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Urteil vom 13.07.2023 · IWW-Abrufnummer 237376

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 5 Sa 139/22

1. Bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer/innen nicht entgegenstehen.

2. Der Arbeitgeber darf sich bei der Interessenabwägung auf die ihm ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen. Das ist ihm schon aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre seiner Beschäftigten verwehrt. Zudem kann er regelmäßig nicht zuverlässig feststellen, welche Anstrengungen seine Mitarbeiter/innen jeweils unternehmen bzw. unternehmen müssen oder können, um die Kinderbetreuung sicherzustellen.

3. Dass es anderen Mitarbeiterinnen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und ihre familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, rechtfertigt es nicht, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber einer alleinerziehenden Arbeitnehmerin zu benachteiligen.


Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 12.07.2022 - 6 Ca 73/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine generelle Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie von Samstagsarbeit aus Gründen der Kinderbetreuung.

Die im Januar 1989 geborene Klägerin nahm im Jahr 2008 bei der Beklagten, die in Norddeutschland zahlreiche Bäckereifilialen betreibt, eine Ausbildung auf. Im Anschluss daran arbeitete sie als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale der Beklagten in L-Stadt und wechselte später zu einer Filiale in S-Stadt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 18.01.2013 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. Die Klägerin kann laut Arbeitsvertrag in sämtlichen Filialen der Beklagten eingesetzt werden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach der Übung des Betriebes. Des Weiteren ist die Klägerin arbeitsvertraglich verpflichtet, in dem gesetzlich zulässigen Rahmen Sonntags-, Feiertags- und Mehrarbeit zu leisten.

Die Klägerin war zuletzt langjährig in der Filiale 1135, M-Straße Galerie S-Stadt, eingesetzt, der zu ihrer Wohnung nächstgelegenen Filiale. Der Arbeitsweg beträgt etwa einen Kilometer. Die Filiale verfügt über ein Café.

Bedingt durch Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie galt 2021 das folgende 3-Schicht-Modell:

Anzahl Mitarb. Schichtzeiten 05:30 Uhr 7:30 Uhr 11:00 Uhr 12:00 Uhr 13:30 Uhr 15:00 Uhr 20:00 Uhr 1 1 1

In der Frühschicht ab 05:30 Uhr müssen die Mitarbeiterinnen das Frühstück für die Kunden vorbereiten. Zwischen 07:30 und 08:30 Uhr ist das Kundenaufkommen am höchsten. Die Spätschicht endet mit dem Säubern von Tischen und Stühlen sowie des Verkaufsbereichs.

Die Klägerin gebar am 18.07.2020 Zwillinge und befand sich bis zum 17.07.2021 in Elternzeit. Anschließend war sie zunächst arbeitsunfähig. Die Kinder besuchen eine in Wohnortnähe befindliche Kindertagesstätte, geöffnet montags bis freitags von 07:00 bis 17:00 Uhr. Im Umkreis von maximal vier Kilometern zur Wohnung der Klägerin als auch zu der Filiale Marienplatz gibt es zwei Kindertagesstätten, die rund um die Uhr geöffnet sind (24-Stunden-Kita). Dabei handelt es sich um die Kindertagesstätte "nidulus", W-Straße xxx-xxx, S-Stadt auf dem Gelände der dortigen Kliniken sowie die Kindertagesstätte "nidulus duo", W-Straße xxx, S-Stadt.

Mit Schreiben vom 27.09.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung, weil sie an diesem Tag nicht zur Arbeitsaufnahme um 05:30 Uhr erschienen war und bis jedenfalls 12:15 Uhr eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mitgeteilt hatte.

Mit Schreiben vom 17.12.2021 beantragte die Klägerin, ab dem 11.01.2022, dem voraussichtlichen Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit, nur noch an den Wochentagen Montag bis Freitag (also nicht samstags) und nur noch zwischen 07:40 Uhr und 16:40 Uhr eingesetzt zu werden. Darüber hinaus beantragte sie zum 01.04.2022 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden, abzuleisten ebenfalls in dem oben genannten Zeitrahmen. Zur Begründung berief sie sich auf ihre Betreuungspflichten als alleinerziehende Mutter. Die Klägerin erschien am 11.01.2022 abweichend vom Schichtplan um 07:40 Uhr zur Arbeitsaufnahme in der Filiale Marienplatz, wo sie von der stellvertretenden Filialleiterin nach Hause geschickt wurde.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11.01.2022 zwar nicht die beantragte Arbeitszeitverkürzung ab, widersprach jedoch der beantragten Arbeitszeitverteilung. Zur Begründung verwies sie auf die vergleichbare Position der übrigen Mitarbeiterinnen, ebenfalls mit kleinen Kindern. Des Weiteren forderte sie die Klägerin auf, am 12.01.2022 ihren Dienst zur Frühschicht um 05:30 Uhr in der Filiale Marienplatz anzutreten. Da die Klägerin dem nicht nachkam, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 21.01.2022 eine Abmahnung (Anlage K 5) aus. In der Abmahnung teilte sie der Klägerin zugleich die für sie maßgeblichen Schichtzeiten in der 4. Kalenderwoche 2022 (Filiale Marienplatz) mit:

Tag Arbeitszeit Dienstag, 25.01.2022 05:30 Uhr bis 13:30 Uhr Mittwoch, 26.01.2022 05:30 Uhr bis 13:30 Uhr Donnerstag, 27.01.2022 05:30 Uhr bis 13:30 Uhr Freitag, 28.01.2022 11:00 Uhr bis 19:00 Uhr Samstag, 29.01.2022 11:00 Uhr bis 19:00 Uhr

Dieser Arbeitsanweisung kam die Klägerin nicht nach.

In der Filiale sind neben der Klägerin drei weitere Stammmitarbeiterinnen beschäftigt, nämlich:

• Frau B. mit 2 Kindern im Alter von 3 und 8 Jahren (Stand Anfang 2022),

• Frau W. mit 1 Kind im Alter von 3 Jahren (Stand Anfang 2022) und

• Frau Z. mit 1 Kind im Alter von 2 Jahren (Stand Anfang 2022).

Nachdem die Cafés wieder öffnen durften, etwa Mai 2022, besetzte die Beklagte die Filiale Marienplatz wie folgt:

Anzahl Mitarb. Schichtzeiten 05:30 Uhr 7:30 Uhr 11:00 Uhr 12:00 Uhr 13:30 Uhr 15:00 Uhr 20:00 Uhr 2 1 2 (14:00 - 19:30 h)

Die Filiale schloss um 19:00 Uhr. Für Nacharbeiten sah die Beklagte eine weitere halbe Stunde vor.

Die Klägerin beantragte im Januar 2022 Sozialleistungen und bezog im Wege der Gleichwohlgewährung Arbeitslosengeld. Das Arbeitsverhältnis besteht weiterhin ungekündigt fort.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass sie einen Anspruch darauf habe, nur montags bis freitags in der Zeit zwischen 07:40 Uhr bis 16:40 Uhr eingesetzt zu werden. Da die Kita ihrer Kinder erst um 07:00 Uhr öffne und gewisse Übergabezeiten einzurechnen seien, könne sie einen Dienstbeginn erst um 07:40 Uhr fest zusagen, wenn auch überwiegend ein Dienstantritt um 07:30 Uhr möglich sein sollte. Spätestens um 16:40 Uhr müsse sie sich auf den Weg machen, um ihre Kinder pünktlich bis 17:00 Uhr von der Kita abzuholen. Die Klägerin sei alleinerziehend. Der Kindsvater habe sich von ihr und den Kindern abgewandt. Auf ihre in L-Stadt ansässigen Eltern könne die Klägerin nicht zurückgreifen, da der Vater im Schichtdienst tätig und die Mutter krankheitsbedingt erwerbsunfähig sei. Die Beklagte müsse auf die Personensorgepflichten der Klägerin Rücksicht nehmen, insbesondere die verstärkten Fürsorgepflichten einer alleinerziehenden Mutter.

Die Klägerin hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, einer Verteilung der Arbeitszeit auf Werktage (ohne Feiertage) zwischen Montag und Freitag und einer Arbeitszeit zwischen 07:40 Uhr und 16:40 Uhr einschließlich 30 min Pause zuzustimmen,

2. festzustellen, dass sich die beklagte Partei mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin mit 40 Stunden pro Woche seit dem 11.01.2022 in Verzug befindet,

3. die Beklagte zu verpflichten, die Abmahnung vom 21.01.2022 aus der Personalakte zu entfernen,

4. festzustellen, dass die Zuweisung der Arbeitszeit im Schreiben vom 21.01.2022 nicht billigem Ermessen entspricht und daher unverbindlich ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die von der Klägerin geforderten Arbeitszeiten seien aus betrieblichen Gründen nicht umsetzbar. Um die mietvertraglich festgelegten Öffnungszeiten der Filiale gewährleisten zu können, sei ein Schichtbetrieb unumgänglich. Die Frühschicht und die Spätschicht seien bei allen Mitarbeiterinnen nicht beliebt. Der Betriebsfrieden sei gestört, wenn die Klägerin nur noch die von allen Mitarbeiterinnen begehrte Mittelschicht wahrnehme. Die Beklagte müsse nicht nur die Personenstandspflichten der Klägerin, sondern auch diejenigen der anderen Mitarbeiterinnen beachten. Nach den Angaben der Klägerin sei der Kindsvater in eine etwa 30 km entfernte Nachbarstadt verzogen. Es sei deshalb durchaus möglich und zu erwarten, dass auch er sich um seine Kinder kümmere. Im Übrigen habe die Klägerin mehrere Einladungen zu einem Personalgespräch nicht wahrgenommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund entgegenstehender betrieblicher Gründe keinen Anspruch aus § 8 TzBfG auf eine feste Arbeitszeit montags bis freitags von 07:40 Uhr bis 16:40 Uhr habe. Eine solche Verteilung der Arbeitszeit sei mit dem Organisationskonzept der Beklagten nicht vereinbar. Eine Schicht, wie sie die Klägerin wünsche, gebe es nicht. Die persönliche Lebenssituation der Klägerin sei dabei nicht ausschlaggebend. Ein Anspruch ergebe sich des Weiteren nicht aus § 106 GewO. Die Beklagte müsse auch die Interessen der anderen Mitarbeiterinnen berücksichtigen. Dementsprechend habe sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden. Schließlich sei auch die Abmahnung vom 21.01.2022 nicht aus der Personalakte zu entfernen, da die Beklagte den Sachverhalt dort korrekt wiedergegeben und diesen rechtlich zutreffend bewertet habe.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Ihr Verteilungswunsch beeinträchtige das betriebliche Organisationskonzept nicht wesentlich. Gegenteiliges habe die Beklagte nicht vorgetragen. Die Klägerin könne die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden durchaus an den Werktagen von Montag bis Freitag in der Zeit von 07:30 Uhr bis 15:00 Uhr, also einer Zeitspanne von 7,5 Stunden, erbringen. Die Beklagte habe mit der Klägerin nicht über die Verteilung der Arbeitszeit verhandelt, was die Klägerin angeboten habe. Das Arbeitsgericht habe das Grundrecht der Kinder auf Fürsorge und Betreuung durch ihre Mutter, den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG), das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligungen (Art. 3 GG) und das Recht auf Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben (Art. 33 EU-GRCharta) nicht ausreichend berücksichtigt. Ob § 8 Abs. 4 TzBfG in seinem Wortlaut oder in seiner von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geprägten Auslegung noch den europarechtlichen Anforderungen der Richtlinien 2010/18/EU bzw. 2019/1158/EU genüge, sei zweifelhaft.

Billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspreche ausschließlich die von der Klägerin geforderte Arbeitszeiteinteilung. Die Beklagte müsse sich gegenüber den anderen Mitarbeiterinnen schützend vor die Klägerin stellen und auf die Besonderheit ihrer Situation (Zwillinge, Alter der Kinder, alleinerziehend, weder Eltern noch Schwiegereltern in der Nähe) hinweisen. Den Arbeitgeber treffe vor Ausübung seines Ermessens eine Erkundigungsobliegenheit, wie es anderen Beschäftigten gelinge, ihre Kinder außerhalb der üblichen Kita-Öffnungszeiten zu betreuen. Eine solche Befragung sei zulässig; der Arbeitgeber müsse seine Beschäftigten lediglich auf den Zweck seiner Erkundigung und die Freiwilligkeit der Angaben hinweisen. Als alleinerziehende Mutter von Zwillingen sei der Klägerin, die ihre Kinder nicht anderweitig als in einer Kindertagesstätte betreuen lassen könne, der Vorrang einzuräumen gegenüber den ebenfalls anerkennenswerten Wünschen anderer Eltern, Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Offenbar seien diese ja in der Lage, trotz Arbeitszeiten zwischen 05:30 und 19:30 Uhr einschließlich Samstagsarbeit ihre Betreuungspflichten zu erfüllen, was bei der Klägerin gerade nicht der Fall sei. Stattdessen habe die Beklagte der Klägerin eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses angetragen. Es gebe zwar Kindertagesstätten in S-Stadt mit einer 24-Stunden-Betreuung. Im Zeitraum 01.07.2021 bis 02.03.2022 seien in den beiden Kitas jedoch keine Plätze frei gewesen, wie sich aus der E-Mail des Kita-Trägers vom 07.07.2023 ergebe. Im Übrigen sei ein häufiger Wechsel der Betreuungsperson in einer Kita mit Schichtsystem ungünstig für die Entwicklung der Kinder.

Die Abmahnung sei aus der Personalakte zu entfernen, da die Klägerin nicht gegen ihre Pflicht zur Arbeitsleistung verstoßen habe. Es sei der Klägerin schlichtweg unmöglich gewesen, ihre Arbeit am 12.01.2022 um 05:30 Uhr aufzunehmen und ihre rund 18 Monate alten Kleinkinder sich selbst zu überlassen. Es habe keine Alternative zur Eigenbetreuung der beiden Kinder gegeben, weshalb ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden habe. Die Arbeitseinteilung der Beklagten in der Woche vom 25.01. bis 29.01.2022 sei nicht ermessensgerecht gewesen. Die Beklagte habe auf die Arbeitszeitwünsche der Klägerin keinerlei Rücksicht genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 12.07.2022, Aktenzeichen 6 Ca 73/22, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, einer Verteilung der Arbeitszeit von 35 Stunden wöchentlich auf Werktage außer Samstag und einer Arbeitszeit zwischen 07:40 Uhr, hilfsweise 07:30 Uhr, und 16:40 Uhr einschließlich 30 Minuten Pause zuzustimmen,

2. a) festzustellen, dass sich die beklagte Partei mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin mit 40 Stunden pro Woche seit dem 11.01.2022 und mit 35 Stunden pro Woche seit dem 01.04.2022 in Verzug befindet,

b) hilfsweise für den Fall der Abweisung zu 2 a), festzustellen, dass der Klägerin Anspruch auf Vergütung seit 11.01.2022 für 40 Wochenstunden und seit dem 01.04.2022 für 35 Wochenstunden gegen die Beklagte zusteht, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.01.2022 (Anlage K 5) aus der Personalakte zu entfernen,

4. festzustellen, dass die Zuweisung der Arbeitszeiten durch die Beklagte gegenüber der Klägerin im Schreiben vom 21.01.2022 (Anlage K 5) nicht billigem Ermessen entspricht und unverbindlich ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Beklagte ihr Organisationskonzept auf sie zuschneide. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin ihre Kinder ab dem 11.01.2022 nicht in einer Kita mit längeren Öffnungszeiten habe unterbringen können. Die Klägerin habe sich ab dem 12.01.2022 auch nicht ein einziges Mal zur Arbeitsaufnahme eingefunden, sondern lediglich erklärt, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Soweit die Klägerin nunmehr eine E-Mail des Trägers der beiden 24-Stunden-Kitas nachgereicht habe, werde Verspätung gerügt und bestritten, dass die Klägerin für ihre Kinder bei rechtzeitiger Beantragung dort keinen Platz hätte erlangen können. Die E-Mail des Kita-Trägers bestätige ohnehin nur eine durchgängige Auslastung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie die arbeitsgerichtliche Entscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich die Ausführungen der Vorinstanz zu eigen.

1. Änderung des Arbeitsvertrags hinsichtlich Lage der Arbeitszeit

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aus § 8 Abs. 4 TzBfG keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte zugleich mit der Arbeitszeitverringerung auf 35 Wochenstunden einer Arbeitszeitverteilung ausschließlich auf die Wochentage Montag bis Freitag 07:40 Uhr (bzw. 07:30 Uhr) bis 16:40 Uhr zustimmt. Im Arbeitsvertrag vom 18.01.2013 haben die Parteien keine festen Schichtzeiten vereinbart. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich laut Arbeitsvertrag nach der Übung des Betriebs.

Nach § 8 Abs. 1 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Das Verlangen des Arbeitnehmers auf Abschluss einer Vereinbarung über die Verringerung der Arbeitszeit und deren Neuverteilung ist vertragsrechtlich als Antrag auf Änderung des Arbeitsvertrags zu verstehen (BAG, Urteil vom 18. Februar 2003 - 9 AZR 164/02 - Rn. 58, juris = NZA 2003, 1392). Eine entsprechende Vertragsänderung zur Lage der Arbeitszeit führt zu einer Einschränkung des Direktionsrechts aus § 106 GewO (vgl. BAG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 9 AZR 915/13 - Rn. 12, juris = ZTR 2015, 327).

Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht (§ 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG). Um "dringende" betriebliche Gründe (vgl. § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG) muss es sich nicht handeln.

Die Prüfung, ob betriebliche Gründe entgegenstehen, ist regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und - wenn das der Fall ist - um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe). In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich ist das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen (dritte Stufe). Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrundeliegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt wird. Maßgeblich für das Vorliegen der betrieblichen Gründe ist der Zeitpunkt der Ablehnung des Arbeitszeitwunschs durch den Arbeitgeber, der die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe trägt (BAG, Urteil vom 20. Januar 2015 - 9 AZR 735/13 - Rn. 17-18, juris = NZA 2015, 816; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Oktober 2021 - 5 Sa 707/21 - Rn. 33, juris = ZTR 2022, 240; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2020 - 7 Sa 79/19 - Rn. 87, juris = EzTöD 100 § 11 TVöD-AT Arbeitszeitreduzierung Nr. 16).

Die betrieblichen Gründe sind nicht an den persönlichen Belangen, wegen der Teilzeit beantragt wird, und deren Gewicht zu messen. Eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers sieht das Gesetz nicht vor. Persönliche Belange sind in § 8 TzBfG nicht erwähnt. Auch die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG aufgezählten Beispiele stellen allein auf die betriebliche Situation, nicht auf die Lebenssituation des Arbeitnehmers ab. Ob die beantragte Teilzeit der Betreuung von Kindern oder von pflegebedürftigen Angehörigen, ob sie der Verringerung beruflicher Belastungen aus gesundheitlichen Gründen, der Ermöglichung von Freizeitaktivitäten oder anderen Interessen dient, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausschlaggebend (vgl. BAG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - 9 AZR 239/07 - Rn. 28, juris = NZA 2008, 289; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2020 - 7 Sa 79/19 - Rn. 87, juris = EzTöD 100 § 11 TVöD-AT Arbeitszeitreduzierung Nr. 16).

Das Organisationskonzept der Beklagten wird bestimmt durch die Öffnungszeiten der Filiale, die erforderlichen Vor- und Nachbereitungszeiten sowie das Kundenaufkommen. Bestandteil des Organisationskonzepts ist auch das rollierende Schichtsystem. Die Öffnungszeiten umfassen nicht nur die Werktage Montag bis Freitag, sondern auch den Samstag. Um diese Öffnungszeiten gewährleisten zu können, bedarf es eines Schichtsystems. Nach dem Organisationskonzept der Beklagten sind die Mitarbeiterinnen nicht festen Schichten zugeordnet, sondern wechseln regelmäßig zwischen Frühschicht, Mittelschicht und Spätschicht. Ein solches Wechselschichtmodell entspricht dem, was auch in anderen Wirtschaftszweigen üblich ist, sofern Schichtarbeit geleistet wird.

