Beschluss vom 14.06.2023 · IWW-Abrufnummer 238775
Landesarbeitsgericht Hamburg - Aktenzeichen 7 TaBV 1/23
1. Gemäß § 128a Abs. 1 ZPO kann das Prozessgericht den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten auch gestatten, aus dem Ausland an einer Verhandlung eines deutschen Gerichts im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Soweit nicht die Parteien oder Beteiligten persönlich angehört werden sollen, ist damit keine unzulässige Beeinträchtigung der territorialen Integrität des Aufenthaltsstaats verbunden.
2. Liegt die Anzahl der Wahlbewerber bei einer Betriebsratswahl unterhalb der Anzahl der gemäß § 9 BetrVG zu wählenden Betriebsratsmitglieder, ist in (ggf. mehrfacher) entsprechender Anwendung von § 11 BetrVG auf die (jeweils) nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG so lange zurückzugehen, bis die Anzahl der Wahlbewerber ausreicht (Anschluss an: LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 - ).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin und unter ihrer Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. November 2022 - 11 BV 16/22 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, monatliche Besprechungen mit dem Betriebsrat gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG zu führen.
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gemäß § 108 Abs. 2 BetrVG teilzunehmen.
Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nur für die Arbeitgeberin zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Teilnahme der Arbeitgeberin an monatlichen Besprechungen mit dem Betriebsrat und an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses.
Antragsteller und Beteiligter zu 1. ist der bei der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und betreibt in Hamburg eine Klinik mit regelmäßig ca. 170 Arbeitnehmern.
Am 10. Mai 2022 wurde bei der Arbeitgeberin eine Betriebsratswahl durchgeführt. Für die Betriebsratswahl kandidierten lediglich drei Personen, die jeweils mit 52, 50 sowie 60 Stimmen gewählt wurden.
Mit Antragsschrift vom 18. Mai 2022 leitete die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Hamburg ein Beschlussverfahren - 12 BV 7/22 - mit dem Antrag ein, die Nichtigkeit der Betriebsratswahl, hilfsweise deren Unwirksamkeit festzustellen.
Mit E-Mail vom 27. Mai 2022 lud der Betriebsrat die Arbeitgeberin zu einem Monatsgespräch für den 1. Juni 2022 ein. Diese Einladung lehnte die Arbeitgeberin mit E-Mail vom 31. Mai 2022 (Anlage ASt 3, Bl. 23 d.A.) mit der Begründung ab, die Betriebsratswahl sei nichtig. Die Durchführung von Monatsgesprächen wurde zudem für die Zukunft ausgeschlossen.
Am 1. Juni 2022 beschloss der Betriebsrat, der Arbeitgeberin eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung erteilen zu lassen. Mit Schreiben vom 5. Juli 2022 forderten die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats die Arbeitgeberin auf, diesen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu beteiligen und mit ihm zusammenzuarbeiten, insbesondere an Monatsgesprächen teilzunehmen, an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen und den Betriebsrat an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses teilnehmen zu lassen. Die Abmahnung wurde als "Vorstufe" zu einem Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG bezeichnet.
Mit E-Mail vom 8. Juli 2022 (Anlage ASt 4, Bl. 24 d.A.) lud der Betriebsrat die Arbeitgeberin zur Sitzung des im Unternehmen gebildeten Wirtschaftsausschusses am 29. Juli 2022 ein. Auch diese Einladung schlug die Arbeitgeberin aus.
Der Betriebsrat lud die Arbeitgeberin für den Folgemonat erneut zur Teilnahme an einem Monatsgespräch ein. Die Arbeitgeberin lehnte eine Teilnahme ab und führte mit E- Mail vom 11. Juli 2022 (Anlage ASt 6, Bl. 32 d.A.) ua. aus, sie gehe von einer Nichtexistenz des Betriebsrats aus und könne vor diesem Hintergrund keine Termine für Monatsgespräche etc. anbieten.
Mit E-Mail vom 25. Juli 2022 antwortete die Arbeitgeberin durch ihren nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten auf das Schreiben vom 5. Juli 2022, verwies auf das anhängige Beschlussverfahren betreffend die Nichtigkeit und hilfsweise Anfechtung der Betriebsratswahl und erklärte, der Aufforderung des Betriebsrats nicht nachzukommen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat wegen eines gegen ein Betriebsratsmitglied verhängten Betretungsverbotes nach § 20a IfSG und der damit einhergehenden "Verhinderung" nicht "ansatzweise arbeitsfähig" sei.
Auch in der Folgezeit nahm die Arbeitgeberin nicht an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teil.
Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2022 - 12 BV 7/22 - wurden im dortigen Verfahren die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Die von der Arbeitgeberin gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde ist vom Landesarbeitsgericht Hamburg durch Beschluss vom 1. Februar 2023 - 5 TaBV 7/22 - zurückgewiesen worden, wobei das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Zurückweisung der Beschwerde bzgl. der Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Erklärung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 1. Februar 2023 ist den Beteiligten im Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht im vorliegenden Verfahren noch nicht vollständig abgefasst und mit Gründen versehen zugestellt gewesen.
Infolge Ausscheidens aus dem Betriebsrat ist die Mitgliederzahl des Betriebsrats zwischenzeitlich abgesunken, seit dem 9. Januar 2023 zunächst auf zwei Mitglieder. Seit dem 1. Februar 2023 besteht der Betriebsrat nur noch aus einer Person.
Eine Neuwahl des Betriebsrats findet am 14. Juni 2023 statt.
Der Betriebsrat hat gemeint, die Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 sei nicht schon deshalb nichtig bzw. unwirksam, weil lediglich drei Personen für das Amt als Betriebsrat kandidierten. Dem Betriebsrat stünden daher sämtliche durch das Betriebsverfassungsgesetz zugeschriebenen Rechte zu. Durch die Weigerung der Arbeitgeberin, ihr diese Rechte einzuräumen, habe die Arbeitgeberin grob gegen ihre Pflichten verstoßen.
Auch sei der Betriebsrat mit zwei Mitgliedern beschlussfähig, unbeachtet der Frage, ob das gegenüber einem Betriebsratsmitglied verhängte Betretungsverbot nach § 20a IfSG eine Verhinderung iSv. § 25 BetrVG bedeute.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. der Arbeitgeberin aufzugeben, monatliche Gespräche mit dem Betriebsrat zu führen;
2. der Arbeitgeberin aufzugeben, an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen;
3. der Arbeitgeberin aufzugeben, den Betriebsrats zu Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses einzuladen und zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnehmen zu lassen;
4. für jede Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1., 2. und / oder 3. der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 € anzudrohen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Der Arbeitgeberin hat gemeint, die Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 sei nichtig bzw. unwirksam, da nur drei Personen kandidierten und gewählt wurden, sodass kein gesetzeskonformes Gremium habe gebildet werden können. Auch unter Berücksichtigung eines Rückgriffs auf § 11 BetrVG analog ändere sich an diesem Umstand nichts. § 11 BetrVG ermögliche lediglich einen Rückgriff auf die nächstniedrigere Betriebsgröße, sodass das zu wählende Gremium mindestens fünf Mitglieder haben müsse.
Zudem liege hier kein grober Verstoß vor, da die Weigerung zur Zusammenarbeit auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt der Arbeitgeberin beruhe.
Des Weiteren sei eine Zusammenarbeit nicht möglich, da selbst bei einer als wirksam unterstellten Betriebsratswahl der Betriebsrat aufgrund der Arbeitsunfähigkeit eines Mitglieds und des Betretungsverbots gemäß § 20a IfSG eines anderen Mitglieds nur noch aus einem Mitglied bestehe und daher nicht arbeits- und beschlussfähig sei.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Beschluss vom 15. November 2022 - 11 BV 16/22 - (Bl. 169 ff. d.A.) der Arbeitgeberin aufgegeben, monatliche Gespräche mit dem Betriebsrat gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG zu führen, an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gemäß § 108 Abs. 2 BetrVG teilzunehmen, für jede Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtungen der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 € angedroht und im Übrigen den Antrag abgewiesen.
Zur Begründung hat es - soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Die Arbeitgeberin habe gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 23 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. BetrVG monatliche Gespräche mit dem Betriebsrat zu führen. Der Betriebsrat sei wirksam gewählt und es liege ein grober Verstoß seitens der Arbeitgeberin vor.
Die Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 sei weder nichtig, noch unwirksam. Es lägen keine Anfechtungsgründe vor. Hierzu werde auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2022 - 12 BV 7/22 - und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 - verwiesen, die die Kammer sich zu Eigen mache. Ein zur Anfechtung berechtigender Verstoß, weil die Zahl der Bewerber nicht die Zahl der gemäß § 9 BetrVG zu besetzenden Betriebsratsplätze erreicht habe, liege nicht vor, da in diesem Fall § 11 BetrVG, bzw. § 11 BetrVG analog anzuwenden sei. Es liege eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage vor. Der Fall, dass nicht genügend gemäß § 8 BetrVG wählbare Personen bereit seien, zum Betriebsrat zu kandidieren, sei im Gesetz nicht geregelt. Die Situation sei mit dem durch § 11 BetrVG geregelten Sachverhalt, dass nicht genügend wählbare Arbeitnehmer vorhanden seien, vergleichbar. In beiden Fällen sei die in § 9 BetrVG vorgesehene Betriebsratsgröße wegen eines Mangels an Kandidaten nicht erreichbar. Es mache keinen eine Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschied aus, dass in dem vom Gesetz geregelten Fall das Erreichen der Kandidatenzahl objektiv unmöglich sei, während im hier zu beurteilenden Fall wegen einer fehlenden Bereitschaft wählbarer Arbeitnehmer die Zahl unterschritten werde.
Auch eine doppelte Anwendung der Analogie von § 11 BetrVG ist unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Norm zu bejahen. § 11 BetrVG regele, dass auf die nächstniedrigere Stufe zurückzugehen ist, was hier nicht ausreichen würde, weil dann dennoch nicht die Zahl der benötigten Wahlbewerber- mindestens fünf - erreicht würde. Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 11 BetrVG sei diese Norm allerdings erneut anzuwenden, so dass auf die dann folgende Stufe herab zu gehen sei, bis die Zahl der wählbaren Arbeitnehmer - bzw. der Wahlbewerber- ausreiche.
Der Schlussfolgerung der Arbeitgeberin, die Betriebsratswahl sei bei Unterschreiten der Mindestgröße unwirksam, da der Gesetzgeber nicht ohne Grund Vorgaben für die Größe des Betriebsratsgremiums in Abhängigkeit von der Mitarbeiterzahl gemacht habe, könne nicht gefolgt werden. § 9 BetrVG bezwecke lediglich die Sicherstellung einer effizienten Arbeitsweise des Gremiums. Mithin gebe der Gesetzgeber vor, wie viele Arbeitnehmer für erforderliche Betriebsratsarbeit von der arbeitsvertraglichen Leistung freizustellen seien und was der Arbeitgeber finanziell zu dulden / zu unterstützen habe. Hieraus sei nicht abzuleiten, dass ein "zu" kleiner Betriebsrat gar nicht gewünscht sei.
Dass dem Gesetzgeber das Bestehen eines Betriebsrats wichtiger als die Einhaltung der in § 9 BetrVG vorgesehenen Größe sei, bringe das Gesetz auch in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG zum Ausdruck, denn der bisherige - zu kleine - Betriebsrat bleibe gemäß § 21 Satz 5 BetrVG bis zu einer Neuwahl im Amt, und zwar selbst dann, wenn er diese nicht unverzüglich einleite.
Auch der Einwand der Arbeitgeberin, ein Betriebsrat sei im Lichte nur dreier Kandidaten im Grunde gar nicht erwünscht, könne nicht überzeugen. Immerhin hätten mindestens 60 Personen ihre Stimme abgegeben und somit ihren Wunsch hinsichtlich der Gründung eines Betriebsrates zum Ausdruck gebracht.
Der Betriebsrat sei arbeits- und beschlussfähig. Ein Unterschreiten der Mindestgröße gemäß § 9 BetrVG durch die (analoge) Anwendung von § 11 BetrVG lasse nicht den Rückschluss zu, dass der Betriebsrat damit arbeits- und beschlussunfähig sei. § 9 BetrVG bezwecke lediglich die Sicherstellung einer effizienten Arbeitsweise des Gremiums, der Ressourcen die der Arbeitgeber dem Betriebsrat einzuräumen habe. Hieraus sei nicht abzuleiten, dass ein kleiner Betriebsrat überhaupt nicht arbeitsfähig sei. Der Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats stehe auch nicht entgegen, wenn zwei von drei Mitgliedern zeitweise verhindert seien.
Die Weigerung, die monatlichen Gespräche durchzuführen, stelle eine grobe Verletzung iSv. § 23 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. BetrVG dar. Vorliegend habe die Arbeitgeberin eine grobe Pflichtverletzung begangen, indem sie am 1. Juni 2022 und selbst nach Abmahnung vom 5. Juli 2022 am 11. Juli 2022 die Einladung zur einer Teilnahme an den monatlichen Gesprächen ablehnte. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG seien Arbeitgeber und sämtliche Betriebsratsmitglieder zur Teilnahme verpflichtet. Aus der "Soll"- Formulierung folge lediglich, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in gegenseitigem Einvernehmen in einzelnen Fällen von einer Besprechung absehen könnten.
Die Ablehnung zur Teilnahme aufgrund einer anderen Rechtsauffassung - die Betriebsratswahl sei nichtig, bzw. unwirksam - der Arbeitgeberin führe zu keiner anderen Bewertung. Entscheidend sei, ob der Verstoß objektiv so erheblich gewesen sei, dass unter Berücksichtigung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit die Anrufung des Arbeitsgerichts durch den Betriebsrat gerechtfertigt erscheine.
Hieran fehle es zwar, wenn der Arbeitgeber in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage eine Rechtsansicht vertrete, die sich später als unzutreffend herausstelle. Hiervon könne vorliegend aber nicht die Rede sein. Die Tragweite der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 - habe der Arbeitgeberin bekannt sein müssen, sodass hier kein Fall einer ungeklärten Rechtsfrage vorliege. Allein die Tatsache, dass das Landesarbeitsgericht Düsseldorf eine Rechtsbeschwerde hinsichtlich seiner Entscheidung zugelassen hatte, stehe dem nicht entgegen.
Die Arbeitgeberin habe an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 23 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. BetrVG teilzunehmen. Der Betriebsrat habe gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einen Wirtschaftsausschuss gebildet, an dessen Sitzungen die Arbeitgeberin nach § 108 Abs. 2 Satz 1 BetrVG teilzunehmen habe. Indem die Arbeitgeberin die Einladung zur Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 29. Juli 2022 ausgeschlagen habe, verletze sie ihre Pflicht grob.
Der Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 € sei hinsichtlich des Antrags zu 1. und zu 2. begründet. Die Androhung eines Ordnungsgeldes folge aus § 23 Abs. 3 Satz 2 (analog) BetrVG, § 890 Abs. 2 ZPO, § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen diesen am 22. Dezember 2022 (Bl. 191 d.A.) ihr zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin mit einem am 30. Dezember 2022 (Bl. 192 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und zugleich Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat beantragt. Mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 4. Januar 2023 ist die Beschwerdebegründungsfrist bis zum 18. März 2023 verlängert worden (Bl. 201 d.A.). Die Beschwerdebegründung ist am 18. März 2023 (Bl. 206 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Die Arbeitgeberin hält den arbeitsgerichtlichen Beschluss für unzutreffend und trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter vor, dass die Betriebsratswahl aus dem Jahr 2022 nichtig sei und demzufolge kein Betriebsrat existiere. Daher gebe es auch keine Grundlage zur Durchführung von Sitzungen mit dem Wirtschaftsausschuss und Monatsgesprächen.
Da eine unverzügliche Einleitung von Neuwahlen unterblieben sei, habe die Arbeitgeberin zwischenzeitlich - vorsorglich - einen Auflösungsantrag gestellt.
Eine - analoge - Anwendung von § 11 BetrVG komme nicht in Betracht, denn der Betrieb verfüge über eine hinreichende Anzahl an passiv wahlberechtigten Mitarbeitern, um die Vorgaben nach § 9 BetrVG zu erfüllen; es hätten sich nur nicht nur nicht hinreichend viele Mitarbeiter für ein Betriebsratsamt interessiert. Dass dieser Fall eintreten könne, liege auf der Hand. Gleichwohl sei diese Konstellation in § 11 BetrVG nicht abgebildet und auch sonst nicht - zB. in § 9 BetrVG als Ausnahmetatbestand - geregelt.
Dass das Arbeitsgericht Hamburg § 11 BetrVG analog heranziehen wolle, überzeuge nicht. Eine Belegschaft, die keine gesetzeskonforme Vertretung durch einen Betriebsrat wolle, weil sich keine hinreichende Zahl an Kandidaten finde, habe sich offenkundig "gegen" einen Betriebsrat entschieden. Dieses Votum könne nicht durch eine Absenkung der geforderten Mindestbesetzung des Gremiums konterkariert werden. Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke, jedenfalls aber an einer vergleichbaren Interessenlage zwischen in § 11 BetrVG geregelten und dem hier in Rede stehenden Fall.
Unabhängig davon helfe eine einfache Analogie von § 11 BetrVG nicht weiter. Dies habe das Ausgangsgericht erkannt, sich aber über die gegen eine "Doppelanalogie" ins Feld geführten Argumente ohne nähere Begründung hinweggesetzt. § 11 BetrVG erlaube nach seinem klaren Wortlaut lediglich das Abstellen auf die nächstniedrige Stufe bei den Größenvorgaben, im Streitfall mithin auf eine Gremiumsgröße von fünf Betriebsratsmitgliedern. Eine "Überspringen" von zwei Stufen (hier von sieben auf drei Mitglieder) sei in § 11 BetrVG nicht vorgesehen.
Wenn das Arbeitsgericht ausführe, entsprechend dem Sinn und Zweck des § 11 BetrVG sei diese Norm allerdings erneut anzuwenden, so dass auf die dann folgende Stufe herab zu gehen ist, bis die Zahl der wählbaren Arbeitnehmer - bzw. der Wahlbewerber - ausreiche, sei dem nicht zu folgen. Das Ausgangsgericht führe insoweit auch keinerlei Begründung an. Der Zweck der Regelungen zur Gremiumsgröße in §§ 9, 11 BetrVG rechtfertige dieses Verständnis nicht. Der Gesetzgeber habe vielmehr Größenvorgaben typisierend in Abhängigkeit von der Anzahl der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer festgelegt. Es bedürfe einer hinreichenden Anzahl an Betriebsratsmitgliedern, damit eine sachgerechte Betriebsratsarbeit gewährleistet sei. Nach der "Logik" des Ausgangsgerichts müsste ggf. ein Betriebsratsmitglied - das möglicherweise sogar nur in Teilzeit tätig sei - eine Belegschaft von mehreren hundert oder gar tausend Beschäftigten betreuen. Dass dies nicht zu (seriös) bewerkstelligen sei, liege auf der Hand. Die Folgen einer Überforderung des Betriebsrats aufgrund zu kleiner Gremiumsgröße seien für den Amtsinhaber selbst und auch und gerade für den Arbeitgeber keineswegs trivial. Der Arbeitgeber müsse die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte - namentlich §§ 87 ff. BetrVG - beachten und sei zT. schlichtweg darauf angewiesen, dass Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, um gesetzliche Öffnungsklauseln etc. nutzen und rechtskonform handeln zu können. Bei einer Gremiumsgröße, die zwei Stufen unterhalb der in § 9 BetrVG normierten Anzahl liege, könne die Fülle von Aufgaben in zumutbaren Zeitfenstern und der gebotenen Qualität nicht erledigt werden.
Die These, "um jeden Preis" sei Betriebsrat zu bilden, auch wenn dieser noch so klein ist, sei haltlos und jedenfalls in der heutigen Zeit aufgrund der schieren Menge von unterschiedlichen Aufgaben nicht zu rechtfertigen.
Die vom Ausgangsgericht herangezogenen Erwägungen zu §§ 13, 21 BetrVG sowie der Verweis auf verschiedene Judikate würden nicht verfangen.
Zwar werde eine Amtsfortführung des Betriebsrats in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG angeordnet. Allerdings könne der Arbeitgeber dann, wenn der geschäftsführende Betriebsrat seiner Pflicht zur unverzüglichen Einleitung von Neuwahlen nicht nachkomme, eine Auflösung des "Restbetriebsrats" gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG anstrengen. Der Arbeitgeber habe daher ein effektives Mittel an der Hand, den zu kleinen Rumpfbetriebsrat auf dem Rechtsweg zu beseitigen. Diese Möglichkeit stehe dem Arbeitgeber im vorliegenden Fall bei einer mehrfach analogen Heranziehung von § 11 BetrVG im Rahmen der Betriebsratswahl mit einer zu geringen Anzahl an Kandidaten nicht zur Verfügung.
Der vorliegende Fall der fehlenden Arbeitsfähigkeit sei auch nicht vergleichbar mit der Konstellation einer (nur) zeitweisen Verhinderung und der dadurch begründeten vorübergehenden Herabsetzung der Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats. Hier liege eine "permanente Verhinderung" und damit ein Dauerzustand vor.
Das Landesarbeitsgericht habe zwar im Beschwerdeverfahren - 5 TaBV 7/22 - betreffend die Nichtigkeit der Betriebsratswahl die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt, aber die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Diese werde auch eingelegt, sobald die Entscheidungsgründe vorlägen. Daher sei weiterhin offen, wie es sich mit der Wirksamkeit der Betriebsratswahl verhalte.
Die Arbeitgeberin beantragt (vgl. Sitzungsprotokoll des Landesarbeitsgerichts vom 14. Juni 2023, Bl. 236 d.A.),
den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. November 2022 - 11 BV 16/22 - teilweise abzuändern und die Anträge insgesamt abzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Betriebsrat verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und erwidert auf die Beschwerdebegründung, durch das Unterbleiben der Teilnahme an den monatlichen Gesprächen nach § 74 BetrVG und den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses habe die Arbeitgeberin grob gegen ihre Pflichten verstoßen. Die Weigerung der Arbeitgeberin, an diesen für den Betriebsrat elementar wichtigen Treffen teilzunehmen, sei objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend. Durch die nachhaltige Weigerung der Arbeitgeberin blockiere und behindere sie die Betriebsratsarbeit.
Dieser Pflichtverstoß wiege mittlerweile umso schwerer, da nicht nur das Landesarbeitsgericht Hamburg im Wahlanfechtungsverfahren die Wirksamkeit der Betriebsratswahl bestätigt, sondern auch das Arbeitsgericht im hiesigen Verfahren einen groben Pflichtverstoß festgestellt habe. Durch den Ausgang des hiesigen erstinstanzlichen Verfahrens und dem Ausgang des Wahlanfechtungsverfahrens müsse mittlerweile sogar von einem Verschulden der Arbeitgeberin ausgegangen werden.
Die Anfechtung der Wahl durch die Arbeitgeberin habe keinen Einfluss auf das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis. Die Betriebsratswahl sei auch nicht nichtig. Es fehle an einem offenen und sehr groben Pflichtverstoß. Der Betriebsrat sei weiterhin im Amt. Selbst wenn das Bundesarbeitsgericht zu der Entscheidung kommen würde, die Betriebsratswahl sei aufgrund der doppelt analogen Anwendung des § 11 BetrVG anfechtbar, hätte die Arbeitgeberin die Rechte des Betriebsrats zu wahren und ihre Pflichten zu erfüllen. Dass die Arbeitgeberin hierzu nicht gewillt ist, zeige sie nachdrücklich.
Der von der Arbeitgeberin nunmehr gestellte Auflösungsantrag habe auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts keinen Einfluss.
Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die Beschwerdebegründung vom 18. März 2023 (Bl. 207 ff. d.A.) und die Beschwerdebeantwortung vom 15. Mai 2023 (Bl. 218 f. d.A.) verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Beteiligten und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 iVm. § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG).
