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Urteil vom 27.06.2023 · IWW-Abrufnummer 238389

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 8 Sa 1049/21

1. Abweichende Entscheidung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20.10.2022 - 18 Sa 138/22.

2. Den klagenden Arbeitnehmer standen die Beihilfen im Krankheitsfall aufgrund einer wirksamen Teilkündigung der diesbezüglichen Bestimmungen in der Vereinsordnung, welche zuletzt als Gesamtbetriebsvereinbarung normative Wirkung entfaltete, nicht mehr zu.

3. Eine Nachwirkung der Bestimmungen in der Vereinsordnung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG scheidet aus, weil der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen der Beihilfeleistungen mitbestimmungsfrei auf Null reduzieren konnte.

4 . Die Betriebsparteien hatten keine Nachwirkung vereinbart. Soll eine gesetzlich nicht vorgesehene Nachwirkung vereinbart werden, so muss dies unmissverständlich erklärt werden. Daran fehlte es.

5. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung aufgrund tatsächlich weiterhin gewährter Beihilfeleistungen im Krankheitsfall scheidet aus, weil die Kläger das Verhalten der Beklagten nur als irrigen Normvollzug verstehen durften. Selbst in den Kreisen der Betriebsräte wurde von einer Nachwirkung der Beihilferegelungen ausgegangen.


Tenor: 1. Auf die Berufungen der Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Essen vom 01.10.2021 - Az.: 4 Ca 1139/21 - (Kläger zu 1.) vom 01.10.2021 - Az.: 4 Ca 1174/21 - (Kläger zu 2.), vom 18.11.2021 - Az.: 1 Ca 1333/21 - (Kläger zu 3.), vom 13.01.2022 - Az.: 1 Ca 1915/21 - (Kläger zu 4.), vom 31.01.2022 - Az.: 6 Ca 2108/21 - (Kläger zu 5.) und vom 17.05.2022 - Az.: 2 Ca 137/22 - (Kläger zu 6.) abgeändert. Die Klagen werden abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/6. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Beihilfen im Krankheitsfall (Zuschüsse zu Krankheitskosten) nach Maßgabe einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15.12.1978 (im Folgenden Vereinsordnung) zu gewähren.

In der Vereinsordnung, die zwischen dem GT. e.V. (im Folgenden GT. e.V.) und dem bei ihm gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossen wurde und wegen deren Inhalts im Einzelnen auf Blatt 128 ff. der Akte Bezug genommen wird, ist unter anderem bestimmt:

"Teil I: ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN 1. Geltungsbereich Die Vereinsordnung gilt für alle Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (mit Ausnahme der Leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes sowie mit Ausnahme der Auszubildenden gemäß Berufsbildungsgesetz, Leihkräfte und Praktikanten) - im folgenden Mitarbeiter genannt. 2. Inkrafttreten und Kündigung 2.1. Die Vereinsordnung tritt am 1. Januar 1979 in Kraft. 2.2. Die Vereinsordnung oder Teile der Vereinsordnung können mit einer Frist von drei Monaten zum Endes eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform. 2.3. Unberührt bleibt das Recht, auch ohne Kündigung die Bestimmungen der Vereinsordnung im beiderseitigen Einverständnis zu ändern. 2.4 .Die Vereinsordnung des GT. e. V. vom 26. Juni 1964 in der Fassung vom 1. Januar 1972 tritt am 31. Dezember 1978 außer Kraft. 3. Nachwirkung Die Bestimmungen der Vereinsordnung gelten über den Zeitpunkt, in welchem die Vereinsordnung endet, hinaus so lange weiter, bis eine neue Vereinbarung zwischen Vorstand und Gesamtbetriebsrat getroffen ist. ... Teil IV: BEIHILFEN 34. Beihilfe im Krankheitsfall 34.1. Der Verein gewährt den Mitarbeitern im Falle von Krankheit Beihilfen zu den Kosten der ambulanten Arztbehandlung und zu den Aufwendungen für ärztlich verordnete Heilmittel (einschl. Zahnbehandlung und Zahnersatz). Beihilfen zu den Krankenhauskosten gewährt der Verein nur Mitarbeitern, die in der Vergütungsgruppe A 08 oder höher eingruppiert sind sowie solchen Mitarbeitern, die 10 Jahre oder länger beim Verein tätig sind. 34.2.Voraussetzungen für eine Beihilfengewährung sind: a) daß der Mitarbeiter unter den Geltungsbereich der Vereinsordnung fällt, b) daß der Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Jahr dem Verein angehört hat und daß er mindestens 15 Std./Woche tätig ist, c) daß der Mitarbeiter für sich und seine beihilfeberechtigten Familienangehörigen (Ehegatte und kindergeldberechtigte Kinder) bei einer Krankenkasse oder einer Krankenversicherung einschlägig mit einem angemessenen Beitrag und gemäß dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, d) daß der Mitarbeiter zu der Zeit, in welcher Aufwendungen entstanden sind, laufende oder Krankenbezüge im Rahmen des mit dem Verein bestehenden Dienstverhältnisses erhalten hat. Hierzu zählt auch die Zeit, für welche ein Mitarbeiter in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird, e) daß der Mitarbeiter die Beihilfe innerhalb von 18 Monaten nach Entstehen der Aufwendungen bzw. nach Ausstellung der Rechnungen beantragt, f) daß der Mitarbeiter oder seine beihilfeberechtigten Familienangehörigen keine Beihilfen oder Ersatzleistungen aus anderen Arbeitsverhältnissen, von Rententrägern, Beihilfeträgern oder ähnlichen Einrichtungen sowie aus sonstigen Rechten in Anspruch nehmen können. ..."

Die Vereinsordnung sieht hinsichtlich der Beihilfeleistungen unter anderem vor, dass durch Rechnungen nachgewiesene notwendige Aufwendungen, die dem Mitarbeiter durch eigene Erkrankung oder durch Erkrankung beihilfeberechtigter Familienangehöriger entstehen, beihilfefähig sind. Wegen des Umfangs der beihilfefähigen Kosten enthalten die Ziffern 34.4 ff. der Vereinsordnung detaillierte Regelungen.

Der Kläger zu 5) trat zum 01.07.1986 als Prüfingenieur / Kraftfahrzeugsachverständiger in die Dienste des GT. e.V.. Er wurde seitdem in der technischen Prüfstelle Essen eingesetzt. Ziffer 9 des schriftlichen Dienstvertrags vom 08.12.1986 (Blatt 45 ff. der Akte ArbG Essen 6 Ca 2108/21) enthält eine Verweisung auf die Bestimmungen der Vereinsordnung in ihrer jeweiligen Fassung. Der Kläger zu 4) wurde zum 01.10.1989 vom GT. e.V. als Ingenieur mit Teilbefugnissen für den Kraftfahrzeugverkehr eingestellt und zunächst in der technischen Prüfstelle Dortmund eingesetzt. Zuletzt war er in Essen für die Beklagte tätig. Der Dienstvertrag vom 13.03.1990 (Blatt 16 ff. der Akte ArbG Essen 1 Ca 1915/21) enthält eine inhaltgleiche Verweisungsklausel wie derjenige des Klägers zu 5). Den Kläger zu 6) stellte der GT. e.V. zum 01.04.1990 als Ingenieur mit dem Zweck der amtlichen Anerkennung als Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr an. Auch in dessen Dienstvertrag vom 13.09.1990 (Blatt 818 ff. der Akte) findet sich in Ziffer 9 eine inhaltgleiche Verweisungsklausel auf die Vereinsordnung vom 15.12.1978. Eine entsprechende Bestimmung enthält das vom Kläger zu 6) gegengezeichnete Schreiben der QX. GmbH vom 26.04.2002 (Blatt 836 der Akte). Der Kläger zu 6) wurde zunächst in Duisburg, ab 1996 in Essen, zwischen 2002 und 2006 in Würselen und Moers sowie ab Juli 2007 wieder in Essen eingesetzt. Der Kläger zu 2) schloss mit Wirkung zum 01.08.1991 einen Dienstvertrag mit dem GT. e.V. Auch dessen Dienstvertrag vom 01.08.1991 enthält in Ziffer 9 eine inhaltgleiche Verweisungsklausel auf die Vereinsordnung vom 15.12.1978. Ab dem 16.02.2016 wurde das Arbeitsverhältnis unter Anrechnung der Vordienstzeiten von den Parteien als AT-Arbeitsvertrag fortgesetzt, der Kläger wurde innerhalb des Funktionalbereichs Fahrzeughalter, Abteilung Liegenschaften als Leiter Liegenschaften tätig. Wegen der Arbeitsbedingungen in Einzelnen wird auf den schriftlichen AT-Arbeitsvertrag vom 15.02.2016 (Blatt 4 f. der Akte ArbG Essen 4 Ca 1174/21) Bezug genommen.

Wegen der geplanten Neustrukturierung und Unternehmensaufspaltung des GT. e.V., der seinerzeit über fünf Betriebsstätten verfügte, schlossen der GT. e.V. und der Gesamtbetriebsrat am 06.11.1992 eine Rahmenvereinbarung, die anschließend redaktionell überarbeitet und unter dem 22.02.1993 erneut schriftlich niedergelegt wurde. In letzterer heißt es unter anderem wie folgt:

"§ 1 Beschreibung der Betriebsänderung (1) Das bisher einheitliche Unternehmen wird in insgesamt vier Unternehmen aufgespalten: dem GT. e. V., der Träger einer technischen Überwachungsorganisation i. S. des § 24 GewO ist und bei dem die amtlich anerkannten Sachverständigen nach § 24 c GewO sowie die vom QM. NRW anerkannten Sachverständigen beschäftigt bleiben und dem im übrigen die Funktion einer Vermögensverwaltungsgesellschaft zukommt; einer Holding AG als Eigentümerin -einer ZZ. GmbH, die als operative Gesellschaft alle mit dem Kfz-Bereich zusammenhängenden freiwirtschaftlichen und staatsentlastenden Tätigkeiten durchführt, wobei die zur Durchführung der staatsentlastenden Aufgaben erforderlichen Sachverständigen ebenso in der GmbH angestellt sind; -einer TA. GmbH, in der als operative Gesellschaft alle übrigen bisher vom GT. e. V. wahrgenommenen freiwirtschaftlichen Aufgaben ausgeführt werden. Zur Erfüllung der freiwirtschaftlichen Aufgaben kann sich die TA. GmbH auch des GT. e. V. als Unterauftragnehmer bedienen. Der GT. e. V. wird in diesem Fall im Namen und auf Rechnung der TA. GmbH tätig und bedient sich dabei der amtlich anerkannten Sachverständigen als Erfüllungsgehilfen. Einzelheiten regelt ein separat geschlossener Kooperationsvertrag, der mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt ist. (Anlage.....) ... (3) Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat sind sich einig, daß diese Vereinbarung nur für die MitarbeiterInnen gilt, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs im GT. e. V. beschäftigt sind. § 2 Besitzstandswahrung (1) Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, daß durch die Neustrukturierung und den damit verbundenen Betriebsübergang den betroffenen Arbeitnehmer-Innen beim Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse und darüber hinaus auch bei zukünftigen Umstrukturierungen bzw. Ausgliederungen keine Nachteile entstehen dürfen. (2) Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, daß die materiellen Arbeitsbedingungen der bisher beim GT. e. V. beschäftigten MitarbeiterInnen so lange bestehen bleiben, bis Betriebspartner oder Tarifpartner sie in Zukunft verändern. ... § 7 Abschluß von Betriebsvereinbarungen in den ausgegründeten Unternehmen (1) Soweit die Betriebsidentität nicht erhalten bleibt, finden die bisherigen Betriebsvereinbarungen bis zur Wahl neuer Betriebsräte Anwendung. (2) Bis zum Abschluß neuer Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten die derzeitigen Gesamtbetriebsvereinbarungen weiter. Für ab dem Stichtag einzustellende neue MitarbeiterInnen wird die Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung nicht angewandt, es sei denn, daß der Arbeitgeber ihnen eine solche gewähren muß. (3) Der Arbeitgeber wird in seiner Eigenschaft als zukünftige Konzernleitung dafür sorgen, daß in den nach § 1 aufgespaltenen Unternehmen mit den sich bildenden Betriebsräten zügig über den Abschluß neuer Betriebsvereinbarungen verhandelt wird. Die Zusagen gem. § 2 dieser Vereinbarung zur Besitzstandswahrung für bisher beim GT. e. V. beschäftigte MitarbeiterInnen bleiben hiervon unberührt. ... § 11 Erstreckung dieser Vereinbarung auf die ausgegründeten Konzernunternehmen (1) Der Arbeitgeber sichert in seiner Eigenschaft als zukünftige Konzernleitung und Mehrheitsgesellschafter der ausgegründeten Tochtergesellschaften zu, daß er die Geschäftsleitungen dieser Tochtergesellschaften anweisen wird, diejenigen Regelungen dieser Vereinbarung, die sich auf die gemäß § 1 ausgegründeten Tochterunternehmen beziehen, korrekt und dem Geiste dieser Vereinbarung entsprechend einzuhalten. Im Falle der Zuwiderhandlungen macht der Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als zukünftige Konzernleitung und Mehrheitsgesellschafter seinen ganzen Einfluß auf die Geschäftsleitungen der ausgegründeten Tochterunternehmen geltend, um umgehend für Abhilfe zu sorgen. (2) Der Arbeitgeber sichert in seiner Eigenschaft als zukünftige Konzernleitung und Mehrheitsgesellschafter weiterhin zu, daß er nach Ausgründung der Tochterunternehmen deren Geschäftsleitungen anweisen wird, dieser Vereinbarung beizutreten."

Wegen des weiteren Inhalts der Rahmenvereinbarung nebst ihren Anlagen (im Folgenden RV 1992/93) wird auf Blatt 587 ff. der Akte Bezug genommen.

Die Aufspaltung wurde zum 01.04.1993 wie beschrieben umgesetzt; die QX. GmbH setzte die Arbeitsverhältnisse der Kläger zu 2), zu 4), zu 5) und zu 6) inhaltlich unverändert fort. Mit Schreiben vom 05.03.1993 (Blatt 600 der Akte) brachte der GT. e.V. zum Ausdruck, dass es sich bei der "Strukturänderung" um einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB handele. Im Zusammenhang mit einer Fusion mit der Firma DMT im Jahre 1994 kam es zur Gründung eines Konzernbetriebsrates.

Die QX. GmbH stellte den Kläger zu 3) zum 01.01.1995 ein. In Ziffer 15 seines Anstellungsvertrages vom 01.01.1995 ist ein Hinweis auf die Geltung der "gültigen Betriebsvereinbarungen mit Ausnahme der Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung" enthalten. Ab dem 01.11.2015 wurde das Arbeitsverhältnis unter Anrechnung der Vordienstzeiten von den Parteien als AT-Arbeitsvertrag fortgesetzt, der Kläger wurde innerhalb des Bereichs RY. (MQT) als Leiter Qualität tätig. Beschäftigungsort des Klägers zu 3) war durchgehend Essen. Wegen der Arbeitsbedingungen im Einzelnen wird auf den schriftlichen AT-Arbeitsvertrag vom 16.10.2015 (Blatt 632 ff. der Akte) Bezug genommen. Der Kläger zu 1) trat zum 01.04.1995 als Kfz-Meister in die Dienste der QX. GmbH. Im schriftlichen Anstellungsvertrag vom 24.03.1995 (Blatt 20 ff. der Akte) findet sich unter Ziffer 15 ein Hinweis (unter anderem) auf die Geltung der "gültigen Betriebsvereinbarungen mit Ausnahme der Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung". Der Kläger zu 1) wurde durchgehend am Standort Essen beschäftigt.

Mit Schreiben vom 20.08.2003 erklärte die QX. GmbH - was erst zweitinstanzlich aktenkundig wurde - gegenüber dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat das Folgende:

"Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten mit Ihnen im beiderseitigen Einvernehmen die Beihilfenregelung im Krankheitsfall, die in unserer Vereinsordnung vom 15.12.1978 geregelt ist, in einigen Punkten ändern. Da wir heute nicht absehen, ob eine einvernehmliche Änderung möglich ist, kündigen wir hiermit vorsorglich den "Teil IV Beihilfen" der Vereinsordnung des GT. e.V. vom 15.12.1978 zum 31.12.2003. Wir bitten Sie, mit uns kurzfristig in Gespräche über die zu vereinbarenden Änderungen einzutreten."

Die in der Folge zwischen den Gesamtbetriebsparteien geführten Gespräche blieben ergebnislos. Wegen des Inhalts des Anschreibens der QX. GmbH an den Gesamtbetriebsrat vom 17.11.2003 wird auf Blatt 1002 der Akte Bezug genommen. Ausweislich des Protokolls der Konzernbetriebsratssitzung vom 27.11.2003 (Blatt 1100 der Akte) gingen die Mitglieder des Konzernbetriebsrats davon aus, dass die von der QX. GmbH gekündigte Betriebsvereinbarung Nachwirkung entfalte. Sämtliche Kläger erhielten nach wie vor dem 31.12.2003 Beihilfeleistungen, wie sie in der Vereinsordnung vom 15.12.1978 geregelt sind. Nach dem 31.12.2003 eingestellten Mitarbeitern der QX. GmbH wurden keine Beihilfeleistungen gewährt. In einzelnen Fällen erhielten vor dem 31.12.2003 eingetretene Mitarbeiter Beihilfeleistungen entsprechend der Vereinsordnung auch dann noch, als sie außerhalb deren ursprünglichen räumlichen Geltungsbereichs weiterbeschäftigt wurden.

In den Jahren 2004/2005 kam es zu einem Zusammenschluss der Unternehmensgruppen des XJ. und des GT. Aus diesem Anlass schlossen unter anderem der GT. e.V., der XJ. e.V. und die Gewerkschaft XC. am 28.06./01.07.2004 einen Überleitungstarifvertrag (im Folgenden ÜTV 2004, Blatt 58 ff. der Akte), in dem auszugsweise Folgendes bestimmt ist:

"§ 1 Geltungsbereich 1. Dieser Tarifvertrag gilt räumlich und betrieblich für die folgenden Unternehmen und Betriebe: (...) XJ. Straßenverkehr GmbH & Co. KG (...) QX. GmbH (...) § 2 Betriebsänderung und Betriebsübergang 1. Die Tarifvertragsparteien sind übereinstimmend der Auffassung, dass es sich bei der Fusion von Unternehmen der XJ. Gruppe und des GT. Konzerne insgesamt um Betriebsübergänge i. S. von § 613 a BGB und Betriebsänderungen handelt, die betriebsverfassungsrechtlich als Betriebsänderungen i. S. der §§111 ff BetrVG behandelt werden. Dies gilt unabhängig von der Personalstärke der einzelnen operativen Betriebsteile und dem jeweiligen Übergangstermin. Die Regelungen dieser Ziffer gelten nicht bei Gesellschafterwechsel. 2. Als Zeitpunkt des Betriebsübergangs gilt der Tag, an dem die XJ. GmbH (später XJ. AG) bzw. die RL. AG oder die XJ. Gruppe dem Unternehmen die Tätigkeiten überträgt. (...) § 4 Besitzstandssicherung 1. Durch die Fusion und den damit verbundenen Betriebsübergangen sollen den betroffenen Arbeitnehmern keine Nachteile entstehen. 2. Die bisherigen Rechte aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, Gesamtbetriebsvereinbarungen, Konzernbetriebsvereinbarungen, Interessenausgleichsvereinbarungen oder betrieblicher Übungen (z. B. kostenfreie Haupt- und Abgasuntersuchung, Zuschuss des RL. für Jubilarfeiern) bleiben auch nach dem jeweiligen Betriebsübergang ungeschmälert erhalten und gelten dynamisch fort. (...) 4. Die XJ. Gruppe und der ZZ. Konzern sichern zu, dass die gemäß § 613 a BGB übergehenden Arbeitsverhältnisse bei dem jeweiligen neuen Arbeitgeber nicht den dort bereits bestehenden Rechtsnormen anderer Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge unterliegen. Insoweit werden die Rechtswirkungen des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB verdrängt. (...) 5. Ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Betriebsübergangs ist zu gewährleisten, dass geltende Verbands- oder Haustarifverträge und Betriebsvereinbarungen jeweils für die Arbeitnehmer kollektivrechtlich weiter gelten, die zum Zeitpunkt der Fusion von deren Geltungsbereich erfasst wurden. Zu diesem Zweck sind die aus dem jeweiligen Betriebsübergang hervorgehenden Unternehmen mit Wirkung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Betriebsübergangs verpflichtet, die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zu erwerben und/oder den von den beteiligten Unternehmen abgeschlossenen Haustarifverträgen als Tarifvertragspartei beizutreten, wobei der persönliche Geltungsbereich der jeweiligen Tarifverträge durch eine entsprechende Vertragsergänzung auf die Arbeitnehmer beschränkt wird, die bereits zum Zeitpunkt des jeweiligen Betriebsübergangs von deren Geltungsbereich erfasst wurden. (...) §13 Schlussbestimmungen 1. Dieser Tarifvertrag tritt mit Abschluss der notariellen Einbringungsverträge in Kraft und endet am 31.12.2008. Regelungen mit einer über den 31.12.2008 hinausgehenden Laufzeit enden mit Fristablauf. Dieser Tarifvertrag hat keine Nachwirkung. (...) 3. Über die gesetzlichen Vorschriften des § 613 a BGB hinaus wird festgelegt, dass alle in diesem Überleitungstarifvertrag getroffenen Regelungen für einen bestimmten Zeitraum wirksam sind. Für Betriebsübergänge, die bis zum 31.12.2004 erfolgen, endet dieser Zeitraum am 30.06.2007. Für Betriebsübergänge, die zwischen dem 01.01.2005 und dem 31.12.2005 erfolgen, endet dieser Zeitraum 24 Monate nach dem Betriebsübergang, jedoch nicht vor dem 30.06.2007. Für Betriebsübergänge, die nach dem 01.01.2006 erfolgen, endet dieser Zeitraum 18 Monate nach dem Betriebsübergang, sofern gesetzliche Regelungen keine längere Frist vorschreiben. Für diesen Zeitraum werden die Regelungen für alle neuen Arbeitgeber allgemein verbindlich festgeschrieben, soweit in diesem Überleitungstarifvertrag nichts anderes geregelt ist."

Der Geschäftsbetrieb der QX. GmbH wurde dabei auf die XJ. Straßenverkehr GmbH & Co KG übertragen, diese firmierte in die Beklagte um. Erstgenannte unterhielt seinerzeit 5 Betriebe (Duisburg, Essen, Dortmund, Hagen und Siegen), letztere 17 (vgl. die Aufstellung Blatt 577 der Akte). Bei der Beklagten wurden zwei Betriebe zusammengelegt, so dass 20 Betriebe verblieben. Die Betriebe Essen und Duisburg bestanden unverändert fort. Am 22.04.2005 schloss die OA. GmbH & Co KG mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan" (Blatt 601 ff. der Akte) ab, in dem es wie folgt heißt:

"Präambel Die Betriebspartner stimmen darüber überein, dass die nachfolgend beschriebene Zusammenführung der beiden Unternehmen und die damit verbundene Umstrukturierung des neuen Unternehmens VP. GmbH & Co. KG (nachfolgend TNM) Folge des Zusammenschlusses der beiden Unternehmensgruppen XJ. und RL. ist. Die Zusammenführung der beiden Unternehmen erfolgt im Wege der Übertragung des Geschäftsbetriebes der FB. FZ auf die TNS, die gleichzeitig in TNM umfirmiert wird. Für die Beschäftigten der RL. FZ ist dies mit einem Betriebsübergang gem. § 613 a BGB verbunden. Die Regelungen des Überleitungstarifvertrages (ÜTV) vom 02.07.2004 finden für Mitarbeiter der TNS und RL. FZ, die zum Zeitpunkt der Zusammenführung in einem der beiden Unternehmen beschäftigt sind, vollumfänglich Anwendung. (...) 1.2 Auswirkungen der Betriebsänderung 1.2.1 Auswirkungen auf die Beschäftigten Die Zusammenlegung von TNS und RL. FZ ist für die Beschäftigten der RL. FZ mit einem Betriebsübergang verbunden. 1.2.2 Auswirkungen auf die Betriebsratsstruktur Der Betrieb im Sinne von § 1 BetrVG ist die Region. Für die Dauer der Amtszeit der derzeitigen Betriebsräte bleibt die bisherige Betriebsratsstruktur erhalten (§ 9 ÜTV). Die zukünftige Betriebsratsstruktur kann gem. § 3 BetrVG geregelt werden. Sofern Teilbetriebe mit anderen Betrieben zusammengelegt werden, ist der Betriebsrat des aufnehmen Betriebes der dann zuständige Betriebsrat; das Mandat von Betriebsratsmitgliedern aus solchen übergehenden Teilbetrieben erlischt mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs. Bei Verlust der Betriebsidentität durch Zusammenlegung oder Spaltung von Betrieben bzw. Betriebsteilen behält der Betriebsrat, der die größte Zahl von Beschäftigten vertritt, das Übergangsmandat (§ 21 a BetrVG) bis zur Wahl eines neuen Betriebsrates (§ 9 (3) ÜTV). (...) 3. Schlussbestimmungen Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie endet 24 Monate nach Betriebsübergang, frühestens jedoch am 30.06.2007. Regelungen mit einer darüber hinausgehenden Laufzeit enden mit Fristablauf."

Mit Schreiben vom 25.05.2005 informierte die QX. GmbH die Kläger über einen Betriebsübergang auf die Beklagte zum 01.07.2005. Die Kläger erklärten in der Folge keinen Widerspruch gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse.

In einer "Konzernbetriebsvereinbarung über die Betriebsordnung im DD." vom 01.06.2008 (KBV 2008), geschlossen zwischen der XJ. AG und dem Konzernbetriebsrat, heißt es unter anderem wie folgt:

"1. Geltungsbereich (...) Die Konzernbetriebsvereinbarung gilt nicht, soweit in örtlichen Betriebsvereinbarungen oder in Einzelverträgen günstigere Regelungen vereinbart sind. (...) 12. Schlussbestimmungen Diese Betriebsordnung tritt mit Unterzeichnung in Kraft und ersetzt alle bisherigen Vereins- bzw. Betriebsordnungen im XJ. Konzern, mit Ausnahme der bei Abschluss dieser Betriebsvereinbarung geltenden Regelungen über Beihilfen im Krankheitsfall und für Heiraten und Geburten (RL. alt). Diese gelten unverändert fort."

In den Arbeitsverträgen der Kläger zu 2) und zu 3) aus den Jahren 2015 und 2016 findet sich unter Ziffer XVII. eine Bestimmung, wonach die KBV 2008 in der jeweils gültigen Fassung gelte.

Am 10.12.2009 schlossen die Tarifgemeinschaft CN. e.V. und die Gewerkschaften XC. und SF. mit Wirkung zum 01.01.2010 einen Tarifvertrag über die Bildung von Betrieben zur Bildung von Betriebsräten gemäß § 3 (1) BetrVG und die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrates im XJ. Konzern, wegen dessen Inhalts auf Blatt 679 ff. der Akte Bezug genommen wird. Mit 4. Änderungstarifvertrag zu diesem Tarifvertrag vom 07.12.2017 (Blatt 715 ff. der Akte) wurde die Betriebsstruktur der Beklagten (geregelt in Anlage 10 zum Tarifvertrag vom 10.12.2009) dahingehend modifiziert, dass die Mitarbeiter in den Zulassungsbezirken nunmehr nur noch 14 "Betriebsräten" zugeordnet waren. Zu diesen gehörte der Betriebsrat Rhein/Ruhr (Nr. 13), der unter anderem für die Mitarbeiter der früheren Betriebe Essen und Duisburg zuständig war. Er war auch zuständig für Mitarbeiter in den Zulassungsbezirken der Beklagten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Aufgrund gesetzlicher Änderungen war die Beklagte berechtigt, auch in Regionen außerhalb ihres ursprünglichen Tätigkeitsbereiches Kfz-Hauptuntersuchungen und Abgasuntersuchungen zu erbringen. Gegenüber dem Jahr 2016 stieg die Anzahl der dem Regionalbetrieb Rhein-Ruhr im Jahresdurchschnitt zugeordneten Mitarbeiter bis zum Jahr 2018 um zumindest 53 auf 424 an.

Mit Schreiben vom 25.03.2021 teilte die PC. GmbH & Co KG den Klägern und allen weiteren Arbeitnehmern, die bis dahin von der Beklagten Beihilfeleistungen bezogen hatten, mit, die Konzerngeschäftsleitung der XJ. GROUP habe entschieden, sämtliche individualrechtlichen Zuschüsse zu den verbleibenden Krankheits- und Behandlungskosten nach Maßgabe von Teil IV der Vereinsordnung des RL. e.V. vom 15.12.1978 mit Wirkung zum 30.06.2021 fristgerecht zu kündigen. Diese Kündigung spreche sie "im Namen und in Vollmacht Ihres Arbeitgebers" zum genannten Zeitpunkt aus. Der Rechtmäßigkeit dieser Erklärung widersprachen sämtliche Kläger schriftlich. Unter dem 21.03.2022 kündigte die Beklagte die Regelung über die Zuschüsse zu verbleibenden Krankheits- und Behandlungskosten nach Maßgabe von Teil IV. der Vereinsordnung des RL. e.V. vom 15.12.1978 "rein vorsorglich" schriftlich gegenüber dem Gesamtbetriebsrat sowie gegenüber dem Betriebsrat Hannover.

Mit ihren zwischen Juni 2021 und Januar 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klagen haben die Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 25.03.2021 begehrt. Sie haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, es handele sich um eine unzulässige Teilkündigung, die nicht geeignet sei, einen individualrechtlich weiterbestehenden Beihilfeanspruch abzubedingen. Die Kläger zu 1), zu 4) und zu 5) haben gemeint, es sei "wohl" davon auszugehen, dass der ursprünglich kollektivrechtliche Anspruch zwischenzeitlich in den Arbeitsvertrag der Parteien - etwa in Form einer Gesamtzusage - überführt worden sei. Die in der Vereinsordnung von 1978 vorgesehene Teilkündigungsmöglichkeit sei allerdings mangels entsprechender Parteiabrede nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages der Kläger geworden; auch eine Widerrufsmöglichkeit habe sich die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger nicht vorbehalten. Eine Ersetzung der Gesamtzusage durch eine verschlechternde "Nullzusage" sei nicht möglich. In späteren Schriftsätzen haben die Kläger ergänzt, angesichts der Regelung in Ziffer 12 Abs. 1 Satz 2 der KBV 2008 komme auch der Fortbestand eines kollektivrechtlichen Anspruchs in Betracht. Sollte dem so sein, scheitere die Kündigung schon daran, dass der (Gesamt-) Betriebsrat nicht involviert worden sei. Materiell sei die Kündigung unverhältnismäßig, weil es der Beklagten wirtschaftlich nicht so schlecht gehe, dass die Beihilfeansprüche nicht mehr finanziert werden könnten. Zum einen beliefen sich die jährlichen Beihilfekosten für die mehr als 500 noch aktiven anspruchsberechtigten Mitarbeiter auf insgesamt nicht mehr als 88.000,00 € (2019) bzw. 63.000,00 € (2020). Zum anderen sei zwar zutreffend, dass die Beklagte per 31.12.2020 ein negatives Eigenkapital von rund 30 Millionen € ausgewiesen habe, ihre wirtschaftliche Existenz aber - so die Behauptung der Kläger - über einen Betriebsführungsvertrag mit der Konzernmutter XJ. AG gesichert sei. Soweit die Beklagte ihre Argumentation mit Rechtsprechungsgrundsätze zur Einschränkung von betriebsrentenrechtlichen Versorgungsansprüchen untermauere, passten diese auf die vorliegende Fallkonstellation nicht. Der Kläger zu 2) hat darauf hingewiesen, dass er einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Beihilfeleistungen habe. Daran ändere die in Ziffer 2.2 der Vereinsordnung von 1978 geregelte Teilkündigungsmöglichkeit nichts, weil eine darauf gestützte Kündigung zu einer Nachwirkung der Regelungen führe. Die Beklagte habe die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet. Der bloße Verweis auf ein negatives Eigenkapital von rund 30 Millionen € per 31.12.2020 sei alleine nicht aussagekräftig. Auch der Kläger zu 3) hat gemeint, die Beihilfeleistungen seien nicht kündbar, da sie in das aus dem Beschäftigungsverhältnis stammende Vergütungssystem eingriffen. Derartiges habe nur unter Beteiligung des Betriebsrats geschehen können, er sei der falsche Adressat für die Kündigung. Abgesehen davon verstoße die Kündigung vom 25.03.2021 gravierend gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Hierzu hat der Kläger zu 3) behauptet, ihm sei bei seiner Einstellung im Jahre 1995 sowie beim Wechsel in den AT-Bereich im Jahre 2015 die Gewährung der Zuschüsse zu den verbleibenden Krankheitskosten zugesichert worden. Deshalb habe er es seinerzeit unterlassen, private Kranken- und Zusatzversicherungen für sich und seine Familie abzuschließen. Diese seien für ihn nunmehr mit deutlich höheren Beiträgen verbunden, schlösse er sie heute ab. Der Kläger zu 6) schließlich hat darauf hingewiesen, dass eine jede Kündigung der Beihilfeansprüche nach der Vereinsordnung von 1978 allenfalls dazu führen könne, dass deren einschlägige Regelungen nachwirkten. Zwischenzeitlich durchgeführte Betriebsübergänge dürften nicht dazu führen, dass die Beklagte sich leichter von früher versprochenen Leistungen trennen könne als ihre Rechtsvorgängerin noch unter Geltung der Gesamtbetriebsvereinbarung. Das gelte insbesondere auch für eine anzunehmende Gesamtzusage. Abgesehen davon rechtfertige die wirtschaftliche Situation der Beklagten die Kündigung der Beihilferegelung nicht.

Alle Kläger haben zuletzt - zumindest sinngemäß - beantragt,

festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 25.03.2021 mit Wirkung zum 30.06.2021 hinsichtlich der Beihilfeleistungen im Krankheitsfall nach Maßgabe von Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung des GT.s vom 15. Dezember 1978 unwirksam ist.

Die Kläger zu 2) und zu 3) haben weiterhin beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30.06.2021 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat zur Stützung ihrer Klageabweisungsanträge im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Vereinsordnung von 1978 sei im Rahmen des Betriebsübergangs auf ihre Rechtsvorgängerin zwar in eine individualvertragliche Regelung transformiert worden, die kollektive Wirkung dieser ursprünglichen Betriebsvereinbarung sei aber dadurch nicht verloren gegangen. Es handele sich zuletzt bei der Beihilfenregelung um eine Gesamtzusage, die durch eine nachfolgende Regelung auch zum Nachteil der Mitarbeiter abgeändert werden könne. Eine Betriebsvereinbarungsoffenheit der Regelung sei gemäß der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu unterstellen und eine Ablösung damit auch durch eine neue vertragliche Einheitsregelung bzw. eine Gesamtzusage ohne weiteres möglich. Diese Möglichkeit habe sie für sich genutzt und die Beihilferegelung durch einen entsprechenden Beschluss der Geschäftsleitung im Rahmen einer ablösenden Gesamtzusage abgeschafft.

