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Urteil vom 13.04.2023 · IWW-Abrufnummer 237269

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 153/22

Zu den formalen Anforderungen an den Antrag auf Elternzeit, insbesondere zum Zugang des Antrages.


Tenor: I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 02.02.2022 - 3 Ca 1507/21 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: 1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27.02.2021 nicht beendet worden ist. 2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Entgelt für die Monate März bis Juni 2021 zu zahlen in Höhe von 1.200,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 300,00 EUR seit dem 01.04.2021, 01.05.2021, 01.06.2021 und 01.07.2021. 3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Entgelt für den Monat Juli 2021 zu zahlen in Höhe von 2.700,00 EUR brutto abzüglich des auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs in Höhe von 812,73 EUR netto. 4. Der Beklagte wird verurteilet, an den Kläger Entgelt für den Monat August 2021 zu zahlen in Höhe von 2.700,00 EUR brutto abzüglich des auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs in Höhe von 812,73 EUR netto. 5. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Bescheinigung über die Elternzeit vom 09.09.2021 bis 04.11.2021 unter Berücksichtigung eines Bruttomonatsentgelts in Höhe von 2.700,00 EUR zu erteilen. 6. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Entgelt für die Zeit vom 01.09.2021 bis zum 06.09.2021 in Höhe von 540,00 EUR brutto zu zahlen abzüglich auf den Kreis R aufgrund der von dort für den besagten Zeitraum geleisteten Elterngeldes übergegangener Ansprüche in Höhe von 135,60 EUR netto. 7. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom 11.11.2020 weiter zu beschäftigen [gemäß § 319 ZPO wegen eines offensichtlichen Übertragungsfehlers eingefügt] 8. Mit Blick auf den allgemeinen Feststellungsantrag und mit Blick auf den Antrag, für den Monat September 2021 einen höheren Betrag zu zahlen als die hier tenorierten 540,00 EUR brutto abzüglich 135,60 EUR netto, wird die Klage abgewiesen. II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung sowie um diverse Entgeltansprüche. In der Berufungsinstanz - nur der Kläger hat Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt - ist noch über die folgenden Streitgegenstände zu entscheiden: Der Bestand des Arbeitsverhältnisses und Wirksamkeit einer Kündigung am 31.08.2021; der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Weiterbeschäftigung; die vom Kläger begehrte Bescheinigung über Elternzeit; der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Restentgelt für den Monat Juli 2021 bei streitiger Arbeitsunfähigkeit; der weitere vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Entgelt für die Monate August und September 2021. Bei alldem ist insbesondere streitig, ob der Kläger einen Antrag auf Elternzeit gestellt hat und ob er entgegen der von ihm vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsfähig gewesen ist.

Der Kläger ist am 1975 geboren, war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Berufungsverhandlung also 47 Jahre alt. Er ist geschieden und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.12.2020 war er bei dem Beklagten beschäftigt. Die Arbeitsvertragsurkunde bezeichnet die geschuldete Tätigkeit als die eines Auslieferungsfahrers. In § 2 der Urkunde haben die Parteien die Vereinbarung eines Versetzungsrechts des Arbeitgebers dokumentiert ("Tätigkeit, ... die Ihren Vorkenntnissen entspricht"). Nach § 4 der Arbeitsvertragsurkunde war als Arbeitsentgelt in den ersten drei Monaten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.400,00 EUR vereinbart, für die Zeit danach ein Betrag in Höhe von 2.700,00 EUR. Für die Einstellung des Klägers erhielt der Beklagte von der Bundeagentur einen Eingliederungszuschuss (Anlage K5, Bl,. 12). Die Höhe des Zuschusses erfolgte ab dem vierten Beschäftigungsmonat unter Berücksichtigung der Erhöhung des monatlichen Arbeitsentgelts (vgl. Bl. 16 d.A).

Der Beklagte betreibt ein Unternehmen, das sich mit dem Vertrieb von medizinischen Gasen befasst. Er beschäftigt weniger als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Der Kläger hatte zu Beginn des Arbeitsverhältnisses keine Fahrerlaubnis. Es war zwischen den Parteien daher vereinbart, dass er zunächst als Helfer einzusetzen sei. Die Führerscheinprüfung hat er jedoch nicht, wie eigentlich erhofft, bis März 2021 bestanden. In der Zeit danach wurde er daher weiterhin als Helfer eingesetzt. Das Entgelt wurde vom Beklagten ab dem vierten Monat nicht wie vereinbart um 300,00 EUR auf 2.700,00 EUR erhöht, obwohl im Vertrag die Rede davon war, dass dies "automatisch" zu geschehen habe. Zwischen den Parteien ist streitig, ob hinsichtlich dieser ursprünglich vereinbarten "automatischen" Erhöhung des Bruttomonatsentgelts eine Abweichung vom Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden ist (so der Vortrag des Beklagten). Die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der streitigen Differenz für die Monate März bis Juni 2021 durch das Arbeitsgericht ist rechtskräftig. Der Streit über die Frage, ob die arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarung abgeändert worden ist, ist aber weiterhin von Relevanz, soweit die Parteien auch in der Berufungsinstanz weiterhin über Entgeltansprüche bzw. Entgeltfortzahlungsansprüche für die Monate Juli, August und September 2021 streiten. Dabei streiten die Parteien mit Blick auf die vorbesagten Monate schon über die Frage, ob dem Grunde nach ein Entgelt(fortzahlungs-)anspruch besteht, und ob der Kläger mit der Behauptung, er sei während dieser Zeit arbeitsunfähig gewesen, nicht gelogen hat.

Der Beklagte zahlte dem Kläger für die Monate Juli, August und September des Jahres 2021 kein Entgelt aus. Von der Bundesagentur für Arbeit erhielt der Kläger aber für die Monate Juli und August jeweils einen Betrag in Höhe von 812,73 EUR. Diese beiden Leistungen lässt sich der Kläger auf die für die beiden Monate geltend gemachten Entgeltansprüche in den Anträgen zu 7 und zu 8 anrechnen.

Am 23.07.2021 äußerte der Kläger gegenüber dem Beklagten, wenn seine Freundin das gemeinsame Kind auf die Welt bringe, dann werde er nicht zur Arbeit kommen. Der Beklagte antworte darauf, der Kläger müsse dann einen Urlaubsantrag stellen. Ein solcher Urlaubsanspruch werde aber angesichts der derzeitigen Personalsituation nicht bewilligt werden. Am 26.07.2021 teilte der Kläger der Zeugin W mit, er sei im Krankenhaus und könne für diesen Tag und den folgenden nicht zur Arbeit erscheinen. Auf Anregung von Frau W informierte der Kläger auch den Beklagten. Als dieser erfuhr, dass der Kläger sich nicht etwa wegen eines Unfalls im Krankenhaus aufhielt, sondern wegen der Geburt des Kindes, erklärte der Beklagte, er sei damit nicht einverstanden. Noch um 7:25 Uhr kündigte der Kläger daraufhin an, zur Arbeit zu kommen. Nur 42 Minuten später, nämlich um 8:07 Uhr, teilte er dem Beklagten mit, er sei gerade die Treppe heruntergefallen und er sei daher arbeitsunfähig bis zum 13.08.2021. Tatsächlich liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.07.2021 vor (Bl. 60 ff. d.A.) sowie Folgebescheinigungen vom 30.07.2021, 06.08.2021 und 13.08.2021 für die Zeit bis zum 15.08.2021. Für die Zeit danach hat der Kläger eine Erstbescheinigung vom 16.08.2021 vorgelegt (Bl. 62 d.A.) für die Zeit bis zum 08.09.2021. Ob der Kläger tatsächlich durch einen Treppensturz in der Zeit ab dem 26.07.2021, 8:07 Uhr, arbeitsunfähig erkrankt war, ist zwischen den Parteien streitig und war Gegenstand der Beweisaufnahme vor der Berufungskammer.

An jenem Tag, dem 26.07.2021, kam tatsächlich das Kind auf die Welt und der Kläger war im Krankenhaus anwesend. Noch am gleichen Tag, dem 26.07.2021, übersandte der Kläger der Zeugin W per Whatsapp (Anlage K 4 Bl11) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Außerdem machte er die monatlichen Gehaltsdifferenzen in Höhe von 300,00 EUR für die Monate seit März 2021 geltend; schließlich bat er um schriftliche Bestätigung seiner beantragten Elternzeit. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger tatsächlich zuvor Elternzeit beantragt hatte und zwar am 22.07.2022 mit dem Antragsschreiben, dass er in Kopie als Anlage K3 vorgelegt hat (Bl. 10 d.A.). Auch dieser streitige Sachverhalt war Gegenstand der Beweisaufnahme. Jedenfalls setzte der Kreis R ausweislich des Bescheides vom 20.09.2021 (Bl. 58 d.A.) Elterngeld für den 2., 3. und 4. Lebensmonat des Kindes wie folgt fest: Für die Zeit vom 26.08.2021 bis zum 25.09.2021 ein Betrag in Höhe von 521,97 EUR (davon 104,39 EUR für August); für die Zeit vom 26.09.2021 bis zum 25.10.2021 ein Betrag in Höhe von 677,86 EUR (22,60 EUR tägl.); für die Zeit vom 26.10.2021 bis zum 25.11.2021 ein Betrag in Höhe von 677,86 EUR. In dem Bescheid heißt es wörtlich: "Sie erfüllen die Voraussetzungen für die Gewährung von Elterngeld für obigen Zeitraum."

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.07.2021 zum 31.08.2021. Für die Monate Juli und August zahlte die Bundesagentur jeweils einen Betrag in Höhe von 812,73 EUR netto. Aus den Bescheiden ergibt sich die Auffassung der Bundesagentur, dass die Elternzeit des Klägers am 09.09.2021 beginne.

