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Beschluss vom 27.09.2023 · IWW-Abrufnummer 238422

Landesarbeitsgericht Niedersachsen - Aktenzeichen 4 Ta 182/23

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen zugelassenen Krankenhäusern und deren Arbeitnehmern über die auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26e Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gestützte Zahlung des Bundesanteils der Corona-Sonderleistung ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet.


Tenor: I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 20.06.2023 - 8 Ca 155/23 - teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: 1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist unzulässig. 2. Der Rechtsstreit wird gemäß § 48 ArbGG, § 17a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen. II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin hat bei der Beklagten von 2008 bis 2011 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert und steht nunmehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Zuletzt war sie auf der interdisziplinären Intensivstation eingesetzt. Ab dem 24.05.2021 hatte sie ein Beschäftigungsverbot. Bis zum 19.06.2022 befand sie sich in Elternzeit.

Die Beklagte erhielt vom Bund nach § 26e KHG eine Zahlung aus Bundesmitteln. Nach § 26e Abs. 2 KHG hatte sie mit dem ausgezahlten Betrag eine Prämie als einmalige Sonderleistung an diejenigen Pflegefachkräfte zu zahlen, die im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen im Krankenhaus beschäftigt gewesen waren. Eine Auszahlung der Prämie an die Klägerin erfolgte nicht. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Auszahlung der Prämie in Höhe von 2.000,- € (brutto).

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.06.2023 die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs auf Rüge der Beklagten verneint und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Braunschweig verwiesen. Gegen den der Klägerin am 21.06.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 30.06.2023 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangene Beschwerde der Klägerin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. Es handele sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese mit Beschluss vom 06.07.2023 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze und sonstigen Anlagen verwiesen.

II.

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 567 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht iSd. § 569 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist teilweise begründet, gemessen am Beschwerdeziel der Klägerin - den Rechtsstreit bei den Arbeitsgerichten zu belassen - unbegründet.

1.

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Ziff. 3 a ArbGG und auch nicht aus den übrigen Ziffern des § 2 Abs. 1 ArbGG.

Nach § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen allein für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" zuständig. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann nicht nur bestehen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern auch dann, wenn sie sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird. Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BAG 1. März 2022 - 9 AZB 25/21 - Rn. 13).

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten in Anspruch, welche der Beklagten mit § 26e KHG auferlegt worden sind. Wie auch § 150a Abs. 1 Satz 1 SGB XI, welcher Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 2022 - 9 AZB 25/21 - war, regelt § 26e KHG einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch. Die Beklagte hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26e Abs. 1 KHG einen Anspruch auf eine Auszahlung aus Bundesmitteln, welche sie unter den Voraussetzungen von § 26e Abs. 2 und Abs. 3 KHG als einmalige Sonderleistung an Pflegekräfte weiterzugeben hat. Die Auszahlung der erhaltenen Bundesmittel macht die Klägerin mit ihrer Klage geltend. Hierbei handelt es sich nicht um eine im Synallagma stehende Gegenleistung, sondern ausweislich des Wortlauts fungiert die Beklagte nur als Zahlstelle.

2.

Im vorliegenden Fall ist - entgegen der im Beschwerdeverfahren (Beschluss vom 01.08.2023 - 4 Ta 116/23 -) nicht näher begründeten Annahme, es handele sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, daher sei das Sozialgericht nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG zuständig - die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben.

a)

Eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist tatsächlich, wie die 13. Kammer im Beschluss vom 16.08.2023 - 13 Ta 164/23 - ausführlich und zutreffend herausgearbeitet hat, nicht gegeben.

aa)

Angelegenheiten der GKV sind Streitigkeiten, die entweder die versicherungs- oder leistungsrechtlichen Beziehungen der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern und zu den Leistungserbringern auf der Grundlage des SGB V oder auch die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander betreffen. Entscheidend ist, ob das Rechtsverhältnis dem speziellen Recht der GKV unterliegt, die Streitigkeit also ihre Grundlage im Recht der GKV hat und die maßgeblichen Normen dem Recht der GKV zuzuordnen sind (BSG 19. Juni 2023 - B 6 SF 1/23 R - Rn. 15 mwN, Landesarbeitsgericht Niedersachen 16. August 2023 - 13 Ta 164/23 - Rn. 17).

bb)

Vorliegend handelt es sich nicht um eine Streitigkeit, die die versicherungs- oder leistungsrechtlichen Beziehungen der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern oder zu den Leistungserbringern zum Gegenstand hat. Auch wenn die gesetzliche Verankerung der Corona-Prämie durch den Gesetzgeber im Sinne eines "effizienten und bürokratiearmen Verfahrens" (vgl. BT-Drs. 20/1331, Seite 2) wahllos erscheint, ist festzustellen, dass die hier einschlägige Regelung - § 26e KHG - nicht dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen zuzuordnen ist.

Auch materiell-rechtlich betrifft die Streitigkeit keine Frage der Krankenversicherung. Die von der Klägerin erstrebte Sonderleistung ist unabhängig von ihrem krankenversicherungs- bzw. sozialversicherungsrechtlichen Status. Für die Finanzierung der nach näherer Maßgabe des § 26e Abs. 2 und 3 KHG allein an die Beschäftigung bestimmter Pflegefachkräfte anknüpfende Sonderleistung werden keine Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung aufgewandt. Die Ausgaben hierfür werden im Ergebnis vollständig aus Steuermitteln des Bundes gezahlt (vgl. Bundestag Drucksache 20/1331, S.1 und S. 14; Landesarbeitsgericht Niedersachsen 22. August 2023 - 13 Ta 163/23 - Rn. 19).

b)

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hiernach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Wie oben ausgeführt, handelt es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Das Krankenhausplanungsrecht und das Krankenhausfinanzierungsrecht gehören zur Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte (vgl. Flint in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 51 SGG [Stand: 19.09.2023], Rn. 109). Die vorliegende Streitigkeit ist auch nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen.

c)

Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Braunschweig ergibt sich aus § 52 Nr. 5 VwGO.

3.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres mit Blick auf das erstrebte Rechtsschutzziel erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

4.

Gemäß § 78 Satz 3 ArbGG war über die sofortige Beschwerde ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter zu entscheiden.

5.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgte gemäß § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Vorschriften