Urteil vom 18.07.2023 · IWW-Abrufnummer 237879
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 2 Sa 31/23
1. Bei betriebsbedingten Kündigungen kann zwar grundsätzlich ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers jedenfalls dann entstehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt. Der Anspruch erwächst aus einer vertraglich Nebenpflicht aus dem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis ( BAG, Urteil vom 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - Rn. 32, juris).
2. Sofern nicht der Arbeitgeber einen bestimmten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, kann der Arbeitnehmer jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung eine Wiedereinstellung wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände nicht verlangen ( BAG, Urteil vom 06.08.1997 - 7 AZR 557/96 - Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - Rn. 28, juris).
3. Ein Abwicklungsvergleich, durch den die Parteien den Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung und deren das Arbeitsverhältnis beendigende Wirkung beilegen wollen, schließt einen Wiedereinstellungsanspruch jedenfalls dann regelmäßig aus, wenn in ihm eine Abfindung in angemessener Höhe vereinbart worden ist.
Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 24.01.2023 zum Aktenzeichen 3 Ca 800/22 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Wiedereinstellung.
Die Klägerin verfügt über einen Hochschulabschluss im Fach Biologie. Sie war gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Bl. 5 ff d.A.) ab dem 01.09.2017 als Laborassistentin in der von der Beklagten betriebenen pathologischen Laborpraxis tätig.
Mit Schreiben vom 18.01.2022 (Bl. 8 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 28.02.2022. Die Klägerin erhob hiergegen bei dem Arbeitsgericht Rostock Kündigungsschutzklage zum Aktenzeichen 3 Ca 143/23. Unter dem 28.02.2022 schlossen die Parteien einen Abwicklungsvertrag (Bl. 12 - 15 d.A.). Dieser lautet u.a.:
"§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Unternehmens aufgrund der ordnungs- und fristgemäßen ordentlichen Kündigung vom 18.1.2022 aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 28.02.2022 (nachfolgend »Beendigungstermin«) enden wird."
...
"§ 13 Ausgleichsklausel
1. Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich welchen Rechtsgrundes, ob bekannt oder unbekannt, abschließend erledigt.
2. Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass die Mitarbeiterin im Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung und deren Beendigung keinerlei Benachteiligung (z.B. Benachteiligungen im Sinne des § 3 AGG) erfahren hat.
3. Mit der Unterzeichnung dieser Abwicklungsvereinbarung erklärt die Mitarbeiterin, die am 4.2.2022 beim Arbeitsgericht Rostock eingereichte Kündigungsschutzklage zurückzunehmen und auch auf weitere Klagen in dieser Kündigungsangelegenheit zu verzichten."
Unter § 3 haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes von der Beklagten eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto erhält. Ursprünglich waren 7.000,00 € brutto als Abfindung vorgesehen. 10.000,00 € wurden durch handschriftlich hinzugefügte Änderung vereinbart.
Im März 2022 kündigten zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten ihre Arbeitsverhältnisse.
Am 05.04.2022 bot die Beklagte über die Internetpräsenz der Bundesagentur für Arbeit zum 01.07.2022 eine Stelle für MTLA/BTLA an (Bl. 18, 19 d.A.). Nachdem die Klägerin am 17.05.2022 hierüber Kenntnis erlangt hatte, forderte sie die Beklagte unter dem 08.06.2022 erfolglos auf, mit ihr einen neuen Arbeitsvertrag auf der Grundlage der früheren Regelungen des Arbeitsverhältnisses der Parteien abzuschließen.
Mit der der Beklagten am 07.07.2022 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der Beklagten weiter.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aus nachvertraglichen Fürsorgegesichtspunkten verpflichtet, ihr die aufgrund der im März 2022 von Mitarbeiterinnen ausgesprochenen zwei Kündigungen freigewordenen Stellen zur Weiterbeschäftigung anzubieten. Die Beklagte verhalte sich treuwidrig, zumal sie - die Klägerin - einer Stundenreduzierung nebst Einkommensverlust zugestimmt habe, um ihren Arbeitsplatz zu sichern.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2022 ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses der Klägervertretung am 14.11.2022 zugestellte Versäumnisurteil hat der Klägervertreter mit am 21.11.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Hierzu hat die Klägerin angeführt, die Beklagte müsse bereits bei Abschluss des Abwicklungsvertrages bzw. unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über ihren Bedarf an einer weiteren Arbeitskraft Kenntnis gehabt haben. Sie hätte diesen Bedarf gegebenenfalls nach einer bis Juli 2022 absolvierten Schulung abdecken können. Ein Wiedereinstellungsanspruch könne nicht auf den Zeitraum des Laufs der Kündigungsfrist beschränkt werden, müsse vielmehr auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen.
Die Klägerin hat beantragt:
Das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen des bis zum 28.02.2022 zwischen den Parteien bestehenden ab dem 21.06.2022 zuzustimmen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat entgegnet, eine Wiedereinstellung scheide nach einem wirksamen Aufhebungsvertrag aus. Die zwei Voraussetzungen, unter denen eine Wiedereinstellung gegeben sein könnte, nämlich Wegfall des Kündigungsgrundes innerhalb der Kündigungsfrist und fehlerhafte Prognose, lägen nicht vor. Darüber hinaus verfüge die Klägerin nicht über die zur Besetzung der ausgeschriebenen Stellen erforderlichen Qualifikationen. Es sei eine abgeschlossene Ausbildung als "zytologisch tätige/r Assistent/in" (ZTA) an Fachschulen für ZTA (Zytologie-Schulen) oder eine erfolgreich abgeschlossene staatliche Prüfung als "medizinisch-technische/r Laboratoriumsassistent/in" (MTLA) an einer staatlich anerkannten Lehreinrichtung mit einer anschließenden ganztägigen einjährigen praktischen Tätigkeit in einer Laboreinrichtung der Zervix-Zytologie erforderlich.
Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 08.11.2022, welches zur Klageabweisung ergangen ist, aufrechterhalten und zur Begründung angeführt, unabhängig von der Frage der klägerischen Qualifikation für die ausgeschriebenen Stellen stehe einer Wiedereinstellung der Abwicklungsvertrag entgegen. Eine Unwirksamkeit des Abwicklungsvertrages gemäß § 779 Abs. 1 BGB komme nicht in Betracht, da zum Zeitpunkt des Abschlusses der Abwicklungsvereinbarung am 28.02.2022 beide Parteien davon ausgegangen seien, dass der Weiterbeschäftigung der Klägerin dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Ein ab dem 01.07.2022 entstehender Bedarf aufgrund unvorhersehbarer Kündigungen von Mitarbeitern freiwerdender Stellen sei nicht absehbar gewesen. Auch eine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheide aus, weil der Klägerin angesichts der vereinbarten Abfindungshöhe ein Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar sei. Schließlich sei streitig, ob die Klägerin überhaupt die zur Stellenbesetzung erforderliche Qualifikation besitze.
Gegen dieses ihr am 06.02.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 03.03.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung bis zum 03.05.2023 mit am 03.05.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Hierzu führt die Klägerin aus, die zeitlich starre Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht, die Pflicht des Arbeitgebers zur Wiedereinstellung auf den Lauf der Kündigungsfrist zu begrenzen, verstoße gegen die nachvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Auch nach Auslaufen der Kündigungsfrist müsse eine Wiedereinstellung anerkannt werden. Vorliegend sei die am 18.01.2022 ausgesprochene Kündigung unmittelbar nach Ablauf der Kündigungsfrist zum 28.02.2022 inhaltlich überholt gewesen. Dabei komme es nicht darauf an, ob dies wegen unzutreffender Annahmen oder späterer Kündigungen durch andere Mitarbeiter bewirkt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock - Az. 3 Ca 800/22 - vom 24.01.2023 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen des bis zum 28.02.2022 zwischen den Parteien bestehenden ab dem 26.06.2022 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 24.01.2023, Az.: 3 Ca 800/22, zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist darauf, dass nachvertragliche Pflichten der Parteien nur in besonderen - hier nicht vorliegenden - Konstellationen geeignet sein könnten, einen Wiedereinstellungsanspruch zu begründen. Der geschlossene, wirksame Abwicklungsvertrag enthalte einen angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich für die Klägerin. Auch stelle sich die Frage, für welchen nachvertraglichen Zeitraum nach klägerischer Auffassung ein Wiedereinstellungsanspruch begründet sein könne. Schließlich könnte sich eine von der Klägerin angenommene nachvertragliche Fürsorgepflicht lediglich dann auswirken, wenn die Klägerin die für die veröffentlichten Stellengesuche geforderte Qualifikation aufweisen würde, was nicht der Fall sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die streitbefangene erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht mit zutreffender Begründung abgewiesen, weil kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Abschluss eines Arbeitsvertrages besteht.
I.
Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit zulässig.
II.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat begründet festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Abwicklungsvertrag vom 28.02.2022 wirksam ist und einem Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin entgegensteht.
1.
Bei betriebsbedingten Kündigungen kann zwar grundsätzlich ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers jedenfalls dann entstehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt. Der Anspruch erwächst aus einer vertraglichen Nebenpflicht aus dem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil vom 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - Rn. 32, juris). Entsteht eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, besteht hingegen grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - Rn. 28, juris). Fortbestehende nachvertragliche (Fürsorge-)Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis können nur ausnahmsweise einen Wiedereinstellungsanspruch begründen (BAG, Urteil vom 21.02.2002 - 2 AZR 749/00 - Rn. 47, juris), so z.B. im Ausnahmefall des Vorliegens eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB (BAG, Urteil vom 13.11.1997 - 8 AZR 295/95 - Rn. 22, juris). Die Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch gelten jedoch nicht, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist ein neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird. Sofern nicht der Arbeitgeber einen bestimmten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, kann der Arbeitnehmer jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung eine Wiedereinstellung wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände nicht verlangen (BAG, Urteil vom 06.08.1997 - 7 AZR 557/96 - Rn. 14, juris). Ausnahmen, welche vorliegend nachvertragliche Verpflichtungen der Beklagten zur Wiedereinstellung der Klägerin begründen könnten, liegen nicht vor. Zudem steht der Abwicklungsvertrag einer Wiedereinstellung entgegen.
2.
Der Abwicklungsvertrag vom 28.02.2022 ist rechtswirksam.
a)
Eine Erklärung der Klägerin etwa zur Anfechtung oder zum Widerruf dieses Vertrages bzw. der dazu abgegebenen klägerischen Erklärung vom 28.02.2022 liegt nicht vor. Es ist kein Grund ersichtlich, der zur Unwirksamkeit dieser Vereinbarung führen könnte.
b)
Insbesondere ist sie nicht gemäß § 779 BGB unwirksam. Nach dieser Norm käme eine Unwirksamkeit lediglich in Betracht, wenn bei Abschluss des Vertrages am 28.02.2022 festgestanden hätte, dass die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus hätte weiterbeschäftigt werden können, und die Parteien fehlerhaft davon ausgegangen wären, dass sie nicht hätte weiterbeschäftigt werden können. Hiervon geht allerdings selbst die Klägerin nicht aus. Sie hat nicht dargetan, dass bereits am 28.02.2022 festgestanden hätte, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für sie besteht. Vielmehr ist unstreitig, dass die Kündigungen zweier Mitarbeiter aus März 2022 zu dem ab dem 01.07.2022 entstehenden Bedarf geführt haben. Damit hat am 28.02.2022, dem Zeitpunkt des Abschlusses der Abwicklungsvereinbarung, der Bedarf zur Besetzung der später veröffentlichten Stellen noch nicht bestanden.
Zudem verfügt die Klägerin nicht über die in der Stellenausschreibung geforderte Qualifikation. Soweit die Klägerin auf eine mögliche Einarbeitung verweist, übersieht sie, dass ein Arbeitgeber frei ist in der Entscheidung, welche Anforderungen er an eine Stellenbesetzung knüpft, solange er damit nicht die Grenzen zur Diskriminierung, zum Rechtsmissbrauch, zur Willkür überschreitet. Dies geschieht durch die von der Beklagten geforderte Qualifikation nicht. Damit lag zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abwicklungsvertrages eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin nicht vor.
c)
Der Abwicklungsvertrag ist auch nicht nach den Grundsätzen über den nachträglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Wegfall geraten.
Gemäß § 313 BGB liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, wenn sich die Umstände, die Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend ändern und die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluss des Arbeitsvertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien darauf aufbaut. Nicht Geschäftsgrundlage eines Vertrages sind dagegen alle Regelungen, die die Parteien ausdrücklich als Vertragspflichten im Vertrag aufgenommen haben (BAG, Urteil vom 15.09.2004 - 4 AZR 9/04 - Rn. 27, juris).
Bei Abfindungsvergleichen in Kündigungsschutzprozessen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, Geschäftsgrundlage sei die gemeinsame Vorstellung der Parteien, bis zu dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses werde sich keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ergeben. Vielmehr kann gerade auch diese Ungewissheit der künftigen Entwicklung bei dem Vergleich bereits Berücksichtigung gefunden haben. Außerdem führt bei einer sich nachträglich unvorhergesehen ergebenden Beschäftigungsmöglichkeit das Festhalten am Vergleich für den Arbeitnehmer keineswegs regelmäßig zu untragbaren Ergebnissen. Vielmehr hängt auch dies von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls dann, wenn durch eine Abfindung ein als angemessen erscheinender Ausgleich geschaffen wird - dabei kann für die Beurteilung der Angemessenheit die in § 10 KSchG, § 113 Abs. 1 und 2 BetrVG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung herangezogen werden - wird häufig das Festhalten an dem Vergleich auch für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sein. Dies gilt umso mehr, als regelmäßig ohnehin keine Anpassung (welche?), sondern lediglich die grundsätzlich nicht vorgesehene ersatzlose Aufhebung des Abfindungsvergleiches in Betracht kommt. Die Wiedereinstellung ist keine Anpassung des Abfindungsvergleiches, sondern das Gegenteil dessen, was die Parteien in diesem vereinbart haben (BAG, Urteil vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - Rn. 35, juris).
Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, insbesondere dafür, dass dem Vertragsschluss bestimmte beiderseitige Vorstellungen zu Grunde gelegen haben, ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft (BAG, Urteil vom 24.02.2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 68, juris).
Die Klägerin hat bereits nicht vorgetragen, dass beide Parteien bei Abschluss des Abwicklungsvertrages vom 28.02.2022 davon ausgingen, es liege nicht nur die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz vor, sondern es werde sich auch darüber hinaus keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin mehr ergeben. Es war daher nicht Geschäftsgrundlage des Abwicklungsvertrages der Parteien, dass die im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bestehende Tatsachenlage hinsichtlich der betriebsbedingten Kündigungsgründe fortbesteht und zwar über das Beendigungsdatum hinausgehend fortbesteht. Insoweit stellt die Beklagte im Übrigen zu Recht die Frage, auf welchen Zeitraum es bei der gemeinsamen Vorstellung ankommen muss. Sollte die Klägerin eine solche über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgehende Vorstellung gehabt haben, hat sie jedoch nicht dargetan, dass für die Beklagte eine ebensolche Vorstellung auch über den Kündigungstermin hinausgehend Geschäftsgrundlage des Abwicklungsvertrages sein sollte. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt daher nicht vor.
Zudem - darauf hat bereits das Arbeitsgericht mit der Berufung nicht angegriffen hingewiesen - ist ein Festhalten der Klägerin an dem Abwicklungsvertrag nicht unzumutbar. Gründe, welche für sie die Unzumutbarkeit belegen sollen, hat die Klägerin nicht im Einzelnen dargetan. Sie ergeben sich auch nicht aus dem unstreitigen Tatsachenvorbringen der Parteien. Hierbei ist insbesondere die Höhe der vereinbarten Abfindungszahlung zu berücksichtigen. Gemäß § 1a Abs. 2 KSchG kann eine Abfindung 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses betragen. Das Vierteljahreseinkommen der Klägerin betrug 9.414,38 €. Dies bedeutet, dass monatlich 3.138,13 € zur Verfügung gestellt wurden. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden (§ 1a Abs. 2 Satz 3 KSchG). Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (§ 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG). Mit einer Beschäftigungszeit ab dem 01.09.2017 sind für die Klägerin damit 4 Jahre anzuerkennen, woraus sich eine Abfindungssumme in Höhe von 6.276,25 € ergeben würde. Mit der Abfindungszahlung in Höhe von 10.000,00 € wird die gemäß § 1a KSchG vorgesehene Summe überschritten. Der damit erfolgte Ausgleich macht es der Klägerin nicht unzumutbar, am Abwicklungsvertrag festzuhalten.
Ein Abwicklungsvergleich, durch den die Parteien den Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung und deren das Arbeitsverhältnis beendigende Wirkung beilegen wollen, schließt einen Wiedereinstellungsanspruch jedenfalls dann regelmäßig aus, wenn in ihm eine Abfindung in angemessener Höhe vereinbart worden ist. In diesem Fall erhält der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine kompensatorische Gegenleistung in Form der Abfindung. Dies ist auch vorliegend der Fall.
d)
Die Beklagte ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur erneuten Kontrahierung mit der Klägerin verpflichtet. Zu den grundlegenden Prinzipien des Zivilrechts gehört die durch Artikel 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit, zu der auch die Abschlussfreiheit zählt. Aus der negativen Vertragsfreiheit des Arbeitgebers folgt, dass dieser nach wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei entscheiden kann, ob er dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein neues Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages unterbreitet und dessen entsprechendes Angebot annimmt. Die Abschlussfreiheit ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt. Ein solcher Ausnahmefall kann sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben. Dieser Grundsatz stellt eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung dar, die einer gegen § 242 BGB verstoßenden Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage entgegensteht. § 242 BGB eröffnet damit die Möglichkeit, jede atypische Interessenlage zu berücksichtigen, bei der ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtslage zwingend erscheint (BAG, Urteil vom 24.02.2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 77, juris).
Eine atypische Interessenlage, die unter Durchbrechung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit zu einem Kontrahierungszwang für die Beklagte führen könnte, ist vorliegend nicht gegeben. Die Ausübung eines Rechts ist regelmäßig rechtsmissbräuchlich, wenn der Berechtigte es durch gesetzes-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat. Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat ihre Rechtsstellung aus dem Abwicklungsvertrag nicht unredlich erworben.
Bei einer sich nachträglich unvorhergesehen ergebenden Beschäftigungsmöglichkeit führt das Festhalten am Abwicklungsvertrag für den Arbeitnehmer keineswegs regelmäßig zu untragbaren Ergebnissen. Vielmehr hängt auch dies von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls dann, wenn durch eine Abfindung ein als angemessen erscheinender Ausgleich geschaffen wird, wird häufig das Festhalten an einem Vergleich bzw. Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag auch für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sein. Dies gilt umso mehr, als die einzig denkbare Anpassung des Aufhebungsvertrages dann in seiner vollständigen Rückabwicklung zu sehen wäre, was allenfalls in besonders krassen Fällen der Fehlprognose der zukünftigen Entwicklung in Betracht kommen könnte (BAG, Urteil vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - Rn. 35, juris).
e)
Schließlich ergibt die Auslegung des Abwicklungsvertrages, dass die Parteien mit ihm eine endgültige Beilegung des wegen der ausgesprochenen Kündigung entstandenen Konflikts erreichen wollten und die Klägerin insoweit einen Klageverzicht gemäß § 13 des Abwicklungsvertrages erklärt hat.
Bereits in § 13 Abs. 1 des Vertrages haben die Parteien alle wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich welchen Rechtsgrundes, ob bekannt oder unbekannt, abschließend erledigt. Damit ist es der Klägerin verwehrt, sich nach Abschluss des wirksamen Abwicklungsvertrages auf einen Wiedereinstellungsanspruch zu berufen, weil eine derartige Berufung aufgrund der erteilten Ausgleichsquittung ausgeschlossen ist.
In § 13 Abs. 3 des Abwicklungsvertrages erklärt die Klägerin, dass sie die beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage zurücknehmen wird und auch auf weitere Klagen in der Kündigungsangelegenheit verzichtet. Damit hat die Klägerin zu der vorliegend erhobenen Klage keinerlei Berechtigung mehr, weil insoweit ein Verzicht vorliegt.
Insgesamt steht der Klägerin damit ein Wiedereinstellungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) bestehen nicht.