Das Landesarbeitsgericht hat dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin auf dessen Antrag eine Teilnahme an der mündlichen Anhörung vom 14. Juni 2014 gemäß § 128a Abs. 1 ZPO iVm. § 525 Satz 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 87 Abs. 2 ArbGG im Wege der Bild- und Tonübertragung (Videokonferenz) gestattet. Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin nahm daraufhin an der Anhörung im Wege der Videokonferenz von einem Ort in der Schweiz aus teil.
B.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat nur teilweise Erfolg. Sie ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
I. Eine Sachentscheidung konnte ergehen, obwohl der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin an dem Anhörungstermin vom 14. Juni 2023 im Wege der Videokonferenz von der Schweiz aus teilnahm.
1. Die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin im Wege der Videokonferenz war nach § 128a ZPO zulässig.
a) Zwar wird - wohl überwiegend - die Auffassung vertreten, dass zur Wahrung territorialer Souveränität Videokonferenzen mit dem Ausland in Ausübung von Staatsgewalt (hier der Judikative) grundsätzlich nur im Wege der Rechtshilfe oder aufgrund supranationalen Rechts möglich seien (BeckOK ZPO/von Selle, 48. Ed. 1. März 2023, § 128a Rn. 16; vgl. Greger in: Zöller, ZPO 34. Aufl., § 128a Rn. 10; Saenger, ZPO 9. Aufl., § 128a Rn. 1).
Indem dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin auf seinen Antrag gestattet wird, an der in der Bundesrepublik Deutschland stattfindenden mündlichen Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen, übt das Gericht aber keine Hoheitsgewalt in der Schweiz aus. Durch die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin im Wege der Bild- und Tonübertragung ändert sich am Ort der Gerichtsverhandlung nichts. Es wird lediglich die persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal durch die Bild- und Tonübertragung in den Gerichtssaal ersetzt. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass von der Bild- und Tonübertragung (mittelbar) hoheitliche Wirkungen in der Schweiz ausgingen. Davon ist jedenfalls deshalb auszugehen, weil dem Verfahrensbevollmächtigten lediglich ermöglicht wird, (freiwillig) Äußerungen in der mündlichen Verhandlung abzugeben, ohne dass eine Beweisaufnahme stattfindet (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 11. März 2022 - 10 K 4411/19 -, Rn. 2, juris).
Zwar ist grundsätzlich aus Gründen der territorialen Souveränität jedwede richterliche Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, es sei denn, die Tätigkeit im Ausland ist durch besondere Normen ausdrücklich erlaubt. Hoheitliche Gewalt unter Verletzung der territorialen Souveränität wird indessen dann nicht ausgeübt, wenn den Parteien nur ihre Teilnahme aus dem Ausland gestattet wird, ohne dass eine Beweisaufnahme durchgeführt wird (Klasen in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 128a ZPO (Stand: 5. Juni 2023), Rn. 34-35).
Gemäß § 128a Abs. 1 ZPO kann das Prozessgericht den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten auch gestatten, aus dem Ausland an einer Verhandlung eines deutschen Gerichts im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Soweit nicht die Parteien oder Beteiligten persönlich angehört werden sollen, ist damit keine unzulässige Beeinträchtigung der territorialen Integrität des Aufenthaltsstaats verbunden (Windau, jM 2021, 178, 185).
b) Überdies spricht gegen die Ausübung von Hoheitsgewalt in einem anderen Land durch schlichte Gestattung einer Zuschaltung des Verfahrensbevollmächtigten auch, dass das Gericht nicht angeordnet hat, dass der Verfahrensbevollmächtigte von einem Ort aus dem Ausland heraus teilzunehmen hätte.
Wenn das Gericht aber keinen "anderen Ort" iSd. § 128a ZPO festlegt - und auch nicht befugt ist, den anderen Ort positiv festzulegen (so auch: BeckOK ZPO/von Selle, 48. Ed. 1. März 2023, § 128a Rn. 6; Gomille/Frenzel, NJOZ 2022, 1185, 1886) - steht es letztlich im Belieben des Bevollmächtigten, von welchem Ort aus er - freiwillig - an einer Verhandlung teilnimmt.
2. Selbst wenn man die vorliegend erfolgte Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin am Anhörungstermin nach § 128a Abs. 1 ZPO für unzulässig hielte, stünde dies einer Sachentscheidung des Gerichts nicht entgegen.
Insoweit sind die verfahrensrechtlichen Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zu beachten. Gemäß § 83 Abs. 4 Satz 1 ArbGG können die Beteiligten sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt, worauf in der Ladung hinzuweisen ist, § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG. Diese Vorschriften finden gemäß § 90 Abs. 2 ArbGG im Beschwerdeverfahren entsprechende Anwendung. Nach § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG ist der Pflicht zur Anhörung Genüge getan und das Gericht kann bei Entscheidungsreife entscheiden (Schwab/Weth, ArbGG 6. Aufl., § 83 Rn. 111).
Hielte man eine Teilnahme eines Bevollmächtigten nach § 128a Abs. 1 ZPO aus dem Ausland für unzulässig, wäre er als zur Anhörung nicht erschienen zu behandeln. Da auch Entschuldigungsgründe für ein Ausbleiben bzw. eine Nichtteilnahme an der Videoverhandlung aus Deutschland heraus weder vorgebracht, noch im Übrigen ersichtlich sind und die Ladung zum Anhörungstermin auch den Hinweis nach § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG enthielt, war im vorliegenden Fall der Pflicht zur Anhörung Genüge getan und das Gericht konnte bei - hier gegebener - Entscheidungsreife entscheiden.
