Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Beschluss vom 07.07.2023 · IWW-Abrufnummer 237683

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 12 Sa 2135/19

Bei einer Teil-Berufungsrücknahme ist wegen der Kostentragungspflicht, wie sie gemäß § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO die berufungsführende Partei trifft, nach § 92 ZPO zu quoteln. Dies schließt die Anwendung von § 92 Absatz 2 ZPO ein und insbesondere die Möglichkeit, bei geringfügiger Zuvielforderung die Kosten insgesamt der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.


In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 12. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2023
durch den Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht .... als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter Frau .....und Herrn ....beschlossen:

Tenor: I. Die Kosten des Rechtsstreits, in beiden Instanzen, hat das beklagte Land zu tragen. II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschluss hat die Kostentragung nach Teil-Berufungsrücknahme und übereinstimmender Teil-Erledigungserklärung zum Gegenstand.

Das beklagte Land beschäftigt die Klägerin, die in 2012 die Berufsausbildung zur Justizfachangestellten erfolgreich abgeschlossen hat, seit dem 16. Oktober 2017 an einem Amtsgericht in einer Serviceeinheit der Strafgeschäftsstelle.

Nach vorgerichtlicher schriftlicher Geltendmachung am 28. August 2018 erhob die Klägerin im Hinblick auf die ihr als einheitlicher Arbeitsvorgang übertragenen Arbeitsaufgaben Klage auf Feststellung, dass das beklagte Land verpflichtet sei, ihr seit Februar 2018 Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 zum TV-L zu gewähren und die sich ergebenden Differenzbeträge zu verzinsen.

Mit Urteil vom 24. Oktober 2019 wies das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel die Klage ab.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit jeweils frist- und formgerechter Berufung und Berufungsbegründung und unter ausdrücklicher Berücksichtigung der ab Jahresbeginn 2019 in die Tarifvorschriften eingeführten EG 9a im Berufungsantrag.

Im Berufungsverfahren hat das beklagte Land mit Schriftsatz vom 30. Juni 2023 erklärt, es sei in Umsetzung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. September 2020 bereit, für den Zeitraum seit dem 1. März 2018 an die Klägerin Differenzvergütung bis zur Vergütung nach der EG 9 TV-L und ab dem 1. Januar 2019 zur Vergütung nach der EG 9a (nach) zu zahlen. Für Februar 2018 seien Zahlungsansprüche der Klägerin dagegen in Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist mangels Geltendmachung bis zum 27. August 2018 verfallen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung hat die Klägerin die Berufung hinsichtlich der Feststellung einer Vergütungspflicht für Februar 2018 nebst den darauf entfallenden Zinsen zurückgenommen und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt.

Das beklagte Land hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

II.

Die nach Teil-Berufungsrücknahme und übereinstimmender Erledigungserklärung im Übrigen anstehende Kostenentscheidung hat § 64 Absatz 6 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), §§ 91a Absatz 1 Satz 1, 516 Absatz 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Grundlage. Sie hat zum Ergebnis, dass das beklagte Land die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen hat. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Die genannten Vorschriften sind einschlägig. Die Hauptsache kann auch im Berufungsverfahren gemäß § 91a ZPO übereinstimmend für erledigt erklärt werden (Musielak/Voit/Flockenhaus, 20. Auflage 2023, ZPO § 91a Rn 7). Die hierfür vorauszusetzende Zulässigkeit des Rechtsmittels (BGH, 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, juris Rn 3) ist vorliegend gegeben. Die Berufung der Klägerin war im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes von über 600 EUR gemäß § 64 Absatz 2 Buchstabe b ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Im Hinblick auf die für den ganz überwiegenden Teil des streitbefangenen Zeitraums erfolgte übereinstimmende Erledigungserklärung trifft die Kostenlast das beklagte Land.

a. In Anwendung von § 91a Absatz 1 Satz 1 ZPO sind die Kosten durch das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu verteilen. Maßgebender Gesichtspunkt sind dabei die Erfolgsaussichten. Vornehmlich kommt es darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre (BGH, 24. September 2020 - IX ZB 71/19, juris Rn 13; BGH, 30. Januar 2018 - VIII ZB 74/16, juris Rn 10; BGH, 7. Mai 2007 - VI ZR 233/05, juris Rn 7).

b. Danach trifft wegen des übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Berufungsverfahrens das beklagte Land die Kostenpflicht. Die Klägerin hätte mit ihrer Berufung, soweit sie sie aufrechterhalten hat, obsiegt. Die Rechtsfragen zur Eingruppierung von Servicekräften auf Geschäftsstellen hat das Bundesarbeitsgericht mit seinen Entscheidungen vom 9. September 2020 (4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20) und zuvor bereits vom 28. Februar 2018 (4 AZR 816/16) dahin beantwortet, dass auch im Bereich der besonderen Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zunächst der der Eingruppierung zu bestimmende Arbeitsvorgang abzugrenzen ist. Ein daraus folgender umfassender Arbeitsvorgang erfüllt die tarifvertragliche Anforderung "schwierige Tätigkeit" mit der Folge, dass die Eingruppierung der Geschäftsstellenbediensteten zunächst in die EG 9 und ab deren Einführung zum Jahreswechsel 2019 in die EG 9a erfolgt. Dem ist das beklagte Land zuletzt nicht mehr entgegengetreten.

3. Die Teil-Berufungsrücknahme wegen der Feststellung von Ansprüchen für Februar 2018 begründet keine anteilige Kostentragungspflicht der Klägerin.

a. Grundsätzlich hat die Berufungsrücknahme nach § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO zur Folge, dass die berufungsführende Partei die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen hat. Bei einer Teil-Berufungsrücknahme ist wegen der Kostentragungspflicht nach § 92 ZPO zu quoteln (Musielak/Voit/Ball, 20. Aufl. 2023, ZPO § 516 Rn. 15). Dies schließt die Anwendung von § 92 Absatz 2 ZPO ein und insbesondere die Möglichkeit, bei geringfügiger Zuvielforderung die Kosten insgesamt der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen. Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Teil-Klagerücknahme (BGH, 10. April 2019 - VIII ZR 12/18, juris Rn 55; BGH, 19. Oktober 1995 - III ZR 208/94, juris Rn 1) auf die Teil-Berufungsrücknahme übertragbar.

b. Vorliegend sind die Voraussetzungen aus § 92 Absatz 2 Nummer 1 ZPO erfüllt. Der von der Berufungsrücknahme betroffene Teil der Streitigkeit hat keine besonderen Kosten verursacht und ist als Zuvielforderung geringfügig. Legt man für den Feststellungsantrag insgesamt den streitwertrelevanten Zeitraum von 3 Jahren zu Grunde (vgl. § 42 Absatz 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz) so beläuft sich mit einem Monat der Anteil, wegen dessen die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat, auf 1/36.

III.

Veranlassung, in Anwendung von §§ 78 Satz 2, 72 Absatz 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestand nicht.

Gegen die Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Verkündet am 7. Juli 2023

Vorschriften