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Urteil vom 06.09.2023 · IWW-Abrufnummer 238196

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 12 Sa 24/23

Einzelfallentscheidung zu der Frage des Ob und des Inhalts eines einzelvertraglich vereinbarten Anspruchs auf Kaufkraftausgleich.


Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.12.2022 - 10 Ca 3528/22 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Kaufkraftanpassung des Grundgehaltes des Klägers.

Der am 21.08.1968 geborene Kläger war in dem Bankenverbund, zu welchem auch die L. AG (im Folgenden L.) gehörte, seit 01.08.1985 beschäftigt. Seit dem 01.04.2009 war er bei der L. auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 20.03.2009 (im Folgenden AV 2009) als Associate Director beschäftigt. In dem AV 2009 hieß es u.a.:

"§ 1 Einstellung und Aufgaben ... 4. Anrechnung der Betriebszugehörigkeit Zeiten der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers vor dem 1. April 2009 werden bezüglich der Altersversorgung und des Kündigungsschutzes auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet. Als Eintrittsdatum gilt der 1. August 1985. ... § 3 Vergütung 1. Brutto-Jahresgehalt Das Brutto-Jahresfestgehalt setzt sich wie folgt zusammen: Grundgehalt 59.500,- Euro Funktionszulage 7.000,- Euro Brutto-Jahresfestgehalt 66.500,- Euro Die Höhe des Grundgehaltes ist so bemessen, dass es alle sich aus den Tarifverträgen für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken ergebenden Ansprüche, die unmittelbar durch Geldleistungen zu erfüllen sind, enthält. Der Vorstand wird das Grundgehalt in angemessenen Zeitabständen von höchstens drei Jahren zum Zwecke des Ausgleichs evtl. eingetretener Inflationsverluste (Kaufkraftverluste) überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Die Funktionszulage unterliegt nicht der Kaufkraftanpassung und ist nicht ruhegehaltfähig. 2. Zahlungsmodalitäten Das Gehalt gelangt in zwölf monatlichen Raten unter Beachtung der steuerlichen und sozialversicherungspflichtigen Vorgaben bargeldlos und entsprechend der Betriebsordnung des Arbeitgebers zur Auszahlung. ... § 15 Ausschlussfristen Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsparteien in einer Frist von sechs Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei innerhalb von sechs Monaten seit Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Ausgenommen hiervon bleiben lediglich wechselseitige Ansprüche aus unerlaubter Handlung und der Anspruch auf die Erteilung eines Zeugnisses. ..."

Der Kläger war bereits zuvor ab dem 01.07.2007 auf der Grundlage eines Positionswechselschreibens als Senior Analyst tatsächlich mit einer Position im außertariflichen Bereich beschäftigt, ohne dass er bereits außertariflich vergütet wurde. Dies erfolgte erst mit dem Abschluss des AV 2009 ab dem 01.04.2009. Nach Abschluss des AV 2009 wurde das Grundgehalt des Klägers wie nachfolgend erhöht. Zum 01.10.2010 erfolgte eine Erhöhung auf jährlich 62.500,00 Euro. In dem zugehörigen Schreiben vom 11.03.2010 hieß es u.a.:

"Gehaltserhöhung Aufgrund ihrer Leistung erhöht die Bank ihr Bruttojahresgehalt ab dem 01. April 2010 auf Grundgehalt 62.500,00 Euro Funktionszulage 10.000,00 Euro Gesamtgehalt 72.500,00 Euro. Der Inhalt dieses Schreibens wird Bestandteil des mit Ihnen abgeschlossenen Anstellungsvertrages. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie über den Inhalt dieses Schreibens absolutes Stillschweigen zu bewahren haben."

Zum 01.04.2011 erhöhte die L. das Grundgehalt des Klägers auf jährlich 65.200,00 Euro brutto. In dem zugehörigen Schreiben vom 11.03.2021 hieß es u.a.:

"Gehaltserhöhung Aufgrund ihrer Leistung erhöht die Bank ihr Bruttojahresgehalt ab dem 01. April 2011 auf Grundgehalt 65.200,00 Euro Funktionszulage 11.800,00 Euro Gesamtgehalt 77.500,00 Euro. Diese Gehaltserhöhung schließt die von der Bank vorgenommene Kaufkraftanpassung Ihres Grundgehalts in Höhe von 1,3% p.a. für 2010 ein. Titel Im Hinblick auf den Verantwortungsumfang Ihrer Funktionen ernennt die Bank Sie mit Wirkung vom 1. April 2011 zum Director. Hierzu gratulieren wir ganz herzlich. Der Inhalt dieses Schreibens wird Bestandteil des mit ihnen abgeschlossenen Anstellungsvertrages. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie über den Inhalt dieses Schreibens absolutes Stillschweigen zu bewahren haben."

Der Kläger erhielt außerdem eine einmalige variable Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro brutto. Zum 01.04.2012 erhöhte die L. das Grundgehalt des Klägers auf jährlich 66.896,00 Euro brutto. In dem zugehörigen Schreiben vom 09.03.2022 hieß es u.a.:

"Gehalt Ab dem 1. April 2012 erhöht die Bank ihr Grundgehalt im Rahmen der Kaufkraftanpassung in Höhe von 2,6% p.a. auf Grundgehalt 66.896,00 Euro Funktionszulage 11.800,00 Euro Gesamtgehalt 78.696,00 Euro. Der Inhalt dieses Schreibens wird Bestandteil des mit ihnen abgeschlossenen Anstellungsvertrages. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie über den Inhalt dieses Schreibens absolutes Stillschweigen zu bewahren haben."

Der Kläger erhielt außerdem eine einmalige variable Vergütung in Höhe von 2.000,00 Euro brutto. Zugesagt wurde außerdem eine einmalige Sonderzahlung (Rententionbonus) in Höhe von 19.674,00 Euro brutto bei Fortbestehenden des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2012.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers, was zuletzt mit der O. AG, der Rechtsnachfolgerin der L. bestanden hatte, ging im Wege eines Teilbetriebsübergangs am 01.09.2012 auf die Beklagte über. Mit einer dreiseitigen Transfervereinbarung für Doppelvertragler vom 22.08.2012 hatten die Beklagte, die R. und die Beklagte Regelungen für das zwischen dem Kläger und der R. ruhende Arbeitsverhältnis getroffen. U.a. wurde der Kläger zur Durchführung des auf die Beklagte gemäß § 613a BGB übergegangenen Zweitanstellungsverhältnisses ab dem Zeitpunkt des Übergangs durch die R. beurlaubt. Den zugesagten Rententionbonus in Höhe von 19.674,00 Euro brutto zahlte die Beklagte an den Kläger.

Bei der Beklagten galt eine mit dem bei ihr gebildeten Gesamtpersonalrat abgeschlossene "Dienstvereinbarung über die Anstellung, Vergütung und Versorgung der außertariflich Beschäftigten (AT-Beschäftigte) der Bank" (im Folgenden: DV AT). In der DV AT hieß es ua.:

"§ 1 Anwendungsbereich Diese Dienstvereinbarung gilt für alle AT-Beschäftigten der Bank. .... § 2 Anstellung Die Bedingungen sind in den Arbeitsverträgen geregelt, die keinen generellen Bezug auf die Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken haben. § 3 Jahresfestgehalt Die AT-Beschäftigten erhalten ein Jahresgrundgehalt, das betragsmäßig mindestens das Zwölffache des Bruttomonatsgehalts der Tarifgruppe 9, 11. Berufsjahr zzgl. 25% betragen soll. Das Jahresgrundgehalt ist ruhegehaltsfähig und tarifdynamisch (bei Bereichsleitern werden bei Ernennungen bzw. externen Einstellungen ab 2003 die Jahresgrundgehälter nicht mehr tarifdynamisch angepasst). Individuell kann zusätzlich zum Jahresgrundgehalt eine nicht tarifdynamisierte und nicht ruhegehaltsfähige Zulage vereinbart werden. Das Jahresfestgehalt (Jahresgrundgehalt zzgl. evtl. Zulage) wird in zwölf gleichen Raten jeweils am letzten Arbeitstag des Vormonats nach Abzug von Kosten, Abgaben und Steuern gezahlt. Die Vergabe von Titeln ist nicht mit Gehaltsfestsetzungen bzw.- veränderungen verbunden. ..."

Mit Schreiben vom 03.06.2013 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

"Mit dem Betriebsübergang nach § 613a BGB ist auch Ihr arbeitsvertraglicher Anspruch auf Kaufkraftanpassung Ihres Grundgehalts übergegangen. Zudem gilt für alle AT-Beschäftigten der Bank - und damit auch für Sie - die "Dienstvereinbarung über die Anstellung, Vergütung und Versorgung der außertariflich Beschäftigten (AT-Beschäftigte)", in der unter § 3 Jahresfestgehalt vereinbart wurde, dass das Jahresgrundgehalt tarifdynamisch angepasst wird. Unter Würdigung des einzelvertraglichen Anspruchs auf Kaufkraftanpassung und der tarifdynamischen Anpassung aus der Dienstvereinbarung AT-Beschäftigte gilt für Sie zukünftig das Günstigkeitsprinzip. D.h., sollte die tarifliche lineare Gehaltssteigerung niedriger sein als eine der Inflationsrate folgenden Kaufkraftanpassung (Höhe der Veränderung des vom statistischen Bundesamtes ermittelten Verbraucherpreisindex), erhalten Sie in dem betreffenden Jahr eine Kaufkraftanpassung des Grundgehalts; sollte die zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte lineare Tariferhöhung höher sein als die Steigerung des Verbraucherpreisindex, so wird ihr Grundgehalt gemäß Tarifabschluss angepasst. Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass demzufolge Ihr Jahresgrundgehalt für das Jahr 2013 mit Wirkung zum 01.07.2013 gemäß Tarifvertrag um 2,5 % erhöht wird."

In der Folgezeit wurde das Grundgehalt des Klägers seitens der Beklagten ausschließlich tarifdynamisch erhöht. Die Tarifgehälter waren zum 01.07.2012 linear um 2,9 % und zum 01.07.2013 um 2,5 % erhöht worden. Im Juli 2012 erhielten die Beschäftigten eine Einmalzahlung von 350,00 Euro brutto. Nachfolgend wurden die Tarifgehälter linear wie folgt erhöht:

01.07.2014:2,4%

01.07.2015:2,1%

01.10.2016:1,5%

01.01.2018:1,1%

01.11.2018: 1,1 %

01.09.2019:2,0%

01.11.2020:2,0%

01.07.2022:3,0%

Es wurde außerdem für Januar 2015 eine tarifliche Einmalzahlung in Höhe von 150,00 Euro brutto vereinbart. Im Juni 2021 zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer eine Corona-Prämie von 500,00 Euro netto nach § 3 Nr. 11a EStG. In der Zeit von November 2020 bis Juni 2022 bezog der Kläger ein monatliches Grundgehalt i.H.v. 6.448,59 Euro brutto, was einem Jahresgrundgehalt von 77.383,08 Euro brutto entsprach. Ab Juli 2022 wurde das monatliche Grundgehalt des Klägers auf 6.642,09 Euro brutto angehoben, was einem Jahresgrundgehalt von 79.705,08 Euro entsprach. Im Dezember 2022 zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer, d.h. auch an den Kläger, eine Inflationsausgleichsprämie von 1.500,00 Euro. Ausweislich Ziffer 5 der Rahmenbedingungen zu dieser Zahlung galt, dass diese Zahlung als Vorauszahlung auf einen etwaigen tariflichen Anspruch angesehen wurde und insoweit unter Vorbehalt stand. Zum 01.07.2023 wurden die Tarifgehälter um 2,0% angehoben.

Wegen der Leistungsbeurteilungen des Klägers wird auf die Anlagenkonvolute K12 und K13 zum Schriftsatz des Klägers vom 21.11.2022 Bezug genommen. Seit 2022 übernahm der Kläger die Funktion des Abwesenheitsvertreters seines Gruppenleiters mit 18 Mitarbeitern. Dies bedingte keine Aufstockung des Grundgehalts und/oder der Funktionszulage.

Mit seiner Klage, welche er am 16.08.2022 bei dem Arbeitsgericht eingereicht hat und die der Beklagten am 25.08.2022 zugestellt wurde, begehrt der Kläger eine Anpassung seines monatlichen Grundgehalts von 6.448,59 Euro brutto zum 01.01.2021 um einen Kaufkraftverlust von 0,3 % auf 6.467,94 Euro brutto und zum 01.01.2022 um einen weiteren Kaufkraftverlust von 4,5% auf 6.759,00 Euro brutto. Er hat mit der Klage die daraus von ihm errechneten monatlichen Gehaltsdifferenzen für die Zeit von Januar 2021 bis August 2022 geltend gemacht. Der für die Monate Juli 2022 und August 2022 wieder niedrigere Betrag ergibt sich aus der von dem Kläger berücksichtigten Tarifanpassung zum 01.07.2022 um 3,0%.

Der Kläger hat gemeint, aus dem Schreiben vom 03.06.2013 i.V.m. § 3 Nr. 1 AV 2009 ergebe sich eine eindeutige Zusage dahingehend, dass für ihn betreffend die arbeitsvertragliche Kaufkraftanpassung und die tarifliche lineare Erhöhung das Günstigkeitsprinzip gelte. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Schreibens vom 06.03.2013 sei von einem eindeutigen Rechtsbindungswillen der Beklagten im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip auszugehen. Es sei nicht erkennbar, dass das Schreiben nur eine rechtlich irrelevante Rechtsauskunft bzw. eine reine Wissensmitteilung enthalte. Dies ergebe sich auch aus der Formulierung, dass "demzufolge" das Grundgehalt zum 01.07.2013 gemäß Tarifvertrag um 2,5% erhöht werde. Dies zeige, dass die Beklagte eine eigenständige und unabhängige Anspruchsgrundlage schaffen wollte. Es handele sich um eine Individualabrede, so dass sich die Frage, ob die DV AT greife, ohnehin nicht mehr stelle. Im Übrigen ließen sich die Grundsätze einer betrieblichen Übung übertragen. Die Beklagte habe das Schreiben vom 03.06.2013 ohne Not an die Arbeitnehmer gerichtet. Ob die Beklagte selbst dabei einen Verpflichtungswillen hatte oder nicht, sei unerheblich.

Da in der Vergangenheit sein Grundgehalt bei der L. bzw. O. AG jährlich zum 01.01. erhöht worden sei, habe er aus betrieblicher Übung einen Anspruch jeweils zum 01.01. eines Kalenderjahres eine Gehaltserhöhung zu erhalten, die sich prozentual aus dem höheren Wert entweder der tariflichen Anpassung oder des Kaufkraftverlustes ergebe.

Der Kläger hat zudem auf die Formulierung in § 3 Nr. 1 AV 2009 hingewiesen. Diese Regelung könne man auch so lesen, dass nicht lediglich eine Ermessensentscheidung geschuldet sei, sondern so, dass die Überprüfung nur bedeute, dass festzustellen sei, ob Inflationsverluste eingetreten seien. Werde dies bejaht - darauf beziehe sich das ggfs. - dann sei dieser Verlust auch auszugleichen. Dies werde i.V.m. dem Schreiben vom 03.06.2013 noch deutlicher, das von einem einzelvertraglichen Anspruch auf Kaufkraftanpassung spreche. Ausweislich des Schreibens vom 03.06.2013 trete nur eine weitere Anspruchsgrundlage aus der DV AT hinzu. Maßgeblich sei die günstigere Anspruchsgrundlage und zwar ohne Ermessensentscheidung.

Es treffe auch nicht zu, dass die ihm zu Gute gekommene tarifliche Gehaltssteigerung "deutlich" über dem Anstieg der Inflationsrate liege. So ergebe sich im Zeitraum von 2012 bis einschließlich 2021 eine überschaubare Überdeckung der tariflichen Steigerung zum Kaufkraftverlust von 4%-Punkten. Für die letzten drei vollen Jahre (2019 bis 2021) seien Kaufkraftverlust und Tarifsteigerung mit 5% identisch. Im Übrigen hätten im Bankengewerbe im Vergleich zu anderen Branchen nur unterdurchschnittliche Tarifanpassungen stattgefunden. Im Übrigen sei eine Gleichsetzung von Einmalzahlung mit langwirkenden Gehaltserhöhungen nicht sachlich begründbar, zumal sich auch sein späteres versorgungsfähiges Einkommen nach dem Brutto-Jahresgrundgehalt bemesse.

Soweit die Beklagte bei einer von ihr angenommenen bloßen Ermessenüberprüfung des Grundgehalts weitere Faktoren berücksichtigen wolle, taugten die angeführten Sachverhalte dafür nicht. Dies gelte z.B. für die HomeOffice-Pauschale ebenso wie für die Corona-Prämie, die zudem nicht auf einen Bruttobetrag hochgerechnet werden könne. Es komme auch nicht auf "Sondereffekte" wie den Ukrainekrieg an, weil auf den Kaufkraftausgleich allgemein abgestellt werde. Unabhängig davon beziehe sich die vertragliche Klausel auf einen Zeitraum von "höchstens" drei Jahren, so dass bei besonderen Effekten auch eine unterjährige Betrachtung möglich sei.

Bei der Bewertung der Angemessenheit seines Grundgehalts müssten zudem seine erheblichen Überstunden der letzten drei vollen Jahre und des laufenden Jahres berücksichtigt werden, von denen rund 397 ohne bisher erfolgte Honorierung geleistet worden seien. Die Klausel in § 2 Nr. 2 AV 2009, wonach Überstunden mit dem Gehalt gemäß § 3 AV 2009 abgegolten seien, sei unwirksam. Zu berücksichtigen sei weiter, dass ihm ein Arbeitgeberwechsel nicht ohne weiteres möglich sei, weil ihm dann in erheblichem Maße Pensionsansprüche für die verbleibende Zeit bis zum Ruhestand entgehen würden. Dies sei bei der Würdigung des Schreibens vom 03.06.2013 zu berücksichtigen. Die Beklagte müsse auch erläutern, warum sie jetzt eine Überprüfung der Gehälter im März 2023 in den Raum stellt, wenn sie dafür gar keine Anspruchsgrundlage sehe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.328,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19,35 Euro seit dem 01.02.2021, 19,35 Euro seit dem 01.03.2021, 19,35 Euro seit dem 01.04.2021, 19,35 Euro seit dem 01.05.2021, 19,35 Euro seit dem 01.06.2021, 19,35 Euro seit dem 01.07.2021, 19,35 Euro seit dem 01.08.2021, 19,35 Euro seit dem 01.09.2021, 19,35 Euro seit dem 01.10.2021, 19,35 Euro seit dem 01.11.2021, 19,35 Euro seit dem 01.12.2021, 19,35 Euro seit dem 01.01.2022, 310,41 Euro seit dem 01.02.2022, 310,41 Euro seit dem 01.03.2022, 310,41 Euro seit dem 01.04.2022, 310,41 Euro seit dem 01.05.2022, 310,41 Euro seit dem 01.06.2022, 310,41 Euro seit dem 01.07.2022, 116,91 Euro seit dem 01.08.2022, 116,91 Euro seit dem 01.09.2022 zu zahlen

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass sich aus § 3 Nr. 1 AV schon kein Zahlungsanspruch ergebe, weil es dort lediglich um eine Überprüfung gehe. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung auf jährliche Gehaltserhöhung ergebe sich nicht. Außerdem sei in diesem Zusammenhang zu beachten, dass hier eine außertarifliche Vergütung in Rede stehe. Der Kläger habe auch deshalb aus dem bisherigen Verhalten nicht schließen dürfen, dass seine Vergütung jährlich in gleicher Weise erhöht werde.

Bei ihrem Schreiben vom 03.06.2013 habe es sich nicht um eine Willenserklärung, sondern lediglich um eine Wissenserklärung gehandelt, mit welcher sie Auskunft über die vermeintliche Rechtslage aus ihrer Sicht gegeben habe.

Davon unabhängig finde das Günstigkeitsprinzip schon keine Anwendung, weil die Mitbestimmung der Personalvertretung aus verfassungsrechtlichen Gründen engeren Grenzen unterliege als diejenige von Betriebsräten. Darüber hinaus sei das Günstigkeitsprinzip nur dann anwendbar, wenn die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung, die mit einer Betriebsvereinbarung kollidiere, bereits im Voraus, d.h. unabhängig von den konkreten Bedingungen einer Betriebsvereinbarung, feststehe. Daran fehle es hier im Vergleich zwischen § 3 DV AT und § 3 Nr. 1 AV 2009.

Jedenfalls sei der gesamte Zeitraum von 2009 bis zum heutigen Tag zu betrachten. Danach habe der Gehaltsanstieg des Klägers deutlich über dem Anstieg der Inflationsrate gelegen. Selbst bei Überprüfung nach billigem Ermessen bestehe daher kein Anspruch auf Gehaltsanpassung. Nichts Anderes gelte, wenn man den Zeitraum von 2012 bis 2021 betrachte. Es seien auch alle Einmalzahlungen zu berücksichtigen. Ohnehin spreche die Klausel eben nur von "Zeitabständen höchstens drei Jahren" und lasse offen, was passiere, falls die Überprüfung längere Zeit unterbliebe. Es liege nahe, in einem solchen Fall den gesamten bislang nicht überprüften Zeitraum zu betrachten, um Sondereffekte zu minimieren.

Jedenfalls könne das noch nicht abgelaufene Jahr 2022 nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden. U.a. der sprunghafte Anstieg der Inflation aufgrund des Ukraine-Kriegs könne erst bei einer späteren Betrachtung mit einfließen. Sie werden voraussichtlich bei allen Mitarbeitern mit entsprechender Vertragslage im März 2023 eine Überprüfung vornehmen. Ohnehin sei sie nur verpflichtet, die Angemessenheit des Grundgehalts zu überprüfen, was keinen notwendig vollständigen Kaufkraftausgleich bedeute. Es könnten auch andere Aspekte einbezogen werden, wie ersparte Fahrtkosten aufgrund von Home-Office oder die Home-Office-Pauschale.

Die Beklagte rügt die mangelnde Substantiierung des Vortrags des Klägers zu den Überstunden. Eine Veranlassung durch sie bestreite sie. Einmalzahlungen seien bei einer Überprüfung des Grundgehalts nach billigem Ermessen zu berücksichtigen.

Und schließlich stehe nicht die Angemessenheit der Vergütung des Klägers zur Debatte, sondern lediglich die allgemeine Preissteigerung und ein dadurch bewirkter Kaufkraftverlust. Auf die Leistungsbewertungen des Klägers komme es nicht an.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.12.2022 abgewiesen. Der Anspruch folge weder aus dem AV 2009 i.V.m. dem Günstigkeitsprinzip, weil die erfolgten Gehaltserhöhungen seit 2012 höher seien als die Inflation. Das Grundgehalt des Klägers liege höher als bei einer durchgängigen Anwendung von § 3 AV 2009. Das Schreiben vom 03.06.2013 enthalte nur eine Information über die bestehende Rechtslage und schaffe keinen Verpflichtungstatbestand. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus betrieblicher Übung. Gegen das ihm am 22.12.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.01.2023 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.03.2023 - am 16.03.2023 begründet.

Der Kläger weist zunächst darauf hin, dass zu berücksichtigen sei, dass sein Gehalt seit seiner AT-Beschäftigung regelmäßig jährlich erhöht worden sei.

Das Arbeitsgericht sei zwar zutreffend vom Günstigkeitsprinzip ausgegangen, habe dieses aber falsch angewandt. Sinn und Zweck der arbeitsvertraglichen Kaufkraftanpassung sei eine Mindestabsicherung nach unten, um wenigstens die Inflation auszugleichen. Ein "Mehr" durch die Inflation übersteigende Tariflohnerhöhungen gehe dagegen immer. Ohnehin werde unter Berücksichtigung der Präambel der DV AT die Tarifdynamik nur gestreift. Und schließlich zeige das Schreiben vom 03.06.2013 den klaren Willen der Beklagten, immer das günstigste Ergebnis für ihn im Vergleich von Tariflohnsteigerung und Inflationsausgleich anzusetzen. Dies sei das gemeinsame Ziel der Beklagten, der Arbeitnehmer und des Gesamtpersonalrats.

Das Schreiben vom 03.06.2013 sei zudem ausgehend vom Wortlaut eindeutig und nicht auslegungsfähig. Er solle immer den höheren Wert erhalten. Interessen der Beklagten, die gegen diese Auslegung sprächen, seien nicht ersichtlich. Vielmehr sei es der Beklagten um Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verfahrensregelung zur Kaufkraftanpassung gegangen, zumal bei dem Betriebsübergang über 400 Mitarbeiter gewechselt seien. Außerdem habe die in den Gehaltsanpassungsschreiben in 2011 und 2012 ausdrücklich erwähnte Kaufkraftanpassung mit 1,3 % (in 2011 für 2010) und 2,6 % (in 2012 für 2011) oberhalb der tatsächlich festgestellten Inflationsraten von 1,1 % bzw. 2,1 % gelegen. Dies zeige, dass es der Beklagten offensichtlich auch um die Herstellung einer objektiven und klaren Regelung gegangen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass Tarifsteigerungen die Inflation regelmäßig überkompensierten. Eine Inflationsrate von 10% in 2022 habe sie nicht im Blick gehabt. Dies könne nicht ihm angelastet werden, denn das Schreiben vom 03.06.2013 sei schließlich ihm und den anderen AT-Mitarbeitern unaufgefordert zugesandt worden. So habe die Beklagte sich auch dem Nachfragedruck der AT-Angestellten nach individuellen Gehaltserhöhungen entzogen, zumal diese leistungsbezogene Gehaltserhöhungen sehr restriktiv handhabe. Auf einen etwaigen rein subjektiven Willen der Beklagten bei dem Schreiben vom 03.06.2013 komme es nicht an.

Zu berücksichtigen sei weiter, dass das Schreiben vom 03.06.2013 über den Arbeitsvertag hinausgehe, weil zugesagt wurde, dass er eine Erhöhung in dem betreffenden Jahr erhalte. Dies gehe über den dreijährigen Rhythmus des Arbeitsvertrags hinaus. Da es sich um eine für ihn alleine günstigere Regelung handelte, habe er diese stillschweigend annehmen können. Zu berücksichtigen sei weiter, dass das Schreiben vom 03.06.2013 den konkreten Verbraucherpreisindex nenne, während der Arbeitsvertrag nur allgemein von einer Kaufkraftanpassung spreche. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 03.06.2013 den Bezug der Kaufkraftanpassung in Folge der Inflation präzisiert. Die Erklärung vom 03.06.2013 sei auf die Rechtsfolge einer Zusage der Betrachtung des Verbraucherpreisindex gerichtet. Das dieser in der Sache in Ordnung sei, ändere nichts an der Präzisierung und dem daraus abgeleiteten Rechtsbindungswillen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte anlasslos ein bloßes Informationsschreiben versandt haben wolle. Die im Schreiben vom 03.06.2013 enthaltene Zusage bliebe nicht einseitig. Er habe sie vielmehr konkludent angenommen, was auch für die jährliche Betrachtungsweise gelte. In "dem betreffenden Jahr" könne nicht anders interpretiert werden, als dass jährlich die Tariflohnanpassung mit der Inflationsrate verglichen werde.

Das Arbeitsgericht sei zudem mal davon ausgegangen, dass ein Vertrag stillschweigend angenommen werden könne, ein anderes Mal hingegen, dass es nach der Verkehrssitte üblich gewesen sei, einen zweiseitigen Vertrag zu schließen. Dies sei nicht widerspruchsfrei.

Unzutreffend gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass keine regelmäßige Anpassung seines Jahresgrundgehalts anhand eines Inflationsausgleichs feststellbar sei. Zum einen ergebe sich dies ausdrücklich aus den Gehaltserhöhungsschreiben vom 11.03.2011 und 09.03.2012. Anschließend sei das Schreiben vom 03.06.2013 gekommen, so dass es keines weiteren Hinweises mehr bedurft habe. Außerdem enthielte jede Tariflohnerhöhung auch einen bestimmten Anteil an Kaufkraftanpassung. Er habe durchgängig von einer Kaufkraftanpassung profitiert, die in der höheren Tariflohnsteigerung als Teilbestandteil bereits enthalten gewesen sei. Nichts Anderes gelte für die Gehaltserhöhung 2010.

Das Abstellen auf den Beginn der AT-Beschäftigung für den Günstigkeitsvergleich führe zu willkürlichen Ergebnissen, je nachdem, wann ein Mitarbeiter zum AT-Angestellten geworden sei. Wenn überhaupt, hätte ein Betrachtungszeitraum von drei Jahren berücksichtigt werden müssen und zwar ausgehend von der letzten Überprüfung in 2012 für 2011. Auf die diesbezügliche Vergleichsrechnung des Klägers ab 2012 auf Seite 12 der Berufungsbegründung wird Bezug genommen. Für 2021 ergebe sich bereits eine marginale Anpassung. Ab 2023 ergebe sich ein signifikanter Schritt, weil die vereinbarte Tarifsteigerung deutlich unter der Inflation liege.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich aus § 3 Nr. 1 AV 2009 bei Berücksichtigung des vollständigen Wortlauts, dass es sich um eine Überprüfungspflicht und eine Anpassungspflicht handele. Das "ggfs." könne aus der Empfängersicht nur so verstanden werden, dass angepasst werde, wenn Kaufkraftverluste eingetreten sind und dies spätestens alle drei Jahre. Nichts Anderes folge aus der Formulierung "zum Zwecke des Ausgleichs". Im Übrigen führe die durch das Versorgungsversprechen stark eingeschränkte Möglichkeit zum Arbeitgeberwechsel zu einer starken Ermessenseinschränkung, wenn man diese überhaupt annehmen wollte.

Es bleibe falsch, die Tariflohnerhöhungen seit dem Jahr 2009 zu berücksichtigen. Angesichts des Dreijahreszeitraums aus dem AV 2009 könnte allenfalls eine Betrachtung der letzten drei Jahre maßgeblich sein.

Die Beklagte stelle zudem auf nicht maßgebliche Faktoren, wie die HomeOffice-Pauschale oder aber die Inflationsausgleichsprämie ab. Der Kläger behauptet, auf einer Mitarbeitersitzung per Teams Ende April 2023 habe der Leiter Recht und Personal Y. klar kommuniziert, dass Einmalzahlungen ("nach Austausch mit dem erstinstanzlichen Gericht") nicht bei der Überprüfung des Grundgehalts betrachtet werden sollen. Dies betreffe solche zwischen dem Abschluss zweiter Tarifverträge als auch sonstige Einmalzahlungen. Es solle nur das dauerhaft gestiegene Gehalt die Vergleichsbasis bilden. An der Sitzung Ende April 2023 habe er teilgenommen. Im Nachgang habe Herr Y. die Beschäftigten per E-Mail vom 30.05.023 allgemein informiert. Besonders erstaunlich sei, dass die Beklagte in dieser Mail zusage, dass sie ein im Verfahren erwirktes rechtskräftiges Urteil akzeptieren und für alle Mitarbeitenden anwenden würde, die sich ihrerseits gegenüber der Beklagten zur Akzeptanz des rechtskräftigen Urteils verpflichten, zumal es mehrere Verfahren gebe. In der E-Mail gehe die Beklagte selbst von der Anwendung des Günstigkeitsprinzips aus. Andernfalls würde ihre Vergleichsberechnung keinen Sinn ergeben. Strittig blieben danach nur noch der Anpassungsrhythmus, die Berechnungsmethode (stufenweise oder kumuliert) sowie der Aufsatzpunkt.

Es sei außerdem § 613a Abs. 1 BGB immanent, dass es nach einem Betriebsübergang zur Ungleichbehandlung von Alt- und Bestandsmitarbeitern komme.

Fakt bliebe, dass sein Gehalt jährlich erhöht worden sei. Da § 3 Nr. 1 AV 2009 nur von "höchstens" drei Jahren spreche, habe er davon ausgehen dürfen, dass man hier auf den Jahresrhythmus habe setzen wollen, um so die Bedingung "höchstens" einwandfrei zu erfüllen. Diesen Jahresrhythmus belegten die Schreiben vom 11.03.2011 und 09.03.2012.

Für die Verdrängung seines Anspruchs auf Kaufkraftanpassung durch die DV AT fehle es schon an einem kollektiven Bezug der arbeitsvertraglichen Regelung. Entsprechende Regelungen würden nach seiner Kenntnis nur für einen kleinen Teil der AT-Belegschaft gelten. Im Übrigen sehe die DV AT keine ausschließliche Tarifdynamik vor. Aber selbst wenn man dies anders sehe, hätte das Schreiben vom 03.06.2013 dies geändert.

Es lägen im Übrigen auch keine ambivalenten Regelungen vor. Die Beklagte habe ihm schlicht zugesagt, dass immer das Günstigere gelte.

Entgegen den Hinweisen des Gerichts bleibe er dabei, dass mit dem Schreiben vom 03.06.2013 eine jährliche Betrachtung und Anpassung des Grundgehalts zugesagt worden sei. Ein dreijähriger Rhythmus lasse sich dem Schreiben nicht entnehmen und bei der Annahme einer solchen Betrachtung werde es auch nicht verständlich, sondern missverständlich. Bei wörtlicher Auslegung wäre das Grundgehalt gar nicht unmittelbar mit dem Tarifwerk zu erhöhen gewesen, sondern immer nur nach einer entsprechenden Überprüfung des jeweils günstigeren Ergebnisses aus dem Tarifwerk oder aus der Kaufkraftanpassung. Dies führte ggfs. auch zu mehreren Überprüfungen im Jahr, zumal es nicht unüblich sei, dass es im Kalenderjahr mehrere Tarifsteigerungen gebe. Bei einem dreijährigen Überprüfungszeitraum wäre das Schreiben anders formuliert worden. Die Formulierung in "dem betreffenden Jahr" könne aus dem Empfängerhorizont nicht anders interpretiert werden, als dass jährlich die Tariflohnanpassung mit der Inflationsrate verglichen werde.

Es sei widersprüchlich, wenn die Beklagte in der E-Mail vom 30.05.2023 von einem dreijährigen Prüfungsrhythmus spreche, für dessen Beginn auf den Betriebsübergang abstelle und gleichwohl - unstreitig - mit Schreiben vom 03.06.2013 eine Gehaltserhöhung für 2013 zusagte. Der Begriff "demzufolge" spreche dafür, dass die Beklagte an dem jährlichen Prüfungsrhythmus der L. festhalten wolle. Hätte die Beklagte einen dreijährigen Prüfungsrhythmus gewollt, hätte sie dies in dem Schreiben vom 03.06.2013 auch so ausgeführt. Stattdessen habe die Beklagte den Inflationswert des Jahres 2012 (also 1,9 %) mit der Tariferhöhung in 2013 (also 2,5 %) verglichen und als Ergebnis der Prüfung sein Grundgehalt um 2,5 % erhöht, d.h. um den höheren Betrag. Wenn die Beklagte sich nur an dem AV 2009 hätte orientieren wollen, wäre sie hierzu nicht verpflichtet gewesen.

Ihm sei außerdem ein Schreiben der L. vom 28.04.2004, eine Infomail an alle außertariflichen Vertragsangestellten, zugänglich gemacht worden. In diesem habe es wie folgt geheißen:

"wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass der Vorstand am 06.04.2004 beschlossen hat, die den außertariflichen Vertragsangestellten im Anstellungsvertrag zugesicherte Anpassung der Grundgehälter zum Ausgleich eingetretener Kaufkraftverluste zum 01.05.2004 vorzunehmen. Die Anpassung der Grundgehälter entspricht in der Höhe der Veränderung des vom Statistischen Bundesamtes ermittelten Verbraucherpreisindex seit der letzten Kaufkraftanpassung vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2003 und beträgt ... Darüber hinaus ist vorgesehen, die Anpassungen zukünftig jährlich durchzuführen."

Auch wenn er erst später außertariflicher Angestellter geworden sei, zeige dieses Schreiben eindeutig den Willen der L., jährliche Anpassungen vorzunehmen. An diesen Willen sei die Beklagte aufgrund des Betriebsübergangs gebunden.

Soweit die Beklagte die Kaufkraftanpassung nach dem Günstigkeitsprinzip ausgehend ab dem Jahr des Betriebsübergangs betrachte, ergebe sich diese kumulierte Betrachtung in keiner Art und Weise aus dem Schreiben der Beklagten vom 03.06.2013.

Soweit das Gericht von einem erneuten Aufsatzpunkt ab der Beförderung zum Direktor ab dem 01.04.2011 spreche, könnte dem durchaus gefolgt werden, auch wenn er primär bei seiner bisherigen Argumentation bleibe. Folgte man dem, dann sei aber auch klargestellt, dass der (kumulierte) Kaufkraftverlust im dreijährigen Betrachtungszeitraum zum 01.04. eines Prüfungsjahres auszugleichen sei, sofern dieser die Tariferhöhung(en) im gleichen Betrachtungszeitraum übersteige. Würde mit einer weiteren Tariferhöhung auch die Summe der Tariferhöhungen im Betrachtungszeitraum die zuvor erfolgte Kaufkraftanpassung übersteigen, würde er in diesem Fall zum Zeitpunkt der Tarifanpassung nur noch den Differenzbetrag zur zuvor erfolgten Kaufkraftanpassung erhalten.

In diesem Zusammenhang könne dann aber nicht der VPI aus dem Monat März zu Grunde gelegt werden. Dieser läge zum 01.04. noch gar nicht vor und außerdem zahle die Beklagte sein Gehalt zum 30. des Vormonats. Schließlich belegten auch die Gehaltsanpassungsschreiben der L. den Jahresrhythmus, z.B. "für 2010". Der Kläger hat ausgehend vom 01.04.2021 Berechnungsübersichten zu den Gehaltsanpassungen auf Basis von 1-Jahres-Zyklen und 3-Jahres-Zyklen vorgetragen. Auf die Seiten 14 bis 17 des Schriftsatzes des Klägers vom 26.06.2023 wird Bezug genommen und dabei insbesondere auch auf die vom Kläger aus den Berechnungen abgeleiteten Erhöhungen sowie die Ausführungen zu dem Umstand, dass es in 2017 keine Tariferhöhung gegeben habe. Schließlich wird auf die vom Kläger erstellten und als Anlage K28 zur Akte gereichten Berechnungen zur Überprüfung und Erhöhung des Gehalts in einem 1-Jahres-Zyklus, einem 2-Jahres-Zyklus und einem 3-Jahres-Zyklus Bezug genommen.

Selbst wenn man von einem dreijährigen Anpassungsrhythmus ausgeht, könne es nicht richtig sein, eine Gesamtbetrachtung für den Zeitraum von März 2011 bis März 2020 vorzunehmen. Vielmehr müsse dann auch nach einem dreijährigen Anpassungsrhythmus vorgegangen werden und nach jeweils drei Jahren ein Vergleich gezogen und neu aufgesetzt werden.

Der Kläger ist schließlich der Ansicht, dass die Ausschlussklausel aus § 15 AV 2009 Ansprüche aus MiloG sowie wegen Vorsatzes umfasse und deshalb unwirksam sei. Er habe sie im Übrigen eingehalten. Auf die Ausführungen auf Seiten 2 f. des Schriftsatzes des Klägers vom 26.06.2023 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.12.2022 - 10 Ca 3528/22 - abzuändern und 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.328,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19,35 Euro seit dem 01.02.2021, 19,35 Euro seit dem 01.03.2021, 19,35 Euro seit dem 01.04.2021, 19,35 Euro seit dem 01.05.2021, 19,35 Euro seit dem 01.06.2021, 19,35 Euro seit dem 01.07.2021, 19,35 Euro seit dem 01.08.2021, 19,35 Euro seit dem 01.09.2021, 19,35 Euro seit dem 01.10.2021, 19,35 Euro seit dem 01.11.2021, 19,35 Euro seit dem 01.12.2021, 19,35 Euro seit dem 01.01.2022, 310,41 Euro seit dem 01.02.2022, 310,41 Euro seit dem 01.03.2022, 310,41 Euro seit dem 01.04.2022, 310,41 Euro seit dem 01.05.2022, 310,41 Euro seit dem 01.06.2022, 310,41 Euro seit dem 01.07.2022, 116,91 Euro seit dem 01.08.2022, 116,91 Euro seit dem 01.09.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass § 3 Nr. 1 AV 2009 keinen Anspruch auf eine Anpassung an die Inflationsrate gebe. Es gehe allenfalls darum zu "prüfen", ob das aktuelle Grundgehalt noch "angemessen" sei. Der Dreijahreszeitraum beziehe sich dabei auf den eigentlichen Prüfungsvorgang, d.h. die Prüfung erfolge mindestens einmal innerhalb von drei Jahren. Einen Anspruch begründe die Prüfungsklausel nicht. Sie führe nur dazu, dass eine Prüfung nach freiem und nicht nach billigem Ermessen zu erfolgen habe. Nichts Anderes folge aus der Formulierung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Auch daraus ergebe sich nicht, dass alle Inflationsverluste ausgeglichen würden. Auch eine objektive Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Hätten die Parteien dies gewollt, hätten sie eine Anpassungspflicht vereinbart. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es stets eine jährliche Inflation gebe. Die letzte Deflation in Deutschland sei im Jahr 1932 gewesen.

Aber selbst bei Anwendung von § 315 BGB ergebe sich kein Anspruch auf den Inflationsausgleich. Sie wäre insoweit "nur" zur Prüfung der Angemessenheit des Grundgehaltes in einem Zeitabstand von längstens drei Jahren (auch) unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes verpflichtet. Dies führe aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlautes jedoch nicht "automatisch" zur Verpflichtung, einen etwaigen Kaufkraftverlust stets und schon gar nicht jährlich vollständig auszugleichen. Sinn und Zweck einer Prüfung sei lediglich festzustellen, ob der Kläger sich für sein Gehalt noch dieselben Sachen leisten und kaufen könne, wie bei Abschluss des Arbeitsvertrags. Dann seien aber auch weitere Kriterien zu berücksichtigen, wie die Weitergabe von Tariflohnerhöhungen, variable Leistungen, Sachbezüge bzw. die Inflationsausgleichsprämie aus Dezember 2022. Bereits durch die unstreitig weitergegebenen prozentualen Tariflohnerhöhungen, die bekanntlich vorrangig eine Kaufpreisanpassung berücksichtigen, sei von der Angemessenheit des Grundgehaltes des Klägers auszugehen. Und wenn es um den Aspekt des Kaufkraftausgleichs gehe, sei nicht nachvollziehbar, warum eine Inflationsausgleichsprämie unberücksichtigt bleiben solle. Diese diene gerade der Abfederung von Preissteigerungen.

Die Gehaltserhöhung an den Kläger im Jahr 2011 sei ausweislich des Schreibens vom 11.03.2011 wegen seiner Leistung und nicht in Höhe des Inflationsausgleichs erfolgt. Es werde bestritten, dass der Inflationsausgleich in 2010 bei der Grundgehaltsanpassung einbezogen worden sei.

Zutreffend habe das Arbeitsgericht das Schreiben vom 03.06.2013 als Wissenserklärung ausgelegt. Dies zeige sich schon daran, dass auf den Betriebsübergang und weitere konkrete andere Anspruchsgrundlagen wie den einzelvertraglichen Anspruch und die DV AT abgestellt werde. Eine einseitige Änderung arbeitsvertraglicher Ansprüche sei ebenfalls nicht intendiert gewesen. Es gehe auch nicht darum, die Vertragslage besser als nach § 613a BGB zu gestalten und dies zuzusagen. Andernfalls würde man ihr eine bewusste Ungleichbehandlung unterstellen. Ihre Bestandsmitarbeiter erhielten so bei unterbliebener Tariferhöhung keinen Inflationsausgleich, die übergegangenen Beschäftigten hingegen schon. Und auch im Falle eines unterstellten Rechtsbindungswillens könnte aus der Formulierung "in dem betreffenden Jahr" nicht auf eine Verkürzung des Überprüfungszyklus geschlossen werden. Durch die Formulierung werde nicht festgelegt, dass jedes Jahr eine Überprüfung stattzufinden habe. Nichts Anderes gelte für den Verbraucherpreisindex.

Einen Anspruch aus betrieblicher Übung habe das Arbeitsgericht zu Recht abgelehnt. Es gehe hier schon gar nicht alleine um ein rein tatsächliches Verhalten. Vielmehr geht es um die regelmäßige Erhöhung des Grundgehalts des Klägers auf der Grundlage von § 3 Nr. 1 AV 2009. Der Kläger könne nicht davon ausgehen, dass die Beklagte von dieser Regelung abweichen würde und nunmehr jährlich eine Erhöhung vornehmen werde und diese immer in Höhe der Inflationsrate.

Unabhängig von den angeführten Argumenten werde ein etwaiger Anspruch auf Kaufkraftanpassung aufgrund gegebener "Betriebsvereinbarungsoffenheit" durch die DV AT verdrängt. Dies folge daraus, dass es sich bei dem AV 2009 um Allgemeine Arbeitsvertragsbedingungen handele, die grundsätzlich einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich seien. Nichts Anderes gelte für einen etwaigen Anspruch auf Inflationsausgleich aus betrieblicher Übung. Und auch wenn man dem Schreiben vom 03.06.2013 Rechtsbindungswillen zuschreiben wolle, enthalte dies eine Zusage an alle übergangenen L.-Mitarbeiter und weise ebenfalls einen kollektiven Bezug auf.

Schließlich wende der Kläger den Günstigkeitsvergleich falsch an. Dieser sei erstmals zu dem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem normative und vertragliche Regelung miteinander kollidieren. Sei zu diesem Zeitpunkt nicht objektiv feststellbar, dass die vertragliche Regelung günstiger als die normative Regelung sei, verbleibe es bei Letzterer. So sei es hier. Die angebliche individualrechtliche Zusage/Regelung auf Kaufkraftanpassung sei im Vergleich zur Tarifdynamik der DV AT nicht von vornherein günstiger. Eine vermischte Anwendung beider Regelungen komme nicht in Betracht.

Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger an der Sitzung per Teams Ende April 2023 teilgenommen habe. Es sei nicht nachvollziehbar, was der Austausch mit dem erstinstanzlichen Gericht meine. Sinngemäß habe man lediglich ausgeführt, sich an rechtskräftige Entscheidungen zu halten. Es sei nicht geäußert worden, dass Einmalzahlungen in keinem Fall bei der Überprüfung zu berücksichtigen seien.

Es bleibe auch nach den Hinweisen des Gerichts dabei, dass § 3 Nr. 1 AV 2009 auf eine Prüfungspflicht abstelle und lediglich als Ermessenskriterium etwaige Kaufkraftverluste festlege. Es sei gerade keine starre Anpassungspflicht vereinbart worden. Es solle mit der Klausel Flexibilität geschaffen werden, auch andere Aspekte als den Kaufkraftverlust zu berücksichtigen. Hinzu komme, angesichts des Charakters als AGB die Betriebsvereinbarungsoffenheit von § 3 Nr. 1 AV 2009.

Schließlich berufe sie sich auf die Ausschlussfrist in § 15 AV 2009.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten keine Zahlung von insgesamt 2.328,48 Euro brutto für den Zeitraum vom Januar 2021 bis August 2022 verlangen. Dem Kläger steht ab dem 01.01.2021 kein monatliches Grundgehalt von 6.467,94 Euro brutto zu. Er kann von der Beklagten für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 nicht monatlich weitere 19,35 Euro brutto über die ihm bereits gezahlten 6.448,59 Euro brutto an monatlichem Grundgehalt verlangen. Dem Kläger steht ab dem 01.01.2022 kein monatliches Grundgehalt von 6.759,00 Euro brutto zu. Er kann von der Beklagten für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 30.06.2022 nicht monatlich weitere 310.41 Euro brutto über die ihm bereits gezahlten 6.448,59 Euro brutto an monatlichem Grundgehalt verlangen. Für die Zeit vom 01.07.2022 bis zum 31.08.2022 kann er von der Beklagten nicht monatlich weitere 116,91 Euro brutto über die ihm bereits gezahlten 6.642,09 Euro brutto an monatlichem Grundgehalt verlangen. Diese vom Kläger geltend gemachten Ansprüche folgenden weder aus § 3 Nr. 1 AV 2009, worauf der Kläger nach der Erklärung im Termin seinen Anspruch in erster Linie stützt, noch aus dem Schreiben vom 03.06.2013, worauf der Kläger sich in zweiter Linien stützt, noch aus betrieblicher Übung, worauf der Kläger sich zuletzt stützt.

I. Der vom Kläger geltende gemachte höhere Anspruch auf das Grundgehalt ergibt sich für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.08.2021 nicht aus § 3 Nr. 1 AV 2009. Der sich daraus für den Kläger ggfs. ergebende Vergütungsanspruch wird seitens der Beklagten mit den monatlichen Zahlungen von zunächst 6.448,59 Euro brutto und schließlich ab dem 01.07.2022 von monatlich 6.642,09 Euro brutto erfüllt. Ein höherer Anspruch folgt nicht aus § 3 Nr. 1 AV 2009. Dies ergibt sich auf der Grundlage der Auslegung dieser vertraglichen Bestimmung, wobei letztlich offenbleiben kann, ob es sich um Allgemeine Vertragsbedingen handelt. Objektive und konkret- individuelle Auslegungen führen zu keinem anderen Ergebnis.

1. Die Kammer geht zunächst davon aus, dass es sich bei der Vereinbarung in § 3 Nr. 1 AV 2009 zur Kaufkraftanpassung um Allgemeine Arbeitsvertragsbedingungen handelt. Die L. hat diese Vereinbarung mehrfach gegenüber ihren AT-Angestellten verwandt. Davon geht die Beklagte selbst aus. Dem entspricht zudem der Vortrag des Klägers, der von einer Mehrfachverwendung ausgeht, auch wenn er davon spricht, dass entsprechende Regelungen nach seiner Kenntnis nur für einen kleinen Teil der AT-Belegschaft gelten würden. An der Mehrfachverwendung ändert dies nichts. Besonders deutlich wird dies an der vom Kläger selbst eingereichten E-Mail der L. vom 28.04.2004. Dort wird ausgeführt, dass der Vorstand am 06.04.2004 beschlossen habe, die den außertariflichen Vertragsangestellten im Anstellungsvertrag zugesicherte Anpassung der Grundgehälter zum Ausgleich eingetretener Kaufkraftverluste zum 01.05.2004 vorzunehmen. Dies zeigt den Charakter als Allgemeine Vertragsbedingung, die dann auch gegenüber dem Kläger verwandt worden ist.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 25.01.2023 - 10 AZR 109/22, juris Rn. 21 m.w.N.).

3. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Kläger aus der vertraglichen Regelung in § 3 Nr. 1 AV 2009 entgegen der Ansicht der Beklagten ein vertraglicher Anspruch auf eine jedenfalls regelmäßig vollständige Kaufkraftanpassung in Folge der dort vereinbarten Prüfungs- und Anpassungspflicht. Auszugehen ist vom Vertragswortlaut. Richtig ist, dass zunächst nur eine Überprüfungspflicht normiert ist. Diese steht aber bereits nicht isoliert, sondern hat eine bestimmte Zwecksetzung, nämlich den Ausgleich evtl. eingetretener Inflationsverluste, die dann im Klammerzusatz als Kaufkraftverluste definiert werden. Das Wort "evtl." bedeutet schließlich nichts anderes, als dass zu prüfen ist, ob ein Inflationsverlust eingetreten ist, auch wenn eine Deflation, worauf die Beklagte hingewiesen hat, lange zurückliegen mag. Die Vertragsklausel bleibt indes bei einer bloßen Überprüfungspflicht nicht stehen, sondern regelt darauf aufbauend eine Anpassungspflicht. Das Grundgehalt wird überprüft und ggfs. angepasst. Folge der zweckgebundenen Prüfung des Inflationsverlustes ist eine Anpassung, die dann ggfs. erfolgt. Das Wort ggfs. bedeutet aber nicht, dass es im freien Ermessen der Beklagten steht, ob diese erfolgen soll. Wenn ein Kaufkraftverlust eingetreten ist - auf diese Bedingungen bezieht sich das "ggfs.", soll dieser regelmäßig ausgeglichen werden. Für dieses Verständnis spricht auch die vertragliche Vereinbarung zur Funktionszulage. Diese ist von der so bezeichneten "Kaufkraftanpassung" ausgenommen. Mit diesem Wort wird das beschrieben, was zuvor für das Grundgehalt vereinbart wurde und für die Funktionszulage nicht gelten soll. Eine Kaufkraftanpassung ist indes nichts anderes als die Anhebung des Grundgehalts zum Ausgleich des eingetretenen Inflationsverlusts. Es mag sein, dass die Anpassungs- und Prüfungspflicht keinen vollständigen Automatismus enthält und Sondereffekte ggfs. berücksichtigt werden können. Dazu, d.h. ob z.B. ggfs. Einmalzahlungen wie eine Inflationsausgleichsprämie berücksichtigt werden können, bedarf es keiner Entscheidung. Dies lässt die Kammer ausdrücklich offen. Die obere Grenze der vertraglichen Überprüfungs- und Anpassungsverpflichtung aus § 3 Nr. 1 AV 2009 ist der Ausgleich des Inflationsverlustes. Diese Verpflichtung ist ausgehend von dem maßgeblichen Prüfungsrhythmus für den Kläger für den hier streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt.

4. Der vertragliche Anspruch aus § 3 Nr. 1 AV 2009 beinhaltet für den Kläger nur eine Prüfungs- und Anpassungsverpflichtung in einem Rhythmus von drei Jahren zunächst ausgehend vom 01.04.2009 und schließlich neu aufsetzend ab dem 01.04.2011 mit der Ernennung des Klägers zum Director.

a) Auszugehen ist zunächst von dem Wortlaut der Vereinbarung in § 3 Nr. 1 AV 2009. Die Überprüfungs- und Anpassungsverpflichtung ist dort auch in zeitlicher Hinsicht geregelt. Es soll eine entsprechende Überprüfung und Anpassung in angemessen Zeitabständen von höchstens drei Jahren erfolgen. Die vertragliche Regelung selbst nennt mithin einen Zeitraum, der als Maximalzeitraum eine angemessene Zeitspanne für eine Überprüfung ist und definiert dies als höchstens drei Jahre. Ein entsprechender vertraglicher Anspruch richtete sich auf einen Überprüfungsrhythmus von drei Jahren. Das ist der Maximalzeitraum, welchen die Beklagte aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht unterschreiten darf und zu welchem sie sich vertraglich verpflichtet hat. Ein bestimmter Beginn dieses Rhythmus wird dabei nicht festgelegt; insbesondere wird dieser z.B. nicht auf das Kalenderjahr bezogen. Dem entspricht auch der Sinn und Zweck der vertraglichen Regelung aus der Sicht verständiger und redlicher Vertragspartner. Die Überprüfungs- und Anpassungspflicht bezieht sich auf das konkret mit dem Kläger im AV 2009 vereinbarte Grundgehalt. Dieses ist mit dem AV 2009 neu ab dem 01.04.2009 vereinbart worden. Sinn und Zweck der Klausel ist es, den vertraglichen Wert des ab dem 01.04.2009 vereinbarten Grundgehalts unter Berücksichtigung der Inflation im Grundsatz zu erhalten. Dann ist es sachgerecht, für den Beginn des Überprüfungszeitraums nicht an das Kalenderjahr oder einen anderen beliebigen Zeitpunkt, sondern an den Beginn des AV 2009 ab dem 01.04.2009 anzuknüpfen. Der Wert des ab diesem Zeitpunkt vereinbarten Grundgehalts soll durch die entsprechende Vereinbarung in § 3 Nr. 1 AV 2009 gesichert bzw. erhalten werden.

Einen kürzeren als dreijährigen Überprüfungs- und Anpassungszyklus sieht § 3 Nr. 1 AV 2009 nicht vor. Es geht um eine Überprüfung und Anpassung in angemessen Zeitabständen, wobei diese vertraglich als maximal drei Jahre definiert werden. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus den übrigen Umständen nichts Anderes. Zutreffend ist, dass auch bei der Auslegung Allgemeiner Arbeitsvertragsbedingungen Begleitumstände heranzuziehen sind, die nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren vertraglichen Abrede begleiten (vgl. BAG 15.02.2011 - 3 AZR 196/98, juris Rn. 42). Insofern kann durchaus das Schreiben der L. vom 28.04.2004, welches der Kläger mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.06.2023 zur Akte gereicht hat, als inhaltlich zutreffend unterstellt und gewürdigt werden. Es führt aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu, dass der Prüfungs- und Anpassungsrhythmus vertraglich mit einem Jahr zugesagt ist und die Beklagte daran gemäß § 613a Abs. 1 BGB gebunden wäre. Dies ist nicht der Fall. Auch dieses Schreiben vom 28.04.2004 nimmt in seinem ersten Absatz ausdrücklich Bezug auf die vertraglichen Regelungen, steht mithin nicht isoliert. Der Bezugszeitraum zur Ermittlung des Kaufkraftverlustes, der ab dem 01.05.2004 ausgeglichen wurde, war auch ein deutlich längerer als derjenige von einem Jahr, nämlich vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2003. Richtig ist, dass das Schreiben vom 28.04.2004 dann mitteilt, dass darüber hinaus vorgesehen ist, die Anpassungen zukünftig jährlich durchzuführen. Ein vertraglicher Anspruch, der abweichend von etwaigen vertraglichen Regelungen einen immer einzuhaltenden Mindestzeitraum von einem Jahr begründet, ergibt sich daraus nicht. Es wird schlicht mitgeteilt, dass die Prüfungen, die vertraglich in einem Zeitraum von eben "höchstens" drei Jahren stattzufinden haben, nunmehr jährlich vorgenommen werden. Dies hält sich immer noch innerhalb der vertraglichen Regelungen und ändert diese nicht. Unabhängig davon und selbständig tragend ergibt sich für den Kläger dieses Ergebnis daraus, dass der AV 2009 deutlich nach dem Schreiben vom 28.04.2004 abgeschlossen worden ist. § 3 Nr. 1 AV 2009 enthält aber einen Prüfungs- und Anpassungszeitraum von höchstens drei Jahren. Berücksichtigt man das Schreiben vom 28.04.2004, dann kann jedenfalls der Kläger bei einem nachfolgenden Vertragsschluss, der diesen Jahresrhythmus nicht vorsieht, sondern wieder auf drei Jahre abstellt, auch bei objektiver Betrachtung nicht davon ausgehen, dass vertraglich ein Prüfungs- und Anpassungszeitraum von einem Jahr vertraglich zugesagt ist. Das Gegenteil ist der Fall. An diesem Ergebnis ändert die nachfolgende tatsächliche Anpassungspraxis entgegen der Ansicht des Klägers ebenso nichts wie der Inhalt der dem Kläger übermittelten Anpassungsschreiben. Auch wenn die Anpassung jährlich erfolgte und z.B. ausgeführt wurde, dass die Kaufkraftanpassung des Grundgehalts "für 2010" erfolgte oder eine Kaufkraftanpassung eines bestimmten Prozentsatzes "p.a." mitgeteilt wurde, hält sich dies innerhalb des vertraglichen Rahmens aus § 3 Nr. 1 AV 2009, der eine Anpassung in einem Zeitabstand von "höchstens" drei Jahren regelte. Wenn die L. in tatsächlicher Hinsicht eine jährliche Anpassung vornahm, erfüllte sie damit lediglich die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Kläger. Daraus kann aus der Sicht eines verständigen objektiven Dritten nicht abgeleitet werden, dass sie sich zu einem vom AV 2009 abweichenden jährlichen Mindestrhythmus der Überprüfung und Anpassung vertraglich verpflichtete. Nichts Anderes gilt für die nachfolgend seitens der Beklagten vorgenommen Anpassungen des Grundgehalts des Klägers. Auslegungszweifel bestehen zur Überzeugung der Kammer nicht.

b) Zutreffend ist allerdings, dass der Prüfungs- und Anpassungsrhythmus, nach der Beförderung des Klägers zum Director ab dem 01.04.2011 neu begann, worauf die Kammer im Termin am 10.05.2023 hingewiesen hat. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der unterstellten vertraglichen Verpflichtung der Beklagten zur Überprüfungs- und Anpassungspflicht des Grundgehalts des Klägers aus § 3 Nr. 1 AV 2009. Mit der Beförderung zum Director war aufgrund des Schreibens vom 11.03.2021 zugleich eine leistungsbezogene Gehaltserhöhung verbunden, die über die in dem Schreiben benannte Kaufkraftanpassung von 1,3 % für 2010 hinausging. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wurde so neu bestimmt. Dieses so bestimmte Grundgehalt ist dann auch Grundlage der unterstellten Überprüfungs- und Anpassungsverpflichtung aus § 3 Nr. 1 AV 2009, die dann folgerichtig ab dem 01.04.2011 neu aufsetzt. Die nachfolgenden Gehaltserhöhungen führen nicht dazu, weil es nicht um eine Neubestimmung des vertraglichen Synallagmas bezogen auf das Grundgehalt aus anderen Gesichtspunkten, wie z.B. einer Beförderung ging. So sieht das Schreiben vom 09.03.2022 lediglich eine Erhöhung des Grundgehalts aus Gründen der Kaufkraftanpassung vor. Nachfolgend erfolgte die Erhöhung letztlich alleine nach dem Tarifwerk. Dies bedingt, worauf im Termin am 10.05.2022 hingewiesen wurde, kein Neuaufsetzten des Prüfungs- und Anpassungsrhythmus ab einem späteren Zeitpunkt. Entgegen der vom Kläger geäußerten Ansicht bedarf es auch keines Neuaufsetzens nach jeder erneuten Anpassung. Vertragliche Verpflichtung ist diejenige, dass - ausgehend vom Zeitpunkt des Beginns des AV 2009 bzw. nach der Neubestimmung des Synallagmas betreffend das Grundgehalt durch die Beförderung des Klägers zum Director - jedenfalls regelmäßig der Wert des Grundgehalts erhalten bleibt. Dies wird dann erreicht, wenn dies ausgehend von dem maßgeblichen Zeitpunkt, hier zuletzt dem 01.04.2011, der Fall ist und der vereinbarte dreijährige vereinbarte Überprüfungs- und Anpassungsrhythmus erhalten bleibt. Auslegungszweifel bestehen zur Überzeugung der Kammer auch insoweit nicht.

5. In Anwendung dieses Auslegungsergebnisses ist der vertraglichen Überprüfungs.- und Anpassungsverpflichtung der Beklagten aus § 3 Nr. 1 AV 2009 i.V.m. § 613a Abs. 1 BGB für den hier maßgeblichen Zeitraum genüge getan. Richtig ist, dass § 3 Nr. 1 AV 2009 nur von einem Ausgleich der eingetretenen Inflation spricht bzw. einem Kaufkraftverlust. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte, dass etwas Anderes gemeint sein sollte als der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Auch darauf hat die Kammer hingewiesen. Unabhängig davon spricht dafür auch das Schreiben vom 28.04.2004, das für die Ermittlung der Kaufkraftanpassung vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2003 ohne weiteres auf den Verbraucherpreisindex abstellt. Ausgehend vom 01.04.2011 und bei dreijährigem Überprüfungs- und Anpassungsrhythmus ergeben sich nachfolgend folgende Überprüfungs- und Anpassungstermine: 01.04.2014, 01.04.2017, 01.04.2020 und 01.04.2023. Maßgeblich ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.08.2022 als letzter Überprüfungs- und Anpassungstermin der 01.04.2020.

a) Die Kammer ist zunächst davon ausgegangen, dass der Kaufkraftverlust sich entsprechend der Rechtsprechung zu § 16 BetrAVG ausgehend von dem VPI im Monat vor dem Anpassungsstichtag bemisst. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs ist auf die Indexwerte der Monate abzustellen, die dem Beginn des maßgeblichen Anpassungszeitraums und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen. Nur auf diesem Weg ist der gebotene volle Kaufkraftausgleich sichergestellt (BAG 23.02.2021 - 3 AZR 15/20, juris Rn. 62). Die Kammer hat dabei zunächst den VPI 2020 = 100 für März 2011 89,8 und März 2020 100,3 zu Grunde gelegt. Daraus folgt ein auszugleichender Kaufkraftverlust von: 100,3 - 89,8 = 10,5 : 89,8 x 100 = 11,69 %. Anzupassen wären zum 01.04.2020 mithin 65.200,00 Euro x 111,69 : 100, was ein Jahresgrundgehalt von 72.821,88 Euro ergäbe. Geteilt durch 12 sind dies 6.068,49 Euro. Diesen Anspruch erfüllt die Beklagte in dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.08.2022 durch die monatliche Zahlung von 6.448,59 Euro brutto bzw. monatlich 6.642,09 Euro brutto seit dem 01.07.2022. Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu, weil ausgehend vom 01.04.2011 der volle Kaufkraftverlust durch das ihm gewährte Grundgehalt bereits ausgeglichen ist. Der nächste Prüfungs- und Anpassungsstichtag ist dann erst wieder der 01.04.2023, der nach dem hier streitigen Zeitraum liegt.

b) Soweit der Kläger in dem nachgelassenen Schriftsatz eingewandt hat, dass nicht auf den Monat März abzustellen sei, weil dann im April nicht klar sei, in welcher Höhe die Anpassung zu erfolgen habe, weil die Werte des VPI aus März noch gar nicht vorlägen, sowie darauf, dass das Gehalt am Monatsletzten für den Folgemonat gezahlt wird, ändern diese Argumente an dem Ergebnis nichts. Abzustellen wäre dann auf den Vergleich der maßgeblichen Indizes für den Monat Februar. Von Februar 2011 bis Februar 2020 ergibt sich auf Grundlage des VPI 2020 folgender auszugleichender Kaufkraftverlust. Die Kammer hat dabei den VPI 2020 = 100 für Februar 2011 89,3 und Februar 2020 100,1 zu Grunde gelegt. Daraus folgt ein auszugleichender Kaufkraftverlust von: 100,1 - 89,3 = 10,8 : 89,3 x 100 = 12,09 %. Anzupassen wären zum 01.04.2020 mithin 65.200,00 Euro x 112,09 : 100, was ein Jahresgrundgehalt von 73.082,68 Euro ergäbe. Geteilt durch 12 sind dies 6.090,22 Euro. Auch diesen Betrag an monatlichen Grundgehalt erfüllt die Beklagte im hier streitigen Zeitraum.

c) Und selbst wenn man mit der Argumentation des Klägers zu den tatsächlich vorhandenen Indexwerten den noch älteren VPI mit der Basis 2015 = 100 zu Grunde legte, weil dieser anders als der VPI mit der Basis 2020 = 100 am 01.04.2020 bereits veröffentlich war, ergibt sich kein anderes Ergebnis; und zwar unabhängig davon, ob man auf die Werte für März oder Februar abstellt. Von März 2011 bis März 2020 ergibt sich auf Grundlage des VPI 2015 folgender auszugleichender Kaufkraftverlust. Die Kammer hat dabei den VPI 2015 = 100 für März 2011 95,0 und Februar 2020 105,7 zu Grunde gelegt. Daraus folgt ein auszugleichender Kaufkraftverlust von: 105,7 - 95,0 = 10,7 : 95,0 x 100 = 11,26 %. Von Februar 2011 bis Februar 2020 ergibt sich auf Grundlage des VPI 2020 folgender auszugleichender Kaufkraftverlust. Die Kammer hat dabei den VPI 2020 = 100 für Februar 2011 94,5 und Februar 2020 105,6 zu Grunde gelegt. Daraus folgt ein auszugleichender Kaufkraftverlust von: 105,6 - 94,5 = 11,1 : 94,5 x 100 = 11,74 %. Eine Anpassung des Grundgehalts des Klägers vom 01.04.2014 von 62.500,00 Euro jährlich zum 01.04.2020 um die genannten Prozentwerte führt ebenfalls nicht zu einem höheren Grundgehalt, als demjenigen, das dem Kläger für den hier streitigen Zeitraum seitens der Beklagten bereits gezahlt wird.

6. Es ergibt sich kein abweichendes Ergebnis, wenn man für die Auslegung von § 3 Nr. 1 AV 2009 die Maßstäbe der konkreten Auslegung zu Grunde legt. Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG 29.03.2023 - 5 AZR 55/19, juris Rn. 45). Wortsinn sowie Sinn und Zweck sprechen auch insoweit für dafür, dass der Kläger einen vertraglichen Überprüfungs- und Anpassungsanspruch im o.g. Sinne hat. Der Anpassungsrhythmus beträgt danach ebenfalls drei Jahre und setzt neu mit der Beförderung des Klägers zum Director mit dem 01.04.2011 neu auf. Die konkrete Interessenlage der Vertragsparteien führt zu keinem anderen Ergebnis.

7. Schließlich hat die Kammer nochmals sämtliche Argumente des Klägers auch aus dem nachgelassenen Schriftsatz gewürdigt. Insbesondere ergeben sich unabhängig von den Auslegungsgrundsätzen keine Anhaltspunkte für eine z.B. jährlich kumulierte Anpassung aus § 3 Nr. 1 AV 2009, wie der Kläger sie beschreibt. Maßgeblich ist, dass letztlich ausgehend von dem zutreffenden Aufsatzpunkt zum nächsten Überprüfungs- und Anpassungsstichtag der Wert des Grundgehalts erhalten bleibt, d.h. der bis dahin insgesamt angefallene Kaufkraftverlust ausgeglichen wird. Mehr kann der Kläger auf der Basis von § 3 Nr. 1 AV 2009 nicht verlangen. Dieser Anspruch ist - wie ausgeführt - im streitigen Zeitraum erfüllt. Anhaltspunkte für eine vom Kläger angesprochene ausnahmsweise frühere Überprüfung und Anpassung als zum nächsten Stichtag 01.04.2023 ergeben sich im konkreten Fall nicht. Es bedurfte keiner Entscheidung, ob etwaige Einmalzahlungen für den Ausgleich des Kaufkraftverlusts in Anwendung von § 3 Nr. 1 AV 2009 zu berücksichtigen sind, weil dieser - wie ausgeführt - zum maßgeblichen Stichtag vollständig ausgeglichen ist. Ebenso bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Überprüfungs- und Anpassungspflicht aus § 3 Nr. 1 AV 2009 durch die DV AT nach dem Betriebsübergang abgelöst worden ist, mithin dem Kläger dieser vertragliche Anspruch aus § 3 Nr. 1 AV 2009 gar nicht mehr zusteht. All diese Fragen hat die Kammer offengelassen und nicht entschieden.

II. Der vom Kläger geltend gemachte höhere Anspruch auf das Grundgehalt ergibt sich für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.08.2021 nicht aus dem Schreiben vom 03.06.2013. Es bleibt offen, ob dem Kläger mit dem Schreiben einzelvertraglich die Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis von DV AT und AV 2009 zugesagt worden. ist. Die Auslegung des Schreibens ergibt, dass dem Kläger mit diesem Schreiben jedenfalls kein Anspruch zugesagt worden ist, der über seinen vertraglichen Anspruch hinausgeht. Objektive und konkret- individuelle Auslegung führen zu keinem anderen Ergebnis.

1. Zutreffend weist der Kläger allerdings darauf hin, dass ein für ihn günstiges Vertragsangebot der Beklagten durch ihn auch stillschweigend (§ 151 BGB) angenommen werden kann. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dabei nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte (BAG 25.01.2023 - 10 AZR 109/22, juris Rn. 11). Maßstab bei der objektiven Auslegung sind dabei wie oben dargelegt ausgehend vom Wortlaut die typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dem Schreiben vom 03.06.2013 kein eigenständiger Verpflichtungstatbestand, der über den dem Kläger vertraglich zugesagten Anspruch hinausgeht. Dafür spricht zunächst der Vertragswortlaut. Dieser stellt für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips zwei Dinge gegenüber, nämlich den einzelvertraglichen Anspruch des Klägers und die tarifdynamische Anpassung der Grundgehälter nach der DV AT. Dies belegt bereits der Eingangssatz. Danach ist ausdrücklich der arbeitsvertragliche Anspruch auf Kaufkraftanpassung übergegangen. Es wird mithin kein neuer Anspruch zugesagt oder kreiert, sondern an den bereits vorhandenen arbeitsvertraglichen Anspruch angeknüpft. Dieser und kein neuer Anspruch wird im ersten Absatz der Dynamisierung nach der DV AT gegenübergestellt. Bereits dies zeigt deutlich, dass es um einen Vergleich der beiden bestehenden Anspruchsgrundlagen geht, nicht aber um deren Veränderung. Nicht anders ist aus der Sicht objektiv verständiger Dritter der Eingangsabsatz des zweiten Absatzes zu verstehen. Es wird ausgeführt, dass das Günstigkeitsprinzip zukünftig gelten soll. Auch dies steht indes nicht isoliert, sondern das Schreiben vom 03.06.2013 gelangt dazu unter Würdigung der ausdrücklich genannten Ansprüche, nämlich dem einzelvertraglichen Anspruch auf Kaufkraftanpassung und der Tarifdynamik aus der DV AT. Auch dies spricht deutlich dagegen, dass mit der - hier zu Gunsten des Klägers unterstellten Zusage des Günstigkeitsprinzips - mehr zugesagt werden sollte, als sich aus den beiden Anspruchsgrundlagen ergibt. Dafür können entgegen der Ansicht des Klägers die nachfolgenden Sätze nicht herangezogen werden. Diese konnten aus der Sicht eines verständigen objektiven Dritten nicht so verstanden werden, dass nach dem vorgenommenen Vergleich der beiden Anspruchsgrundlagen diese nunmehr verändert und ein Mehr zugesagt wird. Es wird schlicht konkret als Beispiel ausgeführt, wie dieser Günstigkeitsvergleich durchgeführt werden soll. Richtig ist, dass dabei ausgeführt ist, dass der Kläger "in dem betreffenden Jahr" eine Kaufkraftanpassung des Grundgehalts erhalten soll. Dies knüpft indes lediglich an die bisherige tatsächliche Praxis innerhalb des vertraglich Zugesagten an. Es wurde in tatsächlicher Hinsicht zuletzt durchaus in einem jährlichen Rhythmus überprüft und angepasst. Dies hielt sich - wie ausgeführt - aber innerhalb der Vertragsgrundlage des § 3 Nr. 1 AV 2009, der eine Überprüfung in angemessenen Zeitabständen von höchstens drei Jahren vorsah. Die tatsächliche Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtung durch die bisherige Praxis führt aus Sicht objektiver Dritter auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 03.06.2013 nicht dazu, dass vertraglich zugesagt nunmehr ein kürzerer verpflichtender Rhythmus von einem Jahr gilt. Nichts Anderes folgt daraus, dass dann mit Schreiben demzufolge das Jahresgrundgehalt für 2013 angepasst wird. Und auch die Angabe des VPI als Maßstab für die Bestimmung des Kaufkraftverlusts ist nichts anderes als die Angabe dessen, was vertraglich vereinbart ist, auch wenn dies im § 3 Nr. 1 AV 2009 nicht ausdrücklich genannt ist. Ohnehin ließe sich daraus kein kürzerer Anpassungsrhythmus als vertraglich zugesagt begründen. Die Anwendungsprobleme des Klägers betreffend das hier unterstellt zugesagte Günstigkeitsprinzip ergeben sich nicht. Es ist schlicht ausgehend vom 01.04.2011 als neuem Aufsatzpunkt alle drei Jahre das Grundgehalt des Klägers zu überprüfen. Etwaige Tariferhöhungen, die bereits erfolgt sind, sind dabei zu berücksichtigen. Tarifanpassungen nach dem letzten vertraglichen Anpassungsstichtag werden zu dem tariflich vereinbarten Zeitpunkt nur insoweit weitergegeben, als sie ausgehend von der letzten Tarifanpassung das vertraglich angepasste Gehalt übersteigen. Beide Dynamisierungen würden schlicht parallel laufen und das günstigere Ergebnis jeweils zur Anwendung gelangen. Daran, dass es bei dem vertraglich zugesagten Prüfungs- und Anpassungsrhythmus von drei Jahren ausgehend von zuletzt dem 01.40.2011 bleibt, ändert dies nichts. Auslegungszweifel bestehen nicht.

3. Die konkret-individuelle Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus der Sicht eines konkret individuellen Empfängers in der Situation des Klägers ergibt sich bei Würdigung von Interessenlage und Zweck des Schreibens vom 03.06.2013 kein anderes Ergebnis.

4. Die Kammer hat auch insoweit noch einmal alle Argumente des Klägers auch aus dem nachgelassenen Schriftsatz gewürdigt. Dies führt unabhängig von den angewandten Auslegungsgrundsätzen zu keinem anderen Ergebnis. Der vertragliche Überprüfungs- und Anpassungsanspruch aus § 3 Nr. 1 AV 2009, bei dem es bleibt, ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt. Es bleibt deshalb offen, ob das Günstigkeitsprinzip in dem Schreiben vom 03.06.2013 überhaupt zugesagt wurde, ob die DV AT nach dem Betriebsübergang § 3 Nr. 1 AV hinsichtlich des Kaufkraftanpassung abgelöst hat und wie mit Einmalzahlungen umzugehen ist. All diese Fragen hat die Kammer nicht entschieden.

III. Der vom Kläger geltend gemachte höhere Anspruch auf das Grundgehalt ergibt sich für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.08.2021 nicht aus betrieblicher Übung.

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen. Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen ist insoweit die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (BAG 25.01.2023 - 10 AZR 109/22, juris Rn. 12).

Eine betriebliche Übung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer - möglichen - Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war (BAG 11.07.2018 - 4 AZR 444/17, juris Rn. 30; BAG 27.04.2022 - 4 AZR 262/21, juris Rn. 22). Eine betriebliche Übung entsteht auch dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen, und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 11.07.2018 - 4 AZR 444/17, juris Rn. 30).

2. In Anwendung dieser Grundsätze besteht der vom Kläger für den hier streitigen Zeitraum geltend gemachte Anspruch auf das höhere Grundgehalt nicht aus dem Aspekt der betrieblichen Übung. Es bleibt bei der vertraglich zugesagten Überprüfungs- und Anpassungsverpflichtung aus § 3 Nr. 1 AV 2009 in einem zeitlichen Abstand von drei Jahren, zuletzt neu aufsetzend ab dem 01.04.2011. Diese wird - wie bereits ausgeführt - in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum durch die laufenden Zahlungen des Grundgehalts durch die Beklagte erfüllt. Zunächst konnte der Kläger das Verhalten seitens der L. in Form der durchaus jährlichen Gehaltsanpassungen nicht dahingehend verstehen, dass diese sich über § 3 Nr. 1 AV 2009 hinaus zu einer Überprüfungs- und Anpassungsverpflichtung in einem geringeren zeitlichen Abstand als drei Jahre verpflichten wollte. Sie hat damit, wie bereits ausgeführt und worauf zutreffend auch die Beklagte hingewiesen hat, letztlich lediglich ihre vertragliche Verpflichtung erfüllt, denn in dem Rahmen hielt sich auch eine tatsächlich jährliche Anpassung. Einen Vertragswillen eigenständig über die vertragliche Verpflichtung hinauszugehen, konnte der Kläger diesem Verhalten nicht entnehmen. Nichts Anderes gilt für die Zeit nach dem Betriebsübergang. Hier hat die Beklagte allenfalls die Anpassung nach der DV AT vorgenommen. All dies führt aber nicht dazu, dass der Kläger dieses Verhalten dahingehend interpretieren durfte, dass die Beklagte sich über das in § 3 Nr. 1 AV 2009 hinaus Zugesagte verpflichten wollte.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

C. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht gegeben.

Dr. Gotthardt Vossen Müsgen

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