Urteil vom 02.02.2023 · IWW-Abrufnummer 237501
Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 8 Sa 321/22
1. Der Begriff der Bewirtung i.S.v. § 1 Nr. 1.2 MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW erfordert zumindest die Möglichkeit eines Verzehrs der dargereichten Speisen und Getränke voraus.
2. Der MTV Gaststätten- und Hotelgastronomie NRW findet demnach keine Anwendung, wenn fertig zubereitete Speisen im Kühlregal eines Supermarktes angeboten werden, ohne dass eine Verzehrmöglichkeit gegen ist.
Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.03.2022 - 9 Ca 1566/21 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags sowie über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin war vom 01.11.2020 bis zu 30.04.2021 bei der Beklagte beschäftigt. Die Beklagte vertreibt Sushi und andere asiatische Spezialitäten im Wege eines Shop-in-Shop-Systems. Hierbei werden die Speisen in einem separaten Bereich auf der Verkaufsfläche eines Supermarktes zubereitet, verpackt und in Regalen zur Mitnahme durch die Kunden bereitgestellt. Der Verkauf erfolgt sodann über das Warensystem und die Kasse des jeweiligen Supermarktes.
Das Bruttogehalt der Klägerin betrug bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zunächst 2.200,- Euro. Zudem erhielt die Klägerin ein Jobticket, für das ihr monatlich ein Eigenanteil in Höhe von 80,50 Euro vom Lohn abgezogen wurde. Zum 01.12.2020 beabsichtigten die Parteien, das Monatsgehalt der Klägerin auf 2.400,00 Euro brutto anzupassen. Inwieweit hiermit eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 180 Stunden pro Monat im Rahmen einer 6-Tage-Woche erfolgen sollte, ist im Einzelnen zwischen den Parteien streitig. Im Hinblick auf die angedachte Vertragsänderung zahlte die Beklagte der Klägerin für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 eine Vergütung in Höhe von jeweils 2.400,00 Euro brutto. Der Entwurf einer Änderungsvereinbarung vom 18.11.22020 (Bl. 234 d.A.) wurde von der Klägerin letztlich nicht unterzeichnet; eine Änderung des Arbeitsumfangs oder der Lage der Arbeitszeiten erfolgte auch tatsächlich nicht. Ab Februar 2021 zahlte die Beklagte der Klägerin wieder eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.200,00 Euro brutto, wobei sie die - nach ihrer Auffassung - bestehenden Überzahlungen für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 in Höhe von 272,66 Euro netto von der Vergütungszahlung der Klägerin für den Monat Februar 2021 in Abzug brachte.
Mit ihrer am 17.03.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung der Anwendbarkeit des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW (MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW) begehrt. Hierzu hat sie geltend gemacht, die Beklagte sei der Branche der Gastronomie zuzurechnen; ihre Shops entsprächen der Begriffsbestimmung des § 1 GastG, da in einem räumlich, personell und organisatorisch abgegrenzten Bereich, der jedermann zugänglich sei, zubereitete Speisen verabreicht würden. Hierbei sei unschädlich, dass die gastronomische Tätigkeit innerhalb einer anderen Organisation erbracht werde. Der einzige Unterschied zu klassischen Gastronomiebetrieben sei der Ort des Verzehrs, wobei an mehreren Standorten der Beklagten auch die Möglichkeit bestehe, die zubereiteten Speisen vor Ort zu verzehren. Darüber hinaus erbringe die Beklagte auch Catering-Leistungen; hierbei könnten verzehrfertige Speisen auf Bestellung in den Restaurants der Beklagten abgeholt werden.
Auf Grund des demnach anwendbaren MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW stünde der Klägerin gem. § 7 Ziff. 4.2. MTV ein Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2020 in Höhe von 404,40 Euro brutto sowie für das Jahr 2021 in Höhe von 134,80 Euro brutto zu. Des Weiteren könne die Klägerin gem. § 9 MTV eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2020 in Höhe von 1.200,00 Euro brutto beanspruchen. Für die Monate Februar bis April 2021 habe die Beklagte lediglich eine Vergütung von jeweils 2.200,00 Euro brutto statt 2.400,00 Euro brutto gezahlt, so dass der Klägerin Differenzlohnansprüche zustünden; auch die für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 vorgenommen Abzüge in Höhe von 272,66 Euro netto seien zu Unrecht erfolgt. Schließlich habe die Beklagte für die Monate Februar, März und April 2021 unrechtmäßigerweise einen Betrag in Höhe von jeweils 80,50 Euro netto für ein Jobticket in Abzug gebracht. Hierzu behauptet die Klägerin, ihr Jobticket bereits im Dezember 2020 ihrem Vorgesetzten ausgehändigt und diesen gebeten zu haben, das Jobticket zu kündigen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.04.2016, gültig ab 01.05.2016, abgeschlossen zwischen dem Hotel- und Gaststättenverband e.V., H Landstraße 45, N und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, Wstraße 13, D, Anwendung findet; 2. die Beklagte zu verurteilen, 1.804,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, 272,66 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen; 4. die Beklagte zu verurteilen, 534,80 Euro brutto sowie 241,50 Euro netto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.Sie war der Ansicht, der MTV für das Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW finde keine Anwendung, da die Beklagte weder Bewirtungs- noch Cateringleistungen anbiete. Insbesondere fehle es an "Gästen", da die Beklagte die verschiedenen asiatischen Spezialitäten innerhalb der Verkaufsflächen von Supermärkten zubereite, die dann in versiegelten Verpackungen - ebenso wie sonstige Supermarktprodukte - über Kühltheken angeboten und an der dortigen Kasse bezahlt würde. Ein Verzehr vor Ort sei nicht gewollt und findet auch nicht statt. Entgegen der Behauptung der Klägerin bestünden auch keine Standorte mit Sitzmöglichkeiten. Die Beklagte biete auch weder Cateringleistungen noch einen Lieferservice an. Ansprüche der Klägerin auf Grundlage des MTV bestünden daher nicht.
Hinsichtlich der geltend gemachte Lohndifferenzen hat die Beklagte gemeint, die monatliche Vergütung der Klägerin habe sich unverändert auf 2.200,00 Euro brutto belaufen, da die angedachte Vertragsänderung nicht zustande gekommen sei. Dementsprechend habe die Klägerin auch weiterhin in einer 5-Tage-Woche gearbeitet und nicht, wie es Gegenstand der Vertragsänderungen gewesen wäre, im Rahmen einer 6-Tage-Woche. Zu den Abzügen für das Jobticket hat die Beklagte geltend gemacht, diese seien zu Recht erfolgt, da die Klägerin das Jobticket nicht wie von ihr behauptet zurückgegeben habe.
Mit Urteil vom 16.03.2022 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Feststellungsantrag sei unzulässig, da ein besonderes Feststellungsinteresse der Klägerin nicht bestehe. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne der zwischen den Parteien bestehende Streit über Vergütungsdifferenzen nur durch die - von der Klägerin ebenfalls erhobene - Leistungsklage befriedet werden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten tariflichen Leistungen, da der streitgegenständliche MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW keine Anwendung finde. Denn bei dem Shop-in-Shop Modell der Beklagten handele es sich nicht um eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Nr. 1.2 MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW . Insbesondere liege keine Bewirtung vor, da es an einer Serviceleistung gegenüber dem Gast und an einem sofortigen Verzehr der angebotenen Speisen fehle. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Differenzvergütung für die Monate Februar, März und April 2021, da die avisierte Vertragsänderung nicht zustande gekommen sei, zudem habe die Klägerin nicht die für eine Vergütungserhöhung erforderliche Arbeitsleistung, d.h. eine Tätigkeit im Umfang vom 180 Stunden in einer 6-Tage-Woche statt - wie bisher - 173 Stunden in im Rahmen einer 5-Tage-Woche, erbracht. Vor diesem Hintergrund sei auch der Abzug für Überzahlungen in den Monaten Dezember 2020 und Januar 2021, in denen die Klägerin 2.400,00 Euro brutto erhalten habe, zu Recht erfolgt. Schließlich habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der für das Jobticket der Klägerin vorgenommenen Abzüge in Höhe von 241,40 Euro netto für drei Monate. Denn es sei nicht ersichtlich, inwieweit die ursprünglich unstreitig bestehende Berechtigung der Beklagten zur Vornahme von Lohnabzügen für das Jobticket der Klägerin entfallen sei bzw. wann und wem gegenüber die Klägerin die diesbezüglich bestehende Vereinbarung gekündigt habe.
Gegen das ihr am 14.04.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.05.2022 Berufung eingelegt, die sie, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.07.2022, am 14.07.2022 begründet hat. Sie vertritt die Auffassung, ein besonderes Feststellungsinteresse für die Frage der Anwendbarkeit des MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW sei auch dann noch gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich seine Beendigung gefunden habe. Der streitgegenständliche MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW sei anwendbar, da die Beklagte Bewirtungsleistungen im Sinne des Tarifvertrags erbringe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts handele es sich bei dem Betrieb der Beklagten nicht um einen Teil des Einzelhandels. Verfolge ein Betrieb mehrere Geschäftszwecke, komme es für die fachliche Zuordnung im Tarifrecht darauf an, auf welche Geschäftstätigkeit die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer entfalle. Dies gelte insbesondere darauf, dass Handel und Gastronomie zunehmend nicht mehr klar voneinander zu trennen seien, sondern im Bereich der Handelsgastronomie immer stärker zusammenwüchsen. Da die Mitarbeiter der Beklagten im Wesentlichen mit der Zubereitung frischen Essens befasst seien, das den Kunden essbereit zur Verfügung gestellt würde, unterscheide sich einzig der Ort des Verzehrs von einem klassischen Gaststättenbetrieb. Auch der Verkauf der hergestellten Produkte sei nicht als Handelstätigkeit zu definieren. Denn die Beklagte vertreibe keine fremden Waren, die sie nur geringfügig veredelt oder gepflegt habe, sondern eigene Erzeugnisse, die sich völlig von den verarbeiteten Rohstoffen (Algenblätter, Sushi-Reis, Sushi-Essig, Sojasoße, Wasabi, Ingwer usw.) unterschieden. Daher handele es sich in erster Linie um eine Dienstleistung, welche die Bewirtung zum Gegenstand habe. Zudem biete die Beklagte ausweislich der Angaben auf ihrer Homepage einen Catering-Service an. Auf Grund der Anwendbarkeit des MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW seien die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld sowie einer Jahressonderzahlung begründet.
Die Klägerin ist weiter der Ansicht, die Beklagte habe ihr für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 zu Unrecht jeweils 200,00 Euro brutto vom Gehalt abgezogen und für die Monate Februar bis April 2021 nur noch 2.200,00 Euro brutto statt 2.400,00 Euro brutto ausbezahlt. Entgegen den Darstellungen der Beklagten und der Annahme des Arbeitsgerichts sei mit Gehaltserhöhung von 2.200,00 Euro brutto auf 2.400,00 Euro brutto keine Erhöhung der Stundenanzahl verbunden gewesen, vielmehr habe die Wochenarbeitszeit unverändert 40 Stunden betragen. Auch der von der Beklagten vorgenommene Abzug für das Jobticket in Höhe von 3 x 80,50 Euro netto sei unberechtigt, da die Klägerin ihr Jobticket im Dezember 2020 ihrem Vorgesetzten ausgehändigt habe. Im Übrigen bestreite sie, dass die Kosten für das Jobticket bei der Beklagten tatsächlich angefallen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.03.2022 - 9 Ca 1566/21 - abzuändern und 1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.04.2016, gültig ab 01.05.2016 abgeschlossen zwischen dem Hotel- und Gaststättenverband e.V., H Landstraße 45, N, und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, W 13, D, Anwendung findet; 2. die Beklagte zu verurteilen, 1.804,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, 272,66 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen; 4. die Beklagte zu verurteilen, 534,80 € brutto sowie 241,50 € netto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbingens. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, der MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW finde, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, keine Anwendung, weswegen auch die geltend gemachten tariflichen Zahlungsansprüche unbegründet seien. Die Beklagte erbringe nicht die für die Anwendung des Tarifvertrags notwendigen Bewirtungsleistungen. Solche lägen insbesondere nicht in der händischen Zubereitung der Speisen vor Ort. Des Weiteren biete die Beklagte auch kein Catering, sondern lediglich die Vermittlung eines Catering-Services mit Sushi-Köch:innen sowie die Abholung von Sushi-Platten an, wobei es sich ebenfalls nicht um eine Bewirtungsleistung handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig, weil sie statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Buchstabe c) ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 46g ArbGG).
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
1. Der Feststellungsantrag zu 1. ist unzulässig, da das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse nicht vorliegt.
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, oder wenn die begehrte Feststellung zu einer abschließenden Klarstellung des Streits nicht geeignet ist (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 5/03 - zu B III der Gründe mwN, BAGE 109, 227). Das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage ist in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Allerdings kann auch in diesem Fall ein Feststellungsinteresse statthaft sein, wenn das angestrebte Urteil mit seiner lediglich grundsätzlich klärenden, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu verhindern (BAG 21. Mai 1992 - 6 AZR 187/91 - zu II 2 der Gründe; 28. September 2005 - 5 AZR 181/04 - zu I 4 der Gründe; 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9).
§ 256 Abs. 1 ZPO verlangt zudem ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung. Erforderlich ist grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Wird ein Antrag auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist er nur zulässig, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (vgl. ua. BAG 20. April 1999 - 1 ABR 13/98 - zu B I 1 c aa der Gründe; BAG, Urteil vom 16. November 2011 - 4 AZR 839/09 -, Rn. 24, juris, m.w.N.).
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze fehlt der Klägerin für ihren Antrag zu 1. das notwendige besondere Feststellungsinteresse. Da das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.04.2021 beendet worden ist, richtet sich das Feststellungsbegehren auf ein ausschließlich in der Vergangenheit liegendes Rechtsverhältnis. Für die von der Klägerin geltend gemachten tariflichen Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld sowie einer Jahressonderzahlung gilt der Vorrang der Leistungsklage, die die Klägerin zugleich mit ihrem Antrag zu 2. erhoben hat. Dass sich aus einer Entscheidung über das Feststellungsbegehren weitere Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben würden, hat die Klägerin nicht dargelegt.
2. Der Antrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgelds gem. § 7 Nr. 4.2 MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW sowie einer Jahressonderzahlung gem. § 9 Nr. 1 MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW. Der allgemeinverbindliche MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW findet auf das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da sein betrieblicher Anwendungsbereich nicht eröffnet ist.
a) Gem. § 1 Nr. 1.2 MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW gilt der Tarifvertrag für alle Betriebe, Betriebsabteilungen und Einrichtungen, die Beherbergung und Bewirtung oder eines von beiden gewähren, insbesondere die nach §§ 1 bis 2 und §§ 9 bis 12 des Gaststättengesetzes erlaubnispflichtigen, einschließlich der Betriebe der Catering-, System-, Handels- und Fast-Food-Gastronomie sowie für die nach § 5 des Gaststättengesetzes erlaubnisfreien Betriebe.
b) Bei dem von der Beklagten betriebenen "Shop", in dem die Klägerin tätig war, handelt es sich nicht um einen Betrieb bzw. eine Betriebsabteilung im Sinne von § 1 Nr. 1.2 MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW, da er weder Beherbergung noch Bewirtung gewährt.
aa) Es handelt sich insbesondere nicht um ein Gaststättengewerbe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG, da die zubereiteten Speisen nicht zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein Betrieb der Handels-Gastronomie vor. Der Bereich der Handels-Gastronomie stellt eine - nicht nur begriffliche - Verbindung der Bereiche des Handels und der Gastronomie dar, bei der üblicherweise gastronomische Leistungen im Zusammenhang mit Einzelhandels- oder Großhandelsaktivitäten angeboten werden, insbesondere durch gastronomische Angebote auf den Verkaufsflächen oder Vorkassenzonen (https:). Die räumliche Verbindung der Handels- und Gastronomiebereiche, und die Einordnung als Betrieb des Handels-Gastronomie, ist indes nicht mit einem Verzicht der die Gastronomie prägenden Kernelemente verbunden. Dieses kommt auch in der Bestimmung des § 1 Nr. 1.2 MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW zum Ausdruck, der für die Eröffnung des Geltungsbereichs unabhängig davon, ob es sich um eine Einrichtung der "klassischen" Gastronomie, der Handels-Gastronomie oder einer anderweitigen gastronomischen Variante handelt, die Gewährung einer Bewirtung (oder Beherbergung) voraussetzt. Eine Bewirtungsleistung wird in dem von der Beklagten betriebenen Shop indes nicht erbracht.
Unter einer "Bewirtung" ist nach allgemeinem Begriffsverständnis die Darreichung von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr zu verstehen (vgl. BFH, Urteil vom 26. April 2018 - X R 24/17 -, BFHE 261, 424, BStBl II 2018, 750, Rn. 13 m.w.N.; Schmidt/Loschelder, 42. Aufl. 2023, EStG § 4 Rn. 544). Dieses beinhaltet, entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG, zumindest die Möglichkeit eines Verzehrs vor Ort, die bei der Beklagten nicht besteht. Dass Kernelement der Gastronomie nicht lediglich der Verkauf zubereiteter Speisen und Getränke ist, sondern auch die Bereitstellung von Gegebenheiten, die deren Verzehr bzw. die "Zuführung zum Magen" ermöglichen beinhaltet, verdeutlicht die Herkunft des Begriffs "Gastronomie", der sich aus dem griechischen "gastronomìa", d.h. "Magenkunde" bzw. "Lehre von der Pflege des Bauches" ableitet. Dem Erfordernis einer Verzehrmöglichkeit steht auch nicht entgegen, dass der MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW ausweislich seines in § 1 definierten Geltungsbereichs auch auf Betriebe der Catering-Gastronomie Anwendung findet, da bei diesen der Verzehr zwar nicht am Ort der Zubereitung erfolgt, die Speisen aber dennoch zum sofortigen Verzehr dargereicht werden, da sie zubereitet zu einem vereinbarten Ort verbracht werden, an dem ein Verzehr unmittelbar erfolgen kann.
Demgegenüber unterscheidet sich die Situation des im Einzelhandel einkaufenden Kunden, der z.B. eine Sushi-Box der Beklagten aus dem Kühlregal nimmt und an der Kasse des Supermarktes bezahlt, nicht von derjenigen des Kunden, der eine tagesfrisch von den Mitarbeitenden des Einzelhändlers oder sonstigen Anbieters zubereitete und verpackte anderweitige Speise, z.B. eine Salat-Bowl, einkauft. In beiden Fällen werden die Produkte im Wege der Selbstbedienung entnommen, ohne dass ein Einfluss auf die Zusammenstellung der Verpackungsinhalte oder auch nur ein Kontakt mit den zubereitenden Mitarbeitenden bestände, und an der Kasse bezahlt, ohne dass eine Möglichkeit zum Verzehr angeboten würde. Beide Prozedere unterscheiden sich lediglich dadurch, dass im Falle der Produkte der Beklagte der Zubereitungsprozess für den Kunden sichtbar ist.
cc) Schließlich handelt es sich bei dem Shop der Beklagten auch nicht um einen Catering-Gastronomie. Unter einem Catering ist nach allgemeinem Begriffsverständnis die Lieferung von Speisen und Getränken an einen bestimmten Ort zum dortigen Verzehr zu verstehen. Dass die Beklagte Dienstleistungen in diesem Sinne erbringt, ist nicht feststellbar. Die Beklagte hat - unter Bezugnahme auf die Angaben auf ihrer Website - dargelegt, lediglich die Vermittlung von Cateringdiensten und die Abholung von Sushi-Platten anzubieten. Dem ist die Klägerin nicht mehr entgegengetreten.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Differenzvergütung in Höhe von jeweils 200,00 Euro brutto für die Monate Februar, März und April 2021 sowie auf Erstattung der von den Beklagten geltend gemachten und in Abzug gebrachten Überzahlungen für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 in Höhe von insgesamt 272,66 Euro netto.
Die zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung belief sich ab dem 01.11.2019 auf 2.200,00 Euro brutto. Die der Klägerin auf dieser Grundlage gem. § 611a Abs. 2 BGB zustehenden Vergütungsansprüche sind unstreitig erfüllt. Dass die Parteien eine Vereinbarung über eine Gehaltserhöhung auf 2.400,00 Euro brutto ab Dezember 2020 abgeschlossen haben, hat die Klägerin nicht dargelegt. Unstreitig ist, dass die Parteien eine Vertragsänderung angedacht hatten. Die Beklagte hat hierzu den Entwurf einer Änderung zum Arbeitsvertrag vom 18.11.2020 vorgelegt (Bl. 134 d.A.), der eine regelmäßige Arbeitszeit von 180 Stunden pro Monat im Rahmen einer 6-Tage-Woche sowie eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.400,00 Euro vorsieht. Die Klägerin hat jedoch weder behauptet, dass dieser Vertragsentwurf beidseitig unterschrieben worden sei, noch darlegt, dass eine dementsprechende mündliche Vereinbarung zustande gekommen ist. Auch die tatsächliche weitere Vertragsdurchführung lässt nicht darauf schließen, dass eine dem Vertragsentwurf entsprechende Vereinbarung zustande gekommen ist, da die Arbeitszeit der Klägerin auch nach ihrem eigenen Vortrag unverändert 173 Stunden monatlich bzw. 40 Stunden pro Woche betrug. Soweit die Klägerin zuletzt behauptet hat, mit der Gehaltserhöhung sei keine Erhöhung der Arbeitszeit verbunden gewesen, fehlt es an einer Darlegung dessen, wann, wie und mit welchem konkreten Inhalt eine Vertragsänderung zustande gekommen sein soll.
Mangels einer feststellbaren Vertragsänderung betrug der Vergütungsanspruch der Kläger weiterhin 2.200,00 Euro brutto. Soweit die Beklagten in Erwartung der beabsichtigten Vertragsänderung für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 der Klägerin jeweils eine Vergütung in Höhe von 2.400,00 Euro brutto gezahlt hat, ist der Abzug der Überzahlungen in Höhe von insgesamt 272,66 Euro netto, die die Klägerin ohne Rechtsgrund erhalten hatte, im Februar 2021 demnach zu Recht erfolgt.
4. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erstattung der von der Beklagten für die Monate Februar, März und April 2021 vorgenommen Abzüge für ein Jobticket in Höhe von jeweils 80,50 Euro netto.
Die Parteien hatten ursprünglich eine Vereinbarung über den Bezug eines Jobtickets getroffen, nach der die Beklagte berechtigt war, einen Selbstkostenanteil der Klägerin in Höhe von monatlich 80,50 Euro netto von deren Gehalt abzuziehen. Dass diese Berechtigung entfallen wäre, ist - worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht ersichtlich. Die Klägerin hat auch in der Berufungsinstanz weder dargelegt, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt die über den Bezug des Jobtickets bestehende Vereinbarung beendet werden konnte, noch hat sie konkret vorgetragen und unter Beweis gestellt, wann und wem gegenüber eine dementsprechende Kündigung erfolgt sein soll. Die Behauptung, sie habe "ihren Vorgesetzten" im Dezember 2020 gebeten, den Vertrag zu kündigen ist insoweit ebensowenig ausreichend wie die - von der Beklagten bestrittene - Behauptung, sie habe ihr Jobticket zurückgegeben.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO; als unterliegende Partei hat die Klägerin die Kosten ihrer Berufung zu tragen.
IV. Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da der Frage des Geltungsbereichs des Manteltarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe NRW grundsätzliche Bedeutung zukommt.