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Beschluss vom 30.08.2023 · IWW-Abrufnummer 238195

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 12 TaBV 18/23

1. Der Arbeitgeberin ist es nicht erlaubt durch ihre Repräsentanten die Betriebsratsarbeit dadurch zu behindern, dass sie bereits im Vorfeld die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an einer angezeigten Betriebsratssitzung durch Androhung von Abmahnungen oder Verdienstkürzungen verhindert.

2. Die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an den einzelnen Betriebsratssitzungen ist dessen betriebsverfassungsrechtliche Pflicht. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die Erforderlichkeit für eine Betriebsratssitzung nicht gegeben ist oder aber ein Verstoß gegen § 30 Satz 2 BetrVG vorliegt.

3. Ist die Betriebsratssitzung im Einzelfall offensichtlich unzulässig ist, weil z.B. entgegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Arbeitgeberin geplant werden sollen, ist die Arbeitgeberin auf den Rechtsweg verwiesen. Sie kann im Wege eines Feststellungsantrags zur Grundlage für die spätere Feststellung eines groben Verstoßes i.S.v. § 23 Abs. 3 BetrVG vorgehen oder mittels einstweiliger Verfügung zur Untersagung der Betriebsratssitzung.

4. Mit dem Begehren, die vorherige Androhung von Abmahnungen und Verdienstkürzungen bei Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an einer angezeigten Betriebsratssitzung zu unterlassen, macht der Betriebsrat keine ihm nicht zustehenden individuellen Rechte der einzelnen Betriebsratsmitglieder als Arbeitnehmer geltend.


Tenor: I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 20.01.2023 - 1 BV 27/22 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen den Zuspruch des Arbeitsgerichts mit den Anträgen zu 1 a), 1 b), 1c) und 1 e) richtet. II. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 20.01.2023 - 1 BV 27/22 - teilweise wie folgt abgeändert: Der Antrag zu 2) wird dahingehend gefasst, dass der Beteiligten zu 2) für jeden Fall des Zuwiderhandelns entgegen den Anträgen zu 1 a), 1 b), 1c ), 1 e) und 1 f) ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 5.000,00 Euro angedroht wird. III. Die weitergehende Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen. IV. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2) zugelassen, soweit sie mit dem Antrag zu 1 f) unterlegen ist. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche aus § 78 Satz 1 BetrVG.

Der Antragsteller (im Folgenden Betriebsrat) ist der bei der Beteiligten zu 2) (im Folgenden Arbeitgeberin) gebildete siebenköpfige Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Kartoffel verarbeitenden Lebensmittelindustrie am Standort in Goch mit rund 160 Beschäftigten.

Ausweislich des Protokolls zu TOP 6 der Sitzung am 12.10.2022 beschloss der Betriebsrat zu seiner Sitzung am 19.10.2022 den Gewerkschaftssekretär Q. der NGG - einer im Betrieb der Arbeitgeberin vertretenen Gewerkschaft - sowie Rechtsanwältin W., als Rechtsberatung einzuladen. Rechtsanwältin W. hatte den Betriebsrat in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wesel zum Az. 1 BV 11/22 vertreten. In diesem war es um die Art und Weise der Durchführung von Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung über rauchfreie Arbeitsplätze gegangen. An dem Termin am 19.10.2022 waren sowohl der Gewerkschaftssekretär Q. als auch Rechtsanwältin W. verhindert. Für den 21.10.2022 um 9:00 Uhr plante der Betriebsrat deshalb eine außerplanmäßige Sitzung, zu welcher er den Gewerkschaftssekretär Q. der NGG sowie Rechtsanwältin W. als Rechtsberatung einladen wollte.

Mit E-Mail vom 17.10.2022 informierte der Betriebsratsvorsitzende die Geschäftsführung über die geplante Betriebsratssitzung und erbat die Freistellung der Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit. Darüber hinaus ließ der Betriebsratsvorsitzende den Besprechungsraum mit der Bezeichnung "RTC" für den 21.10.2022 für die Zeit von 9.00 Uhr bis 13.30 Uhr reservieren, was innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit lag. Mit E-Mail vom 18.10.2022 teilte der Personalleiter dem Betriebsratsvorsitzenden folgendes mit:

Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende teilte daraufhin mit E-Mail vom 19.10.2022 mit, dass eine Zustimmung und Freistellungserklärung nicht erforderlich seien. Dies nahm der Personalleiter mit einer Antwortmail vom 19.10.2022 zur Kenntnis und teilte mit, dass es bei der Ablehnung und den damit verbundenen Konsequenzen bleibe. In seiner planmäßigen Sitzung am 19.10.2022 beschloss der Betriebsrat gemäß Ziffer 2 des Protokolls Folgendes:

Mit E-Mail vom 20.10.2022 lud der Betriebsratsvorsitzende K. Rechtsanwältin W. für die Betriebsratssitzung am 21.10.2022 um 09.00 Uhr ein. Am Morgen des 21.10.2022 wies der Geschäftsführer der Arbeitgeberin U. den Pförtner an, den Gewerkschaftssekretär Q. sowie Rechtsanwältin W. (wegen Corona) nicht auf das Betriebsgelände zu lassen. Mitarbeiter aus fremden Dienstleistungsfirmen konnten an diesem Tag auf das Werksgelände fahren. Die Beschäftigten der Arbeitgeberin mussten sich zu diesem Zeitpunkt keinen Tests unterziehen. Im Betrieb existierten zu diesem Zeitpunkt die Hygiene- und Infektionsschutzempfehlungen zum Umgang mit der Corona-Pandemie der Arbeitgeberin vom 10.10.2022, welche die Arbeitgeberin nicht mit dem Betriebsrat abgestimmt hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage 5 zur Antragsschrift Bezug genommen.

Am 21.10.2022 betrat die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende O. kurz vor 9:00 Uhr den für die Betriebsratssitzung reservierten Besprechungsraum. Sie registrierte, dass sich dort noch weitere Personen befanden, insbesondere auch der Geschäftsführer U.. Als sie die Mitte des Raumes erreicht hatte, wurde sie vom Geschäftsführer angesprochen. Er forderte sie auf, sofort ihre Arbeit wieder aufzunehmen und umgehend den Raum zu verlassen.

Das zur Betriebsratssitzung am 21.10.2022 ebenfalls eingeladene Betriebsratsmitglied F. wurde von dem Geschäftsführer U. des Betriebsgeländes verwiesen. Sie habe Nachtschicht und daher am Tag auf dem Gelände nichts verloren. Diese Mitarbeiterin erhielt am 28.10.2022 eine Abmahnung und eine entsprechende Lohnkürzung von 98,13 Euro. Die Abmahnung und Lohnklage waren Gegenstand des Verfahrens zum Az. 1 Ca 1629/22 vor dem Arbeitsgericht Wesel, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung zu Gunsten des Betriebsratsmitglieds F. endete. Diese Mitarbeiterin hat das Unternehmen der Arbeitgeberin inzwischen verlassen.

Die Betriebsratsmitglieder versammelten sich am 21.10.2022 sodann vor dem Werksgelände gemeinsam mit dem Gewerkschaftssekretär Q. und der Rechtsanwältin W.. Sie berieten sich über die weitere Vorgehensweise. Da Herrn Q. und Frau W. der Zutritt zum Gelände weiterhin verwehrt wurde, betraten nur die Betriebsratsmitglieder wieder das Werksgelände. Am Eingang hielt sich nach wie vor U. auf, der dem Betriebsrat erneut verbot, die Sitzung durchzuführen und den gebuchten Sitzungsraum zu nutzen. Die Betriebsratsmitglieder wollten sich sodann im Büro des Betriebsratsvorsitzenden Schmetten zusammenfinden, um dort ihre Beratung fortzusetzen. Auch dies verbot Herr U. mit Hinweis auf die "Corona-Schutzverordnung".

Am Mittwoch der Folgewoche nahmen Rechtsanwältin W. und Rechtssekretär Q. nach erfolgtem Corona Test an der turnusmäßigen Betriebsratssitzung teil.

Mit E-Mail vom 24.11.2022 teilte die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende O. der Arbeitgeberin mit, dass am 01.12.2022 eine zusätzliche ordentliche Betriebsratssitzung stattfinde und bat um Freistellung der Kollegen. Der Personalleiter Z. der Arbeitgeberin antwortete wie folgt:

Für den 04.01.2023 zeigte das Betriebsratsmitglied A. für den Zeitraum von 06.00 Uhr bis 09.00 Uhr eine Freistellung zur Vorbereitung der ab 09.00 Uhr beginnenden Betriebsratssitzung an. Die Arbeitgeberin wertete dies als unentschuldigtes Fehlen, kürzte den Lohn und mahnte das Betriebsratsmitglied A. mit Schreiben vom 09.01.2023 ab. Im Nachgang dazu zeigte Herr A. für die Nachbereitung der Sitzung vom 04.01.2023 Betriebsratstätigkeit für den 05.01.2023 von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr an. Auch für diesen Zeitraum kürzte die Arbeitgeberin den Lohn und mahnte das Betriebsratsmitglied mit einem weiteren Schreiben vom 09.01.2023 ab.

In der Abrechnung des Monats Februar 2023 kürzte die Arbeitgeberin das Gehalt um 29,60 Euro.

Der Betriebsrat hat behauptet, es sei für ihn erforderlich gewesen, sich mit der Rechtsanwältin W. und dem Gewerkschaftssekretär Q. zu besprechen. Es seien in der jüngsten Vergangenheit mehrere Sachverhalte aufgetreten, wie Verletzung von Mitbestimmungsrechten, Versagung von Hinzuziehung von Sachverstand, Verstöße gegen Betriebsvereinbarungen usw., die einer rechtlichen Bewertung und Abstimmung zur Vorgehensweise bedurft und nicht innerhalb der turnusmäßigen Sitzungen hätten besprochen werden können. Insbesondere sei es um den von ihm im Verfahren Arbeitsgericht Wesel Az. 1 BV 11/22 erstrittenen Anspruch gegangen, Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung über rauchfreie Arbeitsplätze in einer bestimmten Weise durchzuführen sowie einen nachfolgenden Aushang des Geschäftsführers U. dazu. Der Betriebsrat hat gemeint, es liege nicht bei der Arbeitgeberin zu entscheiden, ob eine Betriebsratssitzung erforderlich sei, weshalb Herr K. keine Angaben zur Tagesordnung am 21.10.2022 gemacht habe. An der unzutreffenden Ansicht, über die Erforderlichkeit der Betriebsratssitzung entscheiden zu dürfen, halte der Geschäftsführer U. auch im Verfahren fest, wenn er ausführe, der Zutritt zum Tagungsraum sei nicht gewährt worden, da keine Freistellung der Betriebsratsmitglieder im Vorfeld gewährt wurde. Dies belege die Wiederholungsgefahr.

Der Betriebsrat hat behauptet, dass der Geschäftsführer U. am 21.10.2022 gegenüber dem Betriebsratsmitglied F., nachdem diese nicht reagierte habe, seine Ansprache lauter wiederholt habe. Sie solle sofort den Raum verlassen, unverzüglich ihren Arbeitsplatz aufsuchen und arbeiten. Der Geschäftsführer U. habe seine Lautstärke so gesteigert, dass der Mitarbeiter E. den Raum verlassen habe, um sein Telefonat fortzuführen. Während er diese Worte geäußert habe, sei er aufgestanden und habe auf die Tür hinter Frau O. gezeigt. Da Frau O. immer noch nicht reagiert habe, sei Herr U. auf sie zugekommen und habe sie und ihre zwischenzeitlich ebenfalls anwesenden Betriebsratskollegen S. und A. in einem aggressiven Tonfall aufgefordert, den Raum zu verlassen. Er würde nicht darüber diskutieren. Dabei habe er seine Worte unterstrichen, indem er mit den Armen scheuchende Bewegungen gemacht habe und direkt auf Frau H. zugekommen sei. Mit einem Abstand von ca. 50-80 cm sei er vor ihr stehen geblieben, habe seine scheuchende Armbewegung wiederholt und gesagt, sie solle den Raum verlassen. Er habe ihr und den weiteren anwesenden Betriebsratskollegen in nach wie vor lauter und aggressiver Tonart mitgeteilt, er würde die Betriebsratssitzung wie angekündigt verbieten, jeder habe an seinen Arbeitsplatz zu gehen, ansonsten würde es die angekündigten arbeitsrechtlichen Konsequenzen geben. Er habe dem Pförtner Anweisung gegeben, weder Rechtsanwältin W. noch den Gewerkschaftssekretär Q. auf das Gelände zu lassen. Dazu sei er berechtigt.

Der Betriebsrat hat behauptet, U. habe gegenüber dem Betriebsratsmitglied F. bereits am Morgen des 21.10.2022 bei dem Versuch, das Betriebsgelände zu betreten, Konsequenzen angedroht. Er hat gemeint, er sei nicht berechtigt gewesen, dieser den Zutritt zum Betriebsgelände zu verwehren.

Bei den Fremdfirmen, welche am 21.10.2022 das Werksgelände befahren hatte, sei nicht geprüft worden, ob diese für die Aufrechterhaltung der Produktion zwingend erforderlich gewesen seien.

Der Betriebsrat hat beantragt,

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

Sie hat behauptet, es sei nicht ersichtlich gewesen, inwieweit nach einem Mittwoch und vor einem Mittwoch und damit innerhalb einer Kalenderwoche eine dritte Betriebsratssitzung habe stattfinden müssen. Es fehle an der Erforderlichkeit der Durchführung einer solchen Betriebsratssitzung. Auf der Grundlage des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit habe sie sich in Person ihres Personalleiters Z. bei dem Betriebsrat in Person seines Vorsitzenden K. nach dem Grund der Durchführung einer dritten Betriebsratssitzung innerhalb einer Woche erkundigt, ohne hierauf eine Antwort zu erhalten.

Die Arbeitgeberin hat behauptet, dass das Betriebsratsmitglied F. lediglich freundlich aber bestimmt aufgefordert worden sei, das Werksgelände zu verlassen, im Hinblick darauf, dass die Betriebsratssitzung nicht stattgefunden habe und sie ihre Arbeit erst in der Nachtschicht zu verrichten hatte.

Im Übrigen habe sie im Hinblick auf die damalige Corona-Inzidenz entschieden, den Werkszutritt von Fremden auf zwingend notwendige Dritte zur Aufrechterhaltung der Produktion, wie z.B. Lieferanten und Handwerker, zu beschränken. Im Rahmen dieser Entscheidung sei auch ein Kundenaudit für den 20.10.2022 durch sie abgesagt worden.

Die Ausführungen zum Verhalten des Geschäftsführers U. gegenüber Frau O. am 21.10.2022 seien unsubstantiiert und einem Beweis nicht zugänglich. Nicht jedes, sei es auch subjektiv, so empfundene Verhalten, sei sanktionswürdig.

Da der Betriebsrat selbst von einem erstmaligen Vorfall berichte und die beteiligten Personen in Person von Rechtsanwältin W. und des Gewerkschaftsvertreters Q. in der Folgewoche am Mittwoch in der regulären Betriebsratssitzung nach erfolgtem Corona Test teilnahmen, sei das beantragte Ordnungsgeld unangemessen hoch.

Das Arbeitsgericht Wesel hat den Anträgen zu 1 a) bis f) mit Beschluss vom 20.01.2023 entsprochen. Es hat zu 2) der Arbeitgeberin für jeden Fall des Zuwiderhandelns entgegen den Anträgen zu 1) ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro angedroht. Gegen den ihr am 10.02.2023 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin am 16.02.2023 Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 10.05.2023 - am 09.05.2023 begründet.

Die Arbeitgeberin rügt, dass das Arbeitsgericht den Hauptanträgen entsprochen habe, ohne hinsichtlich der einzelnen Tatbestände zu differenzieren oder hinsichtlich der unstreitigen und streitigen Sachverhalte zu unterschieden. Es fehle auch eine Begründung für die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes. Sie werde zudem in ihrem Recht aus Art. 14 GG verletzt.

Die Arbeitgeberin bleibt dabei, dass nicht ersichtlich sei, warum innerhalb eines kurzen Zeitraums von acht Kalendertagen eine dritte Betriebsratssitzung habe stattfinden müssen. Die Arbeit eines Betriebsrates werde nicht dadurch behindert, dass Verdienstkürzungen vorgenommen werden für den Fall, dass Betriebsräte an einer angezeigten Betriebsratssitzung teilgenommen haben. Es sei zwischen dem Anspruch auf Arbeitsbefreiung wegen Betriebsratsarbeit und der Fortzahlung der Vergütung für diese Tätigkeit zu unterscheiden. Betreffend die Arbeitsbefreiung müsse das Betriebsratsmitglied sich nur abmelden. Sie müsse der Betriebsratstätigkeit nicht zustimmen und das Betriebsratsmitglied müsse dazu auch nichts sagen. Anders sei es bei der Frage der Lohnfortzahlung. Hier gelte eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Die Untersagung der Wahrnehmung legitimer Rechte unter gleichzeitiger Androhung eines Ordnungsgeldes sei rechtsfehlerhaft.

Die Arbeitgeberin beantragt,

Der Betriebsrat beantragt,

Zu den Hilfsanträgen hat der Betriebsrat klargestellt, dass die Hilfsanträge jeweils den mit dem gleichen Buchstaben versehen Hauptantrag zugeordnet sind und entsprechend für ein Unterliegen zu dem jeweiligen Hauptantrag auf Unterlassung zur Entscheidung anfallen sollen.

Er meint, dass die zu 1 a) bis f) titulierten Unterlassungsverpflichtungen nicht das Verbot einer Betriebsratssitzung, sondern eine Sanktionierung der Ver- bzw. Behinderung der Betriebsratssitzung in Form verschiedener im Einzelnen aufgeführter und konkretisierter Sachverhalte umfassten. Außerdem habe der Geschäftsführer U. die Betriebsratssitzung am 21.10.2022 tatsächlich verboten.

Der Betriebsrat meint, dass die Arbeitgeberin sich nicht in der für eine Beschwerdebegründung erforderlichen Weise mit der Begründung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Wesel auseinandersetzte, wonach die Anberaumung einer Betriebsratssitzung grundsätzlich und ausschließlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden obliege und es der Arbeitgeberin nicht erlaubt sei, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Die Arbeitgeberin reklamiere in diesem Zusammenhang den überstrapazierten Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, der aber gerade nicht beinhalte, dass er der Arbeitgeberin die Tagesordnung der Betriebsratssitzung mitteilen müsse. Letztlich gehe es darum, dass die Arbeitgeberin meine, dass Frau O. zu viel Betriebsratsarbeit mache. Dies habe der Personalleiter Z. dieser am 19.01.2023 und 26.01.2023 mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass sie künftig mit Verdienstkürzungen rechnen müsse.

Die Lohnkürzung im Februar 2023 bei dem Betriebsratsmitglied O. sei wegen 1,15 Stunden an Betriebsratsarbeit erfolgt. Der Personalleiter Z. habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass er nur Betriebsratsarbeit an zwei Tagen der Woche bezahle sowie ggfs. die hinzutretende Teilnahme an Ausschusssitzungen. Im Übrigen würde das Gehalt für weiteren Zeitaufwand gekürzt.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass sich die Frage der Erforderlichkeit der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen für das einzelne Betriebsratsmitglied nicht stelle. Dessen Teilnahme gehöre zu seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Dies gelte selbst dann, wenn die einzelne Sitzung nicht erforderlich gewesen sei. Jegliche Androhung von Abmahnungen und Verdienstkürzungen in diesen Fällen sei rechtswidrig und eine Behinderung der Betriebsratstätigkeit.

Mit dem Schutz vor dem Coronavirus könne die Arbeitgeberin ihre Handlungsweise nicht rechtfertigen. Die Androhung eines Ordnungsgeldes von 10.000,00 Euro bewege sich noch innerhalb des Rahmens von § 23 Abs. 3 BetrVG. Die Höhe sei wegen der massiven Verstöße der Arbeitgeberin angemessen.

Im Termin am 30.08.2023 haben die Beteiligten die Anträge zu 1 d) und zu 3 d) übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit ist das Verfahren durch Beschluss des Vorsitzenden eingestellt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften in beiden Instanzen Bezug genommen.

B. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist betreffend die Anträge zu 1 a), 1 b), 1c) und 1 e) unzulässig. Im Übrigen, d.h. betreffend den Antrag zu 1 f) ist die Beschwerde unbegründet. Begründet ist die Beschwerde zum Teil, soweit sie sich gegen die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes richtet.

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist betreffend die Anträge zu 1 a), 1 b), 1c) und 1 e) unzulässig, weil es insoweit an einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung fehlt.

1. Nach § 87 Abs. 2 Satz 1, § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO verlangt eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Begründung muss sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Beschlusses befassen. Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Auch darf sich der Beschwerdeführer nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (BAG 23.02.2021 - 1 ABR 33719, juris Rn. 11 m.w.N.).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Arbeitgeberin betreffend die Anträge 1 a), 1 b), 1c) und 1 e) nicht gerecht.

a) Das Arbeitsgericht hat sämtlichen Unterlassungsansprüchen stattgegeben und dies mit einem Anspruch aus § 78 Satz 1 BetrVG auf Unterlassung einer massiven Behinderung der Betriebsratsarbeit durch die Arbeitgeberin begründet. Das Arbeitsgericht hat zunächst den Inhalt dieser Anspruchsgrundlage in Abgrenzung zu § 23 Abs. 3 BetrVG bestimmt. Es ist weiter davon ausgegangen, dass der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG umfassend zu verstehen und ein Verschulden oder eine Störungsabsicht nicht erforderlich seien. Es hat dann im Einzelnen begründet, dass Anberaumung einer Betriebsratssitzung grundsätzlich und ausschließlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden obliege. Auf die Erforderlichkeit im Einzelnen komme es nicht an, denn der Arbeitgeberin sei es nicht erlaubt, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Vielmehr sei die Arbeitgeberin im Grundsatz auf einen Antrag auf Feststellung eines groben Verstoßes i.S.v. § 23 Abs. 3 BetrVG angewiesen.

Das Verbot und die Vereitelung einer anberaumten Betriebsratssitzung seien rechtswidrig und eine massive Behinderung der Betriebsratstätigkeit. Sämtliche in den Anträgen 1 a) bis 1 f) aufgeführten Handlungen stünden im engen Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Verbot und der tatsächlichen Vereitelung der Betriebsratssitzung durch den Geschäftsführer U. der Arbeitgeberin. Soweit die Arbeitgeberin sich hinsichtlich der Verweigerung des Zutritts zum Betriebsgelände auf die Einhaltung von Corona-Regeln beruft, handele es sich offensichtlich um vorgeschobene und unzutreffende Gründe. Dies zeige sich schon daran, dass die Arbeitgeberin die Betriebsratssitzung am 21.10.2022 bereits im Vorfeld verboten und die Freistellung versagt hatte.

b) Mit dieser Begründung des Arbeitsgerichts setzt die Beschwerdebegründung sich nicht in einer den Anforderungen aus § 87 Abs. 2 Satz 1, § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Art und Weise betreffend die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Anträge zu 1 a), 1 b), 1c) und 1 e) auseinander. Die Beschwerdebegründung wiederholt auf ihren Seiten zwei und drei zunächst im Wesentlichen lediglich die Sachverhaltsdarstellung und weitere Ausführungen, wie sie bereits auf den Seiten 2 und 3 des Schriftsatzes erster Instanz vom 03.01.2023 enthalten sind. Die bloße Wiederholung dieses erstinstanzlichen Vorbringens genügt nicht für eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung mit der Argumentation des Arbeitsgerichts. Die dann auf Seite 3 in den letzten vier Absätzen angeführten Argumente der Beschwerdebegründung gestehen zu, dass es dem Betriebsratsmitglied für die Frage der Arbeitsbefreiung obliegt sich eigenständig abzumelden und die Arbeitgeberseite der Befreiung nicht zustimmen muss. Dies bringt die Argumentation des Arbeitsgerichts nicht zu Fall. Anders ist es betreffend die dann folgende Darstellung zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast bei der Lohnfortzahlung mit der abschließenden Schlussfolgerung, dass die Ausübung legitimer Rechte nicht untersagt werden dürfe. Dies betrifft indes alleine den Antrag zu 1 f), der gerade die Androhung von Verdienstkürzungen betrifft. Die genannte Argumentation der Arbeitgeberin in der Beschwerdebegründung bringt diejenige des Arbeitsgerichts zu diesem Antrag zu Fall und genügt für eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung. Dies betrifft indes nur den Antrag zu 1 f), denn die anderen vom Arbeitsgericht zugesprochenen Anträge betreffen nicht die Frage der Verdienstkürzung. Im Übrigen, ausgenommen den zugesprochenen und inzwischen für erledigt erklärten Antrag zu 1 d), fehlt es an einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung. Eine Auseinandersetzung mit der dezidierten und ausführlichen Argumentation zu § 78 Abs. 1 BetrVG findet sich in der Beschwerdebegründung nicht. Es wird auch nicht auf die Argumentation des Arbeitsgerichts eingegangen, dass die Betriebsratssitzung grundsätzlich durch den Betriebsratsvorsitzenden in dessen Ermessen einzuberufen ist, dass die Arbeitgeberin nicht das Recht in die eigene Hand nehmen darf und auf einen Feststellungsantrag verwiesen wird. Auf die fehlende Auseinandersetzung der Beschwerdebegründung mit dieser Argumentation des Arbeitsgerichts hat auch der Betriebsrat bereits in der Beschwerdeerwiderung hingewiesen. Der pauschale Hinweis zu Beginn der Beschwerdebegründung, dass das Arbeitsgericht nicht hinsichtlich der einzelnen Tatbestände differenziert habe, bleibt angesichts des vom Arbeitsgerichts ausdrücklich angenommenen engen Zusammenhangs aller Handlungen mit dem rechtswidrigen Verbot und der tatsächlichen Vereitelung der Betriebsratssitzung pauschal und für eine ausreichende Beschwerdebegründung ungenügend. Teilweise anders ist dies betreffend den pauschalen Hinweis auf eine fehlende Differenzierung von Streitigem und Unstreitigem. Dies betrifft allenfalls die Frage des Zuspruchs des Antrags zu 1 d), denn dabei ist das Arbeitsgericht im Tatbestand in Bezug auf die Zurückweisung von Frau O. am 21.10.2022 von einem streitigen Sachverhalt ausgegangen. Dies mag ggfs. auch die Androhung einer Verdienstkürzung gegenüber Frau F. und damit den Antrag zu 1 f) gelten, zu dem allerdings aus den oben angeführten Gründen bereits eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung gegeben ist. Für die übrigen Anträge, d.h. die Anträge zu 1 a), 1 b) 1 c) und 1 e) gilt dies nicht. Insoweit ist auch der pauschale Hinweis auf Art. 14 GG keine genügende Auseinandersetzung mit der konkreten oben angeführten Begründung des Arbeitsgerichts. Zulässig ist die Beschwerde allerdings betreffend den Antrag zu 2), weil die Arbeitgeberin zu Recht rügt, dass dazu jegliche Ausführungen zur Höhe des Ordnungsgeldes in dem angefochtenen Beschluss fehlen. Im Termin 30.08.2023 hat die Kammer die Arbeitgeberin auf die Bedenken an der ordnungsgemäßen Begründung der Beschwerde betreffend die Anträge zu 1 a), 1 b), 1c) und 1 e) und eine daraus folgende Unzulässigkeit der Beschwerde betreffend diese Anträge hingewiesen.

II. Betreffend den Antrag zu 1 f) ist die zulässige Beschwerde unbegründet, weil der zulässige Antrag begründet ist.

1. Der Antrag zu 1 f) ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt auch für das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge. Der jeweilige Streitgegenstand muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist. Der in Anspruch genommene Beteiligte muss bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung eindeutig erkennen können, was von ihm verlangt wird. Das Gericht ist gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf dadurch grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist und nicht, wie diese aussieht. Ein Unterlassungsantrag muss deshalb - bereits aus rechtsstaatlichen Gründen - eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Soll der Schuldner zur zukünftigen Unterlassung einzelner Handlungen verpflichtet werden, müssen diese so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, welches Verhalten im Einzelnen betroffen ist. Für den Schuldner muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen oder Äußerungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (BAG 22.01.2020 - 7 ABR 18718, juris Rn. 14).

b) Diesen Anforderungen wird der Antrag zu 1 f) gerecht. Er bestimmt klar, welche Handlungen die Arbeitgeberin in welcher Situation unterlassen soll. Konkret beschriebene Situation ist die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an einer gegenüber der Arbeitgeberin angezeigten Betriebsratssitzung. Erfasst ist damit jede Betriebsratssitzung unabhängig von Ort und Zeit und unabhängig von der Frage ihrer Erforderlichkeit. Erfasst ist zugleich aber auch nur die Teilnahme an der konkreten Sitzung, d.h. von deren Beginn bis zum Ende. Sonstige Betriebsratstätigkeit ist von dem Antrag nicht erfasst, sei es sonstige Betriebsratstätigkeit oder aber die Tätigkeit zur Vorbereitung der jeweiligen Sitzung. Der Antrag ist hier erkennbar eng gefasst und bezieht sich zeitlich begrenzt nur auf die Teilnahme an der konkreten Betriebsratssitzung selbst, die zudem der Arbeitgeberin angezeigt sein muss. Nur für diesen Fall soll die Arbeitgeberin den Betriebsratsmitgliedern nicht Abmahnungen oder Verdienstkürzungen androhen, d.h. die Betriebsratsmitglieder damit bereits zeitlich vor der Betriebsratssitzung bedrohen. Richtig ist, dass damit jede Art von Abmahnung und Verdienstkürzung gemeint ist. Dies ist indes keine Frage der Bestimmtheit des Antrags. Das Bestimmtheitserfordernis steht einem Globalantrag nicht entgegen. Ob die in dem Antrag beschriebenen Ansprüche dem Antragsteller in allen Fällen zustehen, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BAG 20.10.1999 - 7 ABR 37/98, juris Rn. 19).

2. Mit dem so verstandenen Inhalt ist der Unterlassungsantrag zu 1 f) begründet. Dem Betriebsrat steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 78 Satz 1 BetrVG zu.

a) Der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er erfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich. Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist zwar in § 78 Satz 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern (BAG 12.11.1997 - 7 ABR 14/97, juris Rn. 14 ff; BAG 20.10.1999 - 7 ABR 37/98, juris Rn. 29).

b) Zutreffend ist weiter, dass einem Globalantrag, mit welchem ein Handlungs-, Unterlassungs- oder Duldungsanspruch für eine Vielzahl künftiger Fallkonstellationen verfolgt wird, nur entsprochen werden kann, wenn der Anspruch in allen denkbaren Fallgestaltungen einschränkungslos besteht. Andernfalls ist der Globalantrag insgesamt als unbegründet abzuweisen (BAG 20.10.1999 - 7 ABR 37/98, juris rn. 21).

c) In Anwendung dieser Grundsätze besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, denn der Arbeitgeberin ist es nicht erlaubt durch ihre Repräsentanten die Betriebsratsarbeit dadurch zu behindern, dass er bereits im Vorfeld die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an einer angezeigten Betriebsratssitzung durch Androhung von Abmahnungen oder Verdienstkürzungen verhindert.

aa) Richtig ist, dass sich dies auf sämtliche Betriebsratssitzungen bezieht, d.h. auch solche, die nicht erforderlich sind oder unter Verstoß gegen § 30 Satz 2 BetrVG anberaumt werden. Dies ändert nichts daran, dass die Arbeitgeberin in keinem Fall die Betriebsratsarbeit durch vorherige Androhungen von Abmahnungen oder Verdienstkürzungen mit dem Ziel, die Betriebsratsmitglieder von der Teilnahme der angezeigten Betriebsratssitzung abzuhalten, behindern darf. Die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an den einzelnen Betriebsratssitzungen ist dessen betriebsverfassungsrechtliche Pflicht (BAG 21.03.2017 - 7 ABR 17/15, juris Rn. 22 und bereits BAG 03.06.1969 - 1 ABR 1/69, juris Rn 17; LAG Hamm 08.06.1978 - 3 Sa 568/78, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 58). Hinzu kommt, dass grundsätzlich der Betriebsrat alleine zu bestimmen, wann und wie oft er tagt (bereits BAG 03.06.1969 - 1 ABR 1/69, juris Rn 16). Auch wenn im Einzelfall die Erforderlichkeit für eine Betriebsratssitzung nicht gegeben ist oder aber ein Verstoß gegen § 30 Satz 2 BetrVG vorliegt, ändert dies an der Teilnahmeverpflichtung für das einzelne Betriebsratsmitglied, den Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreterin eingeschlossen, nichts. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat auf die Anberaumung der Betriebsratssitzung als solcher keinen Einfluss. Vielmehr sind die anberaumte Sitzung und die ihm mitgeteilte Tagesordnung ein Faktum (zutreffend LAG Hamm 08.06.1978 - 3 Sa 568/78, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 58; ebenso Fitting et al. 31. Aufl. 2022, § 37 Rn. 36; Richardi/Thüsing, BetrVG 17. Aufl. 2022, § 37 Rn. 23; GK-BetrVG/Weber, 12. Aufl. 2022, § 37 Rn. 52). Und auch das einladende Betriebsratsmitglied, wie z.B. der Betriebsratsvorsitzende, ist wie jedes andere Betriebsratsmitglied berechtigt und verpflichtet an der einmal einberufenen Sitzung teilzunehmen (LAG Hamm 08.06.1978 - 3 Sa 568/78, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 58). Es mag auch sein, dass einer Teilnahme des einzelnen Mitglieds an einer Betriebsratssitzung im Einzelfall seine "völlige Unabkömmlichkeit" (so LAG Hamm 08.06.1978 - 3 Sa 568/78, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 58) entgegensteht, oder aber die Einladung zur Betriebsratssitzung im Einzelfall offensichtlich unzulässig ist, weil z.B. entgegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Arbeitgeberin geplant werden sollen (vgl. dieses Beispiel bei GK-BetrVG/Weber, 12. Aufl. 2022, § 37 Rn. 52). Dies ändert aber nichts daran, dass die Arbeitgeberin durch die vorherige Androhung von Abmahnungen oder aber Verdienstkürzungen einseitig bereits im Vorfeld die Teilnahme an der Betriebsratssitzung verhindern kann. Sie ist dazu vielmehr auf den Rechtsweg z.B. in Form eines Feststellungsantrags verwiesen, der dann seinerseits Grundlage einer späteren Feststellung eines "groben Verstoßes" im Sinne von § 23 Abs. 3 sein könnte. Auch wird es der Arbeitgeberin möglich sein, in Einzelfällen, und zwar durchaus auch im Wege einer einstweiligen Verfügung, eine Verschiebung oder auch Aufhebung einer konkreten Sitzung begehren zu können (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 18.03.2010 - 2 TaBV 2694/09, juris Rn. 28). Darf eine Betriebsratssitzung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nicht stattfinden, fehlt es an dem Anknüpfungspunkt der beantragten und zugesprochenen Unterlassungsverpflichtung, nämlich einer Betriebsratssitzung. Diesem Verständnis entspricht, dass das einzelne Betriebsratsmitglied der Arbeitgeberin lediglich Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen hat und Angaben auch zur Art der Betriebsratstätigkeit nicht verlangt werden können. Anders ist dies erst für die Prüfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 611a BGB (BAG 15.03.1995 - 7 AZR 643/94, juris). Diese Differenzierung wird zutreffend damit begründet, dass diese vergangenheitsbezogene Beurteilung der Erforderlichkeit von Betriebsratsarbeit einen Einfluss des Arbeitgebers auf die laufende Betriebsratstätigkeit ausschließt (BAG 15.03.1995 - 7 AZR 643/94, juris Rn. 27). Dies überträgt die Kammer auf den vorliegenden Sachverhalt und geht deshalb davon aus, dass die Arbeitgeberin in keinem Fall bereits vor der Betriebsratssitzung den einzelnen Mitgliedern Abmahnungen oder Verdienstkürzungen androhen darf, um sie von der Teilnahme abzuhalten. Dies beinhaltet noch mehr die Gefahr, dass die Arbeitgeberin so die Betriebsratstätigkeit behindert und darauf Einfluss nimmt. Die Arbeitgeberin ist im Missbrauchsfall nicht rechtsschutzlos gestellt, sondern im Einzelfall wie ausgeführt auf den Rechtsweg verwiesen.

bb) Mit dem Begehren, die vorherige Androhung von Abmahnungen und Verdienstkürzungen zu unterlassen, macht der Betriebsrat keine ihm nicht zustehenden individuellen Rechte der einzelnen Betriebsratsmitglieder als Arbeitnehmer geltend. Richtig ist, dass dem Betriebsrat nicht das Recht zusteht, den Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung seiner Mitglieder geltend zu machen. Der Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung betrifft ausschließlich die individualrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien (BAG 21.03.2017 - 7 ABR 17/15, juris Rn. 22). Anderseits ist der Betriebsrat grundsätzlich berechtigt durchzusetzen, dass seine Mitglieder zur Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG von der Arbeitspflicht befreit werden. Damit macht der Betriebsrat ein eigenes Recht geltend, da die ihm als Gremium obliegenden Aufgaben von seinen Mitgliedern oder unter deren Mitwirkung wahrgenommen werden und er selbst deshalb auf deren Arbeitsbefreiung angewiesen ist (BAG 29.06.2011 - 7 ABR 135/09, juris Rn. 13; BAG 21.03.2017 - 7 ABR 17/15, juris Rn. 22). Dieser Fall kennzeichnet sich dadurch, dass die Arbeitgeberin durch vorherige Androhung individualvertraglicher Mittel versucht, die Teilnahme an der Betriebsratssitzung zu verhindern. Richtig ist, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder sich gegen eine ausgesprochene Abmahnung oder eine Verdienstkürzung selbst individualrechtlich wehren müssten. Dies ändert aber nichts daran, dass die vor der Betriebsratssitzung "nur" angedrohte Sanktion das eigene Recht des Betriebsrats an der Durchführung der Sitzung beeinträchtigt. Die angekündigte Sanktionierung zielt darauf ab, die Teilnahme an der Sitzung zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Damit wird der eigene betriebsverfassungsrechtliche Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung der Betriebsratssitzung selbst beeinträchtigt. Ohne ihre Mitglieder kann diese schlicht nicht stattfinden. Dies betrifft dann zur Überzeugung der Kammer nicht die individualrechtliche, sondern die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsbeziehung. Die Unterlassung einer solchen Behinderung der Betriebsratsarbeit kann der Betriebsrat aus eigenem Recht verlangen.

cc) Die für den Unterlassungsantrag erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Diese folgt aus dem auf die Betriebsratssitzung am 21.10.2022 bezogenen Verhalten der Arbeitgeberin. Klar und deutlich hat die Arbeitgeberin durch ihren Personalleiter Z. mit der E-Mail vom 18.10.2022 die Durchführung der Betriebsratssitzung am 21.10.2022 behindert, indem er mitgeteilt hat, dass keine Freistellung erfolgt und zugleich ausdrücklich für den Fall der Nichtarbeit aufgrund der Teilnahme an der Sitzung eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens und eine entsprechende Verdienstkürzung angekündigt hat. Dabei ist er auch nach dem Hinweis des Betriebsrats geblieben, dass es keiner Freistellung bedürfte. Es sollte ausweislich der E-Mail vom 19.10.2022 bei der Ablehnung und den angedrohten Konsequenzen bleiben. Auf die von der Arbeitgeberin aufgeworfenen Frage der Erforderlichkeit und einer etwaigen Gefährdung des Betriebs in Folge von Corona kam es nach dem oben Gesagten schon nicht an. Unabhängig davon ist es zutreffend, dass die Verweigerung einer Betriebsratssitzung am 21.10.202 unter Hinweis auf das Coronavirus offensichtlich vorgeschoben ist. Diese war bereits vorher ohne jeden Bezug dazu abgelehnt worden. Außerdem ist kein Grund ersichtlich, Betriebsfremde zur Durchführung von notwendigen Arbeiten auf das Betriebsgelände zu lassen, Betriebsratsarbeit aber zu unterbinden. Diese ist in gleichem Maße notwendig. Der erstmalige Verstoß begründet die notwendige Wederholungsgefahr. Aus dem Gesamtverhalten der Arbeitgeberin wird in keiner Weise ersichtlich, dass diese ausnahmsweise nicht mehr gegeben ist. Zunächst ist es nicht bei der Androhung von Sanktionen geblieben. Die Arbeitgeberin hat vielmehr auch rein tatsächlich die Betriebsratssitzung am 21.10.2022 verhindert, indem sie die Betriebsratsmitglieder nicht in den gebuchten Raum gelassen hat bzw. diese von dort verwiesen hat. Dies ist unstreitig. Alleine streitig ist und bleibt, wie genau dies geschah. Letztlich hat die Arbeitgeberin auch im laufenden Verfahren ihren Standpunkt, dass die Sitzung am 21.10.2022 nicht erforderlich war, nicht aufgegeben. Sie meint weiterhin selbst entscheiden zu können, in welchem Umfang Betriebsratsarbeit stattfindet. Auf die nachfolgend erfolgten weiteren Verdienstkürzungen kam es schon nicht mehr an. Die Wiederholungsgefahr ist nicht entfallen.

III. Begründet ist die zulässige Beschwerde teilweise, soweit sie sich gegen die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes richtet.

1. Spricht das Gericht in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren eine Unterlassungsverpflichtung aus, so kann auf entsprechenden Antrag gleichzeitig die Verhängung eines Ordnungsgeldes für den Fall jeder Zuwiderhandlung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO angedroht werden (BAG 06.12.1988 - 1 ABR 43/87, juris Rn. 38; BAG 20.03.2018 - 1 ABR 70/16, juris Rn. 56). Zwar hat der Betriebsrat in erster Instanz bereits die Verhängung eines Ordnungsgeldes beantragt. Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht zutreffend als einen solchen auf Androhung verstanden und ihn entsprechend ausgeurteilt. Dieses zutreffende Verständnis hat sich der Betriebsrat unabhängig davon jedenfalls mit dem Antrag, die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen, zu eigen gemacht.

2. Das Gericht hat die Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu (und ausdrücklich nicht von) 5.000,00 Euro für jeden Fall des Zuwiderhandelns entgegen den Anträgen zu 1 a), 1 b), 1 c), 1 e) und 1 f) für angemessen und ausreichend erachtet. Die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes hält sich zunächst innerhalb der auch im Fall des allgemeinen Unterlassungsanspruchs zu beachtenden Höchstgrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG (vgl. dazu z.B. BAG 20.03.2018 - 1 ABR 70/16, juris Rn. 56). Die Kammer hat bei der Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes beachtet, dass die Arbeitgeberin willentlich eine betriebsverfassungsrechtliche Kernaufgabe, nämlich das Abhalten einer Betriebsratssitzung, verhindert hat. Im Hinblick auf die auch mögliche mehrfache Androhung bei wiederholten Verstößen bezogenen jeweils auf die einzelnen Unterlassungsverpflichtungen erachtet die Kammer indes eine Höchstgrenze von 5.000,00 Euro im Einzelfall für angemessen und ausreichend. Die Festsetzung der konkreten Höhe des Ordnungsgeldes im Einzelfall bleibt einem etwaigen Zwangsvollstreckungsverfahren vorbehalten.

C. Soweit die Beteiligten im Termin am 30.08.2023 die Anträge zu 1 d) und zu 3 d) übereinstimmend für erledigt erklärt haben und das Verfahren insoweit durch Beschluss des Vorsitzenden eingestellt worden, ist der Beschlusstenor des Arbeitsgerichts zu 1 d) in dem Beschluss vom 20.01.2023 gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf. Die verbliebenen Hilfsanträge sind der Kammer aufgrund des Obsiegens des Betriebsrats mit den entsprechenden Hauptanträgen nicht zur Entscheidung angefallen.

D. Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, soweit die Arbeitgeberin mit dem Antrag zu 1 f) unterlegen ist. Im Übrigen bestand kein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Dr. Gotthardt Jaeger Paxa

Vorschriften§ 78 Satz 1 BetrVG, Art. 14 GG, § 23 Abs. 3 BetrVG, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 78 Abs. 1 BetrVG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 30 Satz 2 BetrVG, § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 37 Abs. 2 BetrVG, § 611a BGB, § 890 Abs. 2 ZPO, § 890 Abs. 1 ZPO, § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG