06.2023 · IWW-Abrufnummer 237268
Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 12 Sa 1293/22
Ein nach § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied hat nur dann Anspruch auf Zuschläge wegen Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit sowie auf eine Rufbereitschaftspauschale, wenn er die Betriebsratsarbeit auch unter den erschwerten Bedingungen erbringt. Führt er die Betriebsratstätigkeiten hingegen ausschließlich zu üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag aus, stehen ihm die Zulagen nicht zu, auch wenn er vor der Freistellung entsprechend gearbeitet und Zuschläge erhalten hat.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 01. Juni 2022 ‒ 6 Ca 197/21 ‒ wird auf Kosten des
Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Zahlung einer Wechselschichtzulage sowie um die Höhe einer Zulagenpauschale, die im Rettungsdienst bei dem Beklagten tarifvertraglich bezahlt wird. Die Zulagenpauschale beinhaltet Nachtzuschläge, Sonn- und Feiertagszuschläge sowie eine Rufbereitschaftspauschale und wird in den Abrechnungen der Beklagten als Funktionszulage 2 bezeichnet.
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der unter anderem einen Rettungsdienst betreibt.
Der Kläger ist seit dem 01. Juni 2013 bei dem Beklagten als Notfallsanitäter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag Nr. 3 zwischen dem ASB LV Hessen e.V. und der Gewerkschaft ver.di in seiner jeweils gültigen Fassung, nebst den diesen ergänzenden, abändernden bzw. ersetzenden Tarifverträgen.
Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrats und war seit März 2020 zunächst mit einem Zeitanteil von 80 % seiner Arbeitszeit (= 30,8 Stunden) von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Mit Betriebsratsbeschluss vom 31. Mai 2022 erfolgte die vollständige Freistellung (= 38,5 Stunden). Vor dem Beginn der Freistellung war der Kläger ausschließlich in Wechselschicht tätig.
Die Betriebsratstätigkeiten führt der Kläger regelmäßig zu üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag aus, in denen er Zuschläge für Nacht-, sowie Sonn- und Feiertagsarbeit und eine Rufbereitschaftspauschale nicht verdienen kann. Auch führt er die Betriebsratstätigkeit nicht in Wechselschicht aus.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Wechselschichtzulage und die Zulagenpauschale stünden ihm in der Freistellungszeit in voller Höhe zu. Wäre er nämlich nicht freigestellt, wäre er vollständig in das 4-Schichtsystem der Beklagten integriert und würde dementsprechend die Zuschläge und Pauschalen erhalten. Er hat gemeint, sein Anspruch ergäbe sich insbesondere aus § 37 Abs. 2 und Abs. 4 BetrVG.
Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum von Januar 2021 bis Oktober 2021 insgesamt 831,78 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Forderung wird auf die Klageschrift verwiesen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, die begehrte Zahlung stünde dem Kläger nicht zu.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht Kassel hat mit Urteil vom 01. Juni 2022 die Klage abgewiesen und hat hinsichtlich der Wechselschichtzulage gemäß § 8 Abs. 2 MTV III ausgeführt, dass der Kläger seine Betriebsratstätigkeit nicht in Wechselschicht ausübe. Er führe diese Tätigkeiten zu allgemeinen Bürozeiten zwischen 8:00 Uhr und ca. 17:00 Uhr aus. Sein Anspruch folge auch nicht aus § 37 Abs. 2 BetrVG, denn der Verlust des Wechselschichtzuschlags beruhe nicht auf der Freistellung des Klägers, sondern darauf, dass er eigenständig mit dem Einverständnis der Beklagten seine Betriebsratstätigkeit stets von ca. 8:00 Uhr bis ca. 17:00 Uhr ausübe.
Das Arbeitsgericht hat weiterhin angenommen, auch § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG komme nicht zu Gunsten des Klägers zur Anwendung. Die Unanwendbarkeit der Vorschrift folge daraus, dass der Kläger sich im vorliegenden Verfahren nicht auf eine fiktive berufliche Entwicklung in der Vergangenheit berufe, sondern er lediglich die Auszahlung der ihm tarifvertraglich zustehenden Vergütung begehre.
Darüber hinaus liegt nach Auffassung des Arbeitsgerichts auch keine Benachteiligung des Klägers im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG wegen der Nichtgewährung der Wechselschichtzulage für den Zeitanteil der Freistellung vor. Zwar sei es zutreffend, dass der Kläger im Ergebnis durch seine teilweise Freistellung für Betriebsratstätigkeiten gegenüber anderen Arbeitnehmern, die mit ihrer gesamten vertraglichen Arbeitszeit in Wechselschicht arbeiteten, schlechter gestellt sei. Diese Schlechterstellung sei jedoch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger seine Betriebsratstätigkeit durch deren Verlegung in den Zeitraum von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr gerade nicht in Wechselschicht leiste. Entscheidend sei, dass der Kläger ‒ anders als seine Kollegen ‒ im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit nicht den Erschwernissen unterworfen sei, die durch die Gewährung eines Wechselschichtzuschlags kompensiert werden sollen.
Das Arbeitsgericht hat weiterhin ausgeführt, dass die von dem Kläger vorgenommene Verschiebung seiner Arbeitszeit zur Ausführung der Betriebsratstätigkeit nicht zwingend erforderlich sei. Es gäbe keinen allgemeinen Grundsatz, wonach Betriebsratstätigkeiten ohne konkreten äußeren Anlass allein und ausschließlich zu den allgemeinen Bürozeiten durchgeführt werden könnten. Der Kläger hätte vielmehr die Möglichkeit, seine Betriebsratstätigkeit in Wechselschicht durchzuführen. In diesem Fall hätte er zum Ausgleich für aus zwingenden betrieblichen Gründen außerhalb seiner Wechselschicht-Arbeitszeit durchzuführende Betriebsratsarbeit ‒ etwa für Betriebsratssitzungen ‒ gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts.
Hieraus folgernd ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die mit der Wechselschicht-Tätigkeit verbundene Erschwernis nicht aufgrund der Freistellung des Klägers weggefallen sei, sondern aufgrund der von ihm vorgenommenen eigenständigen Veränderung seiner Arbeitszeit während seiner Betriebsratstätigkeit. Aus diesem Grunde würde die Gewährung eines Wechselschichtzuschlags eine unzulässige Begünstigung des Klägers gegenüber den anderen in Wechselschicht beschäftigten Arbeitnehmern der Beklagten zur Folge haben.
Entsprechendes gelte für die ebenfalls zu verneinende Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der sog. Funktionszulage 2 habe, die sich aus dem Durchschnitt der von ihm in dem Kalenderjahr vor seiner Freistellung erarbeiten Sonn-, Feiertags- und Nachtzulagen zusammensetzt.
Bezüglich der Einzelheiten der Argumentation des Arbeitsgerichts werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 29. August 2022 zugestellt worden. Hiergegen hat er mit Schriftsatz vom 01. September 2022 am 01. September 2022 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2022 am 07. Dezember 2022 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag vom 20. Oktober 2022 am 20. Oktober 2022 bis zum 12. Dezember 2022 verlängert worden war.
Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Er bestreitet, dass er seine Betriebsratsarbeit eigenständig in die Tagesarbeitszeiten verlegt habe. Vielmehr habe er seine Betriebsratsarbeiten zu den Zeiten ausgeübt, die ihm durch die Teilnahme an und zur Leitung von Betriebsratssitzungen, zur Teilnahme an Betriebsausschusssitzungen, zur Teilnahme an Sitzungen des Gesamtbetriebsrats und zur Wahrnehmung von Aufgaben insbesondere gegenüber dem Arbeitgeber vorgegeben seien. Weiterhin arbeiteten ca. 175 Beschäftigte des Beklagten ausschließlich tagsüber, für die er in Wechselschicht nicht zur Verfügung stehen könne.
Die von dem Arbeitsgericht zur Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Mai 2016 sei vorliegend nicht einschlägig, weil der Kläger mit der Beklagten keine arbeitsvertragliche Vereinbarung getroffen habe, seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht mehr in Wechselschicht zu erbringen. Eine solche arbeitsvertragliche Verlagerung der Arbeitszeit habe jedoch der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegen. Sollte er zukünftig nicht mehr freigestellt sein, kehre er vollumfänglich in seine Wechselschicht Tätigkeit zurück.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Gewährung der Wechselschichtzulage und der Funktionszulage 2 auch für die Zeiten seiner regelmäßig tagsüber erbrachten Betriebsratstätigkeiten keine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung seiner Person darstelle. Auch sei die Annahme des Arbeitsgerichts falsch, er sei nicht den Erschwernissen unterworfen, die durch die Gewährung des Wechselschichtzuschlags kompensiert werden sollten.
Hinsichtlich seines Vorbringens im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07. Dezember 2022 und auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Juni 2023 verwiesen.
Mit der Berufungsbegründungsschrift hat der Kläger seinen Zahlungsanspruch um den Zeitraum von November 2021 bis September 2022 erweitert und ihn insgesamt neu berechnet.
Der Kläger beantragt unter Teilberufungsrücknahme bezüglich eines Betrags von 141,- EUR,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 01. Juni 2022 ‒ 6 Ca 197/21 ‒ abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.236,57 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 60,32 EUR seit dem 01. März 2021, dem 01. April 2021, dem 01. Mai 2021, dem 01. Juni 2021, dem 01. Juli 2021 und dem 01. August 2021, aus jeweils 95,32 EUR seit dem 01. September 2021, dem 01. Oktober 2021, dem 01. November 2021, dem 01. Dezember 2021, dem 01. Januar 2022 und dem 01. Februar 2022, aus jeweils 122,17 EUR seit dem 01. März 2022, dem 01. April 2022, dem 01. Mai 2022, dem 01. Juni 2022 und dem 01. Juli 2022 sowie aus jeweils 172,97 EUR dem 01. August 2022, dem 01. September 2022, dem 01. Oktober 2022 und dem 01. November 2022 zu zahlen.Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Juni 2023 wird verwiesen.
Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2023 mitgeteilt, eine Berufungserwiderungsschrift gefertigt und am 15. Januar 2023 an das Landesarbeitsgericht übersandt zu haben.
Vorsorglich hat die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen auf ihre Berufungserwiderungsschrift im Parallelverfahren 12 Sa 1294/22 und hat ausgeführt, diese entspreche inhaltlich ihrem Vorbringen in der hier nicht zur Akte gelangten Erwiderungsschrift.
Eine durch den Vorsitzenden im Nachgang zur mündlichen Verhandlung veranlasste Überprüfung hat ergeben, dass am 15. Januar 2023 lediglich eine Signatur von der Prozessbevollmächtigten des Beklagten an das Landesarbeitsgericht übersandt worden ist. Diese Signatur wurde sogar zweimal beigefügt, die zweite Signatur wurde auch doppelt signiert. Eine Berufungserwiderungsschrift ist bei dem Landesarbeitsgericht nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
I. Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 01. Juni 2022 ‒ 6 Ca 197/21 ‒ eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,- EUR übersteigt. Auch ist die Berufung fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß sowie fristgerecht begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, die Berufungsbegründung entspricht den Voraussetzungen von § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Der Kläger hat seine Klage mit der Berufungsbegründungsschrift gemäß § 533 ZPO i.V.m. § 67 ArbGG zulässig um die gleichgelagerten Ansprüche auf Wechselschichtzulage und Funktionszulage 2 für den Zeitraum von November 2021 bis September 2022 erweitert. Die Klageänderung durch Klageerweiterung ist sachdienlich. Die Entscheidung über die im Berufungsverfahren verfolgten weiteren Ansprüche kann auf Tatsachen gestützt werden, welche der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach Maßgabe von § 67 ArbGG zugrunde zu legen waren.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
1. Ein Anspruch folgt nicht aus § 37 Abs. 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
a. § 37 Abs. 2 BetrVG begründet keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag sowie dem ggf. anzuwendenden Tarifvertrag, indem er dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nimmt. Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern, indem es ihm die Befürchtung nimmt, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden. Diese Vorschrift, die für alle Betriebsratsmitglieder unabhängig von einer etwaigen Freistellung nach § 38 BetrVG gilt, konkretisiert hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG (BAG 18. Mai 2016 ‒ 7 AZR 401/14 ‒ NZA 2016, 1212 m.w.N.).
b. Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte.
