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Beschluss vom 08.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238331

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt - Aktenzeichen 5 Ta 31/22

1. Macht die Partei deutlich, dass auf jeden Fall ein unbedingter Antrag gewollt ist, kann nicht im Wege der Auslegung von einem Hilfsantrag ausgegangen werden.

2. Ein Weiterbeschäftigungsantrag als unbedingter Antrag ist in der Regel mutwillig i. S. d. § 114 Abs. 2 ZPO .

3. Jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei besteht keine Hinweispflicht des Gerichts.


In dem Beschwerdeverfahren
- Klägerin undBeschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
- Drittwiderbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte:
wegen Prozesskostenhilfe (PKH)
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung am 08. November 2023
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 21.02.2022 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 23.03.2022 - 4 Ca 740/21 (PKH) - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Klägerin hat u. a. für eine Kündigungsschutzklage und einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag Prozesskostenhilfe beantragt.

Zur Begründung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages hat die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt:

Mit Beschluss vom 21.02.2021 hat das Arbeitsgericht der Klägerin überwiegend Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr zur Wahrnehmung ihrer Rechte Kanzlei ..., Rechtsanwälte beigeordnet. Betreffend den Prozesskostenhilfeantrag für die Rechtsverfolgung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung insoweit mutwillig sei.

Gegen den der Klägerin am 22.02.2022 zugestellten Beschluss wendet sich ihre am 22.03.2022 bei dem Arbeitsgericht Halle eingelegte sofortige Beschwerde.

Mit Teilabhilfebeschluss vom 23.03.2022 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen. Betreffend die Zurückweisung des PKH-Antrages für die Rechtsverfolgung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel. Die Klägerin hat die einmonatige Notfrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingehalten. Die Beschwerdeschrift entspricht auch den Vorgaben der §§ 569 Abs. 2, 571 Abs. 1 ZPO.

II.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages zurückgewiesen.

1.

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, die bedürftige Partei beim Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz einer vermögenden Partei gleichzustellen. Die Prozesskostenhilfe zielt nicht darauf ab, Bedürftigen auf Kosten der Allgemeinheit eine Prozessführung zu ermöglichen, von der eine vermögende Partei bei vernünftiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage und der gegebenen prozessualen Möglichkeiten absehen würde.

Gemäß § 91 ZPO sind die Parteien und ihre Vertreter gehalten, die Kosten des Verfahrens angemessen niedrig zu halten. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der Kostenspieligere ist, ohne dass dafür ein sachlicher Grund gegeben ist (Hessisches Landesarbeitsgericht 16.08.2016 - 3 Ta 92/16 - juris, Rn. 7; LAG Berlin 29.11.2005 - 17 Ta 1981/05 - juris, Rn. 3).

2.

Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes hat das Arbeitsgericht richtigerweise die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den vorliegenden Weiterbeschäftigungsantrag wegen Mutwilligkeit abgelehnt. Mutwilligkeit i. S. v. § 114 Abs. 2 ZPO ist anzunehmen, wenn ein Weiterbeschäftigungsanspruch neben der Kündigungsschutzklage nicht im Wege eines uneigentlichen oder unechten Hilfsantrages geltend gemacht wird. In diesem Fall entspricht die gewählte (unbedingte) Antragsformulierung nicht dem Grundsatz der sparsamen Prozessführung und ist als mutwillig anzusehen (Hessisches Landesarbeitsgericht 16.08.2016 - 3 Ta 92/16 - juris, Rn. 10). Im vorliegenden Fall war weder eine offensichtlich unwirksame Kündigung gegeben noch bestand ein besonderes Interesse der Klägerin an der begehrten tatsächlichen Beschäftigung. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin, so sie die Prozesskosten aus eigenen Mitteln hätte bestreiten müssen, die Klage auf vorläufige Weiterbeschäftigung im Wege des unechten Hilfsantrages verfolgt und auf diese Weise dafür Sorge getragen, dass der Wert der Beschäftigungsklage nur im Falle einer Entscheidung oder einer vergleichsweisen Regelung kostenmäßig berücksichtigt wird (§ 45 Abs. 1 und Abs. 4 GKG; § 23 Abs. 1 RVG).

Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift den Weiterbeschäftigungsantrag eindeutig als unbedingten Antrag gestellt. Nur wenn sich aus der Klagebegründung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Weiterbeschäftigungsantrag notwendig von dem Erfolg des Kündigungsschutzantrages abhängig ist, handelt es sich um einen Hilfsantrag. Davon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn der Weiterbeschäftigungsantrag ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gestützt wird. In diesem Fall wird der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsschutzverfahrens auch regelmäßig als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag ausgelegt, und zwar auch dann, wenn der Formulierung des Antrages der Hilfsantrag nicht unmittelbar zu entnehmen ist. Will die klagende Partei in dieser Konstellation ihren Antrag als unbedingten Antrag verstanden wissen, muss sich dies aus der Begründung ergeben. Macht die Partei allerdings deutlich, dass auch vor diesem Hintergrund auf jeden Fall ein unbedingter Antrag gewollt ist, kann nicht unabhängig vom ausdrücklich erklärten Willen der Partei von einem Hilfsantrag ausgegangen werden (LAG Berlin-Brandenburg 14.06.2021 - 26 Sa 603/19 - juris, Rn. 13).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Klageschrift den Weiterbeschäftigungsantrag ausdrücklich ohne inner- oder außerprozessuale Bedingung gestellt, insbesondere nicht unter Bedingung des Obsiegens mit dem auf Kündigungsschutz gerichteten Feststellungsantrag. Insofern besteht für eine Auslegung dahingehend, dass der Weiterbeschäftigungsantrag als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehen ist, kein Spielraum.

Wie das Arbeitsgericht in dem Beschluss vom 23.03.2022 zutreffend hingewiesen hat, bestand in diesem Fall auch keine Hinweispflicht des Gerichtes. Die von dem Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Beschluss vom 09.12.2013 - 14 Ta 347/13 - juris, Rn. 16 genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Mutwilligkeit, das Gericht müsse sofort den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass es die Antragstellung als unbedingt und deswegen mutwillig ansehe, und der Arbeitnehmer trotz dieses Hinweises ausdrücklich erkläre, dass es bei der unbedingten Antragstellung verbleiben solle, führt dies nicht dazu, dass der Klägerin hinsichtlich des Beschäftigungsantrages Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist. Die von dem Landesarbeitsgericht Hamm in der o. g. Entscheidung benannten Voraussetzungen können nicht auf eine anwaltlich vertretene Klägerin übertragen werden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat bei Kenntnis der prozessualen und gebührenrechtlichen Auswirkungen gerade und ausdrücklich den Antrag als unbedingten Hilfsantrag formuliert, ohne ein besonderes Interesse an der Weiterbeschäftigung der Klägerin darzulegen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

D.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen der Rechtsbeschwerde gemäß den §§ 78 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Vorschriften§§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, §§ 569 Abs. 2, 571 Abs. 1 ZPO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 114 Abs. 2 ZPO, § 91 ZPO, § 45 Abs. 1, Abs. 4 GKG, § 23 Abs. 1 RVG, § 97 Abs. 1 ZPO, §§ 78 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG