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Beschluss vom 11.05.2023 · IWW-Abrufnummer 237977

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 8 TaBV 53/22

Einzelfallentscheidung zum Vorwurf der Vorlage eines nicht ordnungsgemäßen Corona-Testnachweises zu Täuschungszwecken


Tenor: 1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 03.11.2022 - 5 BV 13/22 - wird zurückgewiesen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3..

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen im Bereich der Spezialchemie. Der Beteiligte zu 2. ist der am Standort der Antragstellerin in T gebildete Betriebsrat, dessen Mitglied der Beteiligte zu 3. ist.

Der am 1963 geborene, verheiratete Beteiligte zu 3. ist Vater eines Kindes (ohne Unterhaltspflicht) und seit dem 10.12.2000 bei der Antragstellerin, zuletzt als Projektingenieur im Bereich Technologie Film beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 8.577,00 Euro.

Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie kam es zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 3. wiederholt zu Konflikten über die Berechtigung der Antragstellerin, Kontrollmaßnahmen hinsichtlich der zum damaligen Zeitpunkt geltenden 3G-Erfordernisse durchzuführen. Mit Schreiben vom 21.12.2021 sprach die Antragstellerin gegenüber dem Beteiligten zu 3. eine Abmahnung aus, weil dieser am 10.12.2021 und 16.12.2021 die Arbeitsstätte ohne Vorlage eines 3G-Nachweises betreten hatte. In seiner Gegendarstellung vom 31.01.2022 vertrat der Kläger die Auffassung, zur Kontrolle der 3G-Nachweise sei ausschließlich das Gesundheitsamt, nicht aber die Arbeitgeberin berechtigt.

Am 16.03.2022 legte der Beteiligte zu 3. bei der 3G-Eingangskontrolle einen Corona-Negativtestnachweis vor, dessen Rechtsqualität zwischen den Beteiligten streitig ist. Die vom Beteiligten zu 3. vorgelegte und handschriftlich ausgefüllte Bescheinigung weist als Ausstellungsdatum den 15.03.2022, 17:05 Uhr, und als Ausstellerin Frau Dr. K aus, bei der es sich unstreitig um eine Heilpraktikerin handelt.

Mit Schreiben vom 11.04.2022 (Kopie Bl. 47, 48 d.A.) hörte die Antragstellerin den Beteiligten zu 3. zu Verdachtsmomenten hinsichtlich der Vorlage eines gefälschten bzw. nicht richtig dokumentierten SARS-COV-2-Antigentests an und bezog sich hierbei insbesondere auf einen fehlenden Barcode zur Überprüfung der Echtheit des Testergebnisses, eine fehlende Teststellennummer sowie den Umstand, dass Frau Dr. K nach Auskunft des Rheinisch-Bergischen Kreises für die Durchführung der Bürgertestungen nicht beauftragt war sowie auf die fehlende Bereitschaft des Beteiligten zu 3., eine Kopie des Testergebnisses anfertigen zu lassen. Mit E-Mail vom 10.04.2022 erklärte der Kläger, dass Frau Dr. K als zugelassene Testerin zertifiziert/akkreditiert sei. Sie habe ihm seine Zertifikatsurkunde gezeigt und sei dort auch mit einer "lfd. Nummer" offiziell als eingetragene Testerin geführt, wobei ihm der Name der akkreditierenden Gesellschaft entfallen sei. Sollte entgegen seinen Erwartungen und treuem Glauben tatsächlich eine "betrügerische Täuschung" o.ä. von Frau Dr. K vorliegen, sei er gefordert, ihr gegenüber einen Regress geltend zu machen. Bislang lägen für ihn jedoch keine Anhaltspunkte für eine betrügerische Absicht der Frau Dr. K vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme des Klägers wird auf Bl. 49 d.A. Bezug genommen.

Mit per E-Mail übersandten Schreiben vom 25.04.2022 unterrichtete die Antragstellerin den Beteiligten zu 2. über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. und bat um Zustimmung zu dieser Maßnahme. Noch am selben Tag bestätigte der Betriebsratsvorsitzende den Zugang der Unterrichtung und des Zustimmungsantrags; eine weitere Stellungnahme des Beteiligten zu 2. erfolgte nicht.

Mit ihrem am 29.04.2022 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. Zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. gem. § 103 BetrVG begehrt. Er war der Auffassung, die außerordentliche Kündigung sei auf Grund des dringenden Verdachts, dass der Beteiligte zu 3. am 16.03.2022 zur Täuschung einen gefälschten oder nicht richtig dokumentierten Corona-Negativtestnachweis im Rahmen der Zugangskontrolle nach § 28 b Abs. 1 IfSG a.F. gebraucht habe, gerechtfertigt. Der Verdacht gründe sich darauf, dass Frau Dr. K nach Auskunft des Rheinisch-Bergischen-Kreises für die Durchführung von Bürgertestungen nicht beauftragt sei und - da sie keine Ärztin, sondern Heilpraktikerin sei - auch keine Berechtigung zur Durchführung der Tests nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Corona-TestVO besitze. Zudem fehle es an einem Barcode zur Überprüfung des Testergebnisses, an einer Teststellennummer und an einem Nachweis über die Art des Testverfahrens. Da sich der Beteiligte zu 3. durch seine Stellungnahme nicht habe entlasten können, sei davon auszugehen, dass die fehlende Befugnis der Frau Dr. K dem Beteiligten zu 3. positiv bekannt oder zumindest grob fahrlässig unbekannt gewesen sei. Hierfür spreche auch, dass der Beteiligte zu 3. nicht bereit gewesen sei, eine Kopie des Tests anzufertigen und an der Aufklärung mitzuwirken, sondern vielmehr die Auskunft der Gesundheitsbehörde zur fehlenden Berechtigung der Frau Dr. K ignoriert habe. Zudem sei nicht nachzuvollziehen, warum der Beteiligte zu 2. keine nahegelegene Teststelle aufgesucht habt.

Die Antragstellerin war weiter der Auffassung, die Vorlage eines gefälschten oder nicht richtig dokumentierten Corona-Negativnachweises sei eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung, dass eine außerordentliche Verdachtskündigung gerechtfertigt sei. Auch unter Berücksichtigung der bereits zuvor aufgetretenen Konflikte über die Berechtigung der Antragstellerin zur Kontrolle der 3G-Erfordernisse, einschließlich erfolgter Abmahnung und Gehaltskürzungen, sei keine Verhaltensänderung des Beteiligten zu 3. zu erwarten, was sich nicht nur als betriebsschädigend darstelle, sondern auch die Gesundheit der übrigen Mitarbeiter sowie von Dritten gefährde.

Die Antragstellerin hat beantragt,

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben beantragt,

Der Beteiligte zu 2. war der Ansicht, der von der Antragstellerin beabsichtigten außerordentliche Kündigung stehe bereits die Nichteinhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB entgegen. Der Fristbeginn sei auch nicht gehemmt gewesen, da die Antragstellerin trotz des überschaubaren Sachverhalts die Ermittlungen nicht in der gebotenen Eile durchgeführt habe.

Der Beteiligte zu 3. hat die Auffassung vertreten, sein Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung. Der Vorwurf der Fälschung des Testergebnisses vom 15.03.2022 sei falsch. Auch habe er weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von einer vermeintlichen Fälschung oder fehlenden Berechtigung der Frau Dr. K gehabt, sondern sich auf die Echtheit des Nachweises verlassen. Es habe für ihn kein Anlass bestanden, an der Legitimation der Frau Dr. K zu zweifeln. Diese sei bei der zertifizierten Stelle der A -K geschult worden und dürfe daher Testungen durchführen. Dass auf der Bescheinigung vom 15.03.2022 ein Barcode fehle sei unerheblich und auch bei den Zertifikaten anderer privater Tester nicht vorhanden. Zudem habe er bereits zuvor bei der Antragstellerin Testergebnisse der Frau Dr. K vorgelegt, ohne dass diese beanstandet worden seien, so z.B. mit Bescheinigungen vom 02.12.2021, 17.01.2022, 20.01.2022, 24.01.2022 und 07.02.2022.

Mit Beschluss vom 03.11.2022 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein konkreter Verdacht für von der Antragstellerin angenommene Verwendung eines gefälschten Corona-Testnachweises bestehe nicht. Selbst wenn der Beteiligte zu 3. einen nicht richtig dokumentierten Testnachweis verwendet haben sollte, sei die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt. Denn es sei nicht feststellbar, dass der Beteiligte zu 3. den Testnachweis zur Täuschung genutzt habe, zudem falle die vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Beteiligten zu 3 aus.

Gegen den ihr am 28.11.2022 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 16.12.2022 Beschwerde eingelegt, die sie am 27.01.2023 begründet hat. Sie ist der Ansicht, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts bestehe ein dringender Verdacht, dass die streitgegenständliche Bescheinigung vom 15.03.2022 dazu erstellt worden sei, um die Vorlagepflicht eines regulären negativen Corona-Negativnachweises zu umgehen. Die vom Beteiligte zu 3. vorgelegte Bescheinigung entspreche nicht den in § 2 Nr. 7 Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung a.F (SchAusnahmeV a.F.) festgelegten Anforderungen an einen Testnachweis, da es sich bei Frau Dr. K nicht um eine Leistungserbringerin i.S.d. § 6 der Coronavirus-Testverordnung a.F. handele. Überdies offenbare ein Vergleich der in der Anlage 2 der Coronateststrukturverordnung NRW enthaltenen Musterbescheinigung für die Bescheinigung über das Vorliegen eines positiven oder negativen Antigentests zum Nachweis des SARS-CoV-2 Virus mit der vorgelegten, von Frau Dr. K ausgestellten Bescheinigung, eklatante Unterschiede. So fehle das Wappen des Landes NRW, die Testellennummer - über die Frau Dr. K auch gar nicht verfüge -, die Personalausweisnummer des Getesteten, die Testart und weitere Angaben mehr. Da sich der Beteiligte zu 3. intensiv mit den Themen der Corona-Pandemie und den Corona-Testnachweisen beschäftigt habe, und die Meinung vertrete, dass die Antragstellerin zur Nachweiskontrolle gar nicht befugt sei, sei davon auszugehen, dass ihm bekannt gewesen sei, dass es sich um eine irreguläre Bescheinigung gehandelt habe bzw. der Beteiligte zu 3. mit Täuschungsabsicht gehandelt habe. Schließlich sei zur Verstärkung der Verdachtsmomente zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 3. die streitgegenständliche Bescheinigung erst im Rahmen des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht vorgelegt habe.

Die Antragstellerin ist weiter der Ansicht, die Interessenabwägung falle zu Lasten des Beteiligten zu 3. aus. Dies gelte insbesondere mit Blick auf den vorrangig zu berücksichtigenden betrieblichen Gesundheitsschutz. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 3. Betriebsratsmitglied sei. Mit dem nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestehenden Mitbestimmungsrecht beim betrieblichen Gesundheitsschutz korrespondierten auch Pflichten der einzelnen Betriebsratsmitglieder, den betrieblichen und gesetzlich festgeschriebenen Gesundheitsschutz nicht zu schädigen.

Schließlich sei auch eine (weitere) Abmahnung nicht erforderlich gewesen, da bereits die Abmahnung vom 21.12.2022 nicht zu einer Verhaltensänderung des Beteiligten zu 3. bzw. u einer Rückkehr zu rechtmäßigem Verhalten geführt habe. Eine Verhaltensänderung sei auch bei einer weiteren Abmahnung nicht zu erwarten gewesen.

Die Antragstellerin beantragt,

Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,

Sie verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den angefochtenen Beschluss. Der Beteiligte zu 3. meint, entgegen der Ansicht der Antragstellerin sei die streitgegenständliche Bescheinigung geeignet gewesen, im Rahmen einer 3-G-Regelung gewertet zu werden. Die Frage, ob Tester bei den jeweiligen Gesundheitsämtern mit einer Teststellen-Nummer gelistet seien, sei lediglich für eine Kostenerstattung nach § 7 Coronavirus-Testverordnung relevant, berühre aber die Gültigkeit der von nicht gelisteten Stellen durchgeführten und bescheinigten Tests nicht. Gemäß § 3a) der Coronavirus- und Quarantäneverordnung könnten neben den kostenlosen Bürgertests auch gleichwertig zugelassene kostenpflichtige Selbstzahlertests durchgeführt werden. Die Teststellennummern bei den Gesundheitsämtern würde nur für die anschließend referenzierte Kostenerstattung für die kostenlosen Bürgertests benötigt, seien aber keine Voraussetzung für die Zulassung als Teststelle an sich. Die von der Antragstellerin herangezogene Musterbescheinigung stelle lediglich einen nicht verpflichtenden Vordruck dar, deren Einzelheiten ebenfalls nicht verbindlich vorgegeben seien. Um etwaige Zweifel der Antragstellerin zu entkräften, habe er die Vorlage des Zertifikats der Frau Dr. K als anerkannte Teststelle angeboten sowie deren Entbindung von der Schweigepflicht. Dennoch seien weitere Rückfragen an Frau Dr. K von Seiten der Antragstellerin nicht erfolgt. Jedenfalls aber habe für ihn kein Anlass bestanden, von einem nicht echten Testnachweis auszugehen. Entgegen der Darstellung der Antragstellerin sei er seiner Pflicht als Arbeitnehmer, durch das Testen der Verbreitung des Coronavirus im Betrieb entgegenzuwirken, nachgekommen und werde diese Pflichten auch zukünftig erfüllen.

Schließlich meint der Beteiligte zu 3., im Falle einer angenommenen Pflichtverletzung sei eine weitere Abmahnung erforderlich gewesen. Denn die erste Abmahnung habe darauf gezielt, dass er sich testen lassen müsse, um Zugang zur Arbeitsstätte zu erhalten, dieser Verpflichtung sei er nachgekommen.

Der Beteiligte zu 2. ist der Ansicht, entgegen der Wertung der Antragstellerin seien an den Beteiligten zu 3. keine erhöhten Anforderungen bei der Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen zu stellen, weil dieser Betriebsratsmitglied sei. Vielmehr blieben die hier betroffenen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis durch eine Mitgliedschaft im Betriebsrat grundsätzlich unberührt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberseite zu Recht zurückgewiesen. Die vom Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. ist nicht nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu ersetzen, da unter Berücksichtigung aller Umstände die beabsichtigte außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt ist.

1. Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG iVm. § 15 KSchG hat die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB voraus. Es müssen also Tatsachen vorliegen, auf Grund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, Beschluss vom 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 -, Rn. 17, juris).

2. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt kein dringender Tatverdacht vor, der eine außerordentliche Verdachtskündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen könnte.

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Verfehlung kann einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden. Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urt. v. 12.02.2015 - 6 AZR 845/13 - m. w. N.). Der Verdacht muss dringend sein. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht rechtfertigen würde. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte, Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG, Urt. v. 31.01.2019 - 2 AZR 426/18 - m. w. N.; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 23. Februar 2022 - 11 Sa 339/21 -, Rn. 26, juris). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 -, Rn. 17, juris).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt kein hinreichender Verdacht eines arbeitsvertraglichen Fehlverhaltens vor. Ein solcher besteht auch nicht hinsichtlich der dem Beteiligten zu 3. vorgeworfenen Vorlage eines nicht ordnungsgemäßen Corona-Negativnachweises zu Täuschungszwecken am 16.03.2022.

Selbst wenn man mit der Antragstellerin davon ausgeht, dass der vom Beteiligten zu 3. am 16.03.2022 vorgelegte Testnachweis vom 15.03.2022 den zu diesem Zeitpunkt für den Betrieb der Antragstellerin geltenden Anforderungen nicht entsprach, ist jedenfalls kein dringender Verdacht hinsichtlich einer Täuschungsabsicht oder auch nur eines grob fahrlässigen Handelns feststellbar. Auch konkrete Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken des Beteiligten zu 3. mit Frau Dr. K zu Täuschungszwecken sind nicht ersichtlich.

(1) Verdachtsmomente ergeben sich nicht bereits aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 3. nicht die in unmittelbarer Nähe zum Betrieb gelegene Teststelle aufgesucht, sondern die örtlich deutlich weiter entfernte Praxis der Frau Dr. K aufgesucht hat. Der Beteiligte zu 3. hat hierzu im Rahmen der Anhörung vor der Kammer plausibel und nachvollziehbar geschildert, dass ihm die Testdurchführung durch fremde Personen unangenehm gewesen und es ihm wichtig gewesen sei, die Tests durch eine Person seines Vertrauens durchführen zu lassen. Bei Frau Dr. K handele es sich um eine solche Person seines Vertrauens, bei der er schon lange in Behandlung sei und bei der er anlässlich der Testungen die Gelegenheit gehabt und genutzt habe, auch anderweitige Anliegen zu besprechen.

(2) Ein dringender Verdacht ergibt sich auch nicht daraus, dass Frau Dr. K vom Rheinisch-Bergischen-Kreis für die Durchführung der Bürgertestungen nicht beauftragt war. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 3. von diesem Umstand, von dem den die Antragstellerin durch Nachfrage beim Rheinisch-Bergischen-Kreis Kenntnis erlangte, zum fraglichen Zeitpunkt am 15./16.03.2022 Kenntnis hatte und ihm des Weiteren bekannt war, dass zur Vorlage eines "ordnungsgemäßen" Testnachweises bei der betrieblichen Zugangskontrolle eine Testdurchführung und Bescheinigung des Testergebnisses durch eine Leistungserbringerin i.S.d. § 6 der Coronavirus-Testverordnung a.F. gefordert war. Der Beteiligte zu 3. hat insoweit- unter Vorlage einer Bestätigung der Frau Dr. K (Bl. 126 d.A.) sowie einer Bescheinigung der A K B GmbH (Bl. 127 d.A.) dargelegt, dass ihm Frau Dr. K ihr Zertifikat gezeigt und versichert habe, für die Durchführung der angebotenen Corona-Tests geschult und berechtigt zu sein, worauf er in gutem Glauben vertraut habe. Dass der Beteiligte zu 3. seinerseits im Vorfeld der Testdurchführung keine weiteren Erkundigungen über die Berechtigung der Frau Dr. K eingeholt hat, etwa durch Erkundigungen beim Gesundheitsamt, ist ihm nicht vorwerfbar.

(3) Dergleichen kann aus dem äußeren Erscheinungsbild der Testbescheinigung nicht geschlossen werden, dass der Kläger am 16.03.2022 bewusst einen nicht ordnungsgemäßen Testnachweis vorgelegt hat. Zum einen kann auch von einem Arbeitnehmer, der über überdurchschnittliche Kenntnisse hinsichtlich der aktuell geltenden Corona-Bestimmungen verfügt, nicht erwartet werden, dass er einen Vergleich der ihm ausgestellten Testbescheinigung mit dem in der Anlage der Coronateststrukturverordnung enthaltenen Muster vornimmt, das zudem nicht ausschließlich Pflichtangaben beinhaltet. Dafür, dass der Beteiligte zu 3. auf die Gültigkeit der vorgelegten Testbescheinigung vertraut hat, spricht vielmehr, dass er ebensolche Bescheinigungen nach eigenen Angaben bereits zuvor in mehreren Fällen vorgelegt hatte, ohne dass diese beanstandet wurden. Der Beteiligte zu 3. hat insoweit weitere Bescheinigungen vom 02.12.2021, 20.01.2022 und 17.01.2022 eingereicht. Dass diese Bescheinigungen bei der Antragstellerin im Dezember 2021 und Januar 2022 vorgelegt und akzeptiert worden sind, hat diese nicht substantiiert bestritten. Im Übrigen wäre, wenn der Beteiligte zu 3. eine gezielte Täuschung hätte vornehmen wollen, gerade zu erwarten gewesen, dass er sich hinsichtlich der Üblichkeiten der Testbescheinigungen kundig gemacht und eine "gefälschte" Bescheinigung nach dem Muster der Coronastrukturverordnung eingereicht hätte.

(4) Entgegen der Darstellung der Antragstellerin hat der Beteiligte zu 3. auch die von der Antragstellerin gewonnenen Erkenntnisse zur fehlenden Beauftragung der Frau Dr. K für die Durchführung von Corona-Testungen auch nicht "ignoriert" oder eine Mitwirkung an der weiteren Aufklärung verweigert. Vielmehr hat der Beteiligte zu 3. in seiner Stellungnahme vom 19.04.2022 nach Erläuterung der Umstände, auf Grund derer er von einer ordnungsgemäßen Testdurchführung ausging, erklärt, dass er - wenn entgegen seinen Erwartungen und treuem Glauben - tatsächlich eine "betrügerische Täuschung" o.ä. von Frau Dr. K vorgelegen habe, er gefordert sei, ihr gegenüber Regress geltend zu machen. Ferner bat er die Antragstellerin um Mitteilung, welche weiteren Informationen sie zum Test benötigen würden und kündigte an, Frau Dr. K von der Schweigepflicht zu entbinden, um Zweifel über die Gültigkeit der Testergebnisse zu beseitigen. Zwar hat der Beteiligte zu 3. zunächst ohne nachvollziehbaren Grund der Antragstellerin keine Kopie des streitgegenständlichen Testnachweises überlassen, sondern lediglich das Original (erneut) nur zur Ansicht vorgelegt; Kopien wurde erst im Rahmen des Termins vor dem Arbeitsgericht Siegburg am 03.11.2022 gefertigt und der Antragstellerin sowie dem Gericht überlassen. Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass der Beteiligte zu 3. - entgegen seinen Behauptungen, nach denen er zwischenzeitlich selbst keinen Zugriff auf die Bescheinigung hatte, weil er sie versehentlich mit Unterlagen zur Betriebsratswahl zusammengeheftete hatte und sie für ihn vorübergehend nicht auffindbar gewesen waren - die Möglichkeit hatte, eine Kopie der Bescheinigung einzureichen und dieses unterlasen hat, kann aus diesem Vorgang alleine nicht auf eine fehlende Aufklärungs- bzw. Mitwirkungsbereitschaft des Beteiligten zu 3. geschlossen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass er ausdrücklich angeboten hat, Frau Dr. K "von der Verschwiegenheit freizusprechen", über die die Antragstellerin unmittelbar weitere Informationen zu den Einzelheiten der durchgeführten Tests sowie der ausgestellten Bescheinigungen hätte erlangen können.

(5) Nach alledem ist es insbesondere in Anbetracht der Vorgeschichte des Beteiligten zu 3., der im Rahmen vorangegangener Konflikte beharrlich die Auffassung vertreten hat, dass der Antragstellerin die Berechtigung zur Vornahme von 3-G-Kontrollen bei Zutritt zum Betrieb fehle, nachvollziehbar, dass sich bei der Antragstellerin Verdachtsmomente hinsichtlich einer "Umgehung" der Testpflicht bzw. der Vorlage eines nicht den Anforderungen entsprechenden Testnachweises ergeben haben. Im Ergebnis liegen aber keine hinreichend belastbaren Tatsachen vor, die den Schluss zulassen würden, dass eine größere Wahrscheinlichkeit für eine bewusste Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3. besteht, als dafür, dass dieser in gutem Glauben auf die Gültigkeit des von Frau Dr. K ausgestellten Nachweises vertraut hat.

(6) Zudem steht der Annahme eines dringenden, eine außerordentliche Kündigung begründenden Verdachts auch entgegen, dass die Antragstellerin nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Insbesondere hat sie es unterlassen, die Ausstellerin der streitgegenständlichen Bescheinigung, Frau Dr. K , zu kontaktieren und zu befragen und hierdurch weitere Einzelheiten der Umstände der Testdurchführung, der Ausstellung der Bescheinigung und der Kommunikation mit dem Beteiligten zu 3. zu erlangen.

III.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil ihre Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht und keine grundsätzliche Bedeutung erkennen lässt.

Vorschriften§ 103 BetrVG, § 28 b Abs. 1 IfSG, § 626 Abs. 2 BGB, § 6 der Coronavirus-Testverordnung, Anlage 2 der Coronateststrukturverordnung NRW, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, § 7 Coronavirus-Testverordnung, § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 626 Abs. 1 BGB, § 103 Abs. 1 BetrVG, § 15 KSchG