Der Beklagte erteilte dem Kläger Lohnabrechnungen für die beiden Monate über jeweils 2.400,00 EUR brutto und zahlte den sich jeweils ergebenden Nettobetrag in Höhe von 1.653,35 EUR nach Erhalt einer Überleitungsanzeige nicht etwa an den Kläger, sondern an die Bundesagentur für Arbeit aus. Die Rechtsfrage, ob die Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit dem Zahlungsanspruch des Klägers entgegenstehen kann, ist zwischen den Parteien in rechtlicher Hinsicht streitig.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, nach seiner Auffassung sei die Kündigung gemäß § 18 BEEG unwirksam. Insbesondere seien die Voraussetzungen des § 15 BEEG erfüllt. Er sei der Vater des Kindes und er sei die ganze Zeit in der Wohnung der Kindsmutter in M gewesen. Bereits am 22.07.2021 habe er bei Frau W einen Antrag auf Elternzeit für die Zeit vom 09.09.2021 bis zum 04.11.2021 abgegeben. Schon aus diesem Grund sei nach seiner Auffassung die Kündigung unwirksam.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27.07.2021 nicht beendet worden ist; 2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Auflösungstatbestände endet und über den 31.08.2021 hinaus unverändert fortbesteht; 3. den Beklagten zu verurteilen, für den Monat März 2021 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.04.2021 zu zahlen; 4. den Beklagten zu verurteilen, für den Monat April 2021 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.05.2021 zu zahlen; 5. den Beklagten zu verurteilen, für den Monat Mai 2021 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.06.2021 zu zahlen; 6. den Beklagten zu verurteilen, für den Monat Juni 2021 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.07.2021 zu zahlen; 7. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Monat Juli 2021 Gehalt in Höhe von 2.700 € brutto abzüglich eines Betrages in Höhe von 812,73 € netto zu zahlen; 8. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Monat August 2021 Gehalt in Höhe von 2700 € brutto abzüglich eines Betrages in Höhe von 812,73 € netto zu zahlen; 9. den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Bescheinigung über die Elternzeit vom 09.09.2021 bis zum 04.11.2021 unter Berücksichtigung eines Monatsgehaltes in Höhe von 2.700 € brutto entsprechend § 9 BEEG zu erteilen; 10. den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 01.09.2021 bis 08.09.2021 eine Vergütung in Höhe von 748,27 € brutto zu zahlen; 11. den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom 11.11.2020 sowie dem gelebten Arbeitsverhältnis als Aushilfe weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Verteidigung gegen die Klage hat der Beklagte vorgetragen, nach seiner Auffassung könne sich der Kläger nicht auf das Kündigungsverbot aus § 18 BEEG berufen. Denn die Voraussetzungen des § 15 BEEG seien nicht erfüllt. Er bestreite, dass es sich überhaupt um das Kind des Klägers handele; er bestreite, dass der Kläger im gleichen Haushalt gewohnt habe; er bestreite, dass das Kind durch den Kläger erzogen worden sei. Jedenfalls habe der Kläger keinen schriftlichen Antrag abgegeben. Die Zeugin W sei eine Mitarbeiterin, die nicht zur Entgegennahme von Elternzeitanträgen zuständig und befugt sei. Nach seiner Auffassung habe der Kläger auch keine weiteren Entgeltansprüche. Insbesondere kämen Entgeltfortzahlungsansprüche nicht in Betracht, da der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund des abgelehnten Urlaubsantrages erschüttert sei. Selbst wenn ein Anspruch bestehe, dann sei dieser Anspruch jedenfalls durch die Zahlung des für die Monate Juli und August abgerechneten Nettoentgelts an die Bundesagentur für Arbeit erfüllt worden. Ein Anspruch auf Auszahlung von weiteren 300,00 EUR für die Monate ab März 2021 komme ebenso wenig in Betracht. Denn der Kläger sei bis zuletzt nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis gewesen. Im März hätte er dann mit dem Kläger gesprochen und ihm deutlich gemacht, dass das Arbeitsverhältnis wohl gekündigt werden müsse, da er ohne Fahrerlaubnis seine vertraglich geschuldete Arbeit nicht erbringen könne. Dann habe man sich aber darauf geeinigt, dass der Kläger einstweilen als Helfer weiter beschäftigt werde, es aber nicht zu der vertraglich vereinbarten Entgelterhöhung kommen solle.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen B und W zur Behauptung des Klägers, ein Antrag auf Elternzeit sei am 22.07.2021 übergeben worden, die Klage mit Urteil vom 02.02.2022 weitgehend abgewiesen. Die Klage bleibe hinsichtlich der Anträge zu 1, 2, 9, 10 und 11 ohne Erfolg. Das gleiche gelte teilweise für die Anträge zu 7 und 8. Eine abweichende Vereinbarung zur vertraglich versprochenen Entgelterhöhung ab dem Monat März 2021 sei nicht anzunehmen. Die Kündigung vom 27.07.2021 sei wirksam und beende das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2021; zwischen dem 26.07.2021 und dem 13.08.2021 bestehe kein Anspruch auf Entgelt, insbesondere nicht auf Entgeltfortzahlung, weil nicht von einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden könne; Elternzeit sei nicht beantragt worden, daher komme auch kein Anspruch auf Bescheinigung derselben in Betracht. Im Einzelnen führt das Arbeitsgericht aus, der allgemeine Feststellungsantrag (Antrag zu 2) sei schon unzulässig. Die Kündigungsschutzklage (Antrag zu 1) sei unbegründet, denn das Kündigungsschutzgesetz finde nach § 23 KSchG keine Anwendung und ein Sonderkündigungsschutz aus § 18 BEEG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Kläger der Beweis nicht gelungen sei, dass er tatsächlich einen Elternzeitantrag vor Zugang der Kündigung bei dem Beklagten abgegeben habe. Zwar habe die Zeugin B bekundet, die Zeugin W habe vom Kläger einen Umschlag erhalten; allerdings habe die Zeugin nichts über den Inhalt des Briefes erklären können; die Zeugin W habe gänzlich bestritten einen Brief erhalten zu haben. Zwar könnten die beiden Aussagen nicht in Übereinstimmung gebracht werden, weil sie sich gegenseitig ausschlössen; keine der beiden Bekundungen sei aber als Nachweis geeignet, dass der Kläger den Elternzeit-Antrag übergegen habe. Das Arbeitsverhältnis sei somit nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2021 beendet gewesen. Der unechte Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung (Antrag zu 11) falle daher nicht zur Entscheidung an. Da nach der Durchführung der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger den Antrag auf Elternzeit abgegeben habe, komme auch ein hiermit verbundener Bescheinigungsantrag (Antrag zu 9) nicht in Betracht. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2021 scheide auch ein Anspruch auf Zahlung von Entgelt für den Monat September (Antrag zu 10) aus. Auch ein Zahlungsanspruch ab dem 26.07.2021 und bis zum 13.08.2021, also jeweils teilweise für die Monate Juli und August (Anträge zu 7 und 8) komme nicht in Betracht. Ein Entgeltanspruch für den Monat Juli bestehe nur für die Zeit bis zum 26.07.2021, denn bis zu diesem Tag habe der Kläger Arbeitsleistung erbracht. Für die Zeit danach scheide ein Anspruch aus § 3 EFZG aus; denn der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert und der Kläger habe nichts weiter zu seiner behaupteten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vorgetragen. Die bloße Schweigepflichtentbindung reiche nicht aus, um die Durchführung einer Beweisaufnahme zu rechtfertigen. Erst nach Ende der behaupteten Arbeitsunfähigkeit, also ab dem 14.08.2021, bestehe bis zum Ende des Monats August 2021 weiterhin ein Entgeltanspruch. Begründet sei die Klage soweit der Kläger mit ihr für die Monate März, April, Mai und Juni (Anträge zu 3 bis 6) monatlich die vertraglich vereinbarten zusätzlichen 300,00 EUR brutto fordere. Dem Beklagten sei nämlich nicht gelungen, die Tatsachen darzulegen, aus denen sich eine Übereinkunft über eine Abweichung vom Arbeitsvertrag habe ergeben können. Der Zahlungsanspruch werde nicht durch die Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit erfüllt. Ein Entgeltanspruch für den Monat Juli Antrag zu 7) komme wie erwähnt nur bis zum Beginn der behaupteten Arbeitsunfähigkeit in Betracht, das gleiche gelte für die Zeit nach Ablauf der behaupteten Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.08.2021 für den Monat August (Antrag zu 8) aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Gegen dieses ihm am 10.02.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.03.2022 Berufung eingelegt und er hat diese am 08.04.2022 begründet.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, die Zeugin Frau Ba habe mitbekommen, dass die Zeugin W am 22.07.2021 vom Kläger den Antrag auf Elternzeit erhalten und gelesen habe. Die Zeugin W habe der Zeugin Ba gesagt, dass sich der Beklagte über den Antrag des Klägers sehr geärgert habe. Er sei der Kindsvater. Das ergebe sich schon aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumenten. Auch habe er sich durchgehend im Haushalt der Kindsmutter aufgehalten und sei nur sporadisch in seine Wohnung gefahren. Im Krankenhaus sei er die Treppe heruntergefallen und habe sich auf diese Weise das Bein verletzt. Die Ärztin, die die Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe, nämlich die Zeugin Fertig, werde von der Schweigepflicht entbunden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 02.02.2022- 3 Ca 1507/21 - teilweise abzuändern und den Beklagten nach Maßgabe der nicht zugesprochenen Schlussanträge in der ersten Instanz zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er bestreite weiterhin, dass die Voraussetzungen des § 15 BEEG vorgelegen hätten. Er bestreite, dass der Kläger der Vater des Kindes sei; er bestreite, dass der Kläger mit dem Kind in einem Haushalt gelebt habe, der doppelte SGBII-Bezug (er und die Kindsmutter jeweils mit eigenem Hausstand) spreche dagegen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben zur Behauptung des Klägers, am 22.07.2021 sei vom Kläger schriftlich Elternzeit beantragt worden durch Übergabe des Schreibens an die Zeugin W , durch Vernehmung der Zeuginnen W , B und Ba ; weiter ist Beweis erhoben worden zur Behauptung des Klägers, die Anspruchsvoraussetzungen für Elternzeit seien im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt gewesen, durch Vernehmung der Zeugin R G ; und schließlich ist weiter Beweis erhoben worden zur Behauptung des Klägers, er sei in der Zeit vom 27.07.2021 bis zum 13.08.2021 tatsächlich arbeitsunfähig gewesen, durch Vernehmung der Zeugin F . Auf das Protokoll der Beweisaufnahme (Bl. 249 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auch auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache weitgehend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 22.07.2021 Elternzeit beantragt und die beantragte Elternzeit tatsächlich wahrgenommen; außerdem war er in der Zeit vom 27.07.2021 bis zum 13.08.2021 (und darüber hinaus aufgrund einer weiteren Erstbescheinigung bis zum 08.09.2021) arbeitsunfähig. Dies ist das Ergebnis der von der Berufungskammer durchgeführten, teilweise wiederholenden, Beweisaufnahme. Aufgrund dieser bewiesenen Tatsachen war festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.07.2021 nicht beendet worden ist und dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hat. Darüber hinaus sind die vom Kläger geltend gemachten Entgeltforderungen begründet mit einer geringfügigen Korrektur betreffend den Monat September 2021. Nur der allgemeine Feststellungsantrag bleibt unzulässig. Die nun folgenden Erläuterungen folgen der Nummerierung der Anträge, wie sie vor dem Arbeitsgericht gestellt worden waren (s.o. Seite 6).

1. Die Klage war mit dem Klageantrag zu 1 begründet, denn die Kündigung vom 27.07.2021 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet. Die Kündigung ist gemäß § 18 BEEG unwirksam. Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen. Die streitgegenständliche Kündigung ist dem Kläger am 27.07.2021 zugegangen; der Kläger hatte aber zuvor, nämlich am 22.07.2021, dem Schriftformerfordernis des § 16 BEEG folgend, Elternzeit verlangt (a.). Die nach § 15 BEEG notwendigen Voraussetzungen für einen solchen Antrag waren erfüllt (b.).

a. Der Kläger hat am 22.07.2021 durch Übergabe des Antrages an die Zeugin W Elternzeit beantragt. Die Zeugin W ist diejenige Mitarbeiterin des Beklagten, die sich um die administrativen Aufgaben in dessen Büro kümmert. Sie ist daher zumindest Empfangsbotin, in deren Hände schriftliche Mitteilungen an den Beklagten überreicht werden können. Auf die diesbezüglichen Hinweise und Erklärungen im Protokoll des Kammertermins vom 02.02.2023 (Bl. 254 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Beweisaufnahme vor der Berufungskammer hat ergeben, dass die Zeugin W vom Kläger am 22.07.2021 den Antrag auf Elternzeit entgegengenommen hat. Die Beweisaufnahme zu dieser Beweisfrage musste wiederholt werden, weil sich im Urteil des Arbeitsgerichts kein Wort zur Beweiswürdigung findet und weil nun in der Berufungsinstanz vom Kläger eine weitere Zeugin, nämlich die Zeugin Ba , benannt worden ist.

Die Zeugin B hat zum Beweisthema bekundet, sie könne sich zwar an das Datum nicht mehr erinnern, wohl aber an die Tatsache, dass der Kläger in die Firma gekommen sei und der Zeugin W "den Zettel zur Elternzeit" übergeben habe. Es sei von vornherein klar gewesen, dass er Elternzeit nehmen wolle. Im Betrieb hätten sich damals alle gut verstanden. Sie habe die Touren für die Leute geplant und sie habe sich mit dem Kläger über die anstehende Geburt seines Kindes unterhalten. In diesen Gesprächen habe der Kläger bereits angekündigt, dass er zwei Monate Elternzeit nehmen wolle. Der Antrag auf Elternzeit habe sie daher überhaupt nicht überrascht. Bei dem Büro handele es sich um einen großen Raum mit einer Glastür. Links sitze die Zeugin W . Es gebe eine Theke und gegenüber sitze sie selbst. Außerdem sei auch der Arbeitsplatz der Zeugin Ba im Raum. Die Zeugin W spiele im Unternehmen des Beklagten eine wichtige Rolle, weil sie eigentlich für viele Dinge, insbesondere für organisatorische Dinge, zuständig sei. An jenem Tag sei dann die Glastür aufgegangen und der Kläger sei hereingekommen. Er habe dann den Zettel abgegeben. Danach habe sie sich mit ihm über die Elternzeit unterhalten. Diese Unterhaltung habe entweder innerhalb des Büros stattgefunden oder draußen im Hof, da sei so eine Kiesfläche. Es könne auch sein, dass die Unterhaltung dort stattgefunden habe. Wenn sie darauf hingewiesen werde, dass an andere Stelle von einem Umschlag die Rede gewesen sei und nicht von einem Zettel, dann könne sie dazu nichts sagen. An Genaueres erinnere sie sich nicht mehr. In der Zeit nach jenem Tag habe sie weiter Kontakt mit dem Kläger gehabt. Vor der Geburt sei sie noch beim Kläger und seiner schwangeren Lebensgefährtin zu Hause zu Besuch gewesen. Nach der Geburt habe es nur noch über soziale Netzwerke weitere Kontakte oder Informationen gegeben. Da seien Bilder ausgetauscht worden und danach habe sie den Kläger erst wieder in Siegburg vor Gericht wiedergesehen. Sie selbst sei nicht mehr Mitarbeiterin des Beklagten. Sie sei damals arbeitsunfähig gewesen und während dieser Arbeitsunfähigkeit habe sie die Kündigung vor der Tür gefunden. Sie habe dann auch einen Anwalt eingeschaltet, weil sie ihr Geld nicht bekommen habe und weil der Beklagte die Kündigungsfrist nicht eingehalten habe, aber das sei jetzt in der Zwischenzeit alles geklärt. Auf genauere Nachfrage müsse sie einräumen, dass ihre Darstellung zum Arbeitsplatz der Zeugin Ba nicht ganz richtig gewesen sei. Die Zeugin Ba habe tatsächlich nicht im gleichen Raum, sondern in einem Nachbarraum gesessen. Aber die Türe sei immer offen gewesen. Sie selbst habe zu der Zeugin B keinen Sichtkontakt gehabt, wohl aber zur Zeugin W , jedenfalls dann, wenn sie ein bisschen aufgestanden sei und über die Theke geschaut habe. Sie habe zwar die Leute disponiert, könne sich aber nicht mehr genau daran erinnern, was der Kläger an jenem Tag zu tun gehabt habe. Der Kläger sei ja auch nicht nur Touren gefahren, sondern er habe ja auch viele andere Dinge gemacht bis hin zum Unkrautjäten. Sie wisse es jetzt nicht mehr so genau, aber es könne durchaus sein, dass er an jenem Tag gar nicht mit dem Beklagten unterwegs gewesen sei. Zur Rolle des Beklagten und der Zeugin W könne sie sagen, dass sie im ersten Monat den Beklagten gar nicht gesehen habe. Das habe alles die Zeugin W gemacht einschließlich Vertragsschluss, Einarbeitung usw. Wenn der Beklagte mal in der Firma gewesen sei, dann sei das mal für eine halbe Stunde und ansonsten sei er Touren gefahren.

Die Bekundungen der Zeugin B bestätigen also die Behauptung des Klägers, er habe am 22.07.2021 einen Antrag auf Elternzeit im Büro abgegeben. Nach ihren Bekundungen hat er sich mit ihr danach noch ausführlich über diesen Antrag unterhalten. Die Zeugin hat auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Die Tatsache, dass sie nicht mehr im Arbeitsverhältnis zum Beklagten steht, mag aus dem Blickwinkel desselben eine Belastungstendenz vermuten lassen - allerdings nur dann, wenn die Zeugin tatsächlich einen Grund hätte, sich für irgendetwas durch eine Falschaussage zu "revanchieren". Nichts in dieser Richtung ist ersichtlich. Dass die Zeugin nicht mehr in einem Rechts- und daher Abhängigkeitsverhältnis zum Beklagten steht, unterstreicht vielmehr ihre Glaubwürdigkeit. Die Bekundungen der Zeugin waren auch glaubhaft. Dass die Zeugin mehrfach gebeten werden musste, die Situation ausführlicher zu beschreiben, schadet der Glaubhaftigkeit nicht. Es ist gerade die durch die Nachfragen erzeugte Sprunghaftigkeit der Erzählung die ein starkes Kennzeichen für eine erlebnisbasierte Darstellung bietet. Gleiches gilt für die Tatsache, dass das Randgeschehen - Gespräche über Elternzeit im Büro oder im Hof sowie die Kontakte über soziale Medien - ähnlich unkonkret erinnert wurde wie das Kerngeschehen. Eine Lügnerin lügt nicht so vage. Trotz aller fehlenden Konkretisierung und Ausschmückung bleibt aber im Raum, dass der Kläger an jenem Tag in das Büro gekommen ist, dort "einen Zettel" abgegeben hat und sich dieser "Zettel" - jedenfalls im Spiegel der Gespräche und Geschehnisse an diesem Tag - auf einen Antrag auf Elternzeit bezog.

Die Zeugin Ba hat zum Beweisthema bekundet, sie wisse nur, dass der Kläger den Antrag abgegeben habe. Die Zeugin W habe direkt den Beklagten angerufen und der habe sich ziemlich aufgeregt, weil er zuerst gedacht habe, er müsse für die beantragte Elternzeit irgendwas bezahlen. Dann habe Frau W ihm aber wohl gesagt, dass das nicht der Fall sei. An Genaueres könne sie sich nicht erinnern. Wenn sie nach der Situation vor Ort gefragt werde, könne sie sagen, dass es sich bei dem Betrieb um ein Gewerbegebäude handele. Da gebe es einen Eingangsbereich mit einer Theke. Hinter der Theke hätten damals die Zeuginnen W und B gesessen. Geradeaus schräg rechts habe sie ihr Büro gehabt. Wenn die Zeugin W irgendwas zum Nachfragen gehabt habe, dann sei sie dann immer direkt zu ihr gekommen. Sie seien also im ständigen Austausch gewesen und wenn sie nach Sicht- und Hörverbindungen gefragt werde, könne sie sagen, dass die Türe immer offen gestanden habe, sie aber nicht alles genau habe sehen können. So habe sie z. B. auch nicht sehen können, ob der Kläger tatsächlich etwas abgegeben habe. Sie habe aber wahrgenommen, dass der Kläger anwesend gewesen sei. Aber es sei ja so gewesen, dass direkt danach die Zeugin W mit dem Antrag in der Hand zu ihr gekommen sei und mit dem Antrag gewedelt habe. Die Zeugin W sei sehr mitteilungsfreudig und sie habe immer den Beklagten angerufen und geschimpft und gemacht. Sie wolle da jetzt nicht in die Einzelheiten gehen, denn das könne für Anwesende beleidigend wirken, aber die Zeugin W habe jedenfalls viel geredet und insbesondere auch mit ihr viel geredet. So sei die Zeugin W dann auch mit dem Antrag in der Hand zu ihr gekommen. Auch wenn jetzt noch so oft nachgefragt werde, schwöre sie bei Allem, was ihr lieb und heilig sei, der Kläger habe den Antrag abgegeben. Die Zeugin W habe dieses Schreiben in der Hand gehabt und sie habe mit dem Beklagten telefoniert und ihr anschließend mitgeteilt, dass der Beklagte über diesen Antrag wütend gewesen sei und dass sie den Beklagten erstmal darüber habe aufklären müssen, dass es eine andere Stelle sei, die das Geld bezahle. Das Telefongespräch selbst habe sie nicht mitbekommen. Das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Beklagten bestehe nicht mehr. Sie sei lange Zeit krank gewesen. Über diese Krankheit wolle sie jetzt nichts sagen, aber sie sei wirklich schwer krank gewesen und in diese Krankheit hinein habe sie dann eine Kündigung bekommen. Es habe ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegeben und da habe ein Gütetermin stattgefunden. Die Kündigung sei schon nach zwei Wochen Arbeitsunfähigkeit gekommen. Auf Hinweis des Vorsitzenden, dass möglicherweise die Zeugin W in der gleich folgenden Vernehmung etwas Abweichendes erklären könne, bekundete die Zeugin, nach ihrer Einschätzung sei die Zeugin Wagner nicht der ehrlichste Mensch, den es so gebe. Sie habe jede Menge WhatsApps und sonstige Beiträge auf ihrem Mobiltelefon und da könne man sehen, dass die Zeugin W eigentlich über jeden herzieht, auch über den Beklagten. Die Zeugin W sei sehr manipulativ und sie sei eigentlich der unehrlichste Mensch, den sie kenne. Die Zeugin W habe im Betrieb eigentlich alles gemacht, Personal, Einstellungsgespräche, Fahrer betreut. Eigentlich habe sie den Beklagten vertreten, der sei ja die ganze Zeit nicht im Betrieb gewesen.

Auch die Zeugin Ba hat also zur Beweisfrage ergiebig bekundet, dass der Kläger an jenem 22.07.2021 einen schriftlichen Antrag abgegeben habe. Sie berichtet sogar, dass die Zeugin W mit dem Antrag in der Hand zu ihr an den Arbeitsplatz gekommen sei und mit ihr über den Antrag gesprochen habe. Auch die Zeugin Ba hat auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Sie hat zwar mit ungewöhnlicher Klarheit deutlich gemacht, dass sie die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beklagte als verletzend empfunden hat, auch hat sie nicht verborgen, dass ihr die Zeugin W nicht sympathisch ist. Es ist aber gerade diese klare Ansage, die ihre Glaubwürdigkeit, wenn schon nicht unterstreicht, so jedenfalls nicht trübt. Die Bekundungen waren auch glaubhaft. Hier gilt das zur Zeugin B gesagte entsprechend. Auch die Bekundungen der Zeugin Ba waren nicht glatt, rund und augenscheinlich auswendig gelernt, wie häufig die Aussagen von Lügnern. Auch hier ist es gerade die Sprunghaftigkeit ihrer Bekundungen, die dafürspricht, dass die Bekundungen erlebnisbasiert sind.

Da nun die beiden vorgenannten Zeuginnen die Beweisfrage positiv beantwortet haben, glaubwürdig und in ihren Bekundungen glaubhaft, sah sich die Berufungskammer veranlasst, die vom Beklagten gegenbeweislich benannte Zeugin W zu vernehmen.

Die Zeugin W hat zum Beweisthema bekundet, in jener Woche sei es so gewesen, dass der Kläger mit dem Beklagten zusammen eine Auslieferungstour gehabt habe. Der Kläger sei an jenem Tag, um den es hier offensichtlich gehe, in die Firma gekommen und habe dort etwas abgegeben, wo der Name des Beklagten draufgestanden habe. Solche Umschläge öffne sie nicht. Danach seien die beiden auf Liefertour gegangen, ob am gleichen Tag oder später, wisse sie nicht mehr. Jedenfalls habe die Zeugin B mit ihr über Elternzeit gesprochen. Sie habe der Zeugin B gesagt, dass sie darüber nicht Bescheid wisse und dann habe die Zeugin B erklärt, was man bei Elternzeit machen müsse und was man dürfe und sie habe in dem Zusammenhang auch gesagt, dass der Kläger Elternzeit beantragen wolle. Die ganze Woche sei dann der Beklagte mit dem Kläger unterwegs gewesen. Den fraglichen Umschlag habe sie in den Korb mit der Post für den Beklagten gelegt. Wenn der Beklagte in die Firma komme, nehme er sich diese Post. Kurze Zeit später habe sie der Beklagte angesprochen und mitgeteilt, dass der Kläger für den Tag der Geburt des Kindes Urlaub haben wolle. Sie habe dann gesagt, wenn die anderen keinen Urlaub hätten, dann gehe das wohl. Wenn sie nun vorgehalten bekomme, dass die beiden anderen Zeuginnen nicht von einem Umschlag, sondern von einem Schreiben berichtet hätten und insbesondere davon, dass zeitnah ein diesbezügliches Telefongespräch zwischen ihr, der Zeugin W , und dem Beklagten stattgefunden habe, könne sie sagen, dass sie durchaus mit dem Beklagten über die Elternzeit gesprochen habe, aber zu einem anderen Zeitpunkt. Und wenn sie nach dem Grund für dieses Gespräch gefragt werde, könne sie sagen, dass ein Hinweis der Zeugin B auf die Absicht des Klägers, Elternzeit zu beantragen, der Anlass gewesen sei. Einen Antrag auf Elternzeit habe sie nie in der Hand gehabt. Es habe da nur einen Umschlag gegeben. Ob in dem Umschlag ein Urlaubsantrag gesteckt habe oder der Antrag auf Elternzeit, wisse sie nicht. Wenn sie nun nach einer Erklärung gebeten werde, warum die beiden anderen Zeuginnen ganz andere Dinge berichteten, könne sie das ganz einfach beantworten. Die beiden seien "angepisst", weil sie wegen schlechter Leistung eine Kündigung bekommen hätten. Sie habe immer ein gutes Verhältnis mit dem Beklagten gehabt und sie tausche mit ihm Kochrezepte aus. Wenn sie nach ihren Aufgaben im Unternehmen gefragt werde könne sie zusammenfassend sagen, sie sei das Mädchen für Alles. Sie mache Telefon, Tourenplanung, Ablage und wenn Not am Mann sei, fahre sie auch. Sie nehme auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Urlaubsanträge an. Die Urlaubsanträge prüfe sie vorher und später werde dann endgültig über den Urlaubsantrag durch den Beklagten entschieden. Einstellungsgespräche in der ersten Runde würden tatsächlich manchmal von ihr geführt. Nach einem zweiten Gespräch werde dann aber vom Beklagte die Entscheidung gefällt. Wann sie endgültig von dem Antrag auf Elternzeit erfahren habe, wisse sie nicht mehr so genau. Durchaus könne sie sich an eine WhatsApp-Nachricht vom Kläger erinnern, in der es darum gegangen sei, dass die Elternzeit genehmigt werden solle. Wenn ihr vorgehalten werde, dass sie vor dem Arbeitsgericht noch bekundet habe, es habe nicht einmal einen Umschlag gegeben und sie nun von einem solchen Umschlag mit einer konkret erinnerten Beschriftung spreche, könne sie jetzt so genau nicht antworten. Da sei ein Tresen dazwischen und ob das nun über die Zeugin B zu ihr gelangt sei oder direkt zu ihr, könne sie nicht sagen. Wenn die Zeugin Ba bekundet habe, sie habe mit dem Antrag des Klägers in der Hand gewedelt und sie habe anschließend mit dem Beklagte telefoniert, könne sie sagen, dass sie nicht mehr genau wisse, wann das Gespräch mit der Zeugin Ba stattgefunden habe. Auf Bitte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, die Aussage noch einmal zu konkretisieren, wie es denn nun gewesen sei, ob sie einen Umschlag in der Hand gehabt habe oder einen Umschlag von Frau B bekommen habe oder was überhaupt genau dort passiert sei, könne sie jetzt jedenfalls sagen, dass sie einen Umschlag auf dem der Namen des Beklagten gestanden habe auf jeden Fall in das Postkörbchen des Beklagten gelegt hat. Denn so sei das immer gewesen.

Die Frage, ob die Zeugin W auf die Berufungskammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls waren ihre Bekundungen nicht glaubhaft. Sie waren widersprüchlich, konnte die durch die Vernehmungen der Zeuginnen B und Bartenstein zum Ausdruck gebrachten Sachverhalte nicht erschüttern, bestätigten diese sogar im Kern. Zunächst legte die Zeugin besonderen Wert auf die Tatsache, dass da nur ein Umschlag und eben kein für sie lesbarer Antrag abgegeben worden sei. Genau will sie sich erinnern an einen solchen konkreten Umschlag mit einer konkreten Aufschrift; dann kommen ihre Bekundungen ins Schlingern, wenn ihr vorgehalten wird, dass noch vor dem Arbeitsgericht von ihr behauptet worden sei, nicht einmal einen Umschlag bekommen zu haben; dann flüchtet sie sich in die Beschreibung der Räumlichkeiten ohne ersichtlichen Zusammenhang gerade mit diesen Widersprüchlichkeiten.

Nach Auffassung der Berufungskammer können Antworten auf die spitzfindigen Fragen nach "Zetteln", "Umschlägen", "Postkörbchen", "Dienstplänen" usw. offenbleiben, denn selbst unter Beachtung der Abweichungen der Sachverhaltsschilderungen im Detail steht fest,

- dass der Kläger nach dem Entwurf seiner Lebensgefährtin einen Antrag auf Elternzeit handschriftlich geschrieben hat;

- dass dieses Schreiben das Datum 22.07.2021 trägt;

- dass der Kläger dieses Schreiben zur Dokumentation abfotografiert hat (Anlage K3 Bl. 10 d.A.);

- dass der Kläger am Morgen des 22.07.2021 im Büro des Betriebes erschienen ist;

- dass der Kläger dort - im Umschlag oder ohne Umschlag - ein Schriftstück abgegeben hat;

- dass der Beklagte nicht erklären kann, welchen Inhalt dieses Schriftstück gehabt haben soll - wenn nicht den Antrag auf Elternzeit;

- dass im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erscheinen des Klägers und der Übergabe des Umschlags oder des Schriftstücks zwischen den Anwesenden Zeuginnen und im Hinblick auf den gerade erschienenen Kläger das Thema "Elternzeit" diskutiert wurde;

- dass der Kläger am 26.07.2021 eine Whatsapp an die Zeugin W versandt hat (Anlage K4, Bl. 11 d.A.), in der er darum gebeten hat, die"Elternerziehungszeit" zu bestätigen, ohne dass die Zeugin mit Nachdruck nachgefragt hätte, was nahegelegen gewesen wäre, wenn der Kläger tatsächlich keinen schriftlichen Antrag abgegeben hätte;

- dass der Beklagte sich zunächst auf den abwegigen Einwand beschränkt hat, die Zeugin W sei "nicht Empfangsvertreterin", um dann zu behaupten, da sei zwar etwas abgegeben worden, es werde aber bestritten, dass es ein Antrag auf Elternzeit gewesen sei;

- dass der Beklagte ohne weitere Darlegung von Tatsachen behauptet, der Kläger sei nicht der Kindsvater, der Kläger habe sich nicht um das Kind gekümmert, der Kläger habe sich nicht einmal in der gleichen Wohnung aufgehalten;

- dass der Beklagte berichtet, er habe "fernmündlich mit einer Sachbearbeiterin" - ohne diese zu benennen - über den Elternzeit-Wunsch des Klägers gesprochen, er aber im Übrigen nichts weiter zum Thema und zum Zeitablauf vorträgt (zum Beispiel ein entsprechendes Gespräch mit dem Kläger?).

Werden diese Punkte zusammen betrachtet, widersprechen die Bekundungen der Zeugin Wagner nicht einmal den Bekundungen der beiden anderen Zeuginnen, denn im Kern ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt und dem Ergebnis der Beweisaufnahme: Der Kläger hat am 22.07.2021 einen Antrag auf Elternzeit im Büro des Beklagten abgegeben.

b. Auch die Übrigen Voraussetzungen des Sonder-Kündigungsschutzes aus § 18 BEEG liegen vor, insbesondere sind die Voraussetzungen des § 15 BEEG erfüllt. Gemäß § 15 BEEG haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Elternzeit, wenn sie mit ihrem Kind (1.), in einem Haushalt leben (2.) und dieses Kind selbst betreuen und erziehen (3.).

(1.) Das Kind, um das es hier geht, ist das Kind des Klägers. Der Kläger hat eine Vaterschaftsanerkennung vorgelegt und die Kindsmutter hat ihn als Vater bezeichnet. Es wäre nun am Beklagten gewesen, Tatsachen vorzutragen, die ihn an der Vaterschaft zweifeln lassen. Das bloße Bestreiten der Vaterschaft reicht in einem solchen Fall nicht aus und ist daher mangels Vollständigkeit des Vortrages im Sinne des § 138 Abs. 1 ZPO keine hinreichende Einlassung im Sinne des § 138 Abs. 2 ZPO. Die Vaterschaft des Klägers gilt daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig.

(2.) Der Kläger hat auch in einem Haushalt mit dem Kind gelebt. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei der Prüfung des Kündigungsschutzes zunächst nur die Prognose gelten kann, denn oft - wie hier - wird Elternzeit beantragt, bevor das Kind überhaupt auf der Welt ist. Doch selbst wenn es nicht nur auf die Prognose ankäme, sondern auf die tatsächliche Durchführung der Elternzeit, wären die Voraussetzungen "gemeinsamer Haushalt" erfüllt. Hier kommt es darauf an, dass ein ortbezogener Mittelpunkt gemeinsamer Lebensführung bestehen bleibt oder in absehbarer Zukunft wieder hergestellt wird (Heinkel in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 5. Aufl., Bd. 2 § 191 Rn. 6). Dass ein solcher ortsbezogener Mittepunkt bestand, steht nach der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin G fest.

Die Zeugin G hat bekundet, sie lebe vom Kläger seit September 2022 getrennt. Damals seien sie aber noch zusammen gewesen. Der Kläger habe wegen der anstehenden Geburt Urlaub haben wollen. Die Geburt sei eigentlich für den 15.07. ausgerechnet gewesen. Das habe sich dann aber alles verzögert. Schließlich sei die Geburt am 25.07. eingeleitet worden. Der Kläger habe von seinem Chef keinen Urlaub bekommen. Sie und ihre Mutter hätten dann gesagt, "beantrage doch Elternzeit, damit du Zeit mit deinem Sohn verbringen kannst". Am 21.07. habe sie dann zusammen mit ihrer Mutter das Schreiben also den Antrag auf Elternzeit formuliert und dem Kläger per WhatsApp zugeschickt. Noch in der Nacht hätte sie dann von ihm die Antwort bekommen, er habe die Nachricht abgeschrieben und er wolle den Antrag so abgeben. Er habe ihr sogar ein Foto von dem Schreiben geschickt und ein Foto von dem eingepackten Kuvert. Es sei dann geplant gewesen, dass er die Elternzeit bei ihr und ihrer Mutter verbringe, dass man also gemeinsam Zeit für das gemeinsame Kind habe. Sie habe zu dieser Zeit auch Elternzeit gehabt. Geplant sei also Spazierengehen, Essen usw., was halt so anfalle. Während der Elternzeit, also während der zwei Monate, habe er sich dann auch tatsächlich um den gemeinsamen Sohn gekümmert. Er sei die ganze Zeit bei ihr gewesen. Über Nacht sei er manchmal nachhause gefahren, aber nur ab und zu. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass der Kläger drei Wochen Urlaub nehme und zwar ab dem 15.07. Das sei ja der Termin gewesen, zu dem die Geburt eigentlich ausgerechnet gewesen sei. Als er den Urlaub aber dann nicht bekommen habe, hätten sie sich Gedanken gemacht. Elternzeit hätten sie ursprünglich gar nicht auf dem Schirm gehabt. Auf die Idee seien sie dann erst gekommen. Im September als dann die Elternzeit losging, sei die Elternzeit dann auch so gelebt worden wie geplant. Der Kläger habe danach ja keinen Job mehr gehabt. Er sei deshalb bei ihr und dem gemeinsamen Sohn geblieben. Erst für die Zeit ab März 2022 habe er einen neuen gefunden.

Die Zeugin G ist glaubwürdig und ihre Bekundungen waren glaubhaft. Nach der Trennung vom Kläger hat die Zeugin keinen Anlass zu seinen Ungunsten etwas Falsches auszusagen oder Tatsachen wegzulassen. Sie hat sehr authentisch und im Ausdruck natürlich von der Zeit rund um die Geburt ihres Sohnes erzählt. Wiedersprüche waren nicht ersichtlich und der von ihr dargestellte Geschehensablauf ist realitätsnah und nachvollziehbar. Es gab keinen Hinweis darauf, dass ihre Darlegungen nicht erlebnisbasiert gewesen wären. Die erkennende Kammer hat ihr geglaubt.

Danach steht nicht nur fest, dass das Kind der Sohn des Klägers ist, sondern auch, dass der Kläger die Zeit seiner von ihm beantragten Elternzeit nicht nur im gemeinsamen Haushalt plante, sondern auch tatsächlich in dem gemeinsamen Haushalt durchführte.

(3.) Mit dem Inhalt der Bekundungen der Zeugin G steht gleichfalls fest, dass der Kläger während der beantragten Elternzeit seinen Sohn selbst betreut und erzogen hat.

Da somit am 22.07.2021 vom Kläger wirksam Elternzeit beantragt worden war, erweist sich die Kündigung vom 27.07.2021 gemäß § 18 BEEG als unwirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Der Klageantrag zu 1 war daher begründet.

2. Der Klageantrag zu 2, nämlich der allgemeine Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände sein Ende gefunden hat, war unzulässig, da nach dem Vortrag des Beklagten solche anderen Beendigungstatbestände nicht im Raume standen. Es fehlt daher an einem Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Das Arbeitsgericht hat den Antrag daher richtigerweise als unzulässig abgewiesen. Die Bestätigung dieser Entscheidung findet sich hier im Berufungstenor zu I 8.

3. Der Antrag zu 3, nämlich der Antrag auf Zahlung restlicher 300,00 EUR für den Monat März 2021 nebst Zinsen, ist begründet. Da der Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt hat, ist der antragsgemäße Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils diesbezüglich rechtskräftig. Deklaratorisch findet sich dieser Anspruch als Teil des Berufungstenors zu I 2 wieder.

4. Für den Antrag zu 4 - Restlohn für den Monat April 2021 - gilt das gleiche wie für den Monat März (s.o. 3.).

5. Für den Antrag zu 5 - Restlohn für den Monat Mai 2021 - gilt das gleiche wie für den Monat März (s.o. 3.).

6. Für den Antrag zu 6 - Restlohn für den Monat Juni 2021 - gilt das gleiche wie für den Monat März (s.o. 3.).

7. Der Kläger hat gegen den Beklagten für den Monat Juli 2021 einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Bruttomonatsentgelt in voller Höhe. Nämlich in Höhe von 2.700,00 EUR. Dieser Anspruch folgt aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag für die Zeit bis zum 26.07.2021 - insofern ist die teilweise klagestattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts mit dem dortigen Tenor zu 2 mangels einer Berufung des Beklagten rechtskräftig. Dem Kläger steht jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten und des Arbeitsgerichts auch für die Zeit vom 27.07.2021 bis zum 31.07.2021 ein Entgeltanspruch zu.

a. Dass das vereinbarte Bruttomonatsentgelt 2.700,00 EUR beträgt und nicht nur 2.400,00 EUR, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, in dem von einer "automatischen" Erhöhung ab dem Monat März die Rede ist. Die Behauptung es gebe eine hiervon abweichende Absprache hat der Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht weiter vertieft. Damit bleibt es dabei, was diesbezüglich schon das Arbeitsgericht erkannt hat: Das vereinbarte regelmäßige Bruttomonatsentgelt der Parteien beträgt 2.700,00 EUR.

b. Dem Kläger steht ein Entgeltanspruch auch für die Zeit vom 27.07.2021 bis zum 31.07.2021 zu. Dieser Anspruch folgt aus § 3 EFZG. Denn der Kläger war ab dem 27.07.2021 arbeitsunfähig erkrankt. Der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert durch die Ankündigung, er werde dem Arbeitsplatz fernbleiben, wenn das Kind auf die Welt komme und durch die Tatsache, dass das Kind tatsächlich an jenem Tag geboren worden ist, an dem die Arbeitsunfähigkeit begonnen haben soll. Der Kläger konnte sich daher für seine Behauptung, er sei arbeitsunfähig gewesen, nicht auf die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beschränken. Nach seiner Darlegung, er sei die Treppe heruntergefallen und nach der Entbindung der behandelnden Ärztin von ihrer Schweigepflicht war daher über die Behauptung des Klägers, er sei arbeitsunfähig gewesen, Beweis zu erheben. Dies geschah durch die Vernehmung der Zeugin F . Nach dieser Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger tatsächlich arbeitsunfähig gewesen ist.

Die Zeugin fertig hat bekundet, der Kläger sei nach einem Treppensturz mit Kniebeschwerden zu ihr gekommen. Die Beschwerden habe er auf der linken Seite gehabt. Schon in der Zeit davor habe er Beschwerden im Knie und im Rücken gehabt, sodass sich die Schmerzen durch den Sturz besonders verstärkt hätten. Sie habe sein Gelenk nicht richtig bewegen können. Beim Auftreten habe es ihm besonders weh getan. Sie könne durchaus zwischen tatsächlichem Schmerzen und nur vorgespielten Beschwerden unterscheiden. Es sei nicht möglich, die Bewegungsbeschränkungen vorzuspielen. Sie rede mit den Patienten während der Untersuchung und wenn sie mit einem Patienten rede, konzentriere sich dieser Patient nicht auf das Knie und in diesem Moment könne sie sehen, ob die behaupteten Schmerzen tatsächlich vorlägen oder nicht. Natürlich habe sie hier vor der Beweisaufnahme in die Akte geschaut. Sie könne sich aber an den Patienten durchaus erinnern und daran, dass sie ihm gesagt habe, er möge wiederkommen, wenn die Schmerzmittel nicht wirken würden. Es sei in solchen Fällen nicht üblich, einen Patienten gleich zwei Wochen krankzuschreiben. Das sei ja auch hier nicht der Fall gewesen. Es habe mehrere Folgebescheinigungen gegeben. Von einer Geburt eines Sohnes wisse sie nichts. Es habe hier überhaupt keinen Anlass für eine Familienanamnese gegeben. Deshalb sei von seinen familiären Verhältnissen keine Rede gewesen.

Die Zeugin F war glaubwürdig und ihre Bekundungen waren glaubhaft. Die Zeugin F ist eine sachverständige unbeteiligte Dritte. Das ist ein besonders starkes Zeichen, dass ihre Bekundungen erlebnisbasiert waren. Sie hat sehr gradlinig und professionell den Sachverhalt dargestellt, sie hat deutlich gemacht, dass sie sich durchaus auf die Beweisaufnahme durch einen Blick in die Akte vergewissert habe, und berichtet, dass sie sich dennoch an den Kläger erinnern könne. Sie hat für die erkennende Kammer nachvollziehbar gemacht, wie sie den echten Schmerzpatienten vom Simulanten unterscheide und warum sie den Kläger nicht als einen solchen Simulanten erkannt habe.

Nach alledem steht fest, dass der Kläger auch für die letzten vier Tage des Monats Juli 2021 einen Entgeltanspruch hatte. Insofern war die Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern und der Beklagte zu verurteilen an den Kläger das volle Bruttomonatsentgelt zu zahlen. Wie vom Kläger richtigerweise beantragt, war ein Nettobetrag in Höhe der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit abzuziehen, denn in dieser Höhe war der Entgeltanspruch gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen.

Die deklaratorische Wiederholung des bereits durch das Arbeitsgericht rechtskräftig entschiedenen Anspruchs für die Zeit vom 01.07.2021 bis zum 26.07.2021 in der Summe mit dem hier zusätzlich berücksichtigten Anspruch für die Tage vom 27.07.2021 bis zum 31.07.2021 findet sich hier im Berufungstenor zu I 3.

8. Aus den gleichen Gründen steht dem Kläger auch für den ganzen Monat August das volle vereinbarte Bruttomonatsentgelt als Entgeltfortzahlung zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Arbeitsgerichts hat der Kläger gegen den Beklagten auch für die Zeit vom 01.08.2021 bis zum 13.08.2021 Anspruch auf Entgeltfortzahlung, denn er war - wie die Beweisaufnahme verdeutlicht hat - in der Zeit bis zum 13.08.2021 arbeitsunfähig.

Die Tatsache, dass der Kläger ausweislich des Bescheides des Kreises Rhein Sieg (Bl. 58) für den Monat August 104,00 EUR an Elterngeld bekommen hat, ist unerheblich, da über das Entgelt der letzten Tage im August bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Hier, in der Berufungsinstanz, geht es nur noch um die ersten 13 Tage des Monats August.

Die Summe aus der deklaratorischen Wiederholung des bereits rechtskräftig zugesprochenen Anspruchs für die Zeit vom 14.08.2021 bis zum 31.08.2021 und des nun darüber hinaus zugesprochenen Anspruchs für die Zeit vom 01.08.2021 bis zum13.08.2021 findet sich hier im Berufungstenor zu I 4.

9. Der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf eine Bescheinigung über seine Elternzeit ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Satz 8 BEEG. Dass der Kläger wirksam Elternzeit beantragt hat, wurde oben zum Antrag zu 1 dargestellt. Bezüglich des hier fraglichen Bescheinigungsanspruchs war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und es war dem Antrag zu 9 stattzugeben, hier im Berufungstenor unter I 5.

10. Am 09.09.2021 begann die beantragte Elternzeit. Nach dem Vorgesagten zum Monat Juli (Antrag zu 7) und zum Monat August (Antrag zu 8) besteht daher dem Grunde nach bis zum 08.08.2021 ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Entgeltfortzahlung aus § 3 EFZG. Tatsächlich ist aber bereits am 06.09.2021 die sechswöchige Entgeltfortzahlungszeit abgelaufen. Dabei ist aus dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles unerheblich, dass die Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.08.2021 möglicherweise eine neue Ursache gehabt hat. Für die beiden Tage 07.09.2021 und 08.09.2021 besteht somit kein Entgeltanspruch, denn der Kläger war arbeitsunfähig, daher kommt auch kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges in Betracht und es besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr. Die Höhe des Anspruchs berechnet sich wie folgt: 2.700,00 EUR brutto : 30 Kalendertage x 6 Entgeltfortzahlungstage = 540,00 EUR brutto abzüglich der vom Kreis S für diese Tage geleisteten 6 x 22,60 EUR = 135,60 netto. Dieser in Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zugesprochene Anspruch findet sich hier im Berufungstenor zu I 6, der abgewiesene Teil im Berufungsurteil zu I 8.

11. Schließlich war auch dem uneigentlichen Hilfsantrag zu 11, dem Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung, entgegen der Auffassung des Beklagten und des Arbeitsgerichts stattzugeben. Der Anspruch folgt aus § 611 a BGB in Verbindung mit dem ungekündigten Arbeitsvertrag, § 241 BGB und Art 2 GG. So hat es der Große Senat im Jahre 1985 entschieden (GS 1/84), denn mit einer klagestattgebenden Entscheidung zur Kündigungsschutzklage überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung. Da es sich um den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag handelt, wirkt der im folgende Titel nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag, hier also bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und für den Fall, dass eine solche Beschwerde erhoben wird, bis zum rechtskräftigen Abschluss des dann folgenden Verfahrens. Der auf die Berufung des Klägers nunmehr zugesprochene Anspruch findet sich hier im Berufungstenor zu I 7.

Dieser Berufungstenor zu I 7. war gemäß § 319 ZPO wegen eines offensichtlichen Übertragungsfehlers einzufügen. Sowohl aus der Kostenentscheidung, als auch aus der Konkretisierung des klageabweisenden Teils ist ersichtlich, dass als Ergebnis der Schlussberatung der erkennenden Berufungskammer der Klage insgesamt stattgegeben wurde mit Ausnahme des allgemeinen Feststellungsantrages und des Entgelts für die beiden Tage 07.09.2021 und 08.09.2021.

III. Nach allem war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage stattzugeben mit Ausnahme des allgemeinen Feststellungsantrages und dem Anteil des Antrages zu 10, der die Tage 07.09.2021 und 08.09.2021 betrifft. Wegen dieses nur sehr geringen Unterliegens des Klägers waren die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 92 ZPO dem Beklagten in voller Höhe aufzuerlegen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

Vorschriften