Diesem Konzept steht die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Arbeitszeit entgegen. Ob die Schicht um 07:30 Uhr oder 07:40 Uhr beginnt, ist dabei wegen des geringfügigen Zeitunterschiedes nicht von Belang. Ausschlaggebend ist hingegen, dass ein regelmäßiger Schichtwechsel über alle Schichten hinweg nicht mehr stattfinden kann. Die übrigen Mitarbeiterinnen können nicht mehr in dem bisherigen Rhythmus in der Mittelschicht eingesetzt werden, es sei denn, die Klägerin befindet sich im Urlaub oder ist erkrankt bzw. es handelt sich um einen Samstag. Der geforderte ausschließliche Einsatz in der Mittelschicht bedingt zwangsläufig eine grundlegende Änderung des Wechselschichtsystems, die mit einer verstärkten Heranziehung der übrigen Mitarbeiterinnen in der Früh- und in der Spätschicht sowie an Samstagen einhergeht.

Die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Arbeitszeit führt nicht nur zu einer geringfügigen, sondern zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Organisationskonzepts. Das bisherige Schichtmodell mit einer annähernd gleichen Belastung aller Mitarbeiterinnen durch einen regelmäßigen Wechsel käme nicht mehr in Betracht. Die Beklagte wäre gezwungen, den Einsatz aller Beschäftigten von Grund auf neu zu organisieren. Selbst die Mittelschicht müsste sie über 15:00 Uhr hinaus verlängern, um die Klägerin mit ihrer regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden einsetzen zu können. Die Zeitspanne zwischen 07:40 Uhr und 15:00 Uhr ergibt insgesamt 07:20 Stunden. Abzüglich einer zu gewährenden halbstündigen Pause führt das zu einer Arbeitszeit von 06:50 Stunden. Bei fünf Arbeitstagen pro Woche wird die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden damit nicht erreicht. Diese Wochenarbeitszeit ist in der 5-Tage-Woche nur mit einer täglichen Arbeitszeit von 07:00 Stunden, also mit dem hilfsweise begehrten Arbeitsbeginn um 07:30 Uhr zu erreichen.

Ob § 8 Abs. 4 TzBfG in seinem Wortlaut oder in seiner von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geprägten Auslegung noch den europarechtlichen Anforderungen der Richtlinien 2010/18/EU bzw. 2019/1158/EU genügt, ist nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn diese Norm eine Abwägung zwischen den betrieblichen Interessen und den Belangen des Arbeitnehmers erfordern sollte, ergäbe sich daraus kein Grund für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

2. Annahmeverzug

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 611a Abs. 2, § 615 Satz 1 BGB auf Arbeitsentgelt ab dem 11.01.2022. Die Beklagte ist nicht in Annahmeverzug geraten. Die Schichteinteilung, u. a. auch mit Schreiben vom 21.01.2022, widerspricht nicht billigem Ermessen.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 Satz 1 BGB). Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB).

Das Angebot des Arbeitnehmers muss gemäß § 294 BGB die zu bewirkende Arbeitsleistung betreffen. Ist die vom Arbeitnehmer zu erbringende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nach Inhalt, Ort und Zeit nur rahmenmäßig umschrieben, obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die im Sinne von § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung (BAG, Urteil vom 27. April 2021 - 9 AZR 340/19 - Rn. 64, juris = NZA-RR 2021, 606; BAG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 5 AZR 649/19 - Rn. 10, juris = NZA 2021, 406).

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (BAG, Urteil vom 27. April 2021 - 9 AZR 343/20 - Rn. 68, juris = ZTR 2021, 627; BAG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 6 AZR 116/17 - Rn. 39, juris = NZA-RR 2018, 568).

Bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer nicht entgegenstehen (LAG Köln, Urteil vom 27. März 2012 - 12 Sa 987/11 - Rn. 45, juris = EzTöD 100 § 3 TVöD-AT Direktionsrecht Nr. 7; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. November 2008 - 2 Sa 217/08 - Rn. 28, juris). Geht es um die Personensorge für ein Kind, hat der Arbeitnehmer eine durch Art. 6 GG geschützte Rechtsposition, was seine Rechtsposition in der Abwägung verstärkt (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Oktober 2020 - 1 SaGa 4/20 - Rn. 33, juris). Bei der Interessenabwägung ist aber auch die ebenfalls grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers (Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen, zu der es gehört, die betrieblichen Abläufe unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und Anforderungen festzulegen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 5 Sa 378/14 - Rn. 36, juris = AE 2015, 136). Im Übrigen sind nicht nur die Interessen einzelner Beschäftigter, sondern diejenigen aller betroffenen Mitarbeiter/innen zu berücksichtigen (LAG Köln, Urteil vom 12. Mai 2021 - 11 Sa 465/20 - Rn. 33, juris).

