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Urteil vom 06.07.2023 · IWW-Abrufnummer 237590

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 94/23

Einzelfall: Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung, die gegenüber einem Produktionsleiter ausgesprochen worden war, weil dieser den Abtransport von drei Europaletten veranlasst hatte, um diese bei einem Osterfeuer auf einem Sportplatz verbrennen zu lassen.


Tenor: I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 11.01.2023 - 4 Ca 697/22 - wie folgt neu gefasst: 1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 29.03.2022 beendet worden ist. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. 3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. III. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen. IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat zu 1/5 der Kläger und zu 4/5 die Beklagte zu tragen. V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung, die hilfsweise auch als ordentliche Kündigung gelten soll. Ausgangspunkt des zur Kündigung führenden Sachverhalts ist die Tatsache, dass der Kläger den Abtransport von drei Holzpaletten veranlasst hatte, um diese später auf dem Sportplatz eines örtlichen Fußballvereins für das dort veranstaltete Osterfeuer als Brennholz verwenden zu lassen.

Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung 42 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Bei der Beklagten ist er seit dem 01.04.2010 beschäftigt. Bis zum Zugang der Kündigung wurde er vertragsgemäß als Produktionsleiter eingesetzt und erhielt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 9.473,00 EUR. Die Beklagte, die zum A -Konzern gehört, befasst sich mit hochwertigen Kabelsystemen für die Bereiche Medizin, Industrie- und Wehrtechnik; sie beschäftigt deutlich mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Am 10.03.2022 erging an alle Beschäftigten die Information, dass das Lager ausgemistet werde; es sei daher geplant am 18.03.2022 zahlreiche Plastikboxen und Kisten zur freien Mitnahme bereitzustellen. So geschah es. Im Vorfeld dieser Aktion fand am 02.02.2022 ein Gespräch statt, das unter anderem zu dem Ergebnis führte, dass ausschließlich Plastikboxen und Kisten frei weggegeben werden sollten. An diesem Gespräch nahm der Kläger teil sowie der Geschäftsführer und der Leiter des Einkaufs. Im Bereich Compliance gilt bei der Beklagten die Amphenol Corperation Verhaltens- und Ethikrichtlinie, in der es auszugsweise heißt:

8. Schutz und ordnungsgemäße Nutzung des Unternehmensvermögens Mitarbeiter, Führungskräfte und Vorstandsmitglieder sollten das Unternehmensvermögen schützen und dessen effiziente Nutzung sicherstellen. Diebstahl, Nachlässigkeit und Verschwendung haben einen direkten Einfluss auf die Rentabilität des Unternehmens. Das Unternehmensvermögen darf nur für legitime Geschäftszwecke verwendet werden. Die Verwendung von Geldern oder Vermögenswerten des Unternehmens für rechtswidrige, unangemessene oder unethische Zwecke ist strengstens untersagt. [... Das Unternehmensvermögen darf nur für legitime Geschäftszwecke verwendet werden. Die Verwendung von Geldern oder Vermögenswerten des Unternehmens für rechtswidrige, unangemessene oder unethische Zwecke ist strengstens untersagt.

[...]

12. Meldung von illegalem oder unethischem Verhalten.

Die Mitarbeiter werden ermutigt, mit Abteilungsleitern, Vorgesetzten oder anderen geeigneten Mitarbeitern des Unternehmens, einschließlich der Rechtsabteilung von A l, über beobachtetes oder vermutetes illegales oder unethisches Verhalten und im Zweifelsfall über die beste Vorgehensweise in einer bestimmten Situation zu sprechen.

Mitarbeiter, Führungskräfte und Vorstandsmitglieder, die besorgt sind, dass Verstöße gegen diesen Kodex oder andere illegalen oder unethischen Verhaltensweisen von Mitarbeitern, Führungskräften oder Vorstandsmitgliedern des Unternehmens stattgefunden haben oder stattfinden könnten, sollten sich entweder an ihre Abteilungsleiter oder ihren Vorgesetzten wenden. Wenn ein Mitarbeiter es nicht für angemessen hält oder sich nicht wohl dabei fühlt, seinen oder ihren Abteilungsleiter oder Vorgesetzten über seine oder ihre Bedenken oder Beschwerden zu informieren, kann er oder sie sich an die Rechtsabteilung von A oder den Prüfausschuss des Vorstands wenden oder die Hotline-Telefonnummer anrufen, die an den schwarzen Brettern der Mitarbeiter im gesamten Unternehmen ausgehängt ist.

[...]

16. Nichteinhaltung der Kodex-Bestimmungen

Die Nichteinhaltung der Bestimmungen dieses Kodex durch einen Mitarbeiter, eine Führungskraft oder ein Vorstandsmitglied kann von Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entlassung führen, zusätzlich zu jeder zivil- oder strafrechtlichen Haftung, die sich aus den Handlungen des Täters ergeben könnte. Die Personalabteilung von Amphenol wird über alle im Zusammenhang mit einer solchen Maßnahme durchgeführten Untersuchungen informiert und nimmt daran teil.

Am besagten 18.03.2022 wies der Kläger den Mitarbeiter K N an, drei Holzpaletten in das Privatfahrzeug seiner Ehefrau zu laden. Als die Ehefrau des Klägers mit ihrem Auto auf dem Hof des Betriebes eintraf, tat der Zeuge N , wie ihm geheißen. Während er die Paletten in den Kofferraum des Autos verlud, kam der stellvertretende Produktionsleiter, der Zeuge Ad , dazu und fragte den Zeugen N , ob er ihm helfen könne. Der Zeuge N verneinte dies und lud die drei Paletten in das Auto der Ehefrau des Klägers. Der Zeuge W beobachtete den Vorgang am Fenster seines Zimmers. Die Ehefrau des Klägers brachte die drei Paletten anschließend zum Sportplatz, wo sie später beim Osterfeuer verbrannten.

Ob es sich bei den drei Holpaletten um drei neue Europaletten handelte (so die Behauptung der Beklagten) oder um zwei Einwegpaletten sowie eine beschädigte alte Europalette (so die Einlassung des Klägers), ist zwischen den Parteien streitig.

Am 24.03.2022 wurde der Kläger im Rahmen eines Personalgesprächs zum Vorwurf des Diebstahls angehört. Im Rahmen dieses Gesprächs äußerte der Kläger, es habe sich bei den drei Paletten um wertlosen Schrott gehandelt, der zum Verbrennen bestimmt gewesen sei. Daraufhin hörte die Beklagte am 25.03.2022 den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung an, die hilfsweise als ordentliche auszusprechen sei. Der Betriebsrat teilte am 28.03.2022 hinsichtlich der fristlosen Kündigung Bedenken mit und widersprach der ordentlichen Kündigung mit der Begründung, es sei im Betrieb seit jeher üblich, dass Einweg-Paletten und beschädigte Paletten als Brennholz mit nach Hause genommen werden dürften. Dies sei auch vom ehemaligen Geschäftsführer so gehandhabt und bestätigt worden. Um nichts Anderes habe es sich hier gehandelt.

Mit Schreiben vom 29.03.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31.07.2022.

Gegen diese Kündigungserklärung hat sich der Kläger mit der rechtzeitig beim Arbeitsgericht Siegburg erhobenen Kündigungsschutzklage gewandt und mit zwei weiteren Anträgen die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und die Weiterbeschäftigung als Produktionsleiter begehrt.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, es habe sich um zwei Einwegpaletten gehandelt, sowie um eine beschädigte alte Euro-Palette. Wie bereits der Betriebsrat mitgeteilt habe, sei es im Betrieb seit Jahren üblich - insbesondere unter der Führung des ehemaligen Geschäftsführers - beschädigte Euro-Paletten sowie Einwegpaletten als Brennholz mitnehmen zu dürfen. Eine Vertragspflichtverletzung sei ihm daher nicht vorwerfbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.03. 2022 nicht aufgelöst worden ist; 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht; 3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie auf Führung und Leistung erstreckt.

Hilfsweise hat der Kläger beantragt,

4. ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1 zu den arbeitsvertraglich geregelten Bedingungen als Produktionsleiter zu einem monatlichen Gehalt von 9.473,23 EUR bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Verteidigung gegen die Klage vorgetragen, der Zeuge W habe aus seinem Zimmer im 1. Stock beobachten können, dass der Zeuge N drei neuwertige Euro-Paletten in den Pkw der Ehefrau des Klägers verladen habe. Der Hinweis des Betriebsrates und die diesem Hinweis entsprechende Auffassung des Klägers, dass seit jeher Einwegpaletten sowie beschädigte Euro-Paletten als Brennholz mitgenommen werden dürften, sei unzutreffend und vorliegend, da es sich um neuwertige Paletten gehandelt habe, nicht relevant.

Der Kläger kenne die Compliance-Regeln; der Kläger sei bei der Besprechung anwesend gewesen, bei der festgelegt worden sei, dass keine anderen Sachen mitgenommen werden dürften, als die bezeichneten Kisten; der Kläger habe damit vorsätzlich das Vermögen seiner Arbeitgeberin geschädigt und gegen die Compliance-Regelungen verstoßen. Das Vertrauen in den Kläger, der zudem eine Leitungsposition im Betrieb innehabe, sei unrettbar erschüttert. Eine Abmahnung sei überflüssig gewesen, da der Kläger nicht einsichtig gewesen sei und da der Pflichtverstoß ein derartiges Gewicht habe, dass die Weiterbeschäftigung bereits angesichts dieses Gewichts für sie nicht zumutbar sei.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat den allgemeinen Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen und der Klage im Übrigen nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben. Der Beklagten sei es nicht gelungen Tatsachen zu beweisen, die einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen könnten oder die geeignet seien, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Für die Behauptung der Beklagten, es habe sich um neuwertige Europaletten gehandelt, seien die von der Beklagten benannten Zeugen N , Ad und W vernommen worden. Die Bekundungen des Zeugen N seien unergiebig gewesen, die Bekundungen der beiden anderen Zeugen, hätten die Behauptung der Beklagten bestätigt. Gegenbeweislich sei sodann die Ehefrau des Klägers vernommen worden. Nach deren ebenfalls glaubhaften Bekundungen habe es sich nicht um neuwertige Paletten gehandelt. Letztlich sei es für die Kammer nicht feststellbar gewesen, ob die Bekundungen der Zeugen Ad und W oder die Bekundungen der Zeugin K zutreffend gewesen seien. Dies führe prozessual zu einem sogenannten non liquet. In einem solchen Falle verliere diejenige Partei den Rechtsstreit, die die Beweislast trage. Das sei hier die Beklagte. Das Mitnehmen und Verbrennen von Einwegpaletten und beschädigten Europaletten sei nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen, weder eine fristlose Kündigung noch eine ordentliche.

Gegen dieses ihr am 01.02.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.02.2023 Berufung eingelegt und am 03.03.2023 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte nunmehr vor, es bleibe dabei: der Kläger habe drei neuwertige Europaletten gestohlen und damit das Vertrauen in ihn unrettbar zerstört. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass der Zeuge N vorsätzlich Tatsachen verschwiegen habe. Der Zeuge N habe sich nach dem Termin der Beweisaufnahme mehreren Beschäftigten gegenüber widersprüchlich geäußert. Das habe sie veranlasst, ihn bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer uneidlichen Falschaussage anzuzeigen.

Für den Fall, dass das Landesarbeitsgericht bei der Einschätzung bleibe, die Kündigung sei unwirksam, stelle sie nunmehr einen Auflösungsantrag. Dabei solle die vom Gericht festzusetzende Abfindung den Betrag von 56.800,00 EUR nicht überschreiten. Den Kläger treffe ein Auflösungsverschulden, denn er habe mit seinem Verhalten die Grenzen einer zulässigen Prozessführung überschritten, indem er sich wie folgt geäußert habe: die Beklagte respektiere das Urteil nicht; gegen ihn werde Mobbing betrieben und unverholen mit Mobbing gedroht; das Verhalten der Beklagten schlage "dem Fass den Boden aus"; ihm sei ein "Arrest-Büro" zugewiesen worden; er werde behandelt "wie ein aussätziger Gefangener"; die Vertreter der Beklagten hätten sich gebärdet, als stünden sie über dem Gesetz und über dem arbeitsgerichtlichen Urteil; die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in einem Telefongespräch angekündigt, "dem Kläger zu schaden, zu behindern, das Leben schwer zu machen oder zu mobben". Gleichermaßen geschäftsschädigend habe er sich in einer Email an die Gesellschafterin geäußert (Anlage BB7, Bl. 361 d.A.). Darüber hinaus müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger nach Zugang der Kündigung Wettbewerb betrieben habe, indem er in der Firma seiner Ehefrau gearbeitet habe. Ihr lägen zwei Businesspläne vor, die von einer Mitarbeit des Klägers sprächen (Anlagenkonvolut BB 10, zum Schriftsatz vom 14.03.2023, Bl. 385 ff d.A). Auch darauf stütze sie den Auflösungsantrag.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 11.01.2023 - 4 Ca 687/22 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; 2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1 in der Berufungsinstanz, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mit Wirkung zum 31.07.2022 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Weiterhin gehe er davon aus, dass es sich bei den Paletten um nur eine beschädigte Europalette gehandelt habe sowie um zwei Einwegpaletten. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen und sich nur so verhalten, wie das jahrelang üblich gewesen sei. Auch ein Auflösungsverschulden treffe ihn nicht. Sein prozessuales Verhalten sei nicht zu beanstanden und Wettbewerb sei ihm nicht vorwerfbar. Die Beklagte habe das Urteil des Arbeitsgerichts nicht akzeptiert. Auch die sogenannte Beschäftigung, die erst nach Androhung von Zwangsmitteln habe aufgenommen werden können, sei keine Beschäftigung im Sinne des Titels gewesen. Er sei Produktionsleiter, habe aber nicht ohne Erlaubnis in die Produktion gehen dürfen; ihm sei ein gesondertes Zimmer zugewiesen worden, das er als Arrest-Zimmer empfunden habe; ihm sei verboten worden, auf dem bisherigen Parkplatz zu parken; er sei aufgefordert worden, einen Personalbogen auszufüllen, was er als Schikane empfunden habe; ihm seien alle Ressourcen vorenthalten worden; er habe keinen Zugang auf die Systeme gehabt; ihm sei kein Zugang zu einem Email-Account eingeräumt worden; er habe kein Telefon vorgefunden; statt allem sei ihm ein Notizblock mit drei Stiften zur Verfügung gestellt worden; als er nach zweimaliger schriftlicher Ankündigung unter Bezugnahme auf den Beschäftigungstitel des Arbeitsgerichts im Betrieb erschienen sei, sei ihm der Zugang zum Betriebsgelände versagt worden, es sei sogar die Polizei angerufen worden. Wenn er also das Wort Mobbing gebraucht habe, sei das nach alledem erlebnisbasiert. Es sei zwar richtig, dass sein Name in den Businessplänen für die Firma seiner Ehefrau genannt worden sei. Tatsächlich habe er aber nie Wettbewerb betrieben.

Am 22.03.2023 hat die Beklagte eine weitere fristlose Kündigung ausgesprochen und diese mit dem Verdacht begründet, der Kläger betreibe Konkurrenz im Unternehmen seiner Frau. Die Kündigungsschutzklage ist beim ArbG Siegburg anhängig unter dem Geschäftszeichen 4 Ca 441/23.

Mit Schriftsatz vom 28.06.2023, also nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung vom 22.06.2023 und nach Widerruf des dort abgeschlossenen Vergleichs durch den Kläger, hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe in der Berufungsverhandlung die Unwahrheit gesagt, als er behauptet habe, der Zugang zu seinem stock-options-Konto bei ihrer amerikanischen Muttergesellschaft sei ihm verwehrt worden. Diese Behauptung sei falsch. Tatsächlich habe er nämlich bereits am 14.06.2023 von der Einlösung seiner Stockoptions Gebrauch gemacht, indem er sich erfolgreich auf der Plattform von Morgan Stanley eingeloggt habe. Sein Zugang sei also freigeschaltet. Lediglich die Auszahlung sei wegen eines Betrugsverdachts gesperrt gewesen. Sie fühle sich durch dieses Verhalten des Klägers getäuscht und sei der Auffassung, dass der Auflösungsantrag auch auf diese Tatsachen gestützt werden könne. Es werde ausdrücklich darum gebeten dies bei der Entscheidungsfindung der Kammer zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die weitgehend zulässige Berufung ist unbegründet. Der zulässige Auflösungsantrag der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, soweit sie sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts wendet, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht beendet worden (Tenor zu 1), und soweit sie sich gegen den Weiterbeschäftigungstitel richtet (Tenor zu 3). Denn in beiderlei Hinsicht ist sie gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

Unzulässig ist die Berufung der Beklagten, soweit sie sich mit dem Antrag auf vollständige Klageabweisung auch gegen den Teil der Entscheidung des Arbeitsgerichts richtet, mit dem sie zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses verurteilt worden war (Tenor zu 2). Denn hier fehlt es an jeglicher Begründung. Das Wort "Zwischenzeugnis" findet sich in den zweitinstanzlichen Schriftsätzen der Beklagten nicht.

II. Soweit es zulässig ist, bleibt das Rechtsmittel in der Sache weitgehend ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben (1.). Demgegenüber war auf die Berufung der Beklagten das Urteil hinsichtlich des Tenors zu 3 und folglich mit der Klage auf Weiterbeschäftigung wegen der zwischenzeitlich ausgesprochenen weiteren Kündigung abzuändern und die Klage insofern abzuweisen (2).

1. Zurecht hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage, die sich gegen die Kündigungserklärung vom 29.03.2022 gerichtet hatte, stattgegeben. Weder liegen Tatsachen vor, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen und damit eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten (a.), noch ist die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung durch Tatsachen sozial gerechtfertigt, die im Verhalten des Klägers liegen (b.).

a. Tatsachen, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen und damit eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Dabei kann offenbleiben, welche Art von Paletten auf Weisung des Klägers in das Auto seiner Ehefrau geladen wurden. Zu Gunsten der Beklagten kann vielmehr unterstellt werden, dass es sich um drei neuwertige Europaletten gehandelt hat und dass das Mitnehmen von (alten) Paletten auch unter der ehemaligen Geschäftsleitung - entgegen der Darstellung des Klägers und des Betriebsrats - nicht üblich war oder ist.

Wie bereits vom Arbeitsgericht zitiert kann das Arbeitsverhältnis nach § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht (BAG v. 18.12.2014 - 2 AZR 265/14 -).

(1.) Einen im Gewahrsam der Arbeitgeberin stehenden Gegenstand ohne ausdrückliches Einverständnis derselben vom Betriebsgelände schaffen und im Osterfeuer auf dem Sportplatz vernichten zu lassen, stellt eine Verletzung der Interessen der Arbeitgeberin dar, die sich als Pflichtverletzung und daher als ein wichtiger Grund "an sich" im Sinne der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts darstellen kann. Für die Qualifikation eines Pflichtverstoßes als ein wichtiger Grund "an sich" ist es noch ohne Belang, welchen Wert die entfernten Sachen haben, ob sie im Eigentum der Arbeitgeberin standen und wie das Geschehen aus strafrechtlichem Blickwinkel zu bewerten ist. Diese Faktoren sind im Rahmen der Interessenabwägung zu würdigen.

(2.) Diese Interessenabwägung fällt zu Ungunsten der Beklagten aus. Der hier kündigenden Beklagten war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung (später hinzutretende Tatsachen mögen bei der Prüfung des Auflösungsantrages geprüft werden) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - gegebenenfalls nach Ausspruch einer Abmahnung - zumutbar. Sie rechtfertigen folglich nicht die ultima ratio des Arbeitsrechts, also die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Bei der Prüfung, ob der Arbeitgeberin eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse der Arbeitgeberin an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (st. Rspr., bspw. BAG v. 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 -). Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob der Arbeitgeberin die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Im Rahmen einer solchen Interessenabwägung war hier zu berücksichtigen, dass der Kläger als Produktionsleiter eine Vorbildfunktion auszuüben hat. Als Vorbild hat man nichts mitzunehmen - auch keine Paletten. Es war weiter zu berücksichtigen, dass im Rahmen des Gesprächs vom 02.02.2022 in Anwesenheit des Klägers deutlich gemacht wurde, dass die für den 18.03.2022 geplante Aktion, im Rahmen derer Plastikboxen und Kisten an die Beschäftigten verschenkt werden sollten, Paletten gerade nicht erwähnt worden sind. Dem gegenüber musste aber auch in die Interessenabwägung einfließen, dass der Kläger seit über zehn Jahren im Betrieb beschäftigt ist. Auch auf ausdrückliche Nachfrage im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer hat die Beklagte nichts zu sonstigen Hintergründen der Kündigung geäußert; es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger bisher jahrelang beanstandungslos seine Arbeitsleistung als Produktionsleiter erbracht hat und hier die erste Pflichtverletzung einer solchen Art zu Tage getreten ist. Der Kläger ist Familienvater; er ist verheiratet und er hat drei Kinder. Neuwertige Europaletten haben einen Buchwert - je nach aktuellem Holzpreis - in einer Höhe zwischen 10 EUR und 15 EUR. Insgesamt geht es hier also um einen Schaden von unter 50 EUR. Es geht nicht um die Mitnahme von Produkten der Beklagten, von Geld, von Wertgegenständen oder von werthaltigen Produktionsmitteln; es geht hier um die Mitnahme von Transporthilfsmitteln, die üblicherweise in einem Pfandsystem zirkulieren, bis sie so beschädigt sind, dass sie entsorgt werden müssen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war das Verhalten des Klägers alles andere als heimlich: Er hat die Paletten nicht "in Nacht und Nebel beseitigt", sondern am helllichten Tag seine Frau mit dem Auto kommen lassen und den Zeugen N angewiesen, ihr zu helfen; dann ist der Zeuge Ad vorbeigekommen und bot seinerseits Unterstützung an; der Zeuge W hat die Szene aus dem Fenster beobachtet ohne nachzufragen, was hier passiert. Der Kläger hat sich mit den Paletten nicht in dem Sinne bereichert, dass er sie mit Gewinnerzielungsabsicht hat weiterverkaufen wollen. Das bedeutet nicht, dass er selbstlos gehandelt hätte; er hat sich mit den Paletten im Sportverein (möglicher- und klassischerweise "großtuerisch") als einer der Vereinsunterstützer darstellen können, die wegen ihres Einsatzes und ihrer "Freigiebigkeit" geschätzt und geachtet werden.

Insgesamt reduziert sich aber der Sachverhalt auf das Kernphänomen, dass hier eine Arbeitgeberin einen verdienten langjährigen Beschäftigten ohne vorherige Abmahnung fristlos aus dem Arbeitsverhältnis entfernt wissen will, weil er Verpackung bei einem Osterfeuer verbrannt hat.

(3.) Der durch diese Pflichtverletzung möglicherweise eingetretene Vertrauensverlust rechtfertigt nicht die für eine fristlose Kündigung notwendige negative Zukunftsprognose, also die Prognose, dass die Wiederherstellung des verletzten Vertrauens als unmöglich erscheint. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil der Arbeitgeberin sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind neben der ordentlichen Kündigung auch Abmahnung und Versetzung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung künftiger Störungen - zu erreichen. Einer nach § 314 Abs. 2 BGB für jede fristlose Kündigung vorgeschriebenen Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erkennbar - ausgeschlossen ist.

Daran gemessen ist die hier streitgegenständliche außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig. Der Pflichtverletzung des Klägers - das Wegschaffen dreier neuwertiger Paletten - hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen und dass sie nicht ausgereicht hätte, ihn anzuhalten, künftig das Recht seiner Arbeitgeberin an Sachen ihres Gewahrsams besonders sorgfältig zu achten. Eine Abmahnung war auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Schwere des Vorwurfs entbehrlich. Dafür ist der Wert der Paletten zu gering, dafür zeigt sich bei der Tat zu wenig kriminelle Energie, dafür ist die Tatbegehung zu wenig heimlich und dafür ist das Gesamtbild der Tat - Verbrennen von Verpackung beim Osterfeuer - zu banal.

Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor. Die außerordentliche Kündigung erweist sich daher jedenfalls wegen des Fehlens einer Abmahnung als unverhältnismäßig.

b. Auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet worden. Die streitgegenständliche Kündigung ist an den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes zu messen, da die Voraussetzungen für dessen Anwendbarkeit erfüllt sind. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil sie nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Tatsachen bedingt ist, die im Verhalten des Klägers liegen. Auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ist die Verhältnismäßigkeit zu prüfen und damit die Tatsache, ob nicht weniger einschneidende Tatsachen geeignet sind, die durch die Vertragspflichtverletzung eingetretene Störung des Vertrauensverhältnisses zu überwinden. Hier gilt das oben zur fristlosen Kündigung Ausgeführte entsprechend: Vor Ausspruch einer Beendigungserklärung war als milderes Mittel eine Abmahnung auszusprechen.

Nach alldem erweist sich die Kündigungserklärung vom 29.03.2022 als unwirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch nach Anlauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet.

2. Mit Blick auf den Tenor zu 3, mit dem die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden war, war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und insoweit die Klage (im Übrigen) abzuweisen.

Für die Frage, wie sich weitere nach Verurteilung zur Weiterbeschäftigung ausgesprochene Kündigungen auf den Weiterbeschäftigungsanspruch auswirken können, ist als Ausgangspunkt der im Beschluss des Großen Senats vom 27. Februar 1985 (GS 1/84) aufgestellte Rechtssatz zugrunde zu legen, dem zufolge die Ungewissheit über die objektive Rechtslage bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsprozesses die Interessenlage in der Weise verändere, dass zunächst ein überwiegendes Interesse der Arbeitgeberin an der Nichtbeschäftigung bis zur Verkündung eines Urteils bestehe, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt. Ob danach ausgesprochene Kündigungen zur Beendigung des Weiterbeschäftigungsanspruchs führen, hängt davon ab, ob sie der Grundwertung des Großen Senats entsprechend zu einer Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen, die derjenigen entspricht, die vor Verkündung des Urteils bestanden hat, das die Unwirksamkeit der ersten Kündigung festgestellt hatte. Eine offensichtlich unwirksame Kündigung beendet dementsprechend den Weiterbeschäftigungsanspruch schon deshalb nicht, weil sie eine Ungewissheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht begründet. Eine "offensichtlich unwirksame" Kündigung in diesem Sinne liegt nach den Ausführungen des Großen Senats aber nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss (grundlegend: BAG v. 19.12. 1985 - 2 AZR 190/85 -).

Die am 22.03.2022 ausgesprochene Kündigung ist in dem Sinne nicht offensichtlich unwirksam. Die Beklagte hat die weitere Kündigung mit einem neuen Lebenssachverhalt begründet, nämlich mit dem Verdacht der Konkurrenztätigkeit. Wie zu zeigen sein wird, reichen die derzeitigen Darlegungen der Beklagte zu diesem Sachverhalt nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer nicht aus, um den von ihr gestellten Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Eine offensichtliche Unwirksamkeit im oben genannten Sinne des "Sichaufdrängens" und "ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre" steht aber nicht zur Debatte. Die Wirksamkeit der Kündigung mag im nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren überprüft werden. Die durch die Kündigung vom 22.03.2022 eingetretene Ungewissheit über den weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses entspricht der Ungewissheit, die hier hinsichtlich der Kündigung vom 23.03.2021 vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bestand.

III. Der Auflösungsantrag der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das prozessuale Verhalten des Klägers, insbesondere die von der Beklagten gerügten Äußerungen sind nicht zu beanstanden, jedenfalls sind sie durch das Recht auf Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt (1.). Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht über die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 29.03.2022 reichen die Darlegungen der Beklagte nicht aus, ein Konkurrenzverhalten des Klägers annehmen zu lassen, das die Auflösung rechtfertigen könnte (2.). Auch die zuletzt von der Beklagten eingeführte Annahme, der Kläger habe durch unwahren Behauptungen in der Berufungsverhandlung im Zusammenhang mit den Stock Options die weitere Beschäftigung unzumutbar werden lassen, ist unzutreffend (3.).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberin einerseits und Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin andererseits nicht erwarten lassen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (BAG v. 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06 -). Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bei der Arbeitgeberin die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin gefährdet ist (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 297/09 -). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gegen die Arbeitgeberin, gegen Vorgesetzte oder gegen Kolleginnen und Kollegen. Auch das Verhalten eines oder einer Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen (BAG v. 10.06.2010 - 2 AZR 297/09 -). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gedeckt sein können. So hat das Bundesarbeitsgericht zu Äußerungen eines Arbeitnehmeranwalts, der Arbeitnehmer solle offenbar vom Arbeitgeber "weichgekocht" werden, der Arbeitnehmer sei in ein "Sterbezimmer" versetzt worden, der Arbeitgeber wolle ihn "mürbe machen" entschieden, dass ein Auflösungsgrund nicht gegeben sei (BAG v. 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 -).

Nach den vorgenannten Maßstäben ist ein Auflösungsgrund nicht ersichtlich.

1. Das prozessuale Verhalten des Klägers, insbesondere die von der Beklagten gerügten Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten sind nicht zu beanstanden, jedenfalls sind sie nach den dargestellten Grundsätzen durch das Recht auf Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt.

Die Formulierungen des Klägervertreters sind zwar an einigen Stellen zugespitzt und weisen einen scharfen Ton auf. Sie stehen aber stets in einem sachlich nachvollziehbaren Bezug zu den maßgeblichen rechtlichen Fragen und übertreten weder im Inhalt noch in der Form die Grenze zu persönlicher Schmähung, Gehässigkeit oder Lüge. Vorgehalten werden dem Kläger von der Beklagten die folgenden Formulierungen:

- die Beklagte respektiere das Urteil nicht;

- gegen ihn werde Mobbing betrieben und unverhohlen mit Mobbing gedroht;

- das Verhalten der Beklagten schlage "dem Fass den Boden aus";

- ihm sei ein "Arrest-Büro" zugewiesen worden;

- er werde behandelt "wie ein aussätziger Gefangener";

- die Vertreter der Beklagten hätten sich gebärdet, als stünden sie über dem Gesetz und über dem arbeitsgerichtlichen Urteil;

- die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in einem Telefongespräch angekündigt, "dem Kläger zu schaden, zu behindern, das Leben schwer zu machen oder zu mobben".

Aktenkundig hat die Beklagte das Urteil des Arbeitsgerichts tatsächlich nicht respektiert: Unstreitig wurde dem Kläger trotz des vom Arbeitsgericht verkündeten Beschäftigungstitels der Zugang zum Betrieb verwehrt; das änderte sich erst, als der Kläger begonnen hatte, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschäftigungstitel zu betreiben. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärte im Schreiben vom 20.01.2023 (Bl. 359 d.A.), mit dem sie sich gegen die Behauptung des Prozessbevollmächtigten des Klägers gewandt hatte, sie habe Mobbing angekündigt, unter anderem zur Richtigstellung das folgende: "Zudem haben wir angesprochen, dass die aktuelle Situation doch für beide Parteien unangenehm sei und man vor diesem Hintergrund noch einmal versuchen könnte, eine gütliche Einigung zu finden" - was genau für den Kläger "unangenehm" sei, hat sie in diesem Schreiben nicht konkretisiert. Nicht konkret bestritten wurde darüber hinaus der folgende Vortrag des Klägers:

- Er sei Produktionsleiter, habe aber nicht ohne Erlaubnis in die Produktion gehen dürfen;

- ihm sei ein gesondertes Zimmer zugewiesen worden, das er als Arrest-Zimmer empfunden habe;

- ihm sei verboten worden, auf dem bisherigen Parkplatz zu parken;

- er sei aufgefordert worden, einen Personalbogen auszufüllen, was er als Schikane empfunden habe;

- ihm seien alle Ressourcen vorenthalten worden;

- er habe keinen Zugang auf die Systeme gehabt;

- ihm sei kein Zugang zu einem Email-Account eingeräumt worden;

- er habe kein Telefon zu Verfügung gestellt bekommen;

- statt allem sei ihm ein Notizblock mit drei Stiften überlassen worden;

- als er nach zweimaliger schriftlicher Ankündigung unter Bezugnahme auf den Beschäftigungstitel des Arbeitsgerichts im Betrieb erschienen sei, sei ihm der Zugang zum Betriebsgelände versagt worden, es sei sogar die Polizei angerufen worden.

Angesichts der unstreitig vom Kläger nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vorgefundenen Verhältnisse und angesichts der nicht weiter bestrittenen einzelnen Ungewöhnlichkeiten vor Ort, war es nicht pflichtwidrig "Mobbing" zu beklagen. Dies gilt umso mehr, weil es keine klare Definition von "Mobbing" gibt. Das Wort "Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage. Er ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass häufig einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt (BAG v. 25.10. 2007 - 8 AZR 593/06 -). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG v. 28.10. 2010 - 8 AZR 546/09 -). Die Rechtsgutsverletzung und hier insbesondere die Persönlichkeitsrechtsverletzung sind als Rechtsbegriffe die möglichen Ergebnisse dessen, was sich "Mobbing" nennt.

Produktionsleiter ohne Zugang zur Produktion, Sonderzimmer, kein Parkplatz, Anfängerpersonalbogen, kein Email-Account, kein Telefon, stattdessen Papier mit drei Stiften und unspezifisch von "unangenehmen Situationen" sprechen sind allesamt Maßnahmen, die der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts in den zitierten Entscheidungen mit den Worten meinte "Verhaltensweisen, die für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau ... zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung" führen kann. Hiernach durfte der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter im Angesicht der vorgefundenen Verhältnisse von "Mobbing" sprechen - jedenfalls ohne sich einen pflichtwidrigen Subsumtions- oder Definitionsfehler vorhalten lassen zu müssen.

Hinzukommt, dass die von der Beklagten für ihren Auflösungsantrag herangezogenen Bemerkungen des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten erfolgten, nachdem die Beklagte und ihre Prozessbevollmächtigte selbst eine mehr als deutliche Sprache bemühte (Zahlen in Klammern sind Blattzahlen der Gerichtsakte):

- In gröbster Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen (36)

- Die Beklagte massiv hintergangen (36)

- Leitungsfunktion missbraucht (36)

- Völlig untaugliche Haltung für eine gemeinsame Zusammenarbeit (36)

- Strafrechtlich relevante Pflichtverletzung (46)

- Bild eines Mitarbeiters, der seine persönlichen und privaten Interessen über die Interessen der Beklagten stellt (48)

- Seine Stellung als Führungskraft in verwerflicher Weise für die Durchsetzung persönlicher Ziele ausnutzt (48)

- Er führt wiederkehrend und stupide aus ... (99)

- Angriff gegen die Unterzeichnerin (324)

- Plant der Kläger einen Amoklauf? (342)

- Unaufgefordert in die Räumlichkeiten eingedrungen (344)

- Erfüllung der Straftatbestände üble Nachrede und Verleumdung (498)

Nach solchen Formulierungen - die nach wie vor im Kern in der Sache das Verbrennen von Verpackungen bei einem Osterfeuer betreffen sowie prozessual die Bemühungen des Klägers, dem vollstreckbaren Titel eines arbeitsgerichtlichen Urteils entsprechend beschäftigt zu werden - kann die Beklagte dem Kläger nicht seine überspitzten Formulierungen vorhalten, ohne sich mit ihrem eigenem Verhalten in Widerspruch zu setzen. Wird auf einen derartigen Prozessvortrag ähnlich robust geantwortet, werden berechtigte Interessen wahrgenommen.

Das gleiche gilt im Übrigen für die vom Kläger an die Gesellschafterin gesandte Email. Inhaltlich (es wird hier davon ausgegangen, dass alle Prozessbeteiligten die englische Sprache in Wort und Schrift beherrschen) findet sich in der Email nichts anstößiges oder auch nur missverständliches. Indem der Kläger sich an die Gesellschafterin der Beklagten gewandt hat, hat er nach Nr. 12 der Ethikregeln gehandelt.

Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Arbeitgeberin setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (BAG 08.10.2009 - 2 AZR 682/08 -). Davon kann hier keine Rede sein. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, sind jedenfalls in den gerügten Formulierungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht ersichtlich (vgl. im Übrigen zu den genannten Grundsätzen: BAG v. 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 -).

2. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht über die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 29.03.2022 reichen auch die Darlegungen der Beklagten, ein Konkurrenzverhalten des Klägers sei anzunehmen, nicht aus, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Dem Grunde nach ist es zutreffend, dass der Kläger weiterhin die Interessen seiner Arbeitgeberin zu wahren hat, also zum Beispiel Wettbewerb zu unterlassen hat, auch wenn die Arbeitgeberin eine (unwirksame) fristlose Kündigung ausgesprochen hat und sie im Übrigen alles tut, um sich von ihm zu trennen. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts führt dazu das Folgende aus (BAG v. 23.10.2014 - 2 AZR 644/13):

Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 23; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a bb der Gründe). Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nach Zugang einer - gerichtlich angegriffenen - außerordentlichen Kündigung die weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses - falls es auf sie noch ankommt - rechtfertigen kann, ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. auch dazu BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b der Gründe) zu berücksichtigen, dass sich in einer solchen Konstellation beide Parteien objektiv vertragswidrig verhalten. Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist durch ein in sich widersprüchliches Verhalten beider Vertragsparteien gekennzeichnet. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, das dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber - entsprechend der objektiven Rechtslage - keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten. Auf diese Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers zumutbar ist, Bedacht zu nehmen. Es spricht dabei zugunsten des Arbeitnehmers, wenn die Wettbewerbstätigkeit erst durch die frühere - unwirksame - Kündigung ausgelöst worden ist (vgl. für einen Handelsvertreter BGH 28. April 1960 - VII ZR 218/59 - zu 6 der Gründe). Dann rechtfertigt die objektiv gegebene Pflichtverletzung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Prozessende in der Regel keine negative Verhaltensprognose. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Wettbewerb auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt ist oder zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage darstellt (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b bb der Gründe). Von Bedeutung ist ferner, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Art und der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit unmittelbar ein Schaden zugefügt wird oder nur eine abstrakte Gefährdung von dessen geschäftlichen Interessen vorliegt (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - aaO).

Die vorstehenden Ausführungen zur Frage, ob in Wettbewerbshandlungen während des Kündigungsschutzverfahrens Gründe für eine weitere Kündigung gesehen werden können, sind übertragbar auf die Frage, ob solche Wettbewerbshandlungen geeignet sind, einen Auflösungsantrag zu rechtfertigen.

Werden die zitierten Erwägungen des 2. Senats zu Grunde gelegt, so zeigt sich vorliegend ohne Präjudiz für das nachfolgende Kündigungsschutzverfahren, dass die von der Beklagten bisher vorgetragenen Tatsachen nicht ausreichen, eine hinreichend intensive Störung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien anzunehmen. Zwar begründet die Erwähnung des Klägers in den beiden Businessplänen den Verdacht, dass der Kläger Wettbewerb plant. Eine weitere Tatsache, die für einen solchen Verdacht sprechen könnte, ist die, dass die Inhaberin der Firma, seine Frau, aus ihrer Ausbildung und ihrer bisherigen Erwerbsbiografie wohl weniger das notwendige Knowhow für ihr Unternehmen mitbringt und dass sie deshalb auf lange Sicht auf einen Knowhow-Träger, also so jemanden wie den Kläger, angewiesen sein dürfte. Dass der Kläger aber tatsächlich im Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer Wettbewerb betrieben hätte, dass dieser geplante oder bereits angetretene Wettbewerb auf Dauer angelegt gewesen wäre, dass der geplante oder angetretene Wettbewerb nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene unwirksamen Kündigung veranlasst worden wäre und dass durch diesen Wettbewerb bei der Beklagten ein signifikanter Schaden eingetreten wäre, ist weder vorgetragen, noch ergibt sich ähnliches aus dem Zusammenhang.

3. Auch die zuletzt von der Beklagten in den Prozess eingeführte Annahme, der Kläger habe durch unwahren Behauptungen im Zusammenhang mit den Stock Options in der Berufungsverhandlung die Unwahrheit gesagt, rechtfertigt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach den Maßstäben des § 9 KSchG nicht. Der genaue Wortlaut des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten ist weder protokolliert noch der erkennenden Kammer erinnerlich. Inhaltlich - und untechnisch gesprochen - hat der Kläger jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er zurzeit "an seine Stockoptions nicht rankommt". Dies ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten aber zutreffend. Wegen eines "Betrugsverdachts" ist es nicht zur Auszahlung gekommen. Der Vortrag ist daher nicht geeignet einen Auflösungsgrund dazustellen oder auch nur zu vertiefen.

Die Verhandlung war wegen des neuen Vortrages nicht wieder zu eröffnen. Im ursprünglich anberaumten Verkündungstermin am 29.06.2023 wurde nach telefonischer Absprache mit den ehrenamtlichen Richtern die Entscheidung verkündet, den Verkündigungstermin um eine Woche auf den 06.07.2023 zu verlegen. In der Nachberatung der Kammer am 04.07.2023 wurde beschlossen, die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen, da - unabhängig von der Frage, ob nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein weiterer Vortrag zum Auflösungsantrag möglich war - die Berücksichtigung des neuen Vortrages nicht zu einer abweichenden Entscheidung führen würde.

IV. Nach allem bleibt es somit bei der erstinstanzlichen Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag und zum Zwischenzeugnis. Nur wegen der Nachkündigung war der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils zum Weiterbeschäftigungsanspruch abzuändern und die Klage daher "im Übrigen" abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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