Zum Arbeitsentgelt i.S.v. § 37 Abs. 2 BetrVG gehören alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen ein Aufwendungsersatz. Zu dem Arbeitsentgelt zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie werden für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt. Sie dienen nicht dem Ersatz von tatsächlichen Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung entstehen. Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen (BAG 18. Mai 2016 ‒ 7 AZR 401/14 ‒ NZA 2016, 1212 m.w.N.).
c. Dem Kläger stehen für die Zeit seiner Betriebsratstätigkeit weder die Funktionszulage 2 noch die Wechselschichtzulage zu, weil er die Betriebsratstätigkeit zu Zeiten erbracht hat, zu welchen die Zulagen nicht zu zahlen sind. Er verrichtete die Betriebsratstätigkeiten weder in Wechselschicht, noch wurde er im Rahmen seiner Freistellung nachts oder an Sonn- oder an Feiertagen tätig. Auch befand er sich nicht Rufbereitschaft. Der Umstand, dass der Kläger die entsprechenden Zulagen im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit nicht erhält, beruht nicht auf seiner Freistellung, sondern darauf, dass er die Betriebsratstätigkeiten nur zu üblichen Geschäftszeiten ausführt. Im Gegensatz zu dem von dem Bundesarbeitsgericht beschiedenen Sachverhalt des Rechtsstreits 7 AZR 401/14 gibt es zwar vorliegend keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten, dass der Kläger für die Dauer seiner Freistellung nur zu den üblichen Geschäftszeiten Betriebsratstätigkeiten erbringt, hierauf kommt es jedoch auch nicht entscheidend an. Maßgebend ist, dass der Kläger diese Zeiten eigenverantwortlich wählt. Er ist für die geänderte Arbeitszeitlage verantwortlich (vgl. ErfK, 21. Aufl. 2021, § 37 BetrVG, Rn. 6).
Zwar ist dem Kläger zuzubilligen, dass ein Teil seiner Betriebsratsarbeit nur zu üblichen Geschäftszeiten von Montag bis Freitag ausgeführt werden kann, dies steht aber der grundsätzlichen Möglichkeit der Durchführung seiner Betriebsratstätigkeit im 4-Schichtsystem nicht entgegen. Soweit der Kläger nämlich außerhalb seiner individuellen Schichtzeit Betriebsratsarbeit wahrnimmt, hat er einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung während seiner Schichtzeit. Dies gilt im Besonderen vor dem Hintergrund, dass längst nicht alle Tätigkeiten eines Betriebsrats zu üblichen Geschäftszeiten ausgeführt werden müssen. Sowohl Vor- als auch Nachbereitungsarbeiten können häufig unproblematisch des Nachts oder an Sonn- und Feiertagen verrichtet werden.
2. Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 37 Abs. 4 BetrVG. Nach dieser Vorschrift darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. § 37 Abs. 4 BetrVG ist keine Bemessungsvorschrift für den Anspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG. Die Bestimmung regelt einen anderen Sachverhalt als § 37 Abs. 2 BetrVG. Während § 37 Abs. 2 BetrVG die Fortzahlung des - vereinbarten - Arbeitsentgelts für die Dauer der Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben regelt, gewährt § 37 Abs. 4 BetrVG einem Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt (BAG 18. Mai 2016 ‒ 7 AZR 401/14 ‒ NZA 2016, 1212 m.w.N.).
Der Kläger begehrt vorliegend keine Erhöhung seines Arbeitsentgelts, sondern die Fortzahlung des aus seiner Sicht geschuldeten Entgelts.
3. Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Wechselschichtzulage und der Funktionszulage für die Dauer seiner Freistellung auch vor dem Hintergrund von § 78 Satz 2 BetrVG nicht begründet ist.
Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Diese Regelung ergänzt § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen. Das Ehrenamtsprinzip wahrt die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder. Eine Benachteiligung i.S.v. § 78 Satz 2 BetrVG ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern (BAG 18. Mai 2016 ‒ 7 AZR 401/14 ‒ NZA 2016, 1212 m.w.N.).
Zwar erhält der Kläger im Gegensatz zu seinen Kollegen, die im Wechselschichtsystem tätig sind, die hier gegenständlichen Zulagen nicht, allerdings ist er mit diesen Mitarbeitern auch nicht vergleichbar. Die besonderen Erschwernisse und Belastungen, die durch die Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, die Rufbereitschaft und das Wechselschichtsystem ausgelöst sind, treffen ihn nicht. Vielmehr weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Zahlung der Zulagen an den Kläger für Freistellungszeiten während üblicher Geschäftszeiten seine Besserstellung gegenüber den Mitarbeitern bedeuten würde, die regulär zu diesen Zeiten arbeiten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Zulassung der Revision ist nach § 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst.
nachgehend BAG, 10 AZR 197/23