Urteil vom 07.09.2023 · IWW-Abrufnummer 238536
Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 640/21
Zur Eingruppierung eines Diplomsozialarbeiters und zum Begriff der Gefahrenabwehr für die Entgeltgruppe S 14 TVöD
Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.09.2021 - 2 Ca 848/21 - wird zurückgewiesen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Dieser begehrt eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA mit Wirkung ab dem 01.11.2018 sowie die Nachzahlung der daraus resultierenden rechnerisch unstreitigen Differenz zu den Entgeltzahlungen, die nach der bisherigen Eingruppierung in die EG S 12 TVöD-VKA erfolgt waren.
Der Kläger ist seit dem 01.01.2004 als Diplomsozialarbeiter im Allgemeinen Sozialen Dienst des Beklagten und dort im Fachdienst beschäftigt. Die Beschäftigung im Fachdienst (nicht im Bezirksdienst) ist für die sich hier stellende Frage der Eingruppierung von besonderen Bedeutung. Für die Zeit bis zum 15.09.2021 war die Reduzierung auf eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-VKA Anwendung. Seit einer Höhergruppierungsentscheidung vom 03.12.2020, die auf der Grundlage eines Höhergruppierungsverlangens des Klägers aus Mai 2019 erfolgt war, wird der Kläger rückwirkend seit dem 01.11.2018 nach der Entgeltgruppe S 12 Stufe 6 des TVöD vergütet und nicht wie zuvor nach EG S 11 b).
Mit seiner Klage begehrt der Kläger, wie ursprünglich bereits im Rahmen des besagten Höhergruppierungsverlangens beantragt, nicht nur eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 12 sondern eine solche in die Entgeltgruppe S 14.
Die Entgeltgruppen "S" finden sich in der Anlage C zum TVöD. Kern des vorliegenden Streits sind insbesondere die Themenschwerpunkte "Arbeitsvorgang" und "Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Protokollerklärung Nr. 14" dort insbesondere die Spiegelstriche "Inobhutnahmen" und "Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten". In der Anlage C zum TVöD heißt es auszugsweise (Unterstreichungen und Fettdruck nur hier):
S 11b
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung sowie Heilpädagoginnen/Heilpädagogen mit abgeschlossener Hochschulbildung und - soweit nach dem jeweiligen Landesrecht vorgesehen - mit staatlicher Anerkennung mit jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 15)
S 12
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung sowie Heilpädagoginnen/Heilpädagogen mit abgeschlossener Hochschulbildung und - soweit nach dem jeweiligen Landesrecht vorgesehen - mit staatlicher Anerkennung mit jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 12 und 15)
S 13
[...]
S 14
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung sowie Heilpädagoginnen/Heilpädagogen mit abgeschlossener Hochschulbildung und - soweit nach dem jeweiligen Landesrecht vorgesehen - mit staatlicher Anerkennung mit jeweils entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise).
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 13, 14 und 15)
Die in der Regelung zur Entgeltgruppe S14 genannten Protokollerklärungen Nr. 14 lautet wie folgt (Unterstreichungen und Fettdruck nur hier):
1Das "Treffen von Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und die Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind", sind im Allgemeinen Sozialen Dienst bei Tätigkeiten im Rahmen der Fallverantwortung bei
- Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII ,
- der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII ,
- der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen ( § 42 SGB VIII ),
- der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50 SGB VIII )
einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erfüllt.
2Die Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen (z.B. Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege oder Heimerziehung) fällt nicht unter die Entgeltgruppe S 14.
[...]
Zwischen den Parteien ist auch und vor allem mit Blick auf die Protokollerklärung Nr. 14 streitig, ob der Kläger mit seiner Tätigkeit im Fachdienst im Sinne der Tarifvorschrift "Entscheidungen" im Rahmen seiner "Fallverantwortung" insbesondere mit Blick auf "Inobhutnahmen" zu treffen hat und ob und in welchem Umfang er in Verfahren vor den Familiengerichten "mitwirkt" bzw. Maßnahmen zur Gefahrenabwehr "einleitet". Im Berufungsverfahren ist zusätzlich streitig geworden, ob die dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten in nur einem einzigen Arbeitsvorgang zusammenzufassen sind, wie es bis lange nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zwischen den Parteien unstreitig war; oder ob mindestens drei verschiedene Arbeitsvorgänge unterschieden werden müssen, wie es der Beklagte in der Zwischenzeit geltend macht. Letzteres ist unter anderem deshalb von Bedeutung, weil die besagten "Inobhutnahmen" im sogenannten Innendienst erfolgen und der Kläger nur in weniger als 50 % seiner Arbeitszeit im Innendienst tätig ist.
In einer vom Beklagten vorgelegten Rahmenkonzeption für die Teamarbeit der Teams "Soziale Dienste" (Anlage B1 zur Berufungsbegründung, Bl. 193 d.A.) heißt es auszugsweise:
3.2 Zuständigkeiten
3.2.1 Fallzuständigkeit
Die Fachkräfte sind den drei Regionalteams (Bezirksdienst) und dem Fachdienst zugeordnet:
- Team Soziale Dienste I:
Euskirchen und Weilerswist
- Team Soziale Dienste II:
[...]
- Team Soziale Dienste III:
[...]
Die Fallzuständigkeit der Sozialarbeiter/innen der Bezirksdienste ist nach geografischen Gebieten und Jugend-Einwohner-Werten (JEW) geregelt.
- Fachdienst:
keine regionale Aufteilung, Fallverteilung erfolgt durch den Vorgesetzten. Zuständigkeit für folgende Aufgaben, insbesondere im Bereich Vollzeitpflege (Hilfeplanung), § 35 a ambulante Hilfen bei LRS; Dyskalkulie und Autismustherapie, stationäre Hilfen gem. § 35 a SGB VIII, Trennungs- und Scheidungsberatung und Gerichtshilfen für Team SD I.
Die genauere Abgrenzung zwischen den Aufgaben des Bezirksdienstes und des Fachdienstes ist einem eigenen Schnittstellenpapier geregelt.
Die Fachkräfte der Adoptionsvermittlungsstelle sind dem Fachdienst zugeordnet.
3.2.2 Vertretungsregelung
[...]
3.2.3 Innendienst
Jede Fachkraft des Bezirksdienstes und des Fachdienstes übernimmt an einem Werktag den sog. Innendienst. Der Innendienst ist entsprechend der o.g. Rangfolge für die an diesem Tag notwendigen Maßnahmen zuständig.
[...]
In der vom Beklagten vorgelegten Schnittstellendokumentation vom 07.06.2011 (Anlage B 2 zur Berufungsbegründung, Bl. 201 - "HzE" bedeutet Hilfen zur Erziehung und "HPG" bedeutet Hilfeplangespräch) heißt es unter anderem:
Umstrukturierung des ASD zum 01.07.2011
Zuständigkeitsregelungen
Vollzeitpflege gemäß § 33
Die Zuständigkeit des Fachdienstes ergibt sich aus dem Hilfebescheid, so dass hier auch sogenannte Erziehungsstellen gemäß § 33 SGB VIII vom Fachdienst betreut werden. Dies betrifft auch die Fälle gemäß § 86, 6 SGB VIII
- Wechsel von Inobhutnahme (Bereitschaftspflege) in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII
Für die Inobhutnahme verbunden mit der Perspektivklärung ist der Bezirksdienst zuständig. Sollte sich im Rahmen der Klärung die Perspektive einer Hilfe gemäß § 33 SGB VIII ergeben, so nimmt die Fachkraft (FK) des Fachdienstes (FD) an der Fallvorstellung im Team teil. Die Anlage zur HzE wird vom Bezirksdienst (BD) erstellt.
Die Anfrage nach einer geeigneten Pflegefamilie erfolgt durch den BD an den deutschen Kinderschutzbund.
Arbeitsschritt Zuständigkeiten Inobhutnahme Bezirksdienst Perspektivklärung Bezirksdienst Anlage HzE Bezirksdienst Anfrage DKSB wg. Pflegefamilie Bezirksdienst 1. HPG + Bescheiderstellung Fachdienst- Informationsaustausch und Informationsfluss
[...]
- Zuständigkeiten
bei unterschiedlichen Hilfen in einer Familie
[...]
bei Sorgerechtsentzügen bei Pflegekindern
Für die Antragstellung gemäß § 1666 BGB ist der Bezirksdienst auch bei Pflegekindern zuständig.
Abbruch des Pflegeverhältnisses
Sollte deutlich werden das eine Hilfe gemäß § 33 nicht mehr ausreichend sein sollte, wechselt die Zuständigkeit in den Bezirksdienst. Wird ein Wechsel in eine andere Pflegefamilie oder Erziehungsstelle gemäß § 33 SGB VIII favorisiert, so bleibt der Fachdienst zuständig
Hilfen gemäß § 35a stationär
[...]
Gerichtshilfe bei Trennung und Scheidung
Grundsätzlich gehören alle Stellungnahmen zum Sorgerechts- und Umgangsrechtsfragen zu der oben genannten Hilfe, die der Fachdienst bearbeitet. Dies betrifft auch Anträge von "umgangsberechtigten Dritten", wie z.B. Großeltern und anderen Bezugsperson. Gefährdungsbewertungen, wie zum Beispiel bei einem Antrag auf Ausschluss des Umgangs, bei konkret benannten Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung bearbeitet der Bezirk die
Mitteilung gemäß § 8a SGB VIII und Anträge gemäß § 1666 BGB werden von dem Bezirksdienst gestellt bzw. bearbeitet.
[...]
Anlässlich des ursprünglichen Höhergruppierungsantrages vom 15.05.2019 hat der Beklagte eine Stellenbeschreibung erstellt (Anlage 3, Bl. 51 d.A.). Dort heißt es wörtlich:
1. Fachdienst
Sozialpädagogische Betreuung von Kindern, Jugendlichen, jungen Volljährigen und Familien.
Umsetzung von Leistungen und anderen Aufgaben der Jugendhilfe.
Gesetzliche Grundlage: § 2 Abs. 2 Nr. 2, 4-6, Abs. 3 Nr. 1, 2, 6 SGB VIII.
Der Fachdienst ist schwerpunktmäßig für die Hilfeplanung gemäß § 27, 33 und 36 SGB VIII zuständig sowie für die Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII und das Führen von Sorgerechtspflegschaften.
1.1 Einleitung, Planung, Auswahl und Bewilligung von Hilfen und Maßnahmen
- Hilfen zur Erziehung (gem. §§ 27 ff SGB VIII)
- Eingliederungshilfe (gem. 35 a SGBB VIII)
- Hilfe für junge Volljährige / Nachbetreuung (gem. 41 SGB VIII)
- Inobhutnahmen (gem. § 42 SGB VIII)
- gemeinsame Wohnformen von Müttern/Vätern und Kindern (gem. § 20 SGB VIII)
- Maßnahmen zur Unterstützung der Schulpflicht
- Hilfen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
- Gefährdungseinschätzungen gem § 8 a SGB VIII
- Begleiteter Umgang gem. § 18 SGB VIII
- Planung und Begleitung der Rückführung von Pflegekindern
Gesetzliche Grundlage: §§ 8a, 18-21, 27-35, 35a, 36, 41, 42 und 43 SGB VIII.
1.2 Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren
Stellungnahmen bei Anträgen auf Sorgerechtsregelungen und Umgangsregelungen
Antragstellung bzw. Stellungnahme bei Anträgen auf
- Regelung und Begleitung des Umgangs gem. § 1684 BGB
- bei Freiheitsentziehenden Maßnahmen
- Bei Namensänderungen Minderjähriger
- Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge gem § 1673 und 1674 BGB
Gesetzliche Grundlagen: 50 SGB VIII i.V.m. §§ 1631b, 1671-1675, §§ 1682-1685, 1696 ff BGB, Ehegesetz und FamFG
1.3 Sicherstellung des Beratungsanspruchs und persönliche Hilfestellung in Fragen
- der Erziehung
- bei Ausübung der elterlichen Sorge für ein Kind
- der Partnerschaft, Trennung und Scheidung
Gesetzliche Grundlage: §§ 16-18 SGB VIII
1.4 Unterstützung und Mitwirkung bei Angeboten des erzieherischen Kinder - und Jungendschutzes
Gesetzliche Grundlage § 14 SGB VIII
1.5 Zusammenarbeit und Kooperation mit den unterschiedlichen Teams der Abteilung Jugend und Familie und anderen Einrichtungen und Dienste, insbesondere mit
- Freien Trägern der Jugendhilfe
- Kindertagesstätten, Schulen, Jugendfreizeitstätten
- den Abt. Schule, Gesundheit und Soziales des Kreises Euskirchen
- Polizei- und Justizbehörden, sowie Einrichtungen wie Beratungsstellen, Sozialdiensten der Krankenhäuser, Kinder und Jugendpsychiatrien, Ärzten
2. Statistik
2.1 Statistik im Rahmen des Aufgabengebietes
2.2 Statistiken IT NRW
3. Praxisanleitungen von Praktikantinnen und Praktikanten der Fachhochschulen und Hochschulen
4. Rufbereitschaft der Abteilung Jugend und Familie
5. Teilnahme an Teamsitzungen und Teamsupervisionen
6. Mitwirkung bei der Auswahl und Schulung von Pflegeelternbewerber/innen
Hier werden die Tätigkeiten des Klägers also unter sechs durchnummerierten Überschriften dargestellt. In der ersten Zeile der Tätigkeitsbeschreibung heißt es "Anteil in % an der Gesamtarbeitszeit: 100". Dem entsprechend war es im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits bis in das Berufungsverfahren hinein zwischen den Parteien unstreitig, dass von nur einem einzigen Arbeitsvorgang ausgegangen werden müsse.
Mit der seit dem 05.05.2021 beim Arbeitsgericht Bonn anhängigen Klage hat der Kläger sein Höhergruppierungsverlangen weiterverfolgt.
Zur Begründung seiner Klage hat er vorgetragen, ausweislich der besagten Stellenbeschreibung wirke er unter anderem an familiengerichtlichen Verfahren mit. Dies alles stehe nicht nur in seiner Stellenbeschreibung, er übe diese Tätigkeiten auch tatsächlich aus. Hiernach sei er letztlich fallverantwortlich und treffe die maßgeblichen Entscheidungen auch hinsichtlich der Anträge beim Familiengericht im Rahmen der Gefahrenabwehr. Die in der Protokollnotiz genannte "Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten" sei nach seiner Einschätzung offensichtlich unstreitig. "Mitwirkung" sei nicht "Führung".
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 299,95 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 59,99 EUR brutto seit dem 01.12.2018, 01.01.2019, 01.02.2019, 01.03.2019 und 01.04.2019 zu zahlen; 2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 771,28 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 61,79 € brutto seit dem 01.05.2019, 01.06.2019, 01.07.2019, 01.08.2019, 01.09.2019, 01.10.2019, 01.11.2019, 01.01.2020, 01.02.2020 und 01.03.2020 sowie aus 153,38 € brutto seit dem 01.12.2019 zu zahlen; 3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 904,15 € brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 62,43 € brutto seit dem 01.04.2020, 01.05.2020, 01.06.2020, 01.07.2020, 01.08.2020, 01.09.2020, 01.10.2020, 01.11.2020, 01.01.2021, 01.02.2021, 01.03.2021, 01.04.2021 sowie aus 154,99 € seit dem 01.12.2020 zu zahlen; 4. den Beklagte zu verurteilen, an ihn 64,28 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2021 zahlen; 5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 01.05.2021 Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14/Stufe 6 TVöD-VKA nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus denen sich jeweils ergebenden monatlichen Differenzbeträgen ab den jeweiligen Ersten des Folgemonats zu zahlen.Gegen den im Gütetermin vom 31.05.2021 säumigen Beklagten ist ein klagestattgebendes Versäumnisurteil verkündet worden. Mit dem rechtzeitig erhobenen Einspruch hat der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.Er hat zur Verteidigung gegen die Klage vorgetragen, im Jugendamt sei innerhalb des allgemeinen Sozialen Dienstes zwischen dem Bezirksdienst einerseits und dem Fachdienst andererseits zu unterscheiden. Der Kläger werde auf einer Stelle des Fachdienstes eingesetzt. Das Führen familiengerichtlicher Verfahren zur Gefahrenabwehr obliege ausschließlich dem Bezirksdienst und damit nicht dem Kläger. Mit Blick auf die Protokollerklärung Nr. 14 gehe er davon aus, dass nicht nur die in der Entgeltgruppe selbst benannten Voraussetzungen ("die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten") kumulativ vorzuliegen hätten, sondern dass sogar die hinter den Spiegelstrichen in der Protokollnotiz Nr. 14 genannten Tätigkeiten kumulativ vorliegen müssten. Wenn also das Führen von familiengerichtlichen Verfahren gar nicht zu den dem Kläger übertragenen Tätigkeiten gehörten, sondern zu denen des Bezirksdienstes, so sei damit schon die Erfüllung der Voraussetzungen der Protokollnotiz auszuschließen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.09.2021 stattgegeben, indem es das klagestattgebende Versäumnisurteil vom 31.05.2021 aufrechterhalten hat. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, tatsächlich müssten die Voraussetzungen der Entgeltgruppe kumulativ vorliegen. Mit dem Bundesarbeitsgericht sei auch zu unterstellen, dass die Spiegelstriche in der Protokollnotiz kumulativ erfüllt sein müssten. Beides sei aber vorliegend der Fall. Das ergebe sich aus der Stellenbeschreibung und aus der in der Kammersitzung des Arbeitsgerichts von beiden Parteien bestätigten Tatsache, dass der Kläger entsprechend der Stellenbeschreibung beschäftigt werde.
Gegen dieses ihm am 30.09.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.10.2021 Berufung eingelegt und er hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 25.01.2021 begründet.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte nunmehr vor, es sei nicht nur von einem einzigen sondern von mehreren Arbeitsvorgängen auszugehen und die als Anlage 3 vom Kläger vorgelegte Stellenbeschreibung entspreche nicht den von ihm auszuübenden Tätigkeiten. Die Stellenbeschreibung sei vielmehr zu korrigieren und den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Diese korrigierte Stellenbeschreibung und die tatsächlichen Gegebenheiten rechtfertigten keine Eingruppierung in die EG S 14 TVöD-VKA.
Statt wie bisher von einem einzigen Arbeitsvorgang sei richtigerweise von drei Arbeitsvorgängen auszugehen (Seite 4 des Schriftsatzes vom 07.07.2022) bzw. von vier Arbeitsvorgängen (Anlage B4 zum Schriftsatz vom 30.01.2023). Wenn zugunsten des Klägers angenommen werde, dass er Tätigkeiten auszuüben habe, die die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA erfüllten, so geschehe dies in einem Arbeitsvorgang der weniger als 50 % der gesamten Arbeitszeit ausmache. Die zumindest drei anzunehmenden Arbeitsvorgänge seien 1. Die Vollzeitpflege der Pflegekinder; 2. Die Eingliederungshilfe bei (drohender) seelischer Behinderung; 3. Der Innendienst. Nachdem im erstem Kammertermin vor der Berufungskammer am 01.12.2022 diesbezüglich Fragen aufgekommen seien, habe er sich die Mühe gemacht, die in der ursprünglich vorgelegten Tätigkeitsdarstellung aufgeführten Tätigkeiten des Klägers den maßgeblichen und zuletzt vorgetragenen Arbeitsvorgängen zuzuweisen (Anlage B4 Bl. 391 d.A.):
Arbeitsvorgang 1 - 70 % - Hilfeplanung, Fortschreibung und Beratung Vollzeitpflege
- Hilfen zur Erziehung (gem. §§ 27 ff SGB VIII), insbesondere Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)
- Hilfepläne fortschreiben
- erzieherische Ziele mit der Pflegefamilie und den Sorgeberechtigten vereinbaren
- Zielerreichung prüfen
- bei zusätzlichem Bedarf Unterstützung durch auswärtige Fachkräfte (z.B. deutscher Kinderschutzbund) einbinden
- Beihilfen gewähren im Rahmen der Richtlinien (vereinbart im Jugendhilfeausschuss)
- mit anderen Einrichtungen kooperieren und zusammenarbeiten (z.B. andere OE der KV, freie Träger der Jugendhilfen, Kindertagesstätten, Schulen etc.)
- Stellungnahmen für das Familiengericht bei Anträgen auf Umgangsregelungen verfassen
- Statistiken pflegen
- weitergehende Hilfen prüfen (z.B. gemeinsame Wohnformen von Müttern /Vätern und Kindern, falls Pflegekind Mutter oder Vater wird)
- bei der Auswahl und Schulung (z.B. mittels Workshops in Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund) von Pflegeelternbewerbenden mitwirken
2. Arbeitsvorgang 2 - 10 % - Einleitung, Planung, Auswahl und Bewilligung von Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
Eingliederungshilfe (§ 35 a SGB VIII):
- stationäre Hilfen und Maßnahmen der Eingliederungshilfe gem. § 35 a SGB VIII idR für 17-jährige und ältere einleiten, planen, auswählen und bewilligen
Für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung bis zum 17. Lebensjahr ist der Bezirksdienst zuständig
- ambulante Hilfen und Maßnahmen der Eingliederungshilfe einleiten, planen, auswählen und bewilligen (z.B. Autismus-Therapie, Dyskalkulie-Therapie, LRS-Therapie). Dies nur, wenn in der Familie keine intensiveren Hilfen erfolgen, wie z.B. sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
- mit anderen Einrichtungen Kooperieren und zusammenarbeiten (z.B. anderen OE der KV, freie Träger der Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Schulen etc.)
- Statistiken pflegen
Arbeitsvorgang 3 - 10 % Innendienst und Rufbereitschaft
Innendienst
- die Erreichbarkeit des Jugendamtes für Minderjährige, Eltern, sonstigen Kooperationspartnern und Bürger*innen während der Funktionszeiten sicherstellen
Die Zuständigkeit ist: Fachkraft, Vertretung, Innendienst
- Gefährdungseinschätzungen gemäß § 8 a SGB VIII vornehmen und bei akuten Gefährdungen auch Inobhutnahmen vornehmen
Rufbereitschaft
- Die Erreichbarkeit des Jugendamtes sicherstellen
- Gefährdungseinschätzungen gemäß § 8 a SGB VIII vornehmen und bei akuten Gefährdungen auch Inobhutnahmen vornehmen
Arbeitsvorgang 4 - 10 % Sonstiges.
- Trennungs- und Scheidungsberatung gem. § 17 SGB VIII
- Begleiteter Umgang gem. § 18,3 SGB VIII
- Hilfen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
- Zusammenarbeit und Kooperation mit den unterschiedlichen Teams der Abteilung und anderen Einrichtungen und Diensten
- Statistiken anfertigen
- Praxisanleitungen von Praktikantinnen und Praktikanten der Fachhochschulen und Hochschulen
- Maßnahmen zur Unterstützung der Schulpflicht
- Führen Sorgerechtspflegschaft (für Minderjährige, die von anderen Jugendämtern im Kreisgebiet untergebracht worden sind)
Der mit den vorstehenden Tätigkeiten zu betreuende Personenkreis sei nach Status und Hilfeansprüche nicht einheitlich. Der Kläger habe zum einen Pflegekinder zu betreuen und zum anderen im Rahmen der Eingliederungshilfe Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung. Außerdem habe der Kläger regelmäßig Innendienst zu leisten. Damit seien mindestens drei Arbeitsvorgänge zu unterscheiden, nämlich der Arbeitsvorgang mit den Tätigkeiten für die aktuell 51 Pflegekinder, der Arbeitsvorgang (aktuell 14 Fälle) mit den Tätigkeiten für die Kinder und Jugendlichen mit (drohender) seelischer Behinderung und schließlich der Arbeitsvorgang Innendienst, der für eine große Anzahl unterschiedlichster Personen zuständig sei. Der Arbeitsvorgang Innendienst sei mit einem geringen zeitlichen Anteil von 13 %, nach der zuletzt aktualisierten Stellenbeschreibung mit 10 %, eingruppierungsrechtlich irrelevant. Der die mögliche Inobhutnahme einschließende Arbeitsvorgang nach der Protokollerklärung Nr. 14 müsse aber mindestens 50 % umfassen.
Auch wenn nur von einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen sei, so der Beklagte weiter, seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingruppierungsvorschriften nicht erfüllt. Denn der Kläger habe keine "Entscheidungen" im Sinne der Protokollnotiz Nr. 14 zu treffen. Das gelte insbesondere mit Blick auf die Inobhutnahme von Kindern (3. Spiegelstrich der Protokollnotiz) und mit Blick auf die Mitwirkung in Verfahren vor dem Familiengericht (4. Spiegelstrich der Protokollnotiz). Das alles geschehe allenfalls in geringstem Umfang bei Bereitschaftsdiensten im Innendienst.
Zur Frage, ob der Kläger "Entscheidungen" im Sinne der Protokollnotiz Nr. 14 zu treffen habe, sei zu beachten, dass der Fachdienst schwerpunktmäßig mit der Hilfeplanung von Vollzeitpflegekindern betraut sei, mit der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII von seelisch Behinderten und mit dem Führen von Sorgerechtspflegschaften. Das - hier nach EG S 14 TVöD-VKA eingruppierungsrelevante - Treffen von Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und die Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familien- oder Vormundschaftsgericht, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich seien, obliege hingegen dem Bezirksdienst. Der Fachdienst - also der Kläger - treffe keine Entscheidungen. Der Bezirksdienst entscheide z.B. im Rahmen seiner Fallverantwortung, ob ein Kind zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr dauerhaft in einer Pflegefamilie unterzubringen sei. Erst nachdem diese Entscheidung über die Hilfe zur Erziehung bereits durch Auswahl der Hilfemaßnahme nach § 33 SGB VIII vom Bezirksdienst getroffen worden sei, gehe die Fallverantwortung für die Pflegekinder auf den Fachdienst und damit auf den Kläger über. Das ergebe sich aus der vorgelegten Schnittstellendokumentation zur Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bezirksdienst und Fachdienst. Erst die der jeweiligen Entscheidung nachgelagerte Umsetzung der Hilfen zur Erziehung, wie das Hilfeplangespräch (HPG) und die Bescheid-Erstellung, fielen in den Zuständigkeitsbereich des Fachdienstes und damit in die des Klägers. Das Vorgesagte ergebe sich aus der Rahmenkonzeption für die Teamarbeit vom Mai 2014 (Bl. 193 ff d.A.) und der Schnittstellendokumentation (Bl. 201 ff d.A.).
Der Kläger habe insbesondere keine tariflich relevanten Entscheidungen bei der Inobhutnahme von Kindern zu treffen. Vielmehr sei der Kläger im Bereich der Pflegekinder eingesetzt, für die bereits die Entscheidung über die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege zur Vermeidung der Kindeswohlgefährdung getroffen worden sei. Die Aufgaben des Klägers bezögen sich daher auf die Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen und unterfielen damit nicht der EG S 14 TVöD-VKA. Unstreitig sei, dass der Kläger fallverantwortlich seit 2017 lediglich eine einzige Inobhutnahme durchgeführt habe. Sofern der Kläger im Rahmen des Innendienstes bei weiteren Inobhutnahmen als weiterer Mitarbeiter beteiligt gewesen sein solle, werde dies statistisch nicht erfasst, weil der Kläger dann nicht die Fallverantwortung innegehabt habe. Die bloße Beteiligung an Inobhutnahmen (ohne Fallverantwortung) sei für die Eingruppierung in die EG S 14 TVöD-VKA jedoch irrelevant, da dort nur Inobhutnahmen im Rahmen der Fallverantwortung zählten.
Der Kläger wirke in Verfahren vor dem Familiengericht nicht im Sinne der Tarifnorm mit. Im Rahmen familiengerichtlicher Verfahren wirke der Kläger vor allem bei Trennungs- und Scheidungssachen mit, indem er Stellungnahmen zu Umgangsregelungen abgebe. Aufgrund einer im Jahre 2020 getroffenen Organisationsentscheidung seien ab Sommer 2020 aber auch diese gerichtlichen Verfahren ausschließlich dem Bezirksdienst zugeteilt worden. Der Kläger habe derzeit lediglich nur noch ein Verfahren, das aufgrund seiner vorherigen Zuständigkeit bei ihm verblieben sei. Verfahren im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen leiteten in der Regel die Sorgerechtsberechtigten ein. Der Kläger sei in diesen Verfahren kein Antragsteller. Stellungnahmen würden auf Anfrage des Gerichts abgegeben.
Inobhutnahmen gehörten nicht zu den eingruppierungsrechtlich relevanten Aufgaben des Klägers. Das gelte schon mit Blick auf die Satistik und damit auf das eine einzige Verfahren seit dem Jahre 2017.
Die Mitwirkung des Klägers bei gerichtlichen Verfahren sei qualitativ nicht ausreichend für eine Eingruppierung in die EG S 14 TVöD-VKA. Durch weitere Sachverhaltsaufklärung stelle sich nämlich die Tätigkeit des Klägers als eine solche dar, die klassischerweise dem Tätigkeitsbild des Pflegekinderdienstes entspreche; einer Tätigkeit also, die auf die Durchführung einer getroffenen Entscheidung zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung gerichtet sei. Die Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen falle jedoch nicht unter die EG S 14 TVöD-VKA gemäß Protokollerklärung Nr. 14 S. 2 TVöD-VKA.
Nach seiner Auffassung gehöre die Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren im Sinne der Tarifnorm auch und vor allem deshalb nicht zu den Aufgaben des Klägers, weil er Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB unstreitig nicht zu führen habe. § 1666 BGB sei jedoch die Zentralvorschrift für die gerichtlichen Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls. Familiengerichtliche Verfahren im Sinne der Protokollerklärung seien nur solche, die zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr des Kindeswohls erforderlich seien. Die Stellungnahmen, die der Kläger während eines laufenden familiengerichtlichen Verfahrens abgebe, erfüllten nicht die nach dem Tarifmerkmal vorausgesetzte Mitwirkung und erst recht nicht die Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familien- bzw. Vormundschaftsgericht zur Abwendung einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung. Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, dass er selbst Verfahren einleite. Mit dem Begriff der Einleitung von familiengerichtlichen Verfahren, wie er in der Tarifnorm stehe, habe sich das erstinstanzliche Gericht gar nicht auseinandergesetzt, sondern es habe die allgemeine Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren ausreichen lassen. Die Ableitung des erstinstanzlichen Gerichts, dass die Verweisung in der Protokollerklärung Nr. 14 auf § 50 SGB VIII weit zu verstehen sei und sich daher auf alle gerichtlichen Verfahren in Kindschaftssachen beziehe, sei falsch und zu weit gehend.
Die EG S 14 TVöD-VKA werde nach seiner Auffassung als eigenständige Entgeltgruppe eingeführt, um eine verbesserte Eingruppierung für eine Gruppe der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen zu gewährleisten, die erforderlichenfalls Grundrechtseingriffe zu verantworten hätten. Dieser Grundrechtseingriff als tatbestandlich begrenzte Ermächtigung für Eingriffe in die Personen- und Vermögenssorge der Eltern sei vor allem in § 1666 BGB geregelt. In dieser Vorschrift seien die gerichtlichen Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls niedergelegt. Die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten zur Abwendung dringender gegenwärtiger Kindeswohlgefährdungen könne daher nur erfüllt sein, wenn auch die Verfahrensbeteiligung nach § 1666 BGB vom Tätigkeitsfeld erfasst sei. Dies sei jedoch bei dem Kläger gerade nicht der Fall. Die Behauptung, dass sich Kindeswohl gefährdende Aspekte in Familien- und Sorgerechtssachen jederzeit ergeben könnten, auch und insbesondere während eines Gerichtstermins, sei übrigens falsch. Dies stelle die absolute Ausnahme dar. Es sei zwar richtig, dass der Mitarbeitende, der das Pflegekind betreue, bei dem Gerichtstermin mit anwesend sein könne. Die Verantwortung für das gerichtliche Verfahren liege aber bei dem Bezirksdienst, wenn es um Verfahren nach § 1666 BGB gehen solle. Ein Wechsel innerhalb der bereits gewährten Hilfen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung, wie die Unterbringung in einer Vollzeitpflege, falle in den Bereich der Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen und falle daher nach dem eindeutigen Wortlaut der Protokollerklärung Nr. 14 Satz 2 nicht unter die EG S 14 TVöD-VKA.
Die nach der Tarifvorschrift notwendige "Mitwirkung" in familiengerichtlichen Verfahren sei verbindlicher als eine bloße Unterstützung. Die bloße Unterstützung des Jugendamtes in familiengerichtlichen Verfahren, bei denen es nicht um eine akute Gefahrenabwehr zum Schutz des Kindeswohls gehe, sei von der Protokollerklärung Nr. 14 S.1 nicht erfasst und könne für die Eingruppierung in die EG S 14 TVöD-VKA nicht maßgeblich sein. Es möge sein, dass der Kläger früher bei Trennungs- und Scheidungssachen die von ihm dargestellten Umgangsanträge unter Berücksichtigung des allgemeinen Kindeswohls gestellt habe. Aufgrund der Organisationsentscheidung, die er, der Beklagte nunmehr gefällt habe, oblägen diese Aufgaben jedoch nicht mehr dem Fachdienst.
Beim Innendienst und der im Rahmen dessen stattfindenden Rufbereitschaft werde die Erreichbarkeit zur Gefahrenabwehr sichergestellt. Es finde jedoch keine Fallbearbeitung statt, weder die eigene noch die in Vertretung für einen Kollegen oder eine Kollegin. Im Rahmen dessen erfolge also ausdrücklich keine Hilfeplanung, gem. § 36 SGB VIII.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.09.2021 - 2 Ca 8487/21 - abzuändern, das Versäumnisurteil vom 31.05.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Er trägt zur Verteidigung gegen die Berufung des Beklagten vor, das Arbeitsgericht sei nach seiner Auffassung richtigerweise von nur einem einzigen Arbeitsvorgang ausgegangen. Außerdem habe es rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S14 TVöD-VKA erfüllt seien. Der Beklagte habe ihm entsprechende Tätigkeiten zur Ausübung übertragen.
Es sei nach wie vor von nur einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen. Die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen Pflegekindern und Kindern mit Anspruch auf Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe könne tatsächlich nicht vorgenommen werden. Die beiden Bereiche überschnitten sich, da es auch Pflegekinder gebe, die Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe erhielten. Unabhängig davon könnten die Fälle nicht im Vorfeld differenziert werden. Im Innendienst, der im Übrigen noch um die Rufbereitschaft ergänzt werden müsse, würden sämtliche eigenen Fälle und im Vertretungsfalle auch die seiner Kolleginnen und Kollegen bearbeitet. Im Innendienst ergäben sich keine anderen Arbeitsvorgänge als sonst. Im Innendienst werde die Erreichbarkeit in allen bearbeiteten Fällen sämtlicher Kollegen sichergestellt, falls diese wegen Außendiensttätigkeiten nicht erreichbar seien. Aufgrund dessen könne eine Differenzierung zu seinen übrigen Tätigkeiten nicht vorgenommen werden. Damit bleibe es bei einem einzigen Arbeitsvorgang.
Die Voraussetzungen der EG S 14 TVöD-VKA und die Voraussetzungen der Protokollerklärung seien erfüllt. Er habe nämlich - auch nach dem Verständnis der Protokollerklärung Nr. 14 - Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls zu treffen und in Zusammenarbeit mit den Gerichten Maßnahmen der Gefahrenabwehr einzuleiten. Das habe das Arbeitsgericht zurecht erkannt.
Er führe die Hilfeplanung für die von ihm betreuten Personen eigenverantwortlich durch, er habe also die Fallverantwortung. Im Rahmen dieser Fallverantwortung habe er aber auch die Garantenstellung inne, die der Beklagte nun den Mitarbeitern des Bezirksdienstes zuordnen wolle. Kindeswohlgefährdende Aspekte in Familien- und Sorgerechtssachen könnten sich jederzeit ergeben, auch und insbesondere während eines Gerichtstermins. Er werde regelmäßig von den Gerichten zur Stellungnahme für den Beklagten aufgefordert. Dies betreffe auch Regelungen nach § 1666 BGB sowie sonstige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährdungen.
Das als Anlage B2 vorgelegte Schnittstellenpapier vom 07.06.2011 stehe dem nicht entgegen. Denn danach sei er als Mitarbeiter des Fachdienstes auch für Fälle gem. § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig. Dies betreffe die Gerichtshilfe bei Pflegekindern. Diese Zuständigkeit beinhalte auch Entscheidungen über die Rückführung von Pflegekindern zu den Eltern, die Entscheidung über eine Verbleibensanordnung in der Pflegefamilie oder über die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung. Soweit der Beklagte vortrage, dass ab Sommer 2020 die Mitwirkung bei Trennungs- und Scheidungssachen und Abgabe von Stellungnahmen zu Umgangsregelungen ausschließlich dem Bezirksdienst zugeteilt worden seien, so trage der Beklagte einerseits selbst vor, dass er weiterhin in einem Verfahren tätig sei. Andererseits könne die Neuzuordnung ab Sommer 2020 seine Eingruppierung nicht betreffen, da er bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich mindestens seit Ende 2018, zutreffend in die Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA eingruppiert sei und demnach auch eine entsprechende Beschäftigung und Vergütung beanspruchen könne. Er sei in den letzten Jahren mit weit mehr Inobhutnahmen befasst gewesen, als statistisch recherchierbar. Seine Beteiligung an Inobhutnahmen komme regelmäßig im Innendienst und in der Rufbereitschaft vor. Zudem ergebe sich aus der erstinstanzlich vorgelegten und in Bezug genommenen aktuellen Stellenbeschreibung, dass er für Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII zuständig sei.
Der Beklagte irre, wenn er meine, dass seine Tätigkeit "klassischerweise" dem Tätigkeitsbild des Pflegekinderdienstes entspreche. Es gehe gerade nicht alleine um die Durchführung von anderweitig getroffenen Entscheidungen zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung. Vielmehr führe er die Hilfeplanung eigenständig durch und habe dadurch die Fallverantwortung inne. Das Arbeitsgericht gehe in der angegriffenen Entscheidung zutreffend davon aus, dass in der Protokollerklärung Nr. 14 eine umfassende Verweisung auf die gesetzliche Regelung des § 50 SGB VIII enthalten sei. Rechtsfehlerfrei stelle das Arbeitsgericht fest, dass von den Tarifvertragsparteien keine Einschränkung dahingehend vorgenommen werde, dass sich die Verweisung auf § 50 SGB VIII lediglich auf Verfahren in Kindschaftssachen nach § 162 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 1666 und 1666a BGB beziehen solle. Die Rechtsauffassung des Beklagten, wonach die "Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren" im Sinne der Protokollerklärung sich nur auf Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB beziehe, halte er für falsch.
Maßgeblich sei, dass er nach der grundsätzlichen Entscheidung des Bezirksdienstes die Garantenstellung in vollem Umfang innehabe. Der Bezirksdienst sehe die Kinder nach der grundsätzlichen Entscheidung nicht mehr, insoweit habe er bereits auf die Hilfeplanung u.s.w. hingewiesen, die ausschließlich von ihm durchgeführt werde. Nach der Unterbringung des Pflegekindes sei der Bezirksdienst somit nicht mehr an der Hilfeplanung beteiligt, der jeweilige Mitarbeiter des Bezirksdienstes begleite das Kind nicht mehr persönlich und könne daher nicht die Garantenstellung innehaben, die somit bei ihm, dem Kläger, als Fallverantwortlichen liege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig aber nicht begründet.
I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Weder durch den Inhalt der Berufungsbegründung noch durch den weiteren Vortrag des Beklagten nach Durchführung des ersten Kammertermins vor der Berufungskammer und dessen Eingehen auf den dort gefassten Auflagenbeschluss hat sich hieran etwas geändert.
Es ist nach wie vor von einem einzigen großen Arbeitsvorgang auszugehen (1.). Im Rahmen dieses Arbeitsvorgangs, fallen in ausreichendem Umfang Tätigkeiten an, die die Tatbestandsvoraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD und insbesondere die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 14 erfüllen (2.).
1. Es gibt mit Blick auf die dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten nur einen Arbeitsvorgang, nämlich die Sozialpädagogische Betreuung von Kindern, Jugendlichen, jungen Volljährigen und Familien.
Die Eingruppierung des Beschäftigten richtet sich gemäß § 12 TVöD-VKA nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA). Gemäß § 12 TVöD-VKA erhält der Beschäftigte Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der er eingruppiert ist. Der Beschäftigte - so die Tarifvorschrift weiter - ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
Nach der Protokollerklärung zu Absatz 2 des § 12 TVöD-VKA sind sie Arbeitsvorgänge diejenigen Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. ... Betreuung einer Person oder Personengruppe ...). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Das Vorgesagte ergibt sich weitgehend wörtlich zitiert aus der Tarifvorschrift.
Der 4. Senat des BAG hat den Begriff des Arbeitsvorganges in diversen Entscheidungen konkretisiert (vgl. nur BAG v. 17.05.2017 - 4 AZR 798/14 - mwN): Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist danach das Arbeitsergebnis. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst. Wiederkehrende, gleichartige und gleichwertige Bearbeitungen können zusammengefasst werden. Nicht zusammengefasst werden können jedoch Bearbeitungen, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind, sofern die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vorneherein - sei es aufgrund der Schwierigkeit oder anderer Umstände - auseinandergehalten werden. Dafür reicht jedoch nicht die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, solange sie als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person übertragen sind. Tatsächlich trennbar sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (vgl. hierzu auch BAG v. 19.10.2016 - 4 AZR 727/14 -; grdl. BAG v. 23.09.2009 - 4 AZR 308/08).
Bei der Bearbeitung von Fällen durch Sozialarbeiter bildet regelmäßig nicht jeder einzelne Fall einen Arbeitsvorgang, so der 4. Senat des BAG in der Entscheidung vom 17.05.2017 (4 AZR 798/14) weiter, sondern erst die Befassung mit allen Fällen füllt diesen Rechtsbegriff aus. Anderenfalls käme es zu einer tarifwidrigen Atomisierung solcher Tätigkeiten. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der zugewiesene Personenkreis auch einheitlich bestimmt ist. Hat ein Sozialarbeiter verschiedene, voneinander abgrenzbare Personenkreise zu betreuen, deren Status und Hilfsansprüche rechtlich ganz unterschiedlich bestimmt sind, kommt bei getrennter Betreuung die Aufteilung der Tätigkeit in je einen Arbeitsvorgang für je eine Gruppe der betreuten Personen in Betracht.
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts in der besagten Entscheidung vom 17.05.2017 (4 AZR 798/14) die Betreuung von psychisch erkrankten und abhängigkeitskranken Menschen als einheitlichen Arbeitsvorgang angesehen und die Unterschiedlichkeit der zu betreuenden Personengruppen nicht als hinreichend erachtet, um von unterschiedlichen Arbeitsergebnissen und damit von unterschiedlichen Arbeitsvorgängen auszugehen.
Vorliegend gilt hinsichtlich der Betreuung von Pflegekindern einerseits und der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit (drohender) seelischer Behinderung andererseits nichts Anderes. Das den entsprechenden Tätigkeiten zugrundeliegende Arbeitsergebnis ist die Erbringung von sozialpädagogischer Betreuung von Kindern, Jugendlichen, jungen Volljährigen und Familien. Dass es sich hierbei grundsätzlich um unterscheidbare Personengruppen handelt, ist unerheblich. Dieser Umstand könnte allenfalls dann die Annahme verschiedener Arbeitsvorgänge rechtfertigen, wenn die Tätigkeiten von vornherein auseinandergehalten und voneinander getrennt wären. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Beklagte hat keine organisatorischen Vorgaben getroffen, die eine Trennung der Tätigkeit bezüglich der verschiedenen Personengruppen vorsehen. Er hat insbesondere nicht vorgegeben, nach welchen Kriterien der Kläger die Abgrenzung zwischen einem Pflegekind ohne drohende seelische Behinderung und einem Kind mit drohender seelischer Behinderung vorzunehmen hat. Der Vortrag des Klägers, es existiere hier eine Schnittmenge, also eine Gruppe von Pflegekindern, denen eine seelische Behinderung zumindest drohe, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Nichts Anderes gilt für den von der Beklagten als eigener Arbeitsvorgang betrachtete sogenannte Innendienst. Im Innendienst wird die Fallverantwortlichkeit für die besagten Personenkreise fortgeführt. Am geforderten Arbeitsergebnis ändert sich nichts. Die Tatsache, dass im Rahmen der Rufbereitschaft auch von anderen Personen Begehren an den Kläger herangetragen werden, als von solchen Personen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer seiner Fallbearbeitungen oder der seiner Kolleginnen und Kollegen stehen, stellt ebenfalls die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorganges nicht in Frage. Die Behandlung solcher Begehren stellt eine Zusammenhangstätigkeit im Sinne der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD-VKA dar. Etwas von dieser Wertung Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Beklagten.
Hinzu kommt, dass die Annahme eines einzigen einheitlichen Arbeitsvorgangs auch aus der ursprünglichen Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2019 hervorgeht (Bl. 51 d.A.), weil es dort heißt "Anteil in % an der Gesamtarbeitszeit 100". Zwar ist die Bedeutung von Prozentangaben in Stellenbeschreibungen für die Definition eines Arbeitsvorganges gering, denn die Anzahl der Arbeitsvorgänge und ihre Abgrenzung ist von Amts wegen durch das Gericht zu bestimmen. Die Stellenbeschreibung ist aber ein Teil des Tatsachenvortrages der Parteien, dem folgend gemäß § 138 ZPO die prozessuale Wahrheit zu ermitteln ist, aufgrund derer nach Subsumtion unter die Regelung in § 12 TVöD-VKA das Gericht von Amts wegen den Arbeitsvorgang oder die Arbeitsvorgänge zu identifizieren hat. Nach dem Vortrag des beweisbelasteten Klägers, der unter Bezugnahme auf die von der Beklagten erstellte Stellenbeschreibung behauptet hat, die Arbeit mit Pflegekindern, mit seelisch kranken Kindern, im Innendienst und in der Rufbereitschaft seien organisatorisch nicht trennbar, hat der Beklagte auf eine widersprüchliche Art erwidert, die Zweifel aufkommen lässt, ob diese Erwiderung den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO entsprechen, insbesondere ob sie nach den Vorgaben des § 138 Abs. 1 ZPO wahr und vollständig sind: Die erste Stellenbeschreibung (Bl. 51 d.A.) und die Stellenbeschreibung, die der Beklagte zuletzt vorgetragen hat (Bl. 426 d.A.), weichen deutlich voneinander ab. Zwischen den Entstehungszeitpunkten der beiden Stellenbeschreibungen sind schriftsätzliche Differenzierungen erfolgt, die ihrerseits wieder Neues enthalten haben. Bis zum ersten Kammertermin vor der Berufungsklammer - dort schon abweichend von der ersten Stellenbeschreibung und vom Sachstandes erster Instanz - hießen die Arbeitsvorgänge 1. Vollzeitpflege der Pflegekinder - ohne genannten Zeitanteil; 2. Eingliederungshilfe bei (drohender) seelischer Behinderung - ohne genannten Zeitanteil; 3. Innendienst 13 %. Zuletzt heißen sie nach Darstellung des Beklagten: 1. Pflegekinderdienst - Hilfeplanung und -fortschreibung, Beratung bei Vollzeitpflege 70 %; 2. Einleitung, Planung, Auswahl und Bewilligung von Hilfen für Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung 10%; 3. Innendienst und Rufbereitschaft 10 % und - ganz neu und bis dahin weder vorgetragen noch abgegrenzt - 4. Sonstiges 10 %. In der ersten Stellenbeschreibung (Bl. 51) steht unter "Fachdienst" ausdrücklich "Inobhutnahmen gemäß § 42 SGB VIII". Diese Aufgabe ist im Laufe des Rechtsstreits in der Darlegung des Beklagten zunächst nicht weiter benannt und teilweise sogar bestritten worden. Aus der "Umstrukturierung des ASD" zum 01.07.2011 (Anlage B2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 25.01.2022, Bl. 201 d.A.) findet sich dem gegenüber als Zuständigkeit des Fachdienstes im Rahmen der Inobhutnahme der Arbeitsschritt "Bescheiderstellung". Zuletzt ist wieder unstreitig geworden, dass die Inobhutnahme eine Aufgabe ist, die dem Kläger zumindest im Rahmen der Rufbereitschaft zugewiesen worden ist.
Sowohl aus tatsächlichen Gründen, also soweit der Sachverhalt unstreitig ist, wie auch aus Gründen der abgestuften Darlegungslast für die Tatsachen, die der Identifikation des Arbeitsvorgangs oder der Arbeitsvorgänge zu Grunde liegen müssen, bleibt es folglich bei der Annahme, dass es hier um nur einen einzigen großen Arbeitsvorgang geht.
2. Im Rahmen dieses einen Arbeitsvorgangs, fallen in ausreichendem Umfang Tätigkeiten an, die die Tatbestandsvoraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD unter Berücksichtigung der Protokollnotiz Nr. 14 erfüllen.
Dem Kläger sind vertraglich die Aufgaben eines Sozialarbeiters mit staatlicher Anerkennung mit entsprechender Tätigkeit zugewiesen, der Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls trifft und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. dem Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleitet, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Dabei handelt es sich bei diesen Entscheidungen um solche die sich (entsprechend der Protokollnotiz Nr. 14) auf Tätigkeiten im Rahmen der Fallverantwortung bei Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII beziehen, bei der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII, bei der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) sowie bei der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50 SGB VIII) einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. Die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit beschränkt sich nicht auf die bloße Durchführung der Hilfen nach bereits getroffenen Entscheidungen.
Die Erfüllung der vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen ergibt sich aus der Stellenbeschreibung, die der Beklagte anlässlich des Höhergruppierungsbegehrens des Klägers erstellt hatte (Anlage 3 zum Schriftsatz des Klägers vom 11.08.2021, Bl. 51 d.A.). Die im Laufe des Rechtsstreits über zwei Instanzen vorgenommenen Konkretisierungen und Änderungen, die Erstellung einer neuen Stellenbeschreibung nach dem ersten Kammertermin vor der Berufungskammer und die nach dem hier relevanten Eingruppierungszeitpunkt im Jahre 2018 vorgenommenen Organisationsänderungen führen zu keinem anderen Ergebnis.
Zwar sind Stellenbeschreibungen wie erwähnt bei der Identifikation und bei der Bestimmung der Anzahl der Arbeitsvorgänge nicht oder nur wenig entscheidend, weil die Bildung von Arbeitsvorgängen eine Rechtsfrage ist, die von Amts wegen beantwortet werden muss, was hier durch das Arbeitsgericht und durch die Berufungskammer geschehen ist (s.o. unter 1.). Die Stellenbeschreibung ist aber relevant für die Beantwortung der Frage, welche Arbeit dem Kläger zugewiesen ist. Die hier vorgelegte Stellenbeschreibung hat dadurch eine besondere Richtigkeitsgewähr, weil der Beklagte sie aus Anlass eines Höhergruppierungsantrages erstellt hat, sie also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beurteilungszeitpunkt entstanden ist, und weil dies in einem Zeitraum geschehen ist, als wenige Jahre zuvor diverse Entscheidungen des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur hier streitigen Entgeltgruppe ergangen sind (z.B. 4 AZR 933/11; 4 AZR 355/13; 4 AZR 798/14).
a. Die ausweislich der ursprünglich erstellten Stellenbeschreibung zugewiesenen Tätigkeiten erfüllen die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA.
Nicht streitig ist die Tatsache, dass der Kläger nach den Zuweisungen des Beklagten die Aufgaben eines Sozialarbeiters mit staatlicher Anerkennung mit entsprechender Tätigkeit auszuüben hat.
Entgegen der Auffassung und der Norm-Auslegung der Beklagten hat der Kläger im Tarifsinne auch "Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls" zu treffen (1.) und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. dem Vormundschaftsgericht Maßnahmen einzuleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind (2.).
(1.) Der Kläger hat im Tarifsinne "Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls" zu treffen. Was unter solchen Entscheidungen zu verstehen ist, ergibt sich aus der Protokollerklärung Nr. 14, die eine tarifvertragliche normative Regelung darstellt (BAG v. 13.05.2015 - 4 AZR 355/13). Die hinter den vier Spiegelstrichen dieser Protokollerklärung genannten Tätigkeiten sind dem Kläger im Rahmen seiner Fallverantwortung kumulativ zugewiesen.
Erster und zweiter Spiegelstrich: Dass der Kläger "Hilfen zur Erziehung im Sinne des § 27 SGB VIII" zu gewährleisten hat und dass er "Hilfeplanungen im Sinne des § 36 SGB VIII" durchführen muss, ergibt sich nicht nur aus Nummer 1.1 der Stellenbeschreibung; die Erfüllung dieser beiden Spiegelstriche sind darüber hinaus zwischen den Parteien gar nicht streitig.
Dritter Spiegelstrich: Der Kläger hat im Rahmen seiner Fallverantwortung auch Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen im Sinne des § 42 SGB VIII vorzunehmen. Dies steht ausdrücklich in der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2019 unter Nummer 1.1 "Einleitung, Planung, Auswahl und Bewilligung von Hilfen und Maßnahmen". In der Stellenbeschreibung finden sich in der Spalte "S oder L" (sachbearbeitend oder leitend) und in der Spalte "E oder M" (eigenverantwortlich oder mitarbeitend) keine Eintragungen. Irgendeine Einschränkung ergibt sich somit aus der Stellenbeschreibung nicht.
Vierter Spiegelstrich: Dem Kläger war auch die Tätigkeit "Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten gemäß § 50 SGB VIII" zugewiesen. Dies steht ausdrücklich in der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2019 unter Nummer 1.2 "Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren" und dort unter "Gesetzliche Grundlagen: § 50 SGB VIII [...]".
(2) Der Kläger leitet auch Im Sinne des Wortlauts der Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. dem Vormundschaftsgericht Maßnahmen ein, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift in Verbindung mit dem Wortlaut der Protokollerklärung einer gesonderten Feststellung der "Einleitung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Zusammenarbeit mit den Gerichten" nicht, denn nach dem Wortlaut der Protokollerklärung gilt gerade dieses Tatbestandsmerkmal der Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA mit Erfüllung der vier Spiegelstriche der Protokollerklärung seinerseits als erfüllt.
b. Weder die zuletzt neu erstellte Stellenbeschreibung ändert etwas an diesem Ergebnis (1.) noch solche Organisationsentscheidungen, die nach dem hier relevanten Datum des Höhergruppierungsbegehrens vorgenommen worden sind (2.).
(1.) Die zuletzt neu erstellte Stellenbeschreibung ändert nichts an diesem Ergebnis. Wenn mit Blick auf die Widersprüchlichkeit und die Dynamik des Vortrages des Beklagten die bereits angesprochenen Bedenken zurückgestellt werden, so ist selbst dann von einer Erfüllung der Voraussetzungen der Eingruppierungsvorschrift auszugehen, wenn die Darlegung der Beklagte als richtig unterstellt wird, es sei der Bezirksdienst der im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 1666 BGB die initiale Entscheidung fälle. Denn allein wegen der sich aus der Rahmenkonzeption für die Teamarbeit der Teams "Soziale Dienste" ergebenden Zuständigkeit des Klägers für den Bereich Vollzeitpflege (Hilfeplanung) ergibt sich, dass die Tätigkeit auch stets von der Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls geleitet sein muss (vgl. BAG v. 13.05.2015 - 4 AZR 355/13 - Rn. 40). Dieses Kriterium ist schon kraft Gesetzes bei der beratenden Begleitung und Kontrolle der Vollzeitpflege, also allen Maßnahmen, die vom Kläger veranlasst werden, zu beachten. Dabei ist die "Gewährleistung des Kindeswohls" nicht anders zu beurteilen, als die "Abwehr von Gefährdungen des Kindeswohls" (so aber wohl LAG Rheinland-Pfalz v. 18.02.2011 - 9 Sa 537/10 -).
Ein Zusammenhang mit der nach dem Tätigkeitsmerkmal vorausgesetzten Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familien- bzw. Vormundschaftsgericht ist gleichfalls strukturell gegeben. Solche Maßnahmen, insbesondere nach § 1666 BGB, sind bei der Wahrung des Kindeswohls nach dem Schutzauftrag des § 8a SGB VIII immer in alle Entscheidungen einzubeziehen, die im Bereich Vollzeitpflege und Hilfeplanung zu treffen sind. Diese Einbeziehung in die Erwägung reicht nach dem Tarifwortlaut ("Mitwirkung in Verfahren") aus, es ist daher nicht streitentscheidend wer am Ende die Entscheidung zur Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB fällt. Die Maßnahmen nach § 1666 BGB gehören, auch wenn sie nur in einer kleinen Zahl von Fällen tatsächlich zu realisieren sind, zum "Programm" möglicher Maßnahmen, das der Kläger, insbesondere nach § 37 Abs. 3 SGB VIII, stets in seine Erwägungen einzubeziehen hat. Auch bei der - unbestritten vorkommenden - Inobhutnahme von Kindern oder Jugendlichen ist vorher zu prüfen, ob familiengerichtliche Hilfe in Anspruch genommen und damit eine Inobhutnahme überflüssig werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII). Unter Beachtung des Schutzauftrags des Klägers und dessen Subsidiarität gegenüber einer Anrufung des Familiengerichts (§ 8a Abs. 2 SGB VIII), ist die Möglichkeit einer Einschaltung des Familiengerichts und die Vorbereitung und ggf. Einleitung solcher Maßnahmen - und sei es durch Ansprache des Bezirksdienstes - Bestandteil der gesamten Tätigkeit des Klägers (vgl. zu allem Vorgesagten wiederum BAG v. 13.05.2015 - 4 AZR 355/13 -, Rn. 40).
(2.) Eine Organisationsentscheidung, die nach dem Zeitpunkt des für das vorliegende Eingruppierungsverfahren relevanten Antragstellungstages gefällt worden ist, hat für die Eingruppierung keine Bedeutung. Es stellt sich dann vielmehr die Frage, ob eine Organisationsentscheidung, die zu einer niedrigeren Eingruppierung führen kann oder soll, ohne Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung möglich sein kann.
III. Nach allem bleibt es somit bei der klagestattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterliegende Partei hat der Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den unterliegenden Beklagten zuzulassen, dies insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass es um die Auslegung eines bundesweit geltenden Tarifvertrages geht, mit Blick auf die Auslegungsfrage zum Begriff der Gefahrenabwehr und mit Blick auf die Tatsache, dass die vorliegende Entscheidung als Abweichung vom Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 18.02.2011 - 9 Sa 537/10 - betrachtet werden könnte.