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Urteil vom 18.07.2023 · IWW-Abrufnummer 238391

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 8 Sa 512/22

1. Einordnung von Äußerungen gegenüber einer Gruppe von Co-Piloten und einer Co-Pilotin als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Deren Auslegung ergab, dass es sich nicht um die einzelvertragliche Zusage einer bestimmten und von der tariflichen Entwicklung unabhängigen Seniorität handelte (Insoweit parallel zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.08.2023 - 12 Sa 529/22).

2. Im Übrigen Parallelentscheidung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.01.2023 - 8 Sa 420/22.


Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.05.2022 - Az. 14 Ca 581/22 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, welche Senioritätsliste die Beklagte bei künftigen Förderungsmaßnahmen vom First Officer zum Kapitän betreffend den Kläger anzuwenden hat.

Der heute 38 Jahre alte Kläger war ursprünglich bei der F. Luftverkehrs AG (im Folgenden "H.") als Co-Pilot tätig. Seit dem 25.09.2017 wurde er von der Beklagten, die zuvor als U. Luftverkehrs AG firmierte, als First Officer mit Heimatbasis Düsseldorf beschäftigt. Grundlage war der Anstellungsvertrag der Parteien vom 21.09.2017, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 9 ff. der Akte verweisen wird. In diesem hieß es u.a.:

"2. Rechte und Pflichten (1) Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, den anzuwendenden Tarifverträgen (s. Ziffer 3. dieses Vertrages), abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen, den Dienstvorschriften der U. sowie aus den Bestimmungen dieses Vertrages. ... 3. Geltung von Tarifverträgen (1) Auf das Arbeitsverhältnis finden die im Betrieb jeweils für die Berufsgruppe des Mitarbeiters einschlägigen, normativ geltenden Verbands- und Firmentarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Derzeit sind dies der Manteltarifvertrag Nr. 6 für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der U. GmbH sowie der Vergütungstarifvertrag Nr. 7 für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der U. GmbH. ... 10. Vorbehalt abweichender kollektivrechtlicher Regelungen Sämtliche Regelungen dieses Vertrages stehen unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen in - sowohl normativ als auch über Ziffer 3. dieses Vertrages geltenden - abweichenden Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich für die Regelungen in Ziffern 2. bis 6. und 6. bis 8. dieses Vertrages. Kollektive Regelungen nach Satz 1 können insbesondere auch zum Nachteil des Mitarbeiters von den Regelungen dieses Vertrages abweichende Regelungen treffen, die dann zur Anwendung kommen. 11. Sonstiges (1) ... (2) Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen worden. Änderungen und Ergänzungen bedürfen mit Ausnahme von Individualvereinbarungen der Schriftform. Dies gilt auch für die Änderung des vorstehenden Schriftformerfordernisses. ..."

Die Bezugnahmeklausel in Ziffer 3 Abs. 1 des Anstellungsvertrags ist nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien so zu verstehen, dass in Nr. 3 Absatz 1 Satz 1 alle Tarifverträge gemeint sind, an welche die Beklagte gebunden ist. Im Hinblick auf etwaige Gespräche im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags war Herr R. bevollmächtigt, Zusagen zu den Arbeitsverträgen des Klägers und der weiteren Mitarbeiter zu geben. Seinen ersten kommerziellen Flug für die Beklagte erbrachte der Kläger am 24.10.2017. Die Beklagte beschäftigte im S. sowohl Kapitäne als auch First Officer.

In dem Zeitraum vom 29.04.2008 bis zum 21.09.2021 fand bei der U. Luftverkehrs AG und nachfolgend der Beklagten der zwischen der U. Luftverkehrs AG und der O. e.V. (im Folgenden: VC S.) abgeschlossene "Tarifvertrag Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der U. Luftverkehrs AG" vom 29.04.2008 (im Folgenden: TV WeFö) Anwendung. Dieser regelte die Wechselmöglichkeiten zwischen Flugzeugmustern und zwischen konzernangehörigen Fluggesellschaften sowie die Förderung zum Kapitän für die Cockpitmitarbeiter. Er lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 2 Seniorität (1) Unter Seniorität ist eine besondere Art der Betriebszugehörigkeit zu verstehen, welche nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen festzustellen und zu berücksichtigen ist. (2) Jedes Jahr wird für die bei U. Beschäftigten eine Senioritätsliste erstellt, die folgende Angaben enthält: laufende Nummer, Vorname, Nachname, TLC, Funktion, Flotte, 1. Kommerzieller Einsatz, Geburtsdatum. (3) Innerhalb der Senioritätsliste richtet sich die Reihenfolge, in der die einzelnen Beschäftigten aufzuführen sind, nach dem kalendermäßigen Aufeinanderfolgen nach den §§ 3 und 4 festzusetzenden Daten. § 3 Festlegung der Seniorität (1) Die Seniorität bestimmt sich nach dem ersten kommerziellen Einsatz als ununterbrochenen abhängig Beschäftigter an Bord unter Supervision. Haben eine Mehrzahl an Beschäftigten ihren ersten kommerziellen Einsatz am selben Tag, bestimmt sich die Senioritätsfolge nach Maßgabe des Geburtsdatums, so dass ältere Beschäftigte jüngeren vorgehen. ... (2) Einreihungen in die am 01.05.2008 erstmalig nach diesem Tarifvertrag aufzustellende Senioritätsliste werden in der Weise vorgenommen, dass sich die Senioritätsfolge der dort aufgeführten Beschäftigten zueinander für die Vergangenheit und aus Gründen, die vor dem 01.05.2008 entstanden sind, nicht mehr ändert. ... § 5 Erstellung und Führung der Listen (1) Die nach § 2 Absatz 2 erstellte Senioritätsliste wird von U. geführt und zum 1. April eines jeden Jahres der Personalvertretung S. der U. übergeben. Danach wird sie vorläufig veröffentlicht. ... (3) Hat die Personalvertretung S. im Einzelfall gegen die Festsetzung bestimmter Senioritätsdaten Bedenken, so kann sie - unter Angaben von Gründen - innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach der vorläufigen Veröffentlichung bei X. schriftlich Einspruch einlegen. (4) Der Einspruch kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen die vorherige Senioritätsliste entstanden ist. ... (5) Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung. Erfolgt zwischen der Personalvertretung S. und U. keine Verständigung über die mit dem Einspruch angegriffene Festsetzung des Senioritätsdatums, so kann die Personalvertretung S. eine Einigungsstelle anrufen, die spätestens innerhalb von 6 Wochen nach Einlegung des Einspruchs (Absatz 3) zusammentritt. Nach ihrem Zusammentritt hat die Einigungsstelle bis spätestens 30. Juni zu entscheiden. Die Festsetzung des Senioritätsdatums erfolgt dann für den mit dem Einspruch angegriffenen Fall durch den Spruch der Einigungsstelle. Die Einigungsstelle entscheidet verbindlich. (6) Die Senioritätsliste wird von U. zum 1. Juli eines jeden Jahres endgültig veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Gleichzeitig verlieren die jeweils vorherige und die vorläufige Senioritätsliste ihre Gültigkeit. Für den Zeitraum 1. April bis 30. Juni wird auf die dann noch gültige Senioritätsliste des Vorjahres zurückgegriffen. (7) Ansprüche aus diesem Tarifvertrag stehen nur der Personalvertretung S. zu. § 6 Förderung und Wechsel (1) Förderung im Sinne dieses Tarifvertrages ist die Schulung vom First Officer zum Kapitän (Upgrading). (2) Wechsel im Sinne dieses Tarifvertrages sind Umschulungen auf ein anderes Flugzeugmuster unter Beibehaltung der beruflichen Funktion und wenn der Beschäftigte mindestens 36 Monate planbar auf dem neuen Flugzeugmuster eingesetzt werden kann. ... (3) Erfüllen für eine Förderung mehrere geeignete Bewerber/innen die festgesetzten Förderungsbedingungen, werden die ausgeschriebenen Stellen nach der Seniorität besetzt. (4) Kann eine freie Kapitänstelle nicht im Wege der Förderung besetzt werden, so ist sie bei entsprechenden Bewerbungen im Wege des Wechsels zu besetzten. Satz 1 gilt nicht für die dadurch freiwerdende Kapitänstelle. ..."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29.03.2022 zur Akte gereichten TV WeFö Bezug genommen. Am 18.12.2017 schlossen die Beklagte und die VC S. den Tarifvertrag Wachstum für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der U. GmbH (im Folgenden: TV Wachstum). Der TV Wachstum i.V.m. der letzten Änderungsvereinbarung vom 26.06.2019 lautete auszugsweise wie folgt:

"Präambel Mit der Entscheidung der U. Gruppe, in Deutschland an verschiedenen Standorten in kurzer Zeit um 25 AC zu wachsen, ergibt sich für deren Flugbetriebe eine konkrete Wachstumsperspektive. Beide Parteien sind sich einig, dass die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, auch den Flugbetrieb der U. GmbH an diesem Wachstum partizipieren zu lassen. Dabei soll zumindest ein Wachstum an den heutigen Stationen DUS und HAM sowie an der neuen Station CGN durch die U. GmbH realisiert werden. Dabei legt U. Wert darauf, im S. sowohl routinierte, erfahrene Mitarbeiter als auch engagierten Nachwuchs für sich zu gewinnen. U. erachtet vor dem Hintergrund des angestrebten raschen Wachstums die alleinige Rekrutierung junger Mitarbeiter mit geringer Berufserfahrung als nicht geeignet, sondern wird - je nach Resonanz auf die Stellenausschreibungen - auch erfahrene Mitarbeiter mit längerer Erfahrung rekrutieren. Ein vernünftiger "Erfahrungsmix" des Cockpitpersonals ist für U. am besten geeignet, um die gesetzten Wachstumsziele zu erreichen. ... § 1 Geltungsbereich (1) Dieser Tarifvertrag Wachstum (TV Wachstum) gilt für die Beschäftigten des Cockpitpersonals (im Folgenden Beschäftigte genannt 1 ) der U.. ... § 2 Auswahlverfahren (1) Für die Einstellungen von Cockpitpersonal für den Zeitraum vom 18.12.2017 bis zum 31.12.2018, ..., gilt abschließend das folgende Ausschreibungs- und Auswahlverfahren: § 4 Eingruppierung und Einstufung Aufgrund des vorübergehend hohen Personalbedarfs gelten für Beschäftigte, die in dem Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 31.12.2018 eingestellt werden, für Zwecke der Eingruppierung und Einstufung folgende Sonderregelungen zum VTV Nr. 7: ... § 7 Verhandlungsverpflichtung zum Tarifvertrag "Berücksichtigung beruflicher Vorerfahrung von Neueinstellungen bei der Vergabe von Off-Request, betriebliche Teilzeit, Urlaub sowie der Festlegung der Upgrade Reihenfolge. Die Parteien verpflichten sich, bis zum 31.10.2019 eine tarifliche Regelung zur Berücksichtigung beruflicher Vorerfahrung von Neueinstellungen bei der Vergabe von Off-Request, betrieblicher Teilzeit, Urlaub sowie der Festlegung der Upgrade Reihenfolge abgeschlossen zu haben. § 8 Inkrafttreten und Vertragsdauer Dieser Tarifvertrag tritt am 18.12.2017 in Kraft und endet mit dem Beginn der Upgradeschulung des letzten internen Bewerbers gemäß § 3 Abs. (2) dieses Tarifvertrages, der zum 31.12.2018 die Fördervoraussetzungen erfüllt hat, spätestens zum 30.06.2021 ohne Nachwirkung. Hiervon ausgenommen ist die Erfüllung der Ausgleichszahlung gem. § 3 sowie vorstehender § 5, der auch über die Vertragsdauer dieses Tarifvertrages Bestand hat. ..."

Wegen der weiteren Einzelheiten des TV Wachstum wird auf Anlage B2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29.03.2022 Bezug genommen. In Geltung des TV Wachstum wurden von der Beklagten ca. 300 Personen im Bereich des Cockpits von der ehemaligen H. eingestellt. Auf Grundlage des TV WeFö erstellte die Beklagte am 01.07.2021 eine endgültige Senioritätsliste.

Am 22.09.2021 unterzeichneten die Beklagte und die VC S. den "Tarifvertrag Karriere für das Cockpitpersonal der U." (im Folgenden: TV Karriere). In dem TV Karriere hieß es u.a.:

"§ 1 Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich (1) Dieser Tarifvertrag gilt für das Cockpitpersonal der U. (im Folgenden "Beschäftigte 1 " genannt), auf die der Manteltarifvertrag für das Cockpitpersonal in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung findet. (2) Dieser Tarifvertrag regelt die Seniorität, die Förderung und den Wechsel aller Voll- und Teilzeitbeschäftigten des Cockpitpersonals der U.. § 2 Senioritätsliste (1) Unter Seniorität ist eine besondere Art der Betriebszugehörigkeit zu verstehen, welche nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen festzustellen und zu berücksichtigen ist. (2) Jedes Jahr wird für die U. Beschäftigten eine Senioritätsliste erstellt, die folgende Angaben enthält: ... (3) Die Seniorität bestimmt sich nach dem Datum der Einstellung (erster Arbeitstag laut Arbeitsvertrag) bei U. als abhängig Beschäftigter des Cockpitpersonals. Haben eine Mehrzahl von Beschäftigten das gleiche Einstellungsdatum, bestimmt sich die Senioritätsreihenfolge nach Maßgabe des Geburtsdatums, so dass ältere Beschäftigte jüngeren vorgehen. (4) Für Beschäftigte, die bis einschließlich 31.12.2018 bei U. eingestellt wurden ("Altpersonal" und Einstellungen nach "TV Wachstum vom 18.12.2017"), gilt abweichend eine gesonderte Sortierung nach Anlage 1. Diese Beschäftigten werden in der Senioritätsliste vor den Beschäftigten mit Einstellungsdatum ab 01.01.2019 geführt. Auch für die nach dem TV M. eingestellten Beschäftigten gilt die Anlage 1. (5) Nach Abschluss dieses Tarifvertrages erfolgt einmalig die Neuermittlung der Senioritätsreihenfolge nach den Bestimmungen der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag. (6) Die Senioritätsliste wird auf der Grundlage der Regelungen in §§ 2, 3 und 4 erstellt und nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages weitergeführt. ... § 4 Erstellen, Führen und Veröffentlichen der Listen (1) Die nach § 2 erstellte Senioritätsliste wird von U. geführt und zum 1. April eines jeden Jahres der Personalvertretung S. der U. übergeben. Danach wird sie vorläufig veröffentlicht. ... (3) Hat die Personalvertretung S. im Einzelfall gegen die Festsetzung bestimmter Senioritätsdaten Einwände, so kann sie - unter Angabe von Gründen - innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach der vorläufigen Veröffentlichung bei U. in Textform Einspruch einlegen. Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung. Die VC ist hiervon in Textform zu unterrichten. (4) Der Einspruch kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Ablauf der Einspruchsfrist für die vorherige Senioritätsliste entstanden sind. Ein Einspruch, für den keine Gründe vorgetragen werden, gilt als nicht eingelegt. ... (5) Über Einsprüche gegen die Erstellung der Senioritätsliste entscheidet eine betriebliche paritätisch besetzte Kommission. Die Anrufung der Kommission erfolgt durch den Personalbereich binnen zwei Wochen. Nach ihrem Zusammentreten hat die paritätische Kommission binnen weiterer zwei Wochen zu entscheiden. ... (7) Die paritätische Kommission trifft ihre Entscheidung mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder. Kommt eine Mehrheitsentscheidung nicht zu Stande, so können die Personalvertretung S. oder U. eine Einigungsstelle anrufen, die spätestens innerhalb von sechs Wochen nach Einlegung des Einspruchs (Absatz 3) zusammentritt. Nach ihrem Zusammentreten hat die Einigungsstelle bis spätestens 30. Juni zu entscheiden. Die Festsetzung der Seniorität erfolgt dann für den mit dem Einspruch angegriffenen Fall durch den Spruch der Einigungsstelle. Die Einigungsstelle entscheidet verbindlich. (8) Die Senioritätsliste wird von U. zum 1. Juli eines jeden Jahres endgültig veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Gleichzeitig verlieren die jeweils vorherige und die vorläufige Senioritätsliste ihre Gültigkeit. Für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni wird auf die dann noch gültige Senioritätsliste des Vorjahres zurückgegriffen. Bei einem nachgewiesenen Täuschungsversuch wird die Senioritätsliste mit sofortiger Wirkung geändert. (9) Abweichend von den vorgenannten Regelungen gelten für die Neuerstellung der Senioritätsliste gemäß § 2 Abs. 5 einmalig folgende Fristen: ... Unmittelbar nach der Neuerstellung der Senioritätsliste gemäß § 2 Abs. 5 wird eine (ggf. weitere) vorläufige Senioritätsliste an die Personalvertretung S. übergeben. ... Eine eventuell einberufene Einigungsstelle muss innerhalb zwölf Wochen nach Veröffentlichung dieser vorläufigen Senioritätsliste entscheiden. Spätestens 14 Wochen nach der vorläufigen Veröffentlichung tritt die neu erstellte Liste endgültig in Kraft. Gleichzeitig verlieren die jeweils vorherige und die vorläufige Liste ihre Gültigkeit. (10) Ansprüche aus diesem Tarifvertrag stehen nur der Personalvertretung S. zu. § 5 Förderung und Wechsel (1) Förderung im Sinne dieses Tarifvertrages ist die Schulung vom First Officer zum Kapitän (Upgrading). (2) Wechsel im Sinne dieses Tarifvertrages sind Umschulungen auf ein anderes Flugzeugmuster unter Beibehaltung der beruflichen Funktion und wenn der Beschäftigte mindestens 36 Monate planbar auf dem neuen Flugzeugmuster eingesetzt werden kann. ... (3) Erfüllen für eine Förderung mehrere gleich geeignete Bewerber/Bewerberinnen die festgesetzten Förderungsbedingungen, werden die ausgeschriebenen Stellen nach der Seniorität besetzt. (4) Kann eine freie Kapitänstelle nicht im Wege der Förderung besetzt werden, so ist sie bei entsprechenden Bewerbungen im Wege des Wechsels zu besetzten. Satz 1 gilt nicht für die dadurch freiwerdende Kapitänstelle. ... § 10 Inkrafttreten und Vertragsdauer (1) Dieser Tarifvertrag tritt mit dem Datum seiner Unterzeichnung in Kraft. Er ersetzt den bisherigen TV WeFö vom 29.04.2008. ..."

Die Anlage 1 zum TV Karriere vom 22.09.2021 (im Folgenden TV-A Karriere) enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

"Präambel Viele der in den ergangenen Jahren bei U. eingestellten Pilotinnen und Piloten besitzen Flugerfahrung aus anderen Flugbetrieben. Die reine Beschäftigungsdauer bei der U. reflektiert diese Berufserfahrung nur unzureichend und stellt insbesondere für die betroffenen Ersten Offiziere kein angemessenes Ordnungsmerkmal für den beruflichen Aufstieg zum Kapitän dar. Die Tarifvertragsparteien vereinbaren daher mit der Änderung dieses Tarifvertrags nicht nur neue Regularien zur jährlichen Erstellung der Senioritätsliste, sondern auch die einmalige Neuordnung der Seniorität nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages. § 1 Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich (1) Für Beschäftigte, welche bis zum Inkrafttreten dieses Tarifvertrages eingestellt wurden, wird einmalig eine Neuermittlung der Senioritiätsreihenfolge vorgenommen. ... § 2 Beschäftigtengruppen (1) Gruppe 1 "Altpersonal" Für Beschäftigte, welche bei der U. GmbH oder einer ihrer Vorgängergesellschaften (RFG, NFD) ihren ersten kommerziellen Einsatz bis spätestens 30.09.2017 hatten und seitdem in einem durchgehenden Arbeitsverhältnis zur heutigen U. einschließlich ihrer Rechtsvorgänger stehen, bestimmt das Datum des ersten kommerziellen Einsatzes die Rechtsposition in der Senioritätsliste. Beschäftigte mit einem früheren kommerziellen Einsatzdatum gehen Beschäftigten mit einem späteren kommerziellen Einsatzdatum vor. Bei gleichem kommerziellen Einsatzdatum bestimmt sich die Senioritätsreihenfolge nach Maßgabe des Geburtsdatums, so dass ältere Beschäftigte jüngeren vorgehen. (2) Gruppe 2 "Einstellungen gemäß TV Wachstum" Für Beschäftigte, welche ihren ersten kommerziellen Einsatz ab dem 01.10.2017 bei der U.-Gruppe hatten und die bis spätestens zum 31.12.2018 bei der U.-Gruppe eingestellt wurden und seitdem in einem durchgehenden Arbeitsverhältnis zur heutigen U.-Gruppe stehen, bestimmen sich die Senioritätsreihenfolge durch Senioritätspunkte: a. Unter "Zugehörigkeit zur U.-Gruppe" ist die Anzahl der Kalendertage ab vollständigem Bewerbungseingang auf eine Stelle als Verkehrsflugzeugführer in einem aktuell oder ehemals zur U.-Gruppe gehörigen Flugbetrieb zu verstehen, der (ohne zwischenzeitliche Beschäftigung als Verkehrsflugzeugführer außerhalb der genannten Flugbetriebe) zu einem Arbeitsvertrag mit anschließendem ununterbrochenem Arbeitsverhältnis geführt hat. Die Tage der Zugehörigkeit zur U.-Gruppe werden frühestens ab dem 18.12.2017 gezählt. Bei früherem Bewerbungseingang zählt der 18.12.2017. Je Tag Zugehörigkeit zur U.-Gruppe ergibt sich ein Senioritätspunkt. b. Unter Berufserfahrung ist die Anzahl der Kalendertage seit dem ersten Einsatz als Halter einer Fluglizenz und Teil der operativen Cockpitcrew eines Flugzeuges (einschließlich des Landestrainings) ab MTOW 14 t oder größer zu verstehen (entsprechend D-Bxxx oder äquivalent). Vergleichbare militärische Berufserfahrung wird anerkannt. Je Tag Berufserfahrung ergibt sich ein Senioritätspunkt. c. Die Summe aus Tagen Berufserfahrung und Tagen Zugehörigkeit zur U. Gruppe bestimmt die Sortierungsreihenfolge in Form von Senioritätspunkten und wird in gleicher Wertigkeit berücksichtigt. Haben eine Mehrzahl von Beschäftigten die gleiche Anzahl von Senioritätspunkten, bestimmt sich die Senioritätsreihenfolge nach Maßgabe des Geburtsdatums, so dass ältere Beschäftigte jüngeren vorgehen. (3) Gruppe 3 "Beschäftigte mit dem Einstellungsdatum ab dem 01.01.2019 Für Beschäftigte, welche ab dem 01.01.2019 bei einer Gesellschaft der U.-Gruppe als Verkehrsflugzeugführer eingestellt wurden und seitdem in einem durchgehenden Arbeitsverhältnis zur U.-Gruppe stehen, bestimmt sich die Seniorität nach dem Datum der Einstellung (erster Arbeitstag laut Arbeitsvertrag). Haben eine Mehrzahl von Beschäftigten einen Arbeitsvertrag mit demselben ersten Arbeitstag, bestimmt sich die Senioritätsreihenfolge nach Maßgabe des Geburtsdatums, so dass ältere Beschäftigte jüngeren vorgehen. (4) Sortierung der Beschäftigungsgruppen zueinander Die Senioritätsliste wird so geführt, dass Gruppe 1 vor Gruppe 2 und diese vor Gruppe 3 geführt wird. Eine Überschneidung oder Vermischung der Gruppen ist ausgeschlossen. ..."

Wegen der weiteren Einzelheiten von TV Karriere und TV-A Karriere wird auf die als Anlage K2 zur Klageschrift und B3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29.03.2022 gereichten Ablichtungen der Tarifverträge Bezug genommen.

Der Kläger forderte die Beklagte außergerichtlich durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 03.11.2021 auf, rechtsverbindlich zu erklären, dass sie bei einer zu treffenden Auswahlentscheidung des Klägers die Senioritätsliste nicht in der Weise anwenden werde, wie in der TV-A Karriere geregelt. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 16.11.2021 ab. Für dessen Inhalt wird auf Anlage K4 zur Klageschrift Bezug genommen.

Am 03.12.2021 veröffentlichte die Beklagte auf Grundlage des TV Karriere eine vorläufige Senioritätsliste S.. Am 09.03.2022 veröffentlichte die Beklagte die finale Senioritätsliste S. gemäß Tarifvertrag Karriere. Der Platz des Klägers auf den Senioritätslisten auf der Grundlage des TV Karriere war schlechter als derjenige auf der Senioritätsliste nach dem TV WeFö. Die für die Qualifikation zum Kapitän erforderliche Mindestflugstundenzahl hatte der Kläger absolviert. Er hatte sich bereits auf die Ausbildung zum Kapitän beworben. Eine Stellungnahme hierzu erhielt der Kläger nicht. Einen Einspruch gegen die (vorläufige) Senioritätsliste über die Personalvertretung erhob der Kläger nicht.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei verpflichtet, ihm gegenüber bei künftigen Förderungsmaßnahmen vom First Officer zum Kapitän die Senioritätliste auf Grundlage des TV WeFö anzuwenden. Hilfsweise dürfe sie jedenfalls nicht die Senioritätsliste auf Grundlage des TV Karriere anwenden, soweit sein Senioritätsstatus hierdurch beeinträchtigt werde.

Der Kläger hat behauptet, der damalige Flugbetriebsleiter Herr R. habe ihm und fünf weiteren Kollegen, die für sechs zur Lufthansa gewechselte Kollegen eingestellt werden sollten, bei deren Wechsel von H. zur Beklagten zugesagt, dass für die Eingruppierung in die Senioritätsliste nach Maßgabe des TV WeFö Bestandsschutz bestehe. Auf Basis dieses vertraglich zugesicherten Bestandsschutzes habe er sich für einen Wechsel zur Beklagten entschieden und den Schutz des § 613a BGB in Ansehung der damals verhandelten Übernahmeszenarien der H. verlassen. Es sei Hintergrund seiner Überlegungen gewesen, durch eine frühzeitige Bewerbung bei der Beklagten eine Absicherung des Senioritätsstatus bei der Beklagten zu bekommen, weil die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten nach dem damaligen TV WeFö ausschlaggebend gewesen sei. Im Rahmen eines einwöchigen Operation Conversation Course (OCC) im September 2017, in dem Unterschiede zum alten Arbeitgeber erklärt worden seien, sei die Vertretung der Beklagten und Begleitung durch Herrn R. erfolgt. Er und die anderen fünf Arbeitnehmer hätten im Zuge dessen den Vertrag bei der Beklagten unterschreiben sollen. Im Rahmen des Kurses sei eine Vertreterin der bei der Beklagten gebildeten Personalvertretung S. (im Folgenden PV S.) erschienen und habe mitgeteilt, dass die PV S. der Einstellung der sechs Piloten nicht zustimmen könne, weil die Reihenfolge der Bewerber nicht eingehalten werde und Herr R. nicht mitgeteilt habe, dass entsprechende Neueinstellungen erfolgen würden. Hintergrund der Ablehnung durch die PV S. sei offenbar der bereits beschlossene TV Wachstum gewesen, der eine Änderung der Senioritätsreihenfolge begründen sollte. Herr R. habe ihm und den weiteren fünf Piloten jedoch mit, dass sie sich keine Sorgen machen sollten. Selbst wenn der TV Wachstum nämlich kommen sollte, wäre dieser nicht maßgeblich, weil die entsprechenden sechs Piloten als Ersatz für zuvor zur Lufthansa gewechselter sechs sogenannter NNFIern kommen würden. Hierdurch würden sie den Bestandsschütz dieser sechs NNFIer bei der Beklagten übernehmen können. Herr R. habe insofern mitgeteilt, dass dies auch klar als Belohnung dafür angesehen werden sollte, dass die sechs Piloten bewusst den Schritt zur Beklagten gegangen seien, ohne dass sie sich auf den möglichen Schutz des § 613a BGB berufen hätten, sodass insofern die Anstellungen zu den für die Beklagte deutlich günstigeren arbeitsvertraglichen Konditionen hätte erfolgen können, als dies bei einer Betriebsübernahme der H. der Fall gewesen wäre. Der Bestandsschutz sei auch betriebsintern insofern dokumentiert worden, als dass die sechs Piloten sogenannte Drei-Letter-Codes bekommen hätten, mit denen gekennzeichnet worden sei, dass sie zum Bestandspersonal zählen. Die im Nachgang, nachdem die Betriebsübernahme der H. gescheitert war, eingestellten Piloten hätten hingegen persönliche Zahlen nach dem entsprechenden neuen Tarifvertrag erhalten, seien also insofern auch betriebsintern nach den entsprechenden sechs Piloten im Rahmen der Seniorität gelistet. Frau C. habe zum Ende des letzten Jahres Herrn R. getroffen, der ihr gegenüber den Ablauf nochmals ausdrücklich bestätigt habe.

Der Kläger hat - losgelöst von der erfolgten Bestandszusage - gemeint, die Einstufung in Gruppe 2 nach der TV-A Karriere führe für ihn zu einer erheblichen Schlechterstellung, weil grundsätzlich die Gruppe 1 in der Gesamtheit vorrangig sei und in der Gruppe 2 nunmehr neben der Zugehörigkeit zur U.-Gruppe, auch die Berufserfahrung für andere Fluglinien berücksichtigt werde. Hierbei werde die bisherige Konstruktion der Senioritätsliste, die charakteristisch an die Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters anknüpfe, umfassend aufgeweicht, sodass sein mit der früheren Senioritätseinstufung verbundene Anlass, frühzeitig zu der Beklagten zu wechseln, nachträglich vollständig unterlaufen worden sei. Die neue Strukturierung der Seniorität verletze ihn in seinem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 12 GG und widerspreche der vor der Einstellung gemachten arbeitsvertraglichen Zusicherung hinsichtlich seines Bestands-Schutzes nach Maßgabe des TV WeFö. Er habe bereits aktuell ein Feststellungsinteresse dergestalt, dass die Senioritätsliste beruhend auf dem TV Karriere im Zuge der zu treffenden Auswahlentscheidung nicht angewendet werden dürfe.

Es bestehe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung seiner Person im Verhältnis zu Personen der Gruppe 1, die priorisiert würden, weil er 19 Tage nach dem willkürlich bestimmten Stichtag des ersten kommerziellen Einsatzes bei der Beklagten eingestellt worden sei. Während in Gruppe 1 für die dort erfassten Mitarbeiter die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten unerheblich sei, finde die Betriebszugehörigkeit aus anderen Unternehmen bei der für ihn maßgeblichen Gruppe 2 Berücksichtigung, sodass er aufgrund der verhältnismäßig geringen Vorbeschäftigungszeit bei der Beklagten eine signifikante Schlechterstellung auch gegenüber bei anderen Unternehmen vormals Beschäftigten aus dieser Gruppe erfahre. Ferner sei unverständlich, dass bei der Abgrenzung der Gruppen 1 und 2 das Datum des ersten kommerziellen Einsatzes bei der Beklagten, bei der Abgrenzung der Gruppe 2 zur Gruppe 3 hingegen das Datum der Einstellung und innerhalb der Gruppe 2 wiederum das Datum des Eingangs der Bewerbungsunterlagen die maßgeblichen Kriterien sein sollen. Darüber hinaus sei der TV Wachstum zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers noch überhaupt nicht anwendbar gewesen, sodass die Eingruppierung in Gruppe 2 in Ansehung der Gruppenbezeichnung aus der Anlage 1 erkennbar falsch sei. Ein sachlicher Grund für die künstlichen Differenzierungen, die zu einer Schlechterstellung von mehreren hundert Plätzen in der Senioritätsreihenfolge geführt hätte, sei nicht erkennbar.

Der Kläger hat mit der bei dem Arbeitsgericht Köln erhobenen und mit Beschluss vom 01.02.2022 an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesenen Klage zuletzt beantragt,

festzustellen, dass bei künftigen Förderungsmaßnahmen vom sog. "First Officer" zum Kapitän hinsichtlich seiner Person die Senioritätsliste auf Grundlage des Tarifvertrages "L. U. Luftverkehrs AG" vom 29.04.2008 Anwendung findet;

hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte bei der Auswahlentscheidung zu künftigen Förderungsmaßnahmen vom sog. "First Officer" zum Kapitän die Senioritätsliste als Anlage 1 zum Tarifvertrag Karriere vom 10.09.2021 nicht anwenden darf, soweit hierdurch sein Senioritätsstatus beeinträchtigt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass eine ausdrückliche Zusage zum Bestandsschutz hinsichtlich der Eingruppierung des Klägers in die Senioritätsliste der Beklagten - wie sie der Kläger konstruieren möchte - erfolgt sei. Es sei unzutreffend, dass der damalige Flugbetriebsleiter, Herr T. R., eine solche verbindliche Bestandsschutzzusage losgelöst von ggf. verschlechternden Tarifverträgen gemacht habe. Herr R. habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Eingruppierung des Klägers nach dem damals maßgeblichen TV WeFö erfolgen sollte. Dies sei dann auch so geschehen. Zum fraglichen Zeitpunkt des OCC habe es bei der PV S. weder ein ordentliches weibliches Mitglied noch ein weibliches Ersatzmitglied gegeben. Die diesbezügliche Behauptung des Klägers sei somit bereits schlicht falsch und werde bestritten. Auch die Situation hinsichtlich der vom Kläger angesprochenen Ablehnung der Einstellung der sechs First Officer durch die PV S. stelle sich anders dar. Die Personal-Vertretung habe mit Schreiben vom 25.09.2017 die Zustimmung zur Einstellung verweigert, weil die im Betrieb üblichen Formen der Ausschreibung von Arbeitsplätzen nicht eingehalten worden seien. Überdies habe der Zeitpunkt der Einstellung und der Ablehnung der PV S. zeitlich deutlich vor dem Abschluss des TV Wachsturn gelegen. Zum Zeitpunkt des OCC habe es noch gar keinen TV Wachstum gegeben, auf den sich die PV S. oder Herr R. hätten beziehen können. Daher wäre die vermeintliche Aussage der PV S. nicht korrekt. Ob seitens der PV S. überhaupt eine derartige Aussage getätigt worden sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte hat nachdrücklich bestritten, dass Herr R. sich derart geäußert: habe. Ferner sei klarzustellen, dass Herr R. lediglich zum Ausdruck gebracht habe, dass die Beklagte im Falle einer möglichen Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung der First Officer mittels Zustimmungsersetzungsverfahren vorgehen würde, um die gewünschten Einstellungen zu erreichen. Ferner hat die Beklagte bestritten, dass Herr R. mitgeteilt habe, es sei eine Belohnung dafür, dass die Piloten bewusst zur Beklagten gegangen seien, ohne sich auf den möglichen Schutz des § 613a BGB zu berufen. Herr R. habe lediglich erwähnt, dass er die frühzeitige Entscheidung für eine Bewerbung/Anstellung bei der Beklagten für sehr sinnvoll halte, im Gegensatz zu einem Verbleib bei der H. und dort "abzuwarten". Auch die Ausführungen des Klägers zu den sog. Drei-Letter-Codes seien unzutreffend. Die Beklagte hat bestritten, dass damit betriebsintern dokumentiert worden sei, dass die sechs Piloten zum Bestandspersonal gehören würden. Vielmehr habe die Änderung des ausschließlichen "Drei-Letter-Codes" (oder auch TLC) zu einem "Teils-Letter- als auch Ziffern-Code" mit dem Wechsel des Abrechnungsproviders von LGBS zu P. (später umfirmiert zu D. zum 01.01.2018 zu tun sowie dem Umstand, dass durch die Verwendung eines reinen TLCs die Kombinationsmöglichkeiten limitiert seien. Dies sei unter dem Aspekt, dass ein TLC wie auch eine Personalnummer nur einmal vergeben werden sollen, und der Größe bzw. dem Wachstum der Beklagten nicht mehrzielführend gewesen. Mithin habe es diesbezüglich keine konkrete inhaltliche Verknüpfung zu einem abgeschlossenen Tarifvertrag wie dem TV Wachstum gegeben. Schließlich sei auch die Behauptung des Klägers, Herr R. habe gegenüber Frau C. den Geschehensablauf noch einmal ausdrücklich bestätigt, falsch, und werde daher ebenfalls ausdrücklich bestritten. Zwar habe es zwischenzeitlich Gespräche zwischen Herrn R. und Frau C. und den anderen betroffenen Piloten gegeben. In diesen habe Herr R. jedoch lediglich immer zum Ausdruck gebracht, dass er die gegen die "Umsortierung" der Seniorität durch den neuen Tarifvertrag vorgebrachten Argumente inhaltlich durchaus nachvollziehen könne, es aber nun als Teil einer Tarifvereinbarung vereinbart worden sei. Keinesfalls habe er die vom Kläger falsch dargestellten Zusammenhänge bestätigt.

Dem Kläger stünden aus den tariflichen Regelungen des TV WeFö bzw. TV Karrriere keine Ansprüche zu, die er individualrechtlich geltend machen könne. § 5 Abs. 7 TV WeFö und § 4 Abs. 10 TV Karriere würden jeweils vorsehen, dass Ansprüche aus dem jeweiligen Tarifvertrag nur der PV S. S. zustünden. Aus diesem Grunde könnten Einsprüche gegen Senioritätslisten auch nur von der PV S. erhoben werden, wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang der Tarifvorschriften ergebe. Der Mehrwert der Senioritätsregeln liege nicht in den Karriereinteressen einzelner, sondern in einer transparenten und gerechten Personalentwicklung im Ganzen. Der tarifvertragliche Ausschluss individueller Ansprüche sei auch wirksam. Die Regelungen des TV Karriere seien wirksam.

Die Anpassung des Tarifwerks sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Tarifparteien es nicht mehr als sachgerecht empfunden habe, dass die fliegerische Seniorität allein anhand der bei ihr "erflogenen" Seniorität ermittelt worden sei. Dies habe die damalige Situation im Zuge der Insolvenz der H. verdeutlicht, welche zur Einstellung einer dreistelligen Zahl an (Co-)Piloten bei ihr geführt habe. Es sei nicht angemessen gewesen, diese Piloten bei Beförderungen wie Berufsanfänger zu behandeln. Ziel des aus diesem Grunde geschlossenen TV Wachstum sei es gewesen, ein geordnetes Verfahren zu schaffen, dass die Rekrutierung einer dreistelligen Zahl von Piloten in kurzer Zeit und in einem breiten "Erfahrungsmix" ermöglicht habe. Das Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 GG, sei durch die tariflichen Regelungen ebenso wenig verletzt wie Art. 3 GG. Es liege auch kein Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Dieser sei bereits nicht anwendbar, da es sich bei den streitgegenständlichen Regelungen des TV Karriere nicht um eine selbstgesetzte Verpflichtung, sondern um eine tarifliche Vorgabe und damit um eine fremdgesetzte Verpflichtung handele. Sie vollziehe lediglich die ihr vorgegebenen Regelungen, ohne einen Entscheidungsspielraum zu haben. Jedenfalls sei eine Ungleichbehandlung vorliegend gerechtfertigt, weil die Tarifvertragsparteien ihre Verpflichtungen aus dem TV Wachstum erfüllt hätten. Sie habe mit den Neuregelungen eine Neuordnung des nach dem TV Wachstum eingestellten Personals bezweckt. Die ausschließliche Anknüpfung an die "Betriebszugehörigkeit" sei nämlich nur dann angemessen, wenn das Wachstum des Flugbetriebes organisch erfolge. Andere Kriterien - wie die Berufserfahrung - seien für Neuzugänge in der 13-monatigen Wachstumsphase zwischen dem 01.09.2017 und dem 31.12.2018 heranzuziehen, weil das Wachstum in diesem Zeitraum nicht organisch, sondern in einer großen Welle erfolgt sei. Es sei daher nicht angemessen, diese Cockpitmitarbeiter trotz relevanter Flugerfahrung wie Berufsanfänger zu behandeln.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2022 abgewiesen. Es ist der Ansicht gewesen, aus den vom Kläger behaupteten Äußerungen lasse sich kein Rechtsbindungswille des Herrn R. des Inhalts entnehmen, dass er dem Kläger unabhängig von nachfolgenden tarifvertraglichen Regelungen eine bestimmte Seniorität nach dem TV WeFö zugesagt hätte. Im Übrigen sei die Neuregelung der Seniorität durch den TV Wachstum und den TV Karriere wirksam. Sie sei weder gleichheitssatzwidrig noch beinhaltete sie eine unzulässige Rückwirkung zu Lasten des Klägers. Auch ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG liege nicht vor.

Gegen das ihm am 06.07.2022 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 05.08.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.10.2022 - mit einem weiteren, am 29.09.2022 eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Arbeitsgericht fehlerhaft eine Beweisaufnahme unterlassen habe. Ausgehend von den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Übung sei von einem Rechtsbindungswillen der von ihm behaupteten Aussage des Herrn R. auszugehen. Insbesondere begründe das Arbeitsgericht nicht, warum nur unterstellt werden könne, dass Herr R. sich nur ein tarifvertragliches Verhandlungsergebnis gewünscht habe, in dem der Kläger als Altarbeitnehmer eingestuft wurde, wenn exakt Gegenteiliges im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits vorgetragen und unter Beweis gestellt wurde, wie das Arbeitsgericht im Tatbestand zutreffend aufgeführt habe. Es sei weiter unberücksichtigt geblieben, dass der OCC und der damit verbundene Versuch der Beklagten, kostengünstig Piloten der H. zu ihren Konditionen zu gewinnen, ein einmaliger Sonderfall gewesen sei, bei dem die Beklagte die Insolvenz der H. für ihr Vorhaben, günstig Piloten einzustellen, ohne diesen den Schutz des § 613 a BGB geben zu müssen, habe ausnutzen können. Den Schutz des § 613a BGB ohne Gegenleistung aus der Hand zu geben, sei aus seiner Sicht sinnwidrig. Schließlich habe er darauf vertraut, dass nach dem Widerspruch durch die PV S. Herr R. die zu Tage getretene Problematik gelöst habe. Berücksichtige man zusätzlich, dass die Bestandsschutzzusage auch für ihn und seine Kollegen plausibel gewesen sei, weil sie 1:1 für die abgewanderten NNFLer eingestellt werden konnten, so dass sie deren Status hätten übernehmen können, bleibe unerklärlich, warum das Arbeitsgericht eine Beweisaufnahme unterlassen hat.

Betreffend den tarifvertraglichen Anspruch habe das Arbeitsgericht sich zwar ausführlich mit der Rechtslage befasst. Es sei dabei auch nicht per se unzulässig, wenn die erkennende 15. Kammer des Arbeitsgerichts sich nach eigener Überprüfung den Ausführungen der 14. Kammer anschließe. Dies müsse dann aber auch tatsächlich der Fall sein. Hier seien indes einfach fremde Texte hineinkopiert worden, weil auch die Passagen zum Fliegen eines leichten Militärflugzeug übernommen worden seien, was für ihn nicht zutreffe. Es sei für ihn so nicht prüfbar, ob es wirklich eine eigenständige Prüfung der 15. Kammer gegeben habe. Er bleibe dabei, dass die Änderung der Senioritätsreihenfolge eine unzulässige echte Rückwirkung beinhalte, weil er den abschließenden Senioritätsstatus bereits durch den TV WeFö erhalten habe. Auch wenn damals noch kein Beförderungsanspruch bestanden habe, sei der Sachverhalt durch die damalige Bestandszusage abgeschlossen gewesen. Auf den bisherigen Senioritätsstatus habe er auch zu Recht vertraut.

Zum Ergebnis der Beweisaufnahme führt der Kläger aus, dass die Aussagen einvernehmlich die Bestandszusage, den Belohnungsgesichtspunkt sowie die Hintergründe dafür dargelegt hätten. Zwar habe die Beweisaufnahme erbracht, dass der Begriff der Seniorität im OCC nicht ausdrücklich gefallen sei. Sie habe aber erbracht, dass Herr R. von "Bestandszusage" und von den sechs Kandidaten als "Bestandspersonal" gesprochen habe. Diese Begrifflichkeit habe zwangsläufig nach dem objektiven Empfängerhorizont der Piloten auf die Senioritätsreihenfolge bezogen werden müssen, die nach übereinstimmender Bekundung aller Zeugen das für das Berufsleben eines Piloten entscheidende Merkmal bei der Beschäftigung durch eine Fluggesellschaft sei. Auslegungszweifel gingen nach den maßgeblichen AGB-Grundsätzen zu Lasten der Beklagten. Diese müsse sich an der konkreten "Werbeaktion" des Herrn R. festhalten lassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.05.2022 - 14 Ca 581/22 - abzuändern und 1. festzustellen, dass bei zukünftigen Förderungsmaßnahmen vom sogenannten First Officer zum Kapitän hinsichtlich seiner Person die Senioritätsliste vom 01.07.2021 auf Grundlage des Tarifvertrags Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der U. Luftverkehrs AG vom 29.04.2008 Anwendung findet; 2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1. festzustellen, dass die Beklagte bei Auswahlentscheidungen zu künftigen Förderungsmaßnahmen vom sogenannten First Officer zum Kapitän die Senioritätsliste als Anlage 1 zum Tarifvertrag Karriere vom 10.09.2021 nicht anwenden darf, soweit hierdurch sein Senioritätsstatuts aufgrund der Senioritätsliste vom 01.07.2021 auf Grundlage des Tarifvertrags Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der U. Luftverkehrs AG vom 29.04.2008 beeinträchtigt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.05.2022 - 14 Ca 581/22 - zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bleibt dabei, dass eine ausdrückliche Zusage zum Bestandsschutz hinsichtlich der Eingruppierung des Klägers in die Senioritätstliste nicht erfolgt sei. Herr R. habe keine solche Zusage losgelöst von verschlechternden Tarifverträgen gemacht. Herr R. habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Eingruppierung des Klägers nach dem damals maßgeblichen TV WeFö erfolgen sollte. Er habe den betroffenen Piloten nur "zugesagt", dass sie gemäß der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Tarifverträge eingruppiert werden. Ein weibliches Mitglied der PV S. habe es damals - wie ausgeführt - nicht gegeben. Die PV S. habe zudem wegen einer angeblich nicht erfolgten Ausschreibung widersprochen, zumal der TV WeFö noch gar nicht abgeschlossen gewesen sei. Die vermeintliche Aussage der PV S. werde mit Nichtwissen bestritten. Herr R. habe lediglich darauf hingewiesen, notfalls mit einem Zustimmungsersetzungsverfahren vorzugehen, um die gewünschten Einstellungen zu erreichen. Von einer Belohnung für einen Verzicht auf den Schutz aus § 613a BGB habe Herr R. ebenfalls nicht gesprochen. Er habe lediglich angeführt, dass er die frühzeitige Entscheidung für einen Wechsel zur Beklagten im Gegensatz zum Verblieb bei H. für sinnvoll halte. Der Wechsel von Drei-Letter-Codes zu einem Teils-Letter und Teils-Zifferncode habe seinen Grund in dem Wechsel des Abrechnungsproviders. Herr R. habe gegenüber Frau C. die vom Kläger unzutreffend dargestellten Zusammenhänge auch nicht bestätigt.

Betreffend die tarifvertragliche Umstellung habe die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf sich den zutreffenden Erwägungen der anderen Kammern des Arbeitsgerichts Düsseldorf zu Recht angeschlossen. Es liege auch keine echte Rückwirkung vor, sondern eine zulässige unechte Rückwirkung.

Zur Beweisaufnahme ist die Beklagte der Ansicht, dass eine ausdrückliche Zusage des Herrn R. gegenüber dem Kläger, dass er seine Seniorität künftig beibehält, nicht bewiesen worden sei. Vielmehr ergebe sich aus allen Zeugenaussagen, dass über Seniorität gar nicht gesprochen worden sei und Herr R. keine Aussage zur Seniorität getroffen habe. Die Beklagte ist der Ansicht, es habe sich aus der Grundlage der Beweisaufnahme auch keine sinngemäße Zusage einer Senioritätslistensicherung gegeben. Selbst wenn man als wahr unterstellen würde, dass gesagt worden sei, die Piloten sollten sich keine Sorgen machen, weil es den TV Wachstum nicht brauche um sie einzustellen, und selbst wenn man weiter als wahr unterstellen würde, dass zudem gesagt wurde, dass die Piloten für eine schnelle Entscheidung belohnt werden sollten, sei daraus keine Aussage ableitbar, dass diese Gruppe von sechs Personen mit jeweils Flugerfahrung von deutlich unter einem Jahr für alle Zeit von tariflichen Änderungen ausgenommen werden solle. Die angebliche "Belohnung" ergebe sich schon alleine aus der nahtlosen Anschlussbeschäftigung bei ihr, ohne den TV Wachstum abwarten zu müssen. Schließlich hätten auch alle Piloten angegeben, dass ihnen bekannt gewesen sei, dass die Frage der Seniorität nur tariflich geregelt werden könne. Letztlich würden die Piloten zwei Dinge vermischen. Die Sorge der Piloten habe damals nicht ihrer Seniorität gegolten, sondern ihrer Einstellung an sich, weil es noch keinen TV Wachstum gab und die Beklagte damals noch auf den Betrieb von 23 Flugzeugen eingeschränkt gewesen sei. Bei der Frage, ob für die Einstellung der TV Wachstum erforderlich sei, handele es sich um eine Frage, die alleine für die Einstellung relevant gewesen sei und nicht für die Seniorität. Es habe auch keiner der Zeugen bestätigt - wie aus der schriftlichen Aussage von Frau C. ersichtlich -, dass sie den Bestandsschutz der sieben NFFler übernehmen könnten. Eine solche Aussage wäre auch widersinnig, weil sie nicht den Bestandsschutz anderer Piloten nach dem TV WeFö oder einem anderen Tarifvertrag übernehme könnten. Eine Unterscheidung zwischen Bestands- und Nichtbestandspersonal werde Herr R. nicht benutzt haben, weil es eine solche Unterscheidung damals noch gar nicht gegeben habe. Aber selbst wenn die Äußerung gefallen sein sollte, dass der Kläger und die anderen Piloten zum Bestandspersonal gehörten, trage dies das Klageziel nicht. Schließlich seien der Kläger und seine Kollegen bis zum Abschluss des TV Karriere nach dem TV WeFö eingruppiert und behandelt worden. Die Nichtgeltung des TV Wachstum habe schlicht die damalige tarifliche Situation zutreffend wiedergegeben. Und schließlich hätten alle Mitarbeiter im Nachgang ihre Arbeitsverträge unterzeichnet, der sich in den Ziffern 2, 3 und 10 ausdrücklich mit der Geltung der Tarifverträge befasse und in Ziffer 11.2 ausführe, dass mündliche Nebenabreden nicht getroffen seien. Im Übrigen komme es auf den Vorrang der Individualabrede nicht an, weil auch die angebliche Zusage gegenüber den Piloten eine Gesamtzusage gewesen wäre. Unabhängig von dem Vorherigen habe der Kläger weder eine Äußerung des Herrn R. vorgetragen noch habe die Zeugenvernehmung eine solche erbracht, nach der Herr R. etwas gesagt haben könnte, aus dem sich ableiten ließe, dass auch nicht mehr existente Tarifverträge Jahre später, unabhängig von der verbandsrechtlichen und arbeitsvertraglichen Situation, weiter Anwendung finden sollen. Dies lasse sich auch nicht aus der Verwendung des Wortes Bestandsmitarbeiter ableiten. Wenn der Kläger letztlich meine, dass abändernde Tarifverträge für ihn in der Zukunft nicht gelten, so führe dies nicht zu einem Bestandsschutz, sondern zu einer Besserstellung gegenüber den Bestandsmitarbeitern. Die Behandlung als "Bestandsmitarbeiter" habe mithin nicht zur Folge, dass tarifliche Verschlechterungen ausgeschlossen seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R., K. QR. und WY.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.05.2023 Bezug genommen. Die erkennende Kammer hat außerdem eine schriftliche Aussage der Zeugin GE. C. eingeholt. Wegen deren Inhalt wird auf die schriftliche Aussage vom 20.03.2023 (Bl. 274 der Akte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften in beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

Im Hinblick auf die Beachtung der Vorgaben der §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 09.08.2023 im Parallelrechtsstreit zum Az. 12 Sa 529/22 und schließt sich diesen an. Sie lauten:

B.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Seine Klage ist zwar mit Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber insgesamt unbegründet.

I.

Wegen der Zulässigkeit der Klageanträge nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 09.08.2023 im Parallelrechtsstreit zum Az. 12 Sa 529/22 und schließt sich diesen an. Die 12. Kammer führt aus:

II.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Der Hauptantrag des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, dass diese bei zukünftigen Förderungsmaßnahmen vom sog. First Officer zum Kapitän zu seinen Gunsten die Senioritätsliste vom 01.07.2021 auf der Grundlage des TV WeFö anwendet. Ein Anspruch mit diesem Inhalt steht dem Kläger nicht zu. Er folgt weder aus einer einzelvertraglichen Zusage noch aus dem für das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbaren Tarifrecht, weil der TV WeFö wirksam durch den TV Karriere abgelöst worden ist.

a.

Die Beklagte hat dem Kläger die Beibehaltung seines bisherigen Senioritätsstatus auf der Grundlage des TV WeFö gemäß der Liste vom 01.07.2021 nicht einzelvertraglich und unbedingt, d.h. unabhängig von nachfolgenden tariflichen Änderungen, zugesagt. Die von der Kammer zu dieser Frage am 02.05.2023 durchgeführte Beweisaufnahme ist unergiebig geblieben.

aa.

Die Zeugen R., WY., K. QR. und C. haben zu den Abläufen und Aussagen des Herrn R. im Wesentlichen Folgendes bekundet:

- Den sechs Einstellungskandidaten war vor dem oder beim OCC bekannt geworden, dass der TV Wachstum nicht abgeschlossen bzw. "widerrufen" worden war mit der Folge, dass die Zahl der von der Beklagten bereederten Flugzeuge (zunächst) auf 23 beschränkt blieb. Zudem wurde ihnen mitgeteilt, dass die Personalvertretung ihrer beabsichtigten Einstellung widersprochen habe. Das löste in ihnen Sorgen und Bedenken aus "primär um die Einstellung" (Zeuge WY.), "dass ... für uns möglicherweise kein Platz da sein würde" (Zeuge Fund) bzw. "ob dann da Platz für uns ist" (Zeuge QR.).

- Diese Bedenken und Sorgen trugen sie an den Zeugen R. heran. Dieser sagte, dass es kein Problem gebe, da der Kläger und die weiteren fünf Einstellungskandidaten Ersatz für die zur Lufthansa abgewanderten NFF-ler seien. Auf das Schicksal des TV Wachstum komme es nicht an. Sie gehörten zum "Bestandspersonal", wobei sich die Zeugen WY., K., QR. und C. sicher daran erinnern können wollen, dass dieser Begriff gefallen sei, während der Zeuge R. lediglich eingeräumt hat, dass dies so gewesen sein könne. Herr R. äußerte weiterhin, dass er das Problem der Zustimmungsverweigerung der Personalvertretung lösen werde.

- Über die Seniorität selbst ist beim OCC nicht gesprochen worden. Herr R. habe jedoch - so die Bekundungen der Zeugen WY., K. und QR. - von einer "Belohnung" für die frühe Entscheidung für die Beklagte gesprochen, ohne näher zu spezifizieren, wie diese aussehen solle.

bb.

Die Aussagen der Zeugen bedürfen keiner Beweiswürdigung. Selbst wenn nämlich die Bekundungen WY., K. QR. und C. als richtig unterstellt werden, ergibt die gebotene Auslegung des Gesagten keinesfalls, dass dem Kläger und den weiteren Einstellungskandidaten im September 2017 von Herrn R. verbindlich zugesichert worden ist, ihre Seniorität würde sich allein nach dem TV WeFö richten.

Auch zu diesem Punkt hat sich die 12. Kammer in ihrem bereits zitierten Urteil vom 09.08.2023 im Parallelrechtsstreit zum Az. 12 Sa 529/22 umfassend und zutreffend geäußert. Die Kammer schließt sich diesen - folgend wiedergegebenen - Ausführungen voll inhaltlich an:

b.

Der TV WeFö mit der Senioritätsliste vom 01.07.2021 findet nicht deshalb Anwendung, weil die Ablösung des TV WeFö durch den TV Karriere rechtsunwirksam wäre, weil der TV Karriere gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstieße. Dies ist auch unter Berücksichtigung des Zeitpunktes des ersten kommerziellen Einsatzes des Klägers am 19.10.2017 nicht der Fall. Die 12. Kammer hat in ihrem bereits mehrfach zitierten Urteil vom 09.08.2023 hierzu das Folgende ausgeführt:

Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits voll inhaltlich an.

III.

Der Hilfsantrag ist der Kammer aufgrund des Unterliegens des Klägers mit dem Hauptantrag zur Entscheidung angefallen. Er ist zulässig. Der Kläger will letztlich etwas modifiziert zum Hauptantrag festgestellt wissen, dass selbst dann, wenn die Senioritätsliste des TV Karriere zur Anwendung kommt, er nicht schlechter behandelt wird, als nach dem bereits erreichten Senioritätsstatus auf der Grundlage des TV WeFö.

Der Hilfsantrag ist unbegründet. Der damit geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger aus dem gleichen Gründen wie der Hauptantrag weder aus dem Haupt- noch aus dem Hilfsvorbringen zu.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision für beide Streitgegenstände gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Betreffend den zweiten Streitgegenstand erachtet die Kammer es für klärungsbedürftig, ob und unter welchen Voraussetzungen die Tarifvertragsparteien bisherige Senioritätsregeln im Flugverkehr für die Zukunft ablösen und ändern können. Die Auslegung betreffend den ersten Streitgegenstand lässt sich zur Überzeugung der Kammer mit dem nach der Beweisaufnahme noch verbliebenen Gesprächsinhalt nicht ohne Eingehen auf den kollektiven Charakter der Seniorität widerspruchsfrei zum zweiten Streitgegenstand treffen.

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