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Urteil vom 13.07.2023 · IWW-Abrufnummer 237722

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 10 Sa 625/23

Eine Arbeitnehmerin, die sich in stationärer Behandlung befindet, fehlt nicht unentschuldigt.


Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. November 2022 - 27 Ca 10980/20 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 11. August 2020 und die damit verbundene Entgeltfortzahlung vom 18. Juli 2020 bis 28. August 2020 sowie Urlaubsentgelt für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 17. Juli 2020.

Die Klägerin ist 56 Jahre alt (geb. .... 1967) und stand seit dem 1. Juli 2019 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Die monatliche Bruttovergütung betrug 3.000 EUR.

Jedenfalls in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis Freitag, dem 17. Juli 2020 befand sich die Klägerin im Urlaub. Am Samstag, dem 18. Juli 2020 erkrankte sie und wurde stationär in einem Krankenhaus aufgenommen. Der stationäre Aufenthalt dauerte insgesamt bis zum 18. September 2020.

Ob die Beklagte durch ein Telefonat einer Freundin der Klägerin mit der Geschäftsführerin der Beklagten und durch die Information eines Mitarbeiters der Beklagten durch die Tochter der Klägerin über den Krankenhausaufenthalt informiert war, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 4. August 2020 wandte sich die Beklagte jedenfalls an die Klägerin und erkundigte sich nach ihrem Verbleib. Das Schreiben lautet konkret:

Sehr geehrte Frau A,

aus Ihrem Jahresurlaub sind Sie bisher nicht zurückgekehrt.

Eine Krankschreibung haben wir bisher auch nicht bekommen. Weder per Mail noch telefonisch sind Sie erreichbar.

In der Hoffnung, dass Sie oder einer Ihrer Angehörigen diesen Brief liest, bitten wir um dringende Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen

B

Jedenfalls mit E-Mail vom 10. August 2020 mit dem Betreff "AU - Frau A" informierte der Sozialdienst des Krankenhauses die Beklagte darüber, dass die Klägerin sich seit dem 18. Juli 2020 in stationärer Behandlung befinde. Konkret lautet die E-Mail:

Sehr geehrte Frau B,

Frau A befindet sich seit dem 18.07.2020 in unserer stationären Behandlung und ist somit voll arbeitsunfähig. Ein Entlassungsdatum steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. Wir möchten Sie bitten, die gesetzlich festgesetzte Lohnfortzahlung über 6 Wochen bis zum Beginn der Krankengeldzahlung an unsere Patientin auszuzahlen.

Eine weitere Aufenthaltsbescheinigung erhalten Sie auf dem Postweg.

Mit Schreiben vom 11. August 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Betreff "Fristlose Kündigung". Konkret lautet das Schreiben:

Sehr geehrte Frau A,

hiermit kündigen wir das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund fristlos. Wir sehen uns zu diesem Schritt durch gravierende Pflichtverletzungen Ihrerseits gezwungen.

Wir weisen darauf hin, dass Sie sich, um Nachteile zu vermeiden, unverzüglich bei der Arbeitsagentur melden müssen.

Vergütung für Juli und August 2020 hat die Beklagte an die Klägerin nicht mehr gezahlt.

Mit Urteil vom 24. November 2022 hat das Arbeitsgericht, soweit für die Berufung relevant, der Klage entsprochen.

Es könne dahinstehen, ob die Beklagte als Kündigungsgrund das Fehlen der Klägerin nach Urlaubsende heranziehen wolle. Denn die Klägerin habe angesichts des Krankenhausaufenthaltes nicht unentschuldigt gefehlt. Es könne auch dahinstehen, ob die Beklagte über den Krankenhausaufenthalt nicht rechtzeitig informiert gewesen sei und dieses der Klägerin vorwerfbar sei. Denn auch in diesem Fall wäre die Kündigung unverhältnismäßig. Die Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht nach dem EFZG könne nur dann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn "erschwerende Umstände des Einzelfalles" hinzukämen. Derartige Umstände habe die Beklagte jedoch nicht vorgebracht. Auch sei ein beharrlicher Pflichtenverstoß der Klägerin nicht erkennbar.

Gründe, die die Verweigerung der Zahlung des Urlaubsentgeltes bis zum 17. Juli 2020 rechtfertigen würden, habe die Beklagte ebensowenig vorgebracht wie Gründe, die gesetzliche Entgeltfortzahlung nicht zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet.

Die Beklagte behauptet, dass ein unentschuldigtes Fehlen der Klägerin "im Ergebnis unstreitig" sei. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts habe die Beklagte sehr wohl auch das Fernbleiben der Klägerin von der Arbeit nach Ende ihres bewilligten Urlaubs beanstandet. Auch stelle das Arbeitsgericht hier zu schematisch darauf ab, dass die Klägerin im besagten Zeitraum in stationärer Behandlung gewesen sei. Es hätte hier vor allen Dingen thematisieren müssen. dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum eben unentschuldigt gefehlt hätte. Auch sei die Kündigung entgegen den Ausführen des erstinstanzlichen Gerichts bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls von dem Hintergrund gerechtfertigt, dass die Klägerin sowohl ihrer gesetzlichen Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und der fristgemäßen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachgekommen sei. Inwieweit das Arbeitsgericht diese Umstände, nämlich das beide selbstständig bestehenden Pflichten nicht erfüllt worden seien, dahin stehen lassen wolle und in einem weiteren Schritt sogar mutmaße, ob der Klägerin insoweit ein entsprechendes Unterlassen, welches unstreitig vorgelegen habe, vorwerfbar wäre, könne nicht nachvollzogen werden und müsse beanstandet werden. Entgegen den nicht überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts seien beharrliche Pflichtenverstöße durch die Beklagte nicht nur vorgetragen worden, sondern hätten auch vorgelegen. Das Gericht habe es hier nicht gewürdigt, dass die Klägerin sowohl gegen ihre gesetzliche Pflicht zur unverzüglichen Anzeige als auch erschwerend zugleich gegen die Pflicht zur fristgemäßen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verstoßen hätte. Das Gericht habe ferner nicht gewürdigt, dass angesichts der von den Parteien vorgetragenen Umstände davon hätte ausgegangen werden müssen, dass die Klägerin die Beklagte nicht nur im Unklaren gelassen habe, sondern darüberhinausgehend auch gegenüber der Beklagten die Unwahrheit gesagt habe. Auch die Ausführungen des Gerichts zu dem Besuch des Mitarbeiters Herrn C am Wohnhaus der Klägerin könnten nicht überzeugen. Entgegen den Ausführungen des Gerichts habe das Verhalten der Tochter der Klägerin sehr wohl zugerechnet werden können. Das Gericht hätte auch thematisieren müssen, dass die Klägerin, wenn Sie zu diesem Zeitpunkt schon längere Zeit unentschuldigt fehle, dann Vorkehrungen hätte treffen müssen, dass eine Information gegebenenfalls auch über ihre Tochter am die Arbeitgeberseite erfolgen könnte. Dies sei unstreitig unterblieben.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. November 2022 - 27 Ca 10980/20 abzuändern und

1. die Klage insgesamt abzuweisen;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis aufgrund der mit Schreiben vom 11. August 2020 erklärten Kündigung außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten vom 5. April 2023 sowie auf den Inhalt der Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 10. Mai 2023 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist bereits unzulässig, wäre aber im Falle ihrer Zulässigkeit auch nicht begründet.

1.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (ständige Rechtsprechung, z.B. BAG, Urteil vom 14. März 2017 - 9 AZR 633/15). Dabei dürfen zwar im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (ständige Rechtsprechung, z.B. BAG, Urteil vom 14. März 2017 - 9 AZR 633/15).

2.

Bereits in dem gerichtlichen Hinweisschreiben vom 7. Juli 2023 hat das Gericht den Parteien die entsprechende Rechtsansicht mitgeteilt, die die vollständig besetzte Kammer im heutigen Termin bestätigt hat.

2.1

Das Arbeitsgericht hatte die angefochtene Entscheidung zunächst darauf gestützt, dass die Klägerin nicht unentschuldigt gefehlt habe. Sie habe sich in der Zeit zwischen dem Ende des Urlaubs am 17. Juli 2020 und dem Tag des Ausspruchs der Kündigung am 11. August 2020 (und weiter bis zum 18. September 2020) unstreitig in einem Krankenhaus in stationärer Behandlung befunden.

Die Echtheit der von der Klägerin in Ablichtung vorgelegten Aufenthaltsbescheinigung vom 20. Juli 2020 habe die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.

2.2

Das Arbeitsgericht hat die angefochtene Entscheidung sodann darauf gestützt, dass eine Verletzung der gesetzlichen Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und/oder zur fristgemäßen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die fristlose Kündigung ebenfalls nicht rechtfertige. Denn selbst bei angenommener Richtigkeit des Beklagtenvortrags, erst nach Ausspruch der Kündigung eine Anzeige der Arbeitsunfähigkeit erhalten zu haben, sei die fristlose Kündigung unverhältnismäßig.

Angesichts des regelmäßig geringeren Gewichts dieser Pflichtverletzung bedürfe es der Feststellung erschwerender Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise die Würdigung rechtfertigen würden, dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt nicht zumutbar gewesen. Derartige Umstände seien von der Beklagten nicht vorgebracht worden.

Die Beklagte habe keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die dafür sprechen würden, dass die Klägerin gegen die ihr obliegenden Nebenpflichten beharrlich verstoßen habe. Weder habe die Beklagte dargelegt, dass die Klägerin einschlägig abgemahnt worden wäre, noch sonstige Umstände aufgezeigt, aus denen sich ergäbe, dass die Klägerin mit Beharrlichkeit vorgegangen sei. Dies gelte auch dann, wenn die Tochter der Klägerin bei dem Besuch des Herrn C, diesem keinerlei Auskunft über den Krankenhausaufenthalt der Klägerin erteilt haben sollte. Denn es sei bereits nicht erkennbar, dass dieses Verhalten der Klägerin zugerechnet werden könne.

2.3

Mit diesen tragenden Erwägungen des Arbeitsgerichts setzt sich die Beklagte in der Berufungsbegründung nicht ausreichend auseinander.

2.3.1

Die Beklagte behauptet zwar, dass ein "unentschuldigtes Fehlen der Klägerin "im Ergebnis unstreitig" sei, weshalb der Krankenhausaufenthalt der Klägerin aber keine hinreichende Entschuldigung für das Fehlen am Arbeitsplatz sein soll, ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag nicht. Die Beklagte trägt zwar vor:

"Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte sehr wohl auch das Fernbleiben der Klägerin von der Arbeit nach Ende ihres bewilligten Urlaubs beanstandet"

Wann und wo die Beklagte dieses gegenüber der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung beanstandet hat, ergibt sich aus der Berufungsbegründung nicht.

2.3.2

Weiter trägt die Beklagte vor:

"Auch stellt das Gericht hier zu schematisch darauf ab, dass die Klägerin im besagten Zeitraum in stationärer Behandlung gewesen sei. Es hätte hier vor allen Dingen thematisieren müssen. dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum eben unentschuldigt gefehlt hatte."

Damit handelt es sich lediglich um eine "formelhafte Wendung". Denn das Arbeitsgericht hatte ja gerade hervorgehoben, dass aufgrund der stationären Behandlung der Klägerin kein unentschuldigtes Fehlen gegeben sei.

2.3.3

Sodann trägt die Beklagte in der Berufungsbegründung vor:

"Auch ist die Kündigung entgegen den Ausführen des erstinstanzlichen Gerichts bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls von dem Hintergrund gerechtfertigt, dass die Klägerin sowohl ihrer gesetzlichen Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und der fristgemäßen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachgekommen ist. Inwieweit das Arbeitsgericht diese Umstände, nämlich das beide selbstständig bestehenden Pflichten nicht erfüllt wurden, dahin stehen lassen will und in einem weiteren Schritt sogar mutmaßt, ob der Klägerin insoweit ein entsprechendes Unterlassen, welches unstreitig vorgelegen hat, vorwerfbar wäre, kann nicht nachvollzogen werden und muss beanstandet werden."

Das Arbeitsgericht hatte klar und eindeutig ausgeführt, dass es sich lediglich um Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis handele und die Beklagte keine Gründe vorgetragen habe, die ausnahmsweise auch bei deren Verletzung eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden. Der danach allein denkbare besondere Grund einer beharrlichen Pflichtverletzung könne nicht angenommen werden.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang speziell die vom Gericht vorgenommene Bewertung zur Frage eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip beanstandet, bleibt es wieder bei einer floskelhaften Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Die Beklagte führt aus:

Entgegen den nicht überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts sind derartige Umstände durch die Beklagte nicht nur vorgetragen worden, sondern lagen auch vor. Das Gericht hat es hier nicht gewürdigt, dass die Klägerin sowohl gegen ihre gesetzliche Pflicht zur unverzüglichen Anzeige als auch erschwerend zugleich gegen die Pflicht zur fristgemäßen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verstoßen hatte.

Damit wiederholt die Beklagte nur den Pflichtenverstoß, nennt aber auch weiterhin keine "besonderen Umstände".

2.3.4

Die Beklagte behauptet weiter, dass das Arbeitsgericht "weitere Feststellungen zum Verhalten der Klägerin" hätte vornehmen müssen. Welche Feststellungen das betreffen sollte, ergibt sich aus der Berufungsbegründung aber nicht. Damit handelt es sich lediglich um eine "formelhafte Wendung". Wenn damit die Ausführungen auf Seite 17 der Berufungsbegründung gemeint gewesen sein sollen, wo die Beklagte ausgeführt hat:

Das Gericht hat ferner nicht gewürdigt, dass angesichts der von den Parteien vorgetragenen Umstände davon ausgegangen werden musste, dass die Klägerin die Beklagte nicht nur im Unklaren gelassen hat, sondern darüberhinausgehend auch gegenüber der Beklagten die Unwahrheit gesagt hatte.

ändert das nichts. Denn wann die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung gegenüber wem durch was die Unwahrheit gesagt haben soll, ergibt sich aus der Berufungsbegründung nicht. Auch der weitere Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung:

Auch die Ausführungen des Gerichts zu dem Besuch des Mitarbeiters Herrn C am Wohnhaus der Klägerin können nicht überzeugen. Entgegen den Ausführungen des Gerichts konnte das Verhalten der Tochter der Klägerin sehr wohl zugerechnet werden. Das Gericht hätte auch thematisieren müssen, dass die Klägerin, wenn Sie zu diesem Zeitpunkt schon längere Zeit unentschuldigt fehlt, dann Vorkehrungen hätte treffen müssen, dass eine Information gegebenenfalls auch über ihre Tochter am die Arbeitgeberseite erfolgen könnte. Dies ist unstreitig unterblieben.

ändert daran nichts. Selbst wenn das von der Beklagten behauptete Verhalten der Tochter der Klägerin, sie habe Herrn C nichts über den gesundheitlichen Zustand der Klägerin bzw. deren Verbleib erklärt, zutreffend sein sollte, ändert das nichts. Denn nach dem Vorbringen der Beklagten blieb sie im Unklaren, was mit der Klägerin ist. Das war vor dem Besuch des Herrn C so und danach auch. Insofern ändert sich der Kündigungsgrund nicht. Da die Beklagte das behauptete Verhalten der Tochter nicht zum Anlass für eine Abmahnung der Klägerin herangezogen hat, verbleibt es bei den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einem nicht beharrlichen Fehlverhalten.

2.3.5

Die Beklagte rügt in der Berufungsbegründung zwar eine umfassende Interessenabwägung durch das Arbeitsgericht, übersieht aber, dass das Arbeitsgericht schon keinen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung erkennen konnte, so dass es auf eine Interessenabwägung gar nicht ankommt. Damit handelt es sich lediglich um eine "formelhafte Wendung".

2.3.6

Indem die Beklagte in der Berufungsbegründung den erstinstanzlichen Vortrag wiederholt, mangelt es an der vom Gesetz gebotenen erforderlichen Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung.

2.4

Zu den Zahlungsansprüchen der Klägerin hat die Beklagte mit keinem Wort erwähnt, weshalb das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

Die Berufung ist danach insgesamt unzulässig.

3.

Selbst wenn die Berufung zulässig gewesen wäre, wäre sie unbegründet. Auch insoweit hatte das Berufungsgericht schon in dem gerichtlichen Hinweisschreiben vom 7. Juli 2023 ausreichende Hinweise gegeben. Diese Hinweise macht sich die hier erkennende Kammer ebenfalls zu eigen.

3.1

Unstreitig war die Klägerin seit Beginn ihrer Arbeitspflicht nach dem Urlaub bis zum Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte in stationärer Behandlung und damit arbeitsunfähig. Wenn die Beklagte ausführt:

"Ob und inwieweit die von der Klägerin angeblich vorgelegte Bescheinigung, deren Vorlage bis zuletzt auch bestritten worden war, die Echtheit für sich beanspruchen könne, ist in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich."

bestreitet sie gerade nicht die Echtheit der Aufenthaltsbescheinigung, egal. Ob sie ihr erst nach Ausspruch der Kündigung oder vorher zugegangen ist.

Ein arbeitsunfähiger Mensch fehlt nicht unentschuldigt, egal ob er diese Arbeitsunfähigkeit anzeigt oder nachweist.

3.2

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 11. August 2020 war die Beklagte über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin informiert. Denn spätestens mit der E-Mail der Frau D vom Krankenhaus-Sozialdienst vom 10. August 2020 um 14:11 Uhr an die Beklagte hatte diese die dazu erforderlichen Informationen erhalten.

Da die Beklagte spätestens am 10. August 2020 über die bestehende und (fortdauernde) Arbeitsunfähigkeit der Klägerin informiert war, bestand zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung jedenfalls kein Verstoß mehr gegen die Anzeigepflicht des EFZG.

Selbst wenn die Klägerin zuvor wochenlang ihre Anzeige- und/oder Nachweispflicht aus dem EFZG verletzt haben sollte, handelte es sich um eine auf steuerbarem Verhalten der Klägerin beruhende Vertragspflichtverletzung. Bei derartigen Pflichtverletzungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose.

Gerade angesichts der Ankündigung der Frau D in der E-Mail vom 10. August 2020, dass die Beklagte eine weitere Aufenthaltsbescheinigung auf dem Postweg erhalte, war auch eine (fortgesetzte) Verletzung der Nachweispflicht prognostisch nicht mehr zu erwarten.

Jedenfalls ergibt der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkt, weshalb nur die fristlose Kündigung ein etwaiges Fehlverhalten der Klägerin angemessen sanktionieren kann (und nicht eine Abmahnung oder eine fristgemäße Kündigung).

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.

Vorschriften