Die Kündigung nur der Beihilferegelung habe isoliert erfolgen können, da diese schon in Ziffer 34 der Vereinsordnung für sich gesondert geregelt gewesen sei. Die Vereinsordnung habe eine Teilkündigung zugelassen. Gleiches müsse nach der Transformation gemäß § 613a BGB auch für die Gesamtzusage gelten. Infolge des zum 31.12.2020 festgestellten negativen Eigenkapitals von rund 30 Millionen € und dessen zum Jahresende prognostizierten Anstiegs auf 35,5 Millionen € sei die Kündigung auch gerechtfertigt. Wenn eine Eugenkapitalauszehrung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Einschränkung der betrieblichen Altersversorgung führen könne, müsse dies erst recht auch für sonstige Sozialleistungen gelten. Eine Nachwirkung gemäß der Regelung der Vereinsordnung könne nur insoweit bestehen, wie ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe. Bei einer vollständigen Streichung der Leistung sei dies nicht anzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat sämtlichen Klagen (mit dem Hauptantrag) stattgegeben, und zwar hinsichtlich

- des Klägers zu 1) mit Urteil vom 01.10.2021 zum Az. 4 Ca 1139/21,

- des Klägers zu 2) mit Urteil vom 01.10.2021 zum Az. 4 Ca 1174/21,

- des Klägers zu 3) mit Urteil vom 18.11.2021 zum Az. 1 Ca 1333/21,

- des Klägers zu 4) mit Urteil vom 13.01.2022 zum Az. 1 Ca 1915/21,

- des Klägers zu 5) mit Urteil vom 31.01.2022 zum Az. 6 Ca 2108/21 und

- des Klägers zu 6) mit Urteil vom 17.05.2022 zum Az. 2 Ca 137/22.

Es hat die (primären) Feststellungsanträge als gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig erachtet, da die Kläger ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung hätten, ob die streitige Beihilfereglung weiter für sie Geltung beanspruchen oder nicht. Die Klagen seien auch begründet, da die Beihilferegelung durch die unwirksamen Teilkündigungen vom 25.03.2021 nicht beseitigt werden konnten.

Es sei, so die Auffassung der 1.,2. und 4 Kammer des Arbeitsgerichts, davon auszugehen, dass die Vereinsordnung von 1978 wegen des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in eine Gesamtzusage umgewandelt worden sei. Diese könne zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Hinblick auf ihre Teilkündbarkeit nicht anders behandelt werden als die Vereinsordnung in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung selbst auch. Die Vereinsordnung habe jedoch für den Fall der Teilkündigung eine Nachwirkung vorgesehen, demzufolge die Beihilferegelung durch die Kündigung vom 25.03.2021 nicht ersatzlos habe beseitigt werden können. Eine Ablösung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung habe es nicht gegeben, so dass keine Rolle spiele, ob die zuletzt als Gesamtzusage geltende Regelung betriebsvereinbarungsoffen sei oder nicht. Daran ändere nichts, dass das Bundesarbeitsgericht in einer singulären Entscheidung zum Betriebsrentenrecht angenommen habe, eine betriebsvereinbarungsoffene Gesamtzusage könne auch durch einseitiges Handeln des Arbeitgebers beseitigt werden. Denn von einer wie dort gutgeheißenen "verschlechternden Ablösung des Systems" könne bei der vollständigen Streichung einer Sozialleistung nicht die Rede sein. Abgesehen davon könnten die Grundsätze zur Modifizierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht auf im Synallagma stehende Sozialleistungen im aktiven Arbeitsverhältnis übertragen werden. Es dürfe zudem nicht übersehen werden, dass für Betriebsrentner keine Arbeitnehmervertretung mehr existiere, während der Betriebsrat als Ansprechpartner des Arbeitgebers für Leistungen an aktive Mitarbeiter fungiere; dieser dürfe nicht übergangen werden.

Die 6. Kammer des Arbeitsgerichts hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt, es spreche trotz der Betriebsübergänge in den Jahren 1993 und 2005 vieles dafür, von einer normativen Fortgeltung der Vereinsordnung von 1978 auszugehen. Zum einen sei die Identität der übertragenen betrieblichen Einheiten erhalten geblieben und zum anderen lasse sich den kollektivrechtlichen Regelungen wie etwa der RV 1992 und dem ÜTV 2004 entnehmen, dass eine normative Fortgeltung aller (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen gewollt sei. Zumindest komme der Wille zum Ausdruck, dass alle besitzstandsgeschützten Regelungen materiell lediglich durch Betriebsvereinbarung oder Tarifregelung abzuändern seien. Eine individualrechtliche Ablösung, wie sie die Beklagte mit der Kündigung vom 25.03.2021 angestrebt habe, sei daher nicht möglich gewesen.

Die weitergehenden Feststellungsanträge der Kläger zu 2) und zu 3) haben die 4. und die 1. Kammer des Arbeitsgerichts als unzulässig abgewiesen.

Gegen die ihr am 09.11.2021 zugestellten Urteile zu den Az. 4 Ca 1139/21 und 4 Ca 1174/21 (Kläger zu 1) und zu 2)) hat die Beklagte mit am 19.11.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsätzen Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist jeweils bis zum 20.01.2022 - mit weiteren, am 10.01.2022 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen auch begründet.

Das Urteil zum Az. 1 Ca 1333/21 (Kläger zu 3)) ist der Beklagten am 24.11.2021 zugestellt worden. Sie hat gegen dieses Urteil mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.11.2021 und nochmals am 02.12.2021 Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, am 10.01.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Gegen das ihr am 18.01.2022 zugestellte Urteil zum Az. 1 Ca 1915/21 (Kläger zu 4)) hat die Beklagte mit einem am 19.01.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Gegen das ihr am 31.01.2022 zugestellte Urteil zum Az. 6 Ca 2108/21 (Kläger zu 5)) hat die Beklagte mit einem am 03.02.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, am 16.02.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Das Urteil zum Az. 2 Ca 137/22 (Kläger zu 6)) schließlich ist der Beklagten am 07.06.2022 zugestellt worden. Sie hat gegen dieses Urteil mit anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, ebenfalls am 07.06.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

Das Gericht hat nach Anhörung und mit Einverständnis der Parteien die anhängigen Berufungsverfahren

- der Kläger zu 2) (früheres Az. 8 Sa 1050/21) und zu 3) (früheres Az. 10 Sa 1063/21) mit Beschluss vom 21.01.2022,

- des Klägers zu 4) (früheres Az. 7 Sa 55/22) mit Beschluss vom 23.03.2022,

- des Klägers zu 5) (früheres Az. 3 Sa 103/22) mit Beschluss vom 04.05.2022

- und dasjenige des Klägers zu 6) (früheres Az. 7 Sa 408/22) mit Beschluss vom 22.11.2022

zum führenden Berufungsrechtsstreit des Klägers zu 1) verbunden.

Die Beklagte rügt mit ihren Berufungen die Rechtsfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidungen; sie moniert weiterhin, dass das Arbeitsgericht bei seinen Entscheidungen wesentliche tatbestandliche Aspekte der jeweiligen Sachverhalte nicht berücksichtigt worden seien.

So hätten die 1., 2. und 4. Kammer des Arbeitsgerichts zu Unrecht angenommen, die teilgekündigten Beihilferegelungen entfalteten - als Bestandteil der Vereinsordnung oder als solcher einer Gesamtzusage - Nachwirkung. Derartiges lasse sich Ziffer 3 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 nicht entnehmen; und allgemein wirkten gekündigte Betriebsvereinbarungen über freiwillige Sozialleistungen nicht nach, da der Arbeitgeber diese mitbestimmungsfrei einstellen könne. Das gelte auch für den Fall, dass die Vereinsordnung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB fortgelte, da die Arbeitnehmer dann nicht stärker geschützt sein könnten als ohne den Betriebsübergang. Die Kündigung bzw. Einstellung der Leistungen bedürfe keines sie rechtfertigenden Grundes. Eine Verbesserung der Rechtsstellung der Mitarbeiter sei auch durch nachfolgende kollektivrechtliche Regelungen wie die RV 1992, den ÜTV 2004 und die KBV 2008 nicht bezweckt gewesen. Haben die Beihilferegelungen der Vereinsordnung zwischenzeitlich individualrechtlichen Charakter, seien die einzelnen Arbeitnehmer die richtigen Kündigungsadressaten. Die von der Beklagten im März 2021 vorgenommene Maßnahme sei insgesamt als eine "in Form einer ablösenden Gesamtzusage vorgenommene Kündigung der Beihilferegelung" zu werten. Soweit das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang angenommen habe, eine solche Ablösung durch eine "Nullzusage" sei unzulässig, verbleibe die Beklagte bei ihrer erstinstanzlichen Argumentation. Die einschlägigen Aussagen in Urteilen des Ruhegeldsenats ließen sich sehr wohl auf die Fallkonstellation zu Leistungen mit kollektivem Bezug übertragen. Der Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers sei dabei nicht uferlos, weil die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten seien. Das habe die Beklagte vorliegend getan. In Abwägung der sehr schlechten wirtschaftlichen Situation mit der auch aktuell noch gegebenen Möglichkeit der betroffenen Mitarbeiter, jederzeit eine private Krankenkostenzusatzversicherung abzuschließen, sei die vollständige Einstellung der Beihilfeleistungen gerechtfertigt. So oder so sei ja sichergestellt, dass niemand ohne den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz dastehe. Überdies hätten die Mitarbeiter jederzeit mit einer Kündigung der insoweit freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung rechnen müssen. Ein Gewinnabführungsvertrag bestehe mit keiner anderen TÜV-Gesellschaft.

Das Urteil der 6. Kammer sei rechtsfehlerhaft, weil diese die Transformation der Vereinsordnung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in eine Gesamtzusage zu Unrecht in Frage stelle. Daran änderten die zwischenzeitlich vereinbarten kollektivrechtliche Regeln nichts. Das gelte insbesondere für die KBV 2008, deren § 12 keine konstitutive Regelung aufstelle und dies mangels Normgebungskompetenz des Konzernbetriebsrats auch gar nicht könne. Die Beihilferegelungen der Vereinsordnung 1978 seien nach den gesetzlichen Vorgaben wie auch den Bestimmungen der Vereinsordnung selbst jederzeit ohne Nachwirkung kündbar. Haben die Beihilferegelungen der Vereinsordnung zwischenzeitlich individualrechtlichen Charakter, seien die einzelnen Arbeitnehmer die richtigen Kündigungsadressaten. Ansonsten gelte das zu den weiteren Entscheidungen des Arbeitsgerichts Ausgeführte entsprechend.

Auf entsprechende Nachfragen und Hinweise des Gerichts hat die Beklagte ihren zweitinstanzlichen Vortrag ergänzt. Sie meint, der kollektivrechtliche Charakter der Beihilferegelungen sei auch in Anbetracht der zwischenzeitlichen betrieblichen Umstrukturierungen erhalten geblieben. Die Identität der betroffenen Betriebe sei im Wesentlichen erhalten geblieben; darüber hinaus sie die Erhaltung des kollektivrechtlichen Charakters der Vereinsordnung auch Ziel der seit 1992 abgeschlossenen tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen gewesen. Insbesondere die Zusammenlegung des Betriebs Essen mit dem Betrieb im Duisburg im Jahre 2017 ändere an der Geltung dort bestehender Betriebsvereinbarungen nichts, es komme die Betriebsvereinbarung des jeweiligen Betriebes für ihren ursprünglichen Anwendungsbereich nachwirkend bis zu ihrer Beendigung oder Ablösung durch eine neue Betriebsvereinbarung zur Anwendung. Soweit es in diesem Zusammenhang zu Schwankungen oder einer anderen Zusammensetzung der Belegschaftsstärke gekommen sei, habe dies auf die Identität des Betriebs keinen Einfluss. Dass einzelnen Mitarbeitern Beihilfeleistungen auch dann noch gewährt worden seien, als sie außerhalb des ursprünglichen Geltungsbereichs der Vereinsordnung von 1978 weiterbeschäftigt worden seien, beruhe - so die Behauptung der Beklagten - auf individuellen Abreden. Die von der QX. GmbH im Jahre 2003 ausgesprochene Kündigung sei als Teilkündigung zu verstehen, die die Geltung von Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung nur für neu eintretende Mitarbeiter ausschließen solle; im Übrigen sei der kollektivrechtliche Gehalt der Regelung unberührt geblieben. Die Beklagte habe diesen "Rest" sodann 2021 gegenüber den Mitarbeitern, spätestens aber im März 2022 gegenüber dem Gesamtbetriebsrat wirksam gekündigt.

Negiere man den kollektivrechtlichen Fortbestand der Beihilferegelungen, sei damit nicht notwendig eine individualrechtliche Leistungsgrundlage anzunehmen. Insbesondere liege keine betriebliche Übung vor, da sich die Beklagte offensichtlich und ggf. irrig bereits aufgrund der Vereinsordnung 1978 selbst bzw. der RV 1992/93 und des ÜTV 2004 zur Gewährung von Beihilfeleistungen verpflichtet sah.

Die Beklagtenvertretung beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 01.10.2021 - Az.: 4 Ca 1139/21 - (Rechtsstreit des Klägers zu 1., Herrn ZO.) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; 2. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 01.10.2021 - Az.: 4 Ca 1174/21 - (Rechtsstreit des Klägers zu 2., Herrn VZ.) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; 3. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 18.11.2021 - Az.: 1 Ca 1333/21 - (Rechtsstreit des Klägers zu 3., Herrn NG.) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; 4. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.01.2022 - Az.: 1 Ca 1915/21 - (Rechtsstreit des Klägers zu 4., Herrn ZY.) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; 5. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 31.01.2022 - Az.: 6 Ca 2108/21 - (Rechtsstreit des Klägers zu 5., Herrn MK. abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; 6. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 17.05.2022 - Az.: 2 Ca 137/22 - (Rechtsstreit des Klägers zu 6., TK.) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägervertreter beantragen,

die Berufung der Beklagten jeweils zurückzuweisen und klarstellend in allen Fällen den Urteilstenor wie folgt zu fassen: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bzw. den Klägern Beihilfeleistungen zu erbringen, wie sie in Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung des RL. e. V. vom 15.12.1978 geregelt sind.

Sämtliche Kläger verteidigen die angefochtenen Urteile des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Kläger zu 1), zu 4) und zu 5) meinen, die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach im Nachgang einer Transformation nach § 613a Abs. 2 BGB dem Betriebserwerber gleichsam automatisch das Recht zum Ausspruch einer Teilkündigung zustehe, führe zu einer unangemessenen Privilegierung der Arbeitgeberin, da die Voraussetzungen für die notwendige Änderungskündigung umgangen würden. Der (massenhafte) Ausspruch von Teilkündigungen wäre ein neues Gestaltungsmittel sui generis, das bislang rechtlich nicht vorgesehen sei. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, eine verschlechternde Neuordnung der Regelungen über die Gewährung von Beihilfe in der Vereinsordnung vom 15.12.1978 sei durch eine Gesamtzusage möglich, müsse sie sich entgegenhalten lassen, dass die "Verschlechterung" ein noch vorhandenes Leistungsniveau voraussetze. Der Beklagten gehe es aber darum, die Regelung insgesamt in Wegfall zu bringen. Dies sei angesichts ihrer guten wirtschaftlichen Lage und der überwiegenden Interessen des Klägers unverhältnismäßig. Den Klägern verbleibe zwar die gesetzliche Krankenversicherung, er habe aber kaum eine Chance auf Abschluss einer privaten Zusatzversicherung, die ihm Leistungen verschaffe, die denen der bislang gewährten Beihilfe gleichwertig seien. Die Kläger sind weiterhin der Ansicht, die Beklagte habe die Regelung über die Beihilfegewährung in der Vereinsordnung vom 15.12.1978 nicht gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG kündigen können. Die Vereinsordnung vom 15.12.1978 habe nicht als Gesamtbetriebsvereinbarung zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigungen in den Jahren 2021 bzw. 2022 kollektiv-rechtlich fortgegolten. Hierzu behaupten die Kläger, der Betrieb in Essen sei bereits 1993 nicht unter Wahrung seiner Identität auf die QX. GmbH übergegangen. Damals habe sich die Mitarbeiterstruktur verändert, auch sei der Bereich der Anlagentechnik ausgelagert worden. Auch die Übertragung des Betriebes auf die Beklagte im Jahr 2005 sei nicht identitätswahrend erfolgt. Mitarbeiter des Arbeitsbereiches MPI seien danach dem Betrieb Hannover zugeordnet worden. Zudem habe es personelle Strukturänderungen des Betriebes in Gestalt neuer bzw. erweiterter Zuordnungen von Arbeitsbereichen gegeben. Die Kläger meinen, jedenfalls zum 01.12.2017 habe der Essener Betrieb seine bisherige Identität verloren, da er mit dem vormaligen Betrieb Duisburg zusammengelegt worden sei. Im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der Regionalbetriebe seien ganze Mitarbeitergruppen neu zugeordnet worden. Selbst wenn die Vereinsordnung vom 15.12.1978 kollektiv-rechtlich gegolten habe, führe eine Kündigung seitens der Beklagten zur Nachwirkung der Bestimmungen über die Beihilfegewährung. Das folge aus Ziffer 3 der Vereinsordnung vom 15.12.1978.

Was den Erklärungswert der Kündigung der Beihilferegelung vom 20.08.2003 angehe, überzeuge die Auffassung der Beklagten nicht. Entfalteten diese keine Nachwirkung, hätte die QX. GmbH sämtliche Beihilfeleistungen ab dem 01.01.2004 - auch für Bestandsmitarbeiter - konsequenterweise einstellen müssen. Deren tatsächliche Weitergewährung habe daher rechtsgeschäftlichen Erklärungswert, der in der Folge eine betriebliche Übung begründet habe. Dass die Beklagte sich gegenüber den bis zum 31.12.2003 eingetretenen Arbeitnehmern irrig zur Weitergewährung auf kollektivrechtlicher Basis verpflichtet gesehen habe, bestreiten die Kläger mit Nichtwissen.

Der Kläger zu 2) meint, die von der Beklagte zur Stützung ihrer rechtlichen Argumentation herangezogenen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und des Bundesarbeitsgerichts seien für die vorliegende Fallkonstellation nicht aussagekräftig. Die angefochtene Teilkündigung verstoße, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe, jedenfalls gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Hätten Beihilfeleistungen nicht dauerhaft gewährt werden sollen, hätten die Mitarbeiter frühzeitig eine Krankenkostenzusatzversicherung abschließen können, was nun nicht mehr möglich sei. Aufgrund der durchgehenden Erbringung der Beihilfeleistungen habe die Beklagte jedenfalls eine betriebliche Übung begründet. Er berufe sich im Übrigen darauf, dass sein Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2016 einen ausdrücklichen Verweis auf die KBV 2008 beinhalte. In deren § 12 wiederum sei nur der Fortbestand der materiellen Beihilferegelung des Teil IV. der Vereinsordnung, nicht aber die Teilkündigungsmöglichkeit des Teils I. in Bezug genommen worden. Daran müsse sich die Beklagte festhalten lassen, ihm gegenüber sei eine individualrechtliche Kündigung der Beihilferegelung ausgeschlossen.

Der Kläger zu 3) hält die Berufungsbegründung der Beklagten ebenfalls für nicht überzeugend. Der Kläger sei schon nicht der richtige Kündigungsadressat. Die Beklagte befinde sich in keiner wirtschaftlich schwierigen Situation, sondern habe in der Vergangenheit ständig recht ordentliche Gewinne erzielt, die sie "wohl" über einen Gewinnabführungsvertrag an die Konzernmutter abgeführt habe. Abgesehen davon sei - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - ihm gegenüber bei Einstellung die Geltung der Beihilferegelungen zugesichert worden. Nicht anders sei auch die Bestimmung der Ziffer XVII. Abs. 4 seines Arbeitsvertrages vom 16.10.2015 zu verstehen. Dies habe ihm, so die Behauptung des Klägers zu 3), die damalige Personalleiterin im September/Oktober 2015 bestätigt, als er bei Abschluss des Änderungsvertrages nachgefragt habe, ob die Beihilferegelung wie bisher gelte.

Der Kläger zu 6) ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, der Anspruch auf Beihilfeleistungen beruhe auf einer fortbestehenden, nicht wirksam gekündigten Gesamtzusage. Die einschlägigen Regelungen der Vereinsordnung vom 15.12.1978 wirkten zumindest nach, was sich aus dem allgemeinen Teil der Vereinsordnung ergebe. Teil I. Ziffer 3 differenziere gerade nicht zwischen freiwilligen und mitbestimmten Regelungen. Auch die Ausführungen der Beklagten zur Möglichkeit, eine Gesamtzusage durch eine "negative Gesamtzusage" zu verschlechtern, verfingen nicht. Ein solcher Kunstgriff sei schon aus dogmatischen Gründen nicht anzuerkennen. Ohne bzw. gegen den Willen der Arbeitnehmer könne eine individualvertragliche Position nicht verschlechtert werden, da ansonsten der Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung unterlaufen würde. Abgesehen davon könne die Streichung des Systems Beihilfe kaum als dessen Fortentwicklung bezeichnet werden. Die Beklagte könne sich auch auf keinerlei Gründe stützen, die eine Einstellung der Beihilfeleistungen in Anbetracht des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufungen der Beklagten sind zulässig. Sie sind an sich gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. a, b. ArbGG statthaft und wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 ArbGG.

I.

Der Beschwerdewert des § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG ist in allen Fällen erreicht, die von der 1., 2. und 4. Kammer des Arbeitsgerichts entschieden wurden. Die Kammern des Arbeitsgerichts haben den Streitwert durchgehend auf über 600,00 € festgesetzt. Soweit die Klage mit dem weitergehenden Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen wurde (in den Rechtsstreitigkeiten der Kläger zu 2) und zu 3)), ist den Urteilsbegründungen der 1. bzw. 4. Kammer zu entnehmen, dass diese Anträge als nicht streitwerterhöhend erachtet wurden; daher wurden der Beklagten auch die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. An die Wertfestsetzungen des Arbeitsgerichts ist die Kammer gebunden, da sie zu Lasten der Beklagten nicht offensichtlich unrichtig sind (vgl. BAG, Urteil vom 19.01.2011 - 3 AZR 111/09, NZA 2011, 1054, Rdz. 18). Die Berechnungen des Arbeitsgerichts sind schlüssig. Es hat sich durchgehend an der Wertvorschrift des § 9 Satz 1 ZPO orientiert. Die Schätzung des Wertes der jährlichen Beihilfen auf 176,00 € bzw. 200,00 € ist nicht zu beanstanden. Wenn überhaupt, wäre der Beschwerdewert aus Sicht der Kammer sogar eher höher anzusetzen, weil sich der Wert der Beihilfe als quasi Versicherungsleistung für den Krankheitsfall nicht an einem bloßen Durchschnittswert jährlicher Kosten der Beklagten für den einzelnen Arbeitnehmer bemessen lässt, sondern am Interesse der Arbeitnehmer, im Fall der Fälle, nämlich bei einer langwierigen und/oder kostenintensiven Erkrankung (die z.B. einen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht, oder bei Zahnersatz) gleichwohl entsprechende Zusatzleistungen (Zweibettzimmer, Chefarztbehandlung) beanspruchen zu können, die die oben genannten Werte bei weitem übersteigen.

Die 6. Kammer des Arbeitsgerichts hat im Fall des Klägers zu 5) den Beschwerdewert zwar auf unter 600,00 € festgesetzt. Einer näheren Auseinandersetzung mit einer etwaigen offensichtlichen Unrichtigkeit dieser Festsetzung bedarf es nicht, weil die Kammer - ebenso wie die 1. Kammer in den Fällen der Kläger zu 3) und zu 4) - die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit a), Abs. 3a ArbGG ausdrücklich zugelassen hat.

II.

Die Berufungen der Beklagten tragen auch den Vorgaben der §§ 64 Abs. 6, 520 Abs. 3 Satz 2 (Nr. 2) ZPO Rechnung. Die Beklagte hat sich in ihren Berufungsbegründungen hinreichend mit den tragenden Gründen der jeweiligen erstinstanzlichen Entscheidungen auseinandergesetzt. Sie hat insbesondere zur Kenntnis genommen, dass die tragenden Erwägungen der 6. Kammer im Falle des Klägers zu 5) von denjenigen der anderen Kammern abweichen, und auch insoweit eine auf den Fall zugeschnittene Berufungsbegründung eingereicht.

B.

Die Berufungen der Beklagten sind auch begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern weiterhin Beihilfeleistungen zu erbringen, wie sie in Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung des GT. e.V. vom 15.12.1978 geregelt sind.

I.

Die Klagen sind zulässig.

1.

Die Feststellungsanträge der Kläger weisen das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse im Hinblick auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses auf, nämlich der Verpflichtung der Beklagten, den Klägern auch weiterhin Beihilfeleistungen im gewohnten Umfang zu gewähren. Zu nichts anderem haben die Kläger von Beginn ihrer jeweiligen Klageverfahren an einen Ausspruch des Gerichts begehrt, mag auch der ursprünglich formulierte Feststellungsantrag seinem Wortlaut nach wie ein punktueller Angriff auf die Kündigungen vom 25.03.2021 ausgesehen haben. Die 18. Kammer des LAG Hamm hat hierzu in seinem Urteil vom 20.10.2022 im Parallelverfahren 18 Sa 138/22 zu Recht ausgeführt:

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer inhaltlich an. Die Umformulierung der Klageanträge in den mündlichen Verhandlungen vom 14.06.2022 (Kläger zu 1) bis zu 5)) und vom 14.02.2023 (Kläger zu 6)) erfolgte lediglich aus Gründen der Klarstellung.

2.

Die Klagen sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind nicht dem Einwand ausgesetzt, den Streitgegenstand bzw. die Reihenfolge von Streitgegenständen, über die ein Anspruch des Gerichts begehrt wird, nicht erkennen zu lassen. Die Klagen der Kläger zu 1), zu 4), zu 5) und zu 6) betreffen einen einheitlichen Streitgegenstand, diejenigen der Kläger zu 2) und zu 3) zwei Streitgegenstände, deren Prüfungsabfolge sich jedenfalls durch Auslegung des Klägervortrags bestimmen lässt.

a.

Nach dem für den Zivil- und den Arbeitsgerichtsprozess geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Zum Klagegrund gehören alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt etwa im Urteil vom 24.03.2021 - 10 AZR 16/20, juris, Rdz. 56). Wird ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) hergeleitet und überlässt der Kläger dem Gericht die Auswahl, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung, macht eine solche alternative Klagehäufung die Klage grundsätzlich unzulässig. Der Kläger muss zur Vermeidung einer Klageabweisung als unzulässig eine Rangfolge bilden, in der er mehrere prozessuale Ansprüche zur Prüfung durch das Gericht stellen will. Das kann er auch konkludent tun (BAG, Urteil vom 02.08.2018 - 6 AZR 437/17, NZA 2019, 641, Rdz. 18).

b.

Die Klagen der Kläger zu 1), zu 4), zu 5) und zu 6) betreffen danach nur einen einheitlichen Streitgegenstand, mögen in diesem auch kollektivrechtliche wie individualvertragliche Aspekte zusammenfließen. Aus Sicht der Parteien gehören zum Klagegrund vorliegend alle Tatsachen, die das Schicksal der Beihilfeleistungen gemäß Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 rechtlich wie tatsächlich beeinflusst haben können: die Veränderungen in den betrieblichen Strukturen seit 1992 einschließlich der stattgefundenen Betriebsübergänge, die seitdem abgeschlossenen kollektivrechtlichen Vereinbarungen auf tariflicher wie betrieblicher Ebene und insbesondere das einschlägige Verhalten der Beklagten und ihrer Rechtsvorgänger seit Eintritt der Kläger (Praxis der Beihilfeleistungen, Ausspruch von Kündigungen in Bezug auf diese). Dass dieser Sachverhalt bei wertender Betrachtung seiner einzelnen Elemente ganz unterschiedliche Ansprüche der Kläger nach sich ziehen kann (normative Fortgeltung der Vereinsordnung in Form der Nachwirkung infolge der Wahrung der betrieblichen Identität, Transformation der Vereinsordnung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in eine Gesamtzusage bzw. vertragliche Einheitsregelung der Beklagten, Neubegründung einer betrieblichen Übung durch Fortgewährung von Beihilfeleistungen durch die Beklagte ohne Rechtspflicht), vermag an der Einheitlichkeit des Streitgegenstandes nichts zu ändern. Andernfalls wären die Kläger verpflichtet, eine Reihenfolge der Ansprüche zu bilden und dabei die Auffassung des entscheidenden Gerichts hinsichtlich der Bewertung des Lebenssachverhalts "zu treffen", um eine teilweise Klageabweisung zu vermeiden. Sie müssten, um sich eine anderweitige, aber ebenso für sie günstige Bewertung des Sachverhalts durch das Rechtsmittelgericht zu bewahren, trotz vollständigen Obsiegens in der Vorinstanz fristgerecht ein Anschlussrechtsmittel einlegen (was vorliegend keiner der Kläger getan hat). Das kann vor dem Hintergrund des Gebotes effektiven Rechtsschutzes nicht richtig sein (so im Ergebnis ebenfalls ohne nähere Ausführungen LAG Hamm, Urteil vom 20.10.2022 - Az 18 Sa 138/22, juris). Maßgeblich muss vielmehr sein, dass das durch den Lebenssachverhalt bestimmte gerichtliche Prüfprogramm weder erweitert noch verändert wird. Die Prüfung wird durch die chronologisch abzuarbeitenden "Weichen" determiniert. Das Gericht kann sich nicht aussuchen, auf welchen Streitgegenstand es ein aus Klägersicht obsiegendes Urteil stützen möchte.

c.

Die Kläger zu 2) und zu 3) berufen sich weiterhin auf eine vertragliche Zusicherung der Beihilfeleistungen durch bzw. im Zusammenhang mit ihren in den Jahren 2015 und 2016 neu gefassten Arbeitsverträgen, die aus Anlass ihres Wechsels in den AT-Bereich novelliert und angepasst wurden. Das betrifft einen anderen Streitgegenstand, da das Schicksal ihrer Beihilfeberechtigung in den Augen beider Kläger vom Fortbestand des Teils IV. Ziffer 34 der Beihilfeberechtigung entkoppelt wurde, ihrer Klage also selbst dann stattzugeben wäre, wenn es keinen Anspruch wegen Nachwirkens der Vereinsordnung, Gesamtzusage oder betrieblicher Übung geben sollte (siehe oben). Das Gericht legt dabei das Begehren der Kläger so aus, dass der Anspruch aus dem Streitgegenstand "Zusicherung" nachrangig gegenüber dem unter b. skizzierten zu prüfen ist. Mit letzterem nämlich haben beide Kläger in der ersten Instanz obsiegt, obwohl die vermeintlichen Zusicherungen und arbeitsvertraglichen Bezugnahmen bereits dort thematisiert worden waren. Beide Kläger verteidigen in ihren Berufungserwiderungen diese Entscheidungen uneingeschränkt. So führt etwa der Kläger zu 2) aus, das "erstinstanzliche Urteil" sei "weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden". Auch der Kläger zu 3) nimmt eingangs seiner Berufungserwiderung "Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils".

II.

Die Klagen sind nicht begründet. Die Kläger können ihr Begehren auf keine Anspruchsgrundlage stützen.

1.

Die Beklagte ist nicht infolge einer Nachwirkung des Teils IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 als Betriebsvereinbarung zur Erbringung der in Rede stehenden Beihilfeleistungen verpflichtet. Die Kammer hält zwar dafür, dass die Vereinsordnung nach dem Betriebsübergang im Jahre 1993 normativ fortgegolten hat und nicht gemäß § 613a Abs.1 Satz 2 BGB transformiert worden ist. Allerdings hat die QX. GmbH die Beihilferegelung im Jahre 2003 wirksam (teil-) gekündigt, ohne dass eine Nachwirkung der einschlägigen Bestimmungen eingetreten ist.

a.

Die Vereinsordnung vom 15.12.1978 hat für alle sechs Kläger bis zum Zeitpunkt der Kündigung der Beihilferegelungen am 20.08.2003 normative Wirkung entfaltet. Diese ist für die vor dem 01.04.1993 eingetretenen Kläger zu 2), zu 4), zu 5) und zu 6) gemäß §§ 77 Abs. 4 Satz 1, 51 Abs. 5 BetrVG begründet worden und durch den Betriebsübergang vom GT. e.V. auf die QX. GmbH nicht beendet worden. Die nach dem 01.04.1993 schon von der QX. GmbH eingestellten Kläger haben an der zum Zeitpunkt der Begründung ihrer Arbeitsverhältnisse noch gegebenen normativen Wirkung der Vereinsordnung partizipiert.

aa.

Die Kammer lässt im Ergebnis offen, ob dieses Ergebnis schon daraus folgt, dass die QX. GmbH den Essener Betrieb des FB. e.V. am 01.04.1993 identitätswahrend übernommen hat, wie das LAG Hamm in seinem Urteil vom 20.10.2022 zum Az. 18 Sa 138/22 meint. Richtig ist insoweit, dass eine Gesamtbetriebsvereinbarung im Falle eines Betriebsübergangs bei Wahrung der Betriebsidentität ihre unmittelbare und zwingende Wirkung behält, da das Bezugsobjekt der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht das Unternehmen, sondern die Betriebe des Unternehmens sind. Die Gesamtbetriebsvereinbarung gilt dann als Einzelbetriebsvereinbarung weiter (vgl. etwa BAG, Urteil vom 05.05.2015 - 1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331, Rdz. 46; Beschluss vom 18.09.2002 - 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670, Rdz 40 ff.). Die Kammer hält es allerdings für fraglich, ob eine solche Identitätswahrung nach Betriebsübergang in Bezug auf den vormaligen Essener Betrieb des GT. e.V. angenommen werden kann. Zu Recht weisen die Kläger zu 1), zu 4) und zu 5) in ihrem Schriftsatz vom 20.04.2023 darauf hin, dass dieser Betrieb zum 01.04.1993 in einen solchen der QX. GmbH und einen weiteren der TA. GmbH aufgespalten worden ist, die Mitarbeiter entsprechend ihrer Funktion aufgeteilt worden sind, sich der Betriebszweck geändert und sich die ursprüngliche Leitungsmacht des Betriebs in Anbetracht der Existenz zweier Geschäftsführungen gerade nicht fortgesetzt hat. Das geht über eine Reduzierung von Mitarbeitern oder einen Austausch von Arbeitnehmergruppen hinaus. Andererseits trifft zu, dass der Regelungsgegenstand der Vereinsordnung - jedenfalls derjenige der Beihilferegelungen in Teil IV. Ziffer 34 - weder entfallen ist noch die Gewährung von Beihilfeleistungen von der konkreten betrieblichen Organisationsstruktur abhängt. Hinzu kommt, dass sich die Gesamtheit der normunterworfenen Arbeitnehmer durch die Betriebsübergänge im Jahr 1993 nicht geändert hat. Diejenigen, die vorher in den fünf Betrieben des GT. e.V. gearbeitet haben, sind anschließend in den Betrieben des GT. e.V., der LZ. AG, der QX. GmbH und der TA. GmbH tätig geworden.

bb.

Ob die Identität der betrieblichen Einheit gewahrt worden ist oder nicht, bedarf in Anbetracht des Inhalts der RV 1992/93 keiner Entscheidung. Die Vereinsordnung vom 15.12.1978 hat schon deshalb über den Betriebsübergang zum 01.04.1993 hinaus normativ fortgegolten, weil dies in der RV 1992/93 von den Gesamtbetriebsparteien wirksam so vereinbart worden ist. Auch insofern schließt sich die Kammer der Entscheidung des LAG Hamm vom 20.10.2022 im Parallelrechtsstreit zum dortigen Az. 18 Sa 138/22 an, in der es heißt:

b.

Die Beihilferegelungen des Teil IV. Ziffer 34 sind von der QX. GmbH als Rechtsvorgängerin der Beklagten am 20.08.2003 zum 31.12.2003 wirksam teilgekündigt worden.

aa.

Die Kündigungserklärung vom 20.08.2003 bezog sich auf die Beihilferegelungen des Teil IV der Vereinsordnung insgesamt. Dass eine "Teilkündigung" lediglich für neu eintretende Mitarbeiter gewollt war, wie die Beklagte meint, findet weder im Wortlaut der Kündigung noch im Gesamtkontext des Kündigungsschreibens irgendeinen Anhalt. Die QX. GmbH äußert dort vielmehr einleitend den Wunsch, die Beihilferegelungen im Krankheitsfall "in einigen Punkten" zu ändern. Das passt nicht zu einer bloßen Stichtagsregelung für die Leistungsberechtigung. Was in der Folge gegenüber dem Gesamtbetriebsrat kommuniziert wurde, nachdem dieser Monate zuvor das Kündigungsschreiben erhalten hatte, ist für die Auslegung des Kündigungsschreibens irrelevant. Abgesehen davon bringt selbst das Schreiben vom 17.11.2003 den Willen der Arbeitgeberin zum Ausdruck, die Beihilferegelungen auch für die Altbeschäftigten modifizieren zu wollen.

bb.

Die Teilkündigung lediglich der Beihilferegelungen war zulässig. Sie ist in Teil I Ziffer 2.2 Satz 1 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 ausdrücklich vorgesehen. Bedenken an der Wirksamkeit einer derartigen Vereinbarung bestehen nicht. Die Beilhilfereglungen stellen zudem eine abgeschlossene Regelungsmaterie dar, die auch in einer eigenständigen Betriebsvereinbarung hätten geregelt werden können.

c.

Die Beihilferegelungen des Teils IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung wirken nicht nach.

aa.

Eine Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG scheidet aus. Die Beihilferegelungen betreffen keine mitbestimmte Materie, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen könnte. Vielmehr geht es um freiwillige Sozialleistungen, zu deren Gewährung der Arbeitgeber weder durch Gesetz noch durch Tarifvertrag noch durch explizite arbeitsvertragliche Zusagen verpflichtet war. Für diese kann der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei auf Null reduzieren (vgl. etwa ErfK-Kania, § 87 BetrVG, Rdz. 107 f.).

bb.

Eine Nachwirkung ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht in Teil I. Ziffer 3. der Vereinsordnung vom 15.12.1978 zwischen den Gesamtbetriebsparteien vereinbart. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

aaa.

Die Vereinbarung der Nachwirkung einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ist zulässig. Wenn es den Betriebspartnern gestattet ist, freiwillige Betriebsvereinbarungen mit zwingender normativer Wirkung zu schaffen, ist diesem Recht grundsätzlich auch die Befugnis zu entnehmen, den Normen eine eingeschränkte Nachwirkung beizulegen und damit die Rechtslage zu übernehmen, die durch das Gesetz im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ausdrücklich vorgesehen wird. Welche Bedeutung eine in die Betriebsvereinbarung aufgenommene Vereinbarung über Nachwirkung zukommt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist im Zweifel vom gesetzlichen Regelfall auszugehen. Soll eine gesetzlich nicht vorgesehene Nachwirkung vereinbart werden, so muss dies unmissverständlich erklärt werden (BAG, Urteil vom 21.08.2001 - 3 ABR 44/00, NZA 2002, 575 Rdz. 48; LAG Bade-Württemberg, Urteil vom 20.07.2017 - 17 TaBV 2/17, LAGE § 77 BetrVG 2001 Nr. 25).

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und für Gesetze geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Soweit kein eindeutiges Auslegungsergebnis möglich ist, kommen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Auslegungskriterien wie etwa eine regelmäßige Anwendungspraxis oder die Normengeschichte in Betracht. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (ständige Rechtsprechung des BAG zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen, zuletzt etwa Urteile vom 25.01.2022 - 3 AZR 357/21, NZA 2022, 649, Rdz. 26; vom 26.09.2017 - 1 AZR 717/15, NZA 2018, 803, Rdz. 24).

bbb.

Nach diesen Grundsätzen ist nicht feststellbar, dass auch für die vorliegende Fallkonstellation eine Nachwirkung von den Betriebsparteien gewollt war. Teil I. Ziffer 3 der Vereinsordnung enthält insoweit keine unmissverständliche Erklärung.

(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift setzt die dort geregelte Nachwirkung tatbestandlich das "Ende der Vereinsordnung" voraus. Es ist nicht erkennbar, dass ein solches Ende auch erreicht sein soll, wenn lediglich ein (kleiner) Teil der Vereinsordnung gekündigt worden ist. Wollten die Gesamtbetriebsparteien dies zum Ausdruck bringen, wäre eine Formulierung zu erwarten gewesen, dass nach einer Kündigung oder Teilkündigung die gekündigten Bestimmungen nachwirken, und zwar auch solche, die nicht der gesetzlich erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen.

(2) Das gilt erst Recht mit Blick auf Ziffer 2.2 des Teils 1., wo von "Vereinsordnung oder Teile der Vereinsordnung" die Rede ist. Eine Wiederholung dieses Begriffspaars in Ziffer 3. fehlt.

(3) Eine solche Auslegung führt keinesfalls zu einer Sinnentleerung von Ziffer 3. Sie geht in ihrem Regelungsgehalt insbesondere über einen lediglich deklaratorischen Hinweis auf die gesetzliche Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG hinaus. Denn sie ordnet an, dass bei einer Kündigung der Vereinsordnung an sich diese mit all ihren Bestimmungen, auch den nicht mitbestimmten, als Gesamtregelungswerk zunächst nachwirken soll, bis es zu einer neuen Vereinbarung der Gesamtbetriebsparteien kommt. Das zwingt nicht dazu, gleiches für eine Teilkündigung nicht mitbestimmter Regelungsmaterien wie etwa den Beihilfebestimmungen der Ziffer 34 in Teil IV. ebenfalls anzunehmen. Denn würde der Arbeitgeber die Beihilfeleistungen gänzlich einstellen wollen, könnte der Gesamtbetriebsrat dies im Falle der Teilkündigung auch dann nicht verhindern, wenn diese nachwirkten. Der Arbeitgeber müsste dann nämlich ggf. die Einigungsstelle anrufen, die aber bei ihrem Spruch an mitbestimmungsfreie Vorgaben des Arbeitgebers wie etwa der Festlegung eines Dotierungsrahmens mit Null gebunden wäre (vgl. hierzu Fitting u.a., § 77 BetrVG Rdz. 187). Im Zweifel würde die Einstellung der Beihilfeleistungen nur zeitlich verzögert werden. Wollte der Arbeitgeber die Beihilfeleistungen hingegen nur inhaltlich ändern, müsste er sich um eine Verhandlungslösung mit dem Gesamtbetriebsrat bemühen. Dass ihm die Möglichkeit einer Teilkündigung ohne Nachwirkung hierbei eine (etwas) bessere Verhandlungsposition verschaffte, ist zuzugestehen. Teil I. Ziffer 3. der Vereinsordnung ist aber nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen, dass gerade dies verhindert werden sollte.

cc.

Eine Nachwirkung oder gar unmittelbare und zwingende Wirkung der Beihilfebestimmungen ist im Nachgang zur Kündigung vom 20.08.2003 nicht erneut vereinbart worden. Die Ende 2003/Anfang 2004 stattgefundenen Verhandlungen zwischen der QX. GmbH und dem Gesamtbetriebsrat haben nicht zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung geführt. Sie sind vielmehr, wie die Beklagte unbestritten vorgetragen hat, "im Sande verlaufen".

Einschlägige Regelungen finden sich auch nicht in zeitlich nachfolgenden Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die aus Anlass betrieblicher Umstrukturierungen geschlossen worden sind. Wenn etwa § 4 Ziffer 2 des ÜTV 2004 unter der Überschrift "Besitzstandssicherung" normiert, dass "die bisherigen Rechte aus ... Gesamtbetriebsvereinbarungen ... auch nach dem jeweiligen Betriebsübergang ungeschmälert erhalten" bleiben und dynamisch fortgelten, dann sichert dies nicht mehr als den Zustand ab, in dem sich die Vereinsordnung vom 15.12.1978 am 28.06./01.07.2004 befunden hat; dass zuvor wirksam gekündigte, nicht nachwirkende Bestimmungen der Vereinsordnung wieder aufleben sollen, ist nicht vereinbart. Gleiches gilt insbesondere auch für die Regelung der Ziffer 12 KBV 2008. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, woraus sich eine entsprechende Regelungskompetenz der Konzernbetriebsparteien ergeben könnte, knüpft auch diese Bestimmung lediglich an einen am 01.06.2008 vermeintlich bestehenden Regelungszustand an. Von der Konzernbetriebsvereinbarung sollen nämlich nur die bei deren Abschluss "geltenden Regelungen über Beihilfen im Krankheitsfall ... (GT. alt)" unberührt bleiben, diese "gelten unverändert fort". Damit kommt allein der Wille der Konzernbetriebsparteien zum Ausdruck, einen bestimmten Bereich nicht regeln zu wollen, nicht jedoch, die einschlägigen Bestimmungen für den Fall einer nicht erkannten Nichtfortgeltung wieder inhaltlich in Kraft zu setzen.

dd.

Wegen der Beendigung der Beihilfebestimmungen zum 31.12.2003 ohne Nachwirkung können die nachfolgenden Veränderungen der betrieblichen Strukturen keine fallrelevanten Auswirkungen mehr haben; sie sind nicht zu diskutieren.

2.

Aus den unter 1. genannten Gründen scheidet weiterhin eine Gesamtzusage oder betriebliche Einheitsregelung als Anspruchsgrundlage für die Fortgewährung der Beihilfeleistungen aus. Eine Transformation des Teils. IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 nach Maßgabe des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB infolge eines Betriebsübergangs hat nicht stattgefunden, weil die Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr existent waren. Es spielt daher auch keine Rolle, ob die Beklagte berechtigt war, etwa transformierte Beihilfebestimmungen durch eine "negative" Gesamtzusage abzulösen.

3.

Die Beklagte ist nicht aufgrund einer betrieblichen Übung verpflichtet, weiterhin Beihilfeleistungen zu erbringen, wie sie in Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung geregelt sind.

a.

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (so etwa BAG, Urteile vom 19.03.2014 - 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787, Rdz. 43; vom 17.03.2010 - 5 AZR 317/09, DB 2010, 1406, Rdz. 20).

b.

Danach scheitert die Begründung einer betrieblichen Übung vorliegend daran, dass die Kläger das Verhalten der QX. GmbH bzw. nachfolgend der Beklagten nicht als Willen zur Eingehung einer rechtlichen Bindung auffassen durften, sondern als (irrigen) Normenvollzug verstehen mussten. Es ist auch tatsächlich keiner der Kläger davon ausgegangen, die Beklagte habe die Beihilfeleistungen unabhängig vom rechtlichen Schicksal des Teils IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung weitergewähren wollen, weil offensichtlich keiner der Beteiligten davon ausging, dass diese Bestimmungen keine wie auch immer gearteten Rechtswirkungen mehr entfalteten.

aa.

Bis Ende des Jahres 2003 und damit über einen erheblichen Zeitraum seit der jeweiligen Einstellung der Kläger erbrachte der FB. e.V. und anschließend die QX. GmbH die Beihilfeleistungen an die Mitarbeiter, weil sie dazu gemäß Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 objektiv verpflichtet war. Das musste auch allen Klägern wegen der Inbezugnahme der Vereinsordnung in sämtlichen Dienst- und Anstellungsverträgen klar sein. Daran änderte sich durch die Beibehaltung des Leistungsverhaltens der QX. GmbH gegenüber den Altbeschäftigten über den 31.12.2003 hinaus nichts. Denn die Kündigung der Beihilfebestimmungen vom 20.08.2003 ist offensichtlich von keinem der Kläger als rechtlich relevant wahrgenommen worden, wenn sie denn überhaupt bekannt war. Keiner der Kläger hat sie trotz der ihn gemäß § 138 Abs. 1 ZPO treffenden prozessualen Erklärungspflicht in den Rechtsstreit eingeführt. Nachdem die Beklagte die Kündigung nach gut anderthalbjähriger Dauer der Rechtsstreite "ausgegraben" und sie zum Gegenstand ihres Vortrags im Schriftsatz vom 16.03.2023 gemacht hatte, hat keiner der Kläger - nicht einmal der als Betriebsratsmitglied sachnahe Kläger zu 6) - behauptet, die Kündigung gekannt zu haben. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, hätte eine Nachfrage bei den (Gesamt-) Betriebsparteien mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Auskunft eingebracht, dass für die Altbeschäftigten gleichwohl alles beim Alten bliebe. Wie die Protokolle der Gesamt- und Konzernbetriebsratssitzungen vom 21.11.2003 bzw. 27.11.2003 belegen, ging man in Kreisen der Betriebsräte von einer Nachwirkung der Beihilferegelungen aus sowie davon, dass materielle Änderungen der Regelungen der Zustimmung des Gesamtbetriebsrats bedürften. Dem Schreiben der QX. GmbH vom 17.11.2003 wiederum ist zu entnehmen, dass diese gewillt war, zwischen Alt- und Neubeschäftigten zu differenzieren und nur letzteren keine Beihilfeleistungen mehr gewähren zu wollen. Für die vor dem 31.12.2003 eingetretenen Arbeitnehmer solle hingegen nach einer Verhandlungslösung gesucht werden. Genauso wurde es dann ab Beginn des Jahres 2004 auch gehandhabt, was sich rechtlich ohne weiteres mit einer angenommenen Nachwirkung der Beihilferegelungen in Einklang bringen lässt: Für alle neu eintretenden Mitarbeiter wurde die unmittelbare, aber eben nicht mehr zwingende Geltung des Teils IV. Ziffer 34 durch individualvertragliche Regelung abbedungen (vgl. hierzu ErfK-Kania, § 77 BetrVG Rdz. 100). Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wurde dabei nicht verletzt, da ein solches dem (Gesamt-) Betriebsrat bei der Einstellung freiwilliger Sozialleistungen als Stichtagsregelung gerade nicht zusteht.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass einige der nachfolgenden kollektivrechtlichen Vereinbarungen bei den betroffenen Arbeitnehmern den Eindruck erzeugen musste, die QX. GmbH bzw. die Beklagte sei zur Erfüllung der Beihilfeansprüche im Wege der Besitzstandswahrung nach wie vor verpflichtet. Insbesondere Ziffer 12 der KBV 2008 lässt sich mit nicht zu überbietender Deutlichkeit entnehmen, dass die Konzernbetriebsparteien wie selbstverständlich von einer normativen Fortgeltung auch der Beihilferegelungen der Vereinsordnung vom 15.12.1978 ausgingen. Denn Ziffer 12 befasst sich mit der Ablösung der bis dahin normativ geltenden Betriebsordnung durch die neue Konzernbetriebsvereinbarung, von der die Regelungen über die Beihilfe im Krankheitsfall explizit ausgenommen wurden. Von etwaigen individualvertraglichen Beihilfeansprüchen ist hingegen nicht die Rede.

bb.

Die Kläger durften nicht nur nicht an einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen der QX. GmbH bzw. der Beklagten hinsichtlich der Weitergewährung von Beihilfeleistungen auf individualvertraglicher Basis glauben, sie haben es auch nicht. Wäre das anders, bliebe unerklärlich, warum alle Kläger sich erstinstanzlich ausschließlich auf andere Anspruchsgrundlagen zur Begründung ihrer Klage bezogen haben. Schlagwortartig zusammengefasst wurden in diesem Zusammenhang einzelvertragliche Ansprüche aufgrund Betriebsübergangs bzw. eine Gesamtzusage infolge Transformation gemäß § 613a Abs. 1, 2 BGB geltend gemacht und sich auf die Regelung der Ziffer 12 KBV 2008 berufen. Alle diese Anspruchsgrundlagen setzen den Fortbestand der Beihilfebestimmungen gemäß Teil IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung voraus. Den Begriff der betrieblichen Übung indes hat erstinstanzlich keiner der Kläger in den Rechtsstreit eingeführt, er taucht auch in keinem der angefochtenen Urteile auf. Auf diese Idee sind die Kläger offensichtlich erst im Zusammenhang mit den Erörterungen des LAG Hamm im dortigen Parallelrechtsstreit zum Az. 18 Sa 138/22 gekommen. Gleichwohl haben sie aber an ihrer ursprünglichen Klagebegründung festgehalten. Das impliziert einen nicht aufzulösenden Widerspruch: Wer meint, der Arbeitgeber sei aufgrund einer anderweitigen Anspruchsgrundlage zur Leistung verpflichtet, interpretiert ein entsprechendes Leistungsverhalten des Arbeitgebers nicht als rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sich zur Leistung auch ohne Existenz der anderweitigen Anspruchsgrundlage zu verpflichten (vgl. dazu exemplarisch den Sachverhalt und die rechtliche Würdigung des Rechtsstreits beim BAG zum Az. 5 AZR 317/09, dort Rdz. 21 zum Urteil vom 17.03.2010, aaO).

c.

Mangels Bestehens einer betrieblichen Übung oder einer sonstigen Anspruchsgrundlage war die Beklagte ohne weiteres berechtigt, die Gewährung von Beihilfeleistungen - hier zum 30.06.2021 - schlicht einzustellen. Einer Beurteilung der Kündigungen vom 25.03.2021 gegenüber den Klägern bzw. vom 21.03.2022 gegenüber dem Gesamtbetriebsrat und dem Betriebsrat Hannover bedarf es nicht.

4.

Die Kläger zu 2) und zu 3) können ihren Anspruch auf Fortgewährung der Beihilfeleistungen weiterhin nicht auf eine vertragliche Zusicherung der Beklagten stützen.

a.

Die Beklagte hat den Klägern zu 2) und zu 3) die Fortgewährung der Beihilfeleistungen nicht dadurch vertraglich zugesichert, dass in deren Formulararbeitsverträgen aus den Jahren 2015 bzw. 2016 unter Ziffer XVII. von einer Geltung der Konzernbetriebsvereinbarung über die Betriebsordnung im XJ. Konzern in der jeweils gültigen Fassung - und damit von der Geltung der KBV 2008 - die Rede ist. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die als solche nicht nach dem konkreten Empfängerhorizont, sondern nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, lässt sich ein derartiger Inhalt der Vertragsbestimmung nicht entnehmen. Denn eine im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf anwendbare betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften ist im Zweifel deklaratorisch gemeint. Die Arbeitsvertragsparteien wollen in der Regel durch eine Bezugnahme auf die gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ohnehin geltenden kollektiven Regelungen keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für diese schaffen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa Urteile vom 07.09.2022 - 5 AZR 128/22, NZA 2023, 240, Rdz. 37; vom 11.07.2018 - 4 AZR 533/17, NZA 2018, 1486, Rdz. 27; vom 13.03.2012 - 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990, Rdz. 15). Es ist nicht dargetan und erkennbar, wieso dies für Ziffer XVII der in Rede stehenden Formulararbeitsverträge anders zu beurteilen sein sollte.

Abgesehen davon würde selbst eine individualvertragliche Zusicherung der Geltung der KBV 2008 der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn wie bereits oben unter Punkt 1.c.cc. dargelegt, bewirkt Ziffer 12 der KBV 2008 keineswegs, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr normativ geltenden und nicht nachwirkenden Bestimmungen des Teils IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung vom 15.12.1978 wieder in Kraft zu setzen. Diese sollen bei unterstellter Geltung nur "fortgelten", nicht erneut und wieder Geltung beanspruchen.

b.

Dem Kläger zu 3) wurde die weitere Beihilfegewährung auch nicht mündlich von der Personalleiterin XA. im September/Oktober 2015 anlässlich des Änderung seines Tätigkeitsbereichs konstitutiv zugesichert. Dabei kann die Darstellung der Geschehnisse im Schriftsatz des Klägers zu 3) vom 15.05.2023 als inhaltlich richtig unterstellt werden. Anlass der seinerzeitigen Nachfrage des Klägers zu 3) war, ob sich durch den Wechsel in den AT-Bereich etwas an der Geltung der Beihilferegelung ändere, oder diese "wie bisher ... gelte". Bejahte Frau XA. letzteres und wies den Kläger zu 3) auf den vorletzten Absatz des Neuvertrages (mithin auf dessen Ziffer XVII.) hin, erklärte Frau XA. damit nicht, dass die Beihilferegelungen des Teils IV. Ziffer 34 der Vereinsordnung per se und selbst für den Fall gelten sollten, dass deren kollektive Anspruchsgrundlage entfiel (oder bereits entfallen war). Frau XA. brachte vielmehr im Rahmen einer Wissenserklärung zum Ausdruck, dass sich durch die Unterzeichnung des Änderungsvertrages vom 16.10.2015 am Rechtszustand hinsichtlich des Beihilfeanspruchs nichts ändern solle - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Bestand der Beihilfeanspruch bereits im Jahre 2015 objektiv nicht mehr (siehe oben Ziffern 1. - 3.), ohne dass den Parteien dies bewusst war, liegt in den Aussagen der Frau XA. keine Zusicherung, den Kläger im Wege einer Besserstellung gegenüber seinen mitbetroffenen Arbeitskollegen gleichwohl Beihilfeleistungen gewähren zu wollen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Revision zugunsten der unterlegenen Kläger war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG schon deshalb zuzulassen, weil das vorliegende Urteil bei identischem Sachverhalt von demjenigen des LAG Hamm vom 20.10.2022 zum Az. 18 Sa 138/22 abweicht.

SchneiderEickhausStrauß

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