Der Arbeitgeber darf sich bei der Abwägung auf die ihm ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen. Er muss sich nicht vor Erstellung des Schichtplans nach den jeweils aktuellen persönlichen Lebensverhältnissen seiner Beschäftigten erkundigen und diese ggf. überprüfen. Das ist ihm schon aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre seiner Beschäftigten verwehrt. Zudem kann er in der Regel nicht zuverlässig feststellen, welche Anstrengungen seine Mitarbeiter/innen jeweils unternehmen bzw. unternehmen müssen oder können, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht in der Lage zu prüfen, ob es nicht doch zumutbare anderweitige Möglichkeiten einer Betreuung gibt, sei es durch den anderen Elternteil, Lebenspartner, Angehörige, Verwandte, Freunde etc. oder eben durch Dienstleister wie Kindertagesstätten oder Tagesmütter.

Die Klägerin hat aus § 106 Satz 1 GewO keinen Anspruch auf Zuweisung der von ihr begehrten Arbeitszeiten. Das der Beklagten als Arbeitgeberin durch die Vorschrift eingeräumte Ermessen ist nicht dahin reduziert, dass die Klägerin stets nur zu den von ihr gewünschten Zeiten eingesetzt werden darf und jede andere Arbeitszeiteinteilung ermessensfehlerhaft wäre.

Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hatte zwar aufgrund ihrer persönlichen Situation Anfang des Jahres 2022 ein gewichtiges Interesse daran, ihre Arbeit lediglich in dem begehrten Zeitfenster abzuleisten. Diesem Interesse stehen jedoch ebenso gewichtige Belange der Arbeitgeberin und der übrigen Mitarbeiterinnen entgegen. Sämtliche Mitarbeiterinnen der Filiale haben ebenfalls betreuungsbedürftige Kinder und haben deshalb ein gesteigertes Interesse an einem regelmäßigen Schichtwechsel einschließlich des Einsatzes in der Tagschicht. Hinzu kommt der Wunsch nach einer möglichst hohen Zahl von arbeitsfreien Samstagen, um diese Zeit mit der Familie verbringen oder anderweitig nutzen zu können. Die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der EU-GRCharta gelten nicht nur für die Klägerin, sondern in gleicher Weise auch für die anderen dort tätigen Mütter. Auch diese haben ein schutzwürdiges Interesse daran, Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können. Auch diesen Beschäftigten ist es zuzugestehen, ihre Kinder im gleichen Umfang betreuen zu können. Das bedingt einen regelmäßigen Schichtwechsel sowie eine entsprechende Anzahl freier Wochenenden.

Alle in der Filiale tätigen Arbeitnehmerinnen müssen während ihrer Arbeitszeiten die Betreuung der Kinder auf andere Art und Weise sicherstellen, sei es durch den Vater der Kinder, eine andere nahestehende Person, Lebensgefährte/in, Verwandte, Angehörige, Freunde, Bekannte oder durch entsprechende Dienstleister, insbesondere Kindertagesstätten oder Tagesmütter. Würde die Klägerin antragsgemäß nur montags bis freitags in der von ihr begehrten Zeit zur Arbeit eingeteilt, müssten die übrigen Beschäftigten vermehrt die Früh- und Spätschichten sowie sämtliche Schichten an Samstagen übernehmen. Zugleich müssten sie vermehrt zu diesen Zeiten eine anderweitige Betreuung ihrer Kinder organisieren und könnten zudem an den Wochenenden nur in geringerem Maße Zeit mit der Familie verbringen.

Eine Ungleichbehandlung im Sinne einer Besserstellung der Klägerin gegenüber diesen Beschäftigten rechtfertigt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin alleinerziehend ist. Selbst wenn eine Betreuung durch die Eltern der Klägerin oder den Vater der Kinder nicht möglich oder nicht zumutbar wäre, so käme jedenfalls auch außerhalb der Mittelschicht eine Betreuung durch Dritte in Betracht. Dass es den anderen Mitarbeiterinnen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und ihre familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, rechtfertigt es nicht, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber der Klägerin zu benachteiligen. Für die Klägerin mag es ebenso wie für viele andere werktätige Mütter schwierig sein, die Betreuung der Kinder zu Randzeiten sicherzustellen. Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht.

Zu berücksichtigen ist zudem das Interesse der Beklagten, die Filiale in einer Personalstärke zu besetzen, die dem jeweiligen Kundenaufkommen entspricht. Vor- und Nachbereitungszeiten vor Öffnung und nach Schließung des Geschäfts sind ebenfalls notwendig, um den Kunden stets frische Ware und saubere Räumlichkeiten präsentieren zu können.

Abgesehen davon fordert die Klägerin nicht nur einen vorübergehenden Einsatz in der Mittelschicht und eine vorübergehende Freistellung von der Samstagsarbeit, um eine kurzzeitige besondere Situation, z. B. bis die Kinder in einer Kita mit erweiterten Öffnungszeiten betreut werden können, zu überbrücken. Vielmehr soll die begehrte Schichteinteilung langfristig gelten, und zwar unabhängig von der jeweiligen privaten Situation und den persönlichen Lebensumständen.

3. Abmahnung vom 21.01.2022

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 21.01.2022 aus ihrer Personalakte.

Arbeitnehmer/innen können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Auch eine zu Recht erteilte Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG, Urteil vom 2. November 2016 - 10 AZR 596/15 - Rn. 10 = ZTR 2017, 178).

Die Abmahnung vom 21.01.2022 beruht nicht auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung. Die Klägerin war am 12.01.2022 nicht von der Erbringung der Arbeitsleistung befreit.

Nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

Die Erforderlichkeit der Betreuung von Kindern kann grundsätzlich als "entgegenstehendes Hindernis" zur vorübergehenden Leistungsverweigerung berechtigen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. Juli 2019 - 2 Sa 299/18 - Rn. 27, juris; LAG Hamm, Urteil vom 27. August 2007 - 6 Sa 751/07 - Rn. 31, juris = ArbuR 2008, 117). Allerdings kann sich ein Arbeitnehmer nur dann gegenüber der bestehenden Arbeitspflicht auf eine Pflichtenkollision wegen der Personensorge für sein Kind und damit auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn eine unverschuldete Zwangslage vorliegt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. Juli 2019 - 2 Sa 299/18 - Rn. 27, juris).

Der Klägerin war weit vor Ende der Elternzeit das bei der Beklagten bestehende Schichtsystem bekannt. Ihr war bewusst, dass sie bei der dort üblichen Einteilung regelmäßig auch während der Früh- und Spätschichten sowie am Wochenende eine Betreuung ihrer Kinder würde organisieren müssen. Es wäre ihr daher frühzeitig möglich gewesen, sich hinsichtlich der bestehenden Betreuungsmöglichkeiten zu informieren und dadurch zu gewährleisten, dass sie ihren arbeitsvertraglichen Pflichten zur Erbringung der Arbeitsleistung vollumfänglich nachkommen kann. In S-Stadt gibt es entsprechende Betreuungsangebote. Selbst wenn der Klägerin keinerlei andere Betreuungsmöglichkeiten (z. B. Vater der Kinder, Verwandte, Freunde, Bekannte etc.) für ihre Zwillinge zur Verfügung gestanden hätten, hätte sie sich jedenfalls dort rechtzeitig um eine Betreuung bemühen können. Der Klägerin steht es zwar frei, derartige Angebote zu nutzen oder nicht. Um eine unverschuldete Zwangslage handelt es sich dann aber nicht. Soweit die Klägerin eine Erklärung des Trägers der 24-Stunden-Kitas nachgereicht hat, nach der die beiden Kitas im Zeitraum 01.07.2021 bis 02.03.2022 voll belegt waren, ergibt sich daraus nicht, dass bei einer rechtzeitigen Antragstellung angesichts der üblichen Fluktuation in einer Kita nicht eine Betreuung möglich gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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