Durch § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG soll sichergestellt werden, dass das Verfahren durch das Fernbleiben eines Beteiligten nicht verzögert wird (Schwab/Weth, ArbGG 6. Aufl., § 83 Rn. 112). Dieser Zweck würde konterkariert, wenn einem Bevollmächtigten eine Teilnahme an der Anhörung nach § 128a Abs. 1 ArbGG gestattet wird, ohne dass dabei der "andere Ort" iSd. § 128a ZPO durch das Gericht festgelegt werden darf (s.o.), und dann die eigenmächtige Teilnahme aus dem Ausland heraus eine Pflicht zur Bestimmung eines neuen Termins zur Anhörung nach sich zöge.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 87 Abs. 1, § 66 Abs. 1 iVm. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III. Die Beschwerde ist nur teilweise begründet. Die in der Beschwerdeinstanz noch anhängigen Anträge auf Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Teilnahme an monatlichen Besprechungen und an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses sind zulässig und begründet. Dies hat auch das Arbeitsgericht bereits zutreffend erkannt. Der Antrag auf Ordnungsgeldandrohung war hingegen unbegründet.
1. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.
Die Anträge sind nicht etwa deshalb unzulässig, weil dem Betriebsrat die Beteiligtenfähigkeit fehlen würde. Zwar beruft sich die Arbeitgeberin auch im vorliegenden Verfahren auf eine Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022.
Der Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats steht jedoch nicht entgegen, dass aufgrund der behaupteten Nichtigkeit der Wahl Streit über seine rechtliche Existenz besteht. Insoweit ist er als beteiligtenfähig anzusehen (vgl. BAG, Beschluss vom 30. Juni 2021 - 7 ABR 24/20 -, Rn. 19, juris). Auch in Verfahren, in denen es um die Wahl, den Fortbestand oder die Zusammensetzung des Gremiums geht, ist ein Betriebsrat beteiligtenfähig (Schwab/Weth, ArbGG 6. Aufl., § 83 Rn 67). Dies gilt auch dann, wenn die Existenz des Betriebsrats - wie hier - eine Vorfrage der zu entscheidenden Anträge betrifft.
2. Die Anträge sind - mit Ausnahme des auf Androhung von Ordnungsgeld gerichteten Antrages zu 3. - begründet.
a) Der Antrag zu 1. ist begründet. Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Teilnahme an monatlichen Besprechungen verlangen. Da die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorliegen, war der Arbeitgeberin eine Teilnahme durch gerichtliche Entscheidung aufzugeben.
aa) Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Die Regelung dient dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. Es soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sichergestellt werden, indem der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten angehalten wird (BAG, Beschluss vom 8. März 2022 - 1 ABR 19/21 -, Rn. 41, juris).
bb) Die Arbeitgeberin hat durch die Nichtteilnahme an monatlichen Besprechungen mit dem Betriebsrat gegen ihre Verpflichtungen gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG verstoßen.
Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sollen Arbeitgeber und Betriebsrat mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Sie haben über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen, § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
Die Vorschrift des § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründet die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung beider Parteien, für die Besprechung aktiv Sorge zu tragen (GK-BetrVG/Jacobs, 12. Aufl., § 74 Rn. 10, 11). Aus dem Sollcharakter dieser Regelung folgt nur, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in gegenseitigem Einvernehmen in einzelnen Fällen von einer Besprechung absehen können (ErfK/Kania, 23. Aufl., BetrVG § 74 Rn. 3).
cc) Die Nichtteilnahme an den monatlichen Besprechungen gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG stellt auch einen groben Verstoß iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
(1) Ein grober Verstoß des Arbeitgebers ist bei einer objektiv erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverletzung zu bejahen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 77/10 - Rn. 15). Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Der Annahme eines groben Verstoßes kann entgegenstehen, dass der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt (BAG, Beschluss vom 18. März 2014 - 1 ABR 77/12 -, Rn. 15, juris). Auch die einmalige Verletzung der Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz kann grob iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG sein, wenn sie nur schwerwiegend genug ist (BAG, Beschluss vom 18. März 2014 - 1 ABR 77/12 -, Rn. 18, juris).
Eine ständige, unter Umständen auch eine nur wiederholte Weigerung an der monatlichen Besprechung teilzunehmen, kann eine grobe Pflichtverletzung iSd. § 23 Abs. 1 oder 3 BetrVG sein (Fitting ua., BetrVG 31. Aufl., § 74 Rn. 4 mwN).
(2) Nach diesen Grundsätzen liegt ein grober Verstoß vor.
(a) Die Arbeitgeberin weigert sich beharrlich, an monatlichen Besprechungen mit dem Betriebsrat gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG teilzunehmen.
(b) Die Arbeitgeberin kann sich auch nicht Erfolg darauf berufen, die Wahl des Betriebsrats sei nichtig.
Eine Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 ist aufgrund des noch nicht rechtskräftig abgeschlossen Parallelverfahrens der Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg - 5 TaBV 7/22 - nicht, geschweige denn rechtskräftig, festgestellt.
Es sind auch keine Umstände erkennbar, die eine Nichtigkeit der Wahl begründen könnten. Zwar wäre gemäß § 9 Satz 1 BetrVG aufgrund der Betriebsgröße grundsätzlich ein aus sieben Mitgliedern bestehender Betriebsrat zu bilden gewesen. Es ist aber noch nicht einmal ersichtlich, dass die Wahl wegen des Umstandes, dass nur drei Arbeitnehmer als Wahlbewerber vorhanden waren und gewählt wurden, mit Erfolg gemäß § 19 BetrVG anfechtbar wäre.
(aa) Zwar wird infolge der am 10. Mai 2022 stattgefundenen Wahl nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von Betriebsratsmitgliedern erreicht. Das kann aber nicht zur Feststellung der Anfechtbarkeit der Wahl führen; denn diese Zahl kann unter bestimmten Umständen unterschritten werden.
Das ergibt sich bereits aus § 11 BetrVG. Wenn dort gesagt ist, dass die nächst niedrigere Betriebsgröße zugrunde zu legen sei, so schließt das nicht aus, in Fällen, in denen das notwendig ist, auch noch weiter hinunterzugehen. Im Vordergrund muss der Wille des Gesetzgebers stehen, dass überhaupt ein Betriebsrat zu bilden ist. Demgegenüber muss die Frage der Größe des Betriebsrats zurücktreten. Hiernach ist es möglich, auch über die Vorschrift des § 11 BetrVG hinaus die Stärke des Betriebsrats zu vermindern (vgl. BAG, Beschluss vom 11. April 1958 - 1 ABR 4/57 -, juris, Rn. 13 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 11 BetrVG 1952).
Auch in seiner jüngeren Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass § 9 BetrVG zwar die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder zwingend regelt, hiervon jedoch ua. abgewichen werden kann, wenn nicht genügend wählbare Arbeitnehmer vorhanden oder zur Übernahme des Amts bereit sind (BAG, Beschluss vom 7. Mai 2008 - 7 ABR 17/07 -, Rn. 18, juris).
(bb) Die Wahl ist nicht deshalb unwirksam, weil die Zahl der Bewerber nicht die Zahl der gemäß § 9 BetrVG zu besetzenden Betriebsratsplätze erreichte. Wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 -, juris) mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, ist in einem derartigen Fall § 11 BetrVG analog anzuwenden, wenn die Zahl der Bewerber unterhalb der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder liegt.
(i) Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Eine analoge Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 -, Rn. 30, juris).
(ii) Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor. Der in § 11 BetrVG geregelte Sachverhalt ist mit der Situation vergleichbar, dass nicht genügend wählbare Arbeitnehmer kandidieren. In beiden Fällen ist die in § 9 BetrVG vorgesehene Betriebsratsgröße wegen eines Mangels an Kandidaten nicht erreichbar. Es macht keinen eine Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschied aus, dass in dem vom Gesetz geregelten Fall das Erreichen der Kandidatenzahl objektiv unmöglich ist, während im hier zu beurteilenden Fall wegen einer fehlenden Bereitschaft wählbarer Arbeitnehmer die Zahl unterschritten wird. Würde letzteres dazu führen, dass gar kein Betriebsrat gewählt werden könnte, so würde ein Widerspruch zu dem in § 1 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers entstehen, dass die Wahl eines Betriebsrats lediglich voraussetzt, dass dort fünf ständige Wahlberechtigte beschäftigt werden, von denen drei wählbar sind. Über die gesetzlich vorgesehene Größe des Betriebsrats, die den Mitarbeitervertretungen eigentlich ein effizientes Arbeiten ermöglichen soll, würde durch die Hintertür eine zusätzliche - gesetzlich nicht gewollte - Voraussetzung geschaffen. Dies würde zudem den Gleichheitssatz nach Artikel 3 Abs. 1 GG verletzen, weil gleichgelagerte Fälle - ein Wahlbewerber - ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden. Bei einer Betriebsgröße von bis zu 20 wahlberechtigten Mitarbeitern dürfte ein Betriebsrat gewählt werden, bei einer größeren Mitarbeiterzahl wäre die Wahl eines Betriebsrats ausgeschlossen (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 -, Rn. 34, juris).
(iii) Durch die analoge Anwendung des § 11 BetrVG entsteht auch kein Wertungswiderspruch zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG (so aber GK -BetrVG/Jacobs, 12. Aufl., § 9 BetrVG Rn. 32). Zwar ist hiernach eine Neuwahl durchzuführen, wenn die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken ist. Dieser Fall ist aber nicht damit zu vergleichen, dass von vornherein zu wenige Betriebsratsmitglieder vorhanden sind. In dem von § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG geregelten Fall macht eine Neuwahl Sinn, weil die Möglichkeit besteht, dass genügend neue Bewerber für das Betriebsratsamt zur Verfügung stehen. Fehlt es aber - wie hier - von vornherein an einer ausreichenden Anzahl an Bewerbern, so wird sich hieran mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Falle einer Neuwahl nichts ändern. Dass dem Gesetzgeber das Bestehen eines Betriebsrats wichtiger ist als die Einhaltung der in § 9 BetrVG vorgesehenen Größe bringt das Gesetz auch in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG zum Ausdruck, denn der bisherige - zu kleine - Betriebsrat bleibt gemäß § 21 Satz 5 BetrVG bis zu einer Neuwahl im Amt, und zwar selbst dann, wenn er diese nicht unverzüglich einleitet (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 -, Rn. 35, juris).
(iv) Die (analoge) Anwendung des § 11 BetrVG führt dazu, dass auf die nächstniedrigere Stufe zurückzugehen ist, was hier nicht ausreichen würde, weil dann dennoch nicht die Zahl der benötigten Wahlbewerber - mindestens fünf - erreicht würde. Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 11 BetrVG ist diese Norm erneut anzuwenden, so dass auf die dann folgende Stufe herab zu gehen ist, bis die Zahl der wählbaren Arbeitnehmer - bzw. der Wahlbewerber - ausreicht (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli 2014 - 6 TaBV 24/14 -, Rn. 36, juris). Die sinngemäße Anwendung von § 11 BetrVG entspricht auch einer beachtlichen Ansicht des Schrifttums (Fitting ua., BetrVG 31. Aufl., § 11 Rn. 8; DKW- BetrVG/Homburg, 18. Aufl., § 11 Rn. 4; Richardi/Thüsing, BetrVG 17. Aufl., § 11 Rn. 6-7; a.A.: GK-BetrVG/Jacobs, 12. Aufl., § 11 BetrVG Rn. 11, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Krois, 5. Aufl., § 291 Rn. 156; Schipp, ArbRB 2020, 283; eine analoge Anwendung für "zweifelhaft" haltend: HWGNRH/Nicolai, BetrVG 10. Aufl., § 11 Rn. 8).
(v) Auch im Übrigen liegen keine Umstände vor, die die Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 unwirksam machten.
Der Schlussfolgerung der Arbeitgeberin, die Betriebsratswahl sei bei Unterschreiten der Mindestgröße unwirksam, da der Gesetzgeber nicht ohne Grund Vorgaben für die Größe des Betriebsratsgremiums in Abhängigkeit von der Mitarbeiterzahl gemacht habe, kann nicht gefolgt werden. § 9 BetrVG bezweckt lediglich die Sicherstellung einer effizienten Arbeitsweise des Gremiums. Mithin gibt der Gesetzgeber vor, wie viele Arbeitnehmer maximal für erforderliche Betriebsratsarbeit von der arbeitsvertraglichen Leistung freizustellen sind. Hieraus ist nicht abzuleiten, dass ein "zu" kleiner Betriebsrat gar nicht gewünscht ist. Vor allem die Tatsache, dass von Außen nicht kontrolliert werden kann, warum sich weniger Arbeitnehmer als die sich aus § 9 BetrVG ergebende Zahl zur Wahl aufstellen lassen, lässt keine andere Auslegung zu.
Auch der Einwand der Arbeitgeberin, ein Betriebsrat sei im Lichte nur dreier Kandidaten im Grunde gar nicht erwünscht, kann nicht überzeugen. Immerhin haben mindestens 60 Arbeitnehmer des Betriebs ihre Stimme abgegeben und somit ihren Wunsch hinsichtlich der Gründung eines Betriebsrates zum Ausdruck gebracht.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist auch nicht grundsätzlich von einer Arbeits- und Beschlussunfähigkeit des Betriebsrats auszugehen. Ein Unterschreiten der Größe gemäß § 9 BetrVG durch die (analoge) Anwendung von § 11 BetrVG lässt nicht den Rückschluss zu, dass der Betriebsrat damit arbeits- und beschlussunfähig ist. Wie oben bereits ausgeführt, bezweckt § 9 BetrVG lediglich die Sicherstellung einer effizienten Arbeitsweise des Gremiums und der personellen Ressourcen der Arbeitnehmerschaft, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat einzuräumen hat. Hieraus ist nicht abzuleiten, dass ein kleiner Betriebsrat überhaupt nicht arbeitsfähig ist.
(c) Anders als die Arbeitgeberin meint, steht im vorliegenden Fall der Annahme eines groben Verstoßes auch nicht entgegen, dass sie ihre Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt.
(aa) Angesichts der zitierten Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Düsseldorf liegt hinsichtlich der (ggf. doppelt) sinngemäßen Anwendung von § 11 BetrVG für Fälle, in denen weniger Wahlbewerber als nach § 9 BetrVG zu wählende Betriebsratsmitglieder zu einer Kandidatur bereit sind, bereits keine ungeklärte Rechtsfrage mehr vor.
(bb) Selbst wenn man aber mit einem Teil des Schrifttums annähme, die sinngemäße Anwendung von § 11 BetrVG sei in einem derartigen Fall ausgeschlossen, wäre eine gleichwohl geführte Betriebsratswahl mit weniger Kandidaten als nach § 9 BetrVG vorgesehen nicht nichtig. Zwar hätte dann der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 in Verkennung von § 11 BetrVG die Wahl einer unrichtigen Anzahl von Betriebsratsmitgliedern zugelassen. Dann läge zwar ggf. ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vor, der gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG aber allenfalls zu einer Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigen würde. Dass eine derart durchgeführte Wahl nichtig wäre, wird - soweit ersichtlich - auch von den Autoren, die sich gegen eine sinngemäße Anwendung von § 11 BetrVG aussprechen, nicht vertreten (vgl. insoweit Schipp, ArbRB 2020, 283, 285, wonach zwar eine solche Wahl ggf. angefochten werden könne, ihre Nichtigkeit aber nicht anzunehmen sein dürfte).
Da eine erfolgreiche Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft hat, sondern nur für die Zukunft wirkt (BAG, Beschluss vom 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 -, juris, Rn. 32), führt dies, selbst wenn man eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 bejahte dazu, dass vorliegend - bereits mangels rechtskräftigen Abschlusses des Wahlanfechtungsverfahrens - der antragstellende Betriebsrat weiterhin im Amt ist. Da das Amt eines Betriebsrats im Falle erfolgreicher Wahlanfechtung aber erst mit rechtskräftiger Entscheidung über die Anfechtung für die Zukunft wirkt, ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Rechte und Pflichten aus § 74 Abs. 1 BetrVG (und aus § 108 Abs. 2 BetrVG, dazu sogleich unter B.III.2.b)) vor rechtskräftiger Entscheidung über die Anfechtung suspendiert sein sollten. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die bisherige und auch für die Zukunft angekündigte Nichtteilnahme an monatlichen Besprechungen gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG als grober Verstoß iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
b) Auch der Antrag zu 2. ist begründet. Der Betriebsrat kann gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 BetrVG iVm. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Teilnahme der Arbeitgeberin an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses verlangen. Da auch insoweit ein grober Verstoß iSd. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorliegt, war der Arbeitgeberin auch insoweit die Teilnahme durch gerichtliche Entscheidung aufzugeben.
aa) Nach § 108 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Unternehmer oder sein Vertreter an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen. Dies bedeutet, dass der Unternehmer bzw. dessen Vertreter in unternehmerischen Funktionen verpflichtet ist, an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen, um seine Informationspflicht ordnungsgemäß zu erfüllen (vgl. ErfK/Kania, 23. Aufl., § 108 BetrVG Rn. 6). Anders als § 69 Abs. 2 BetrVG 1952 sieht das Gesetz somit eine Pflicht zur Teilnahme vor (Richardi/Annuß, BetrVG 17. Aufl., § 108 Rn. 12).
Auch dieser Verpflichtung ist die Arbeitgeberin wiederholt nicht nachgekommen und lehnt eine Teilnahme auch künftig ab.
bb) Die fortlaufende Nichtteilnahme an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses stellt ebenfalls eine groben Verstoß iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
Die beharrliche Weigerung an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen und damit gegenüber dem Betriebsrat in diesem Rahmen der ihr obliegenden Informationspflicht nachzukommen, stellt einen groben Verstoß iSv. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
Insoweit gelten die oa. Ausführungen (s. B.III.2.a)) zur Nichtteilnahme an monatlichen Besprechungen entsprechend.
Es ist nicht wegen der Betriebsratswahl vom 10. Mai 2022 von einer Nichtexistenz des Betriebsrats auszugehen, da die Wahl nicht nichtig war. Selbst wenn man die Wahl für anfechtbar hielte, wäre der Betriebsrat bis zu einer entsprechenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Amt und die Arbeitgeberin hat ihm - bzw. dem gemäß § 106 BetrVG ebenfalls weiterhin vorhandenen Wirtschaftsausschuss - gegenüber die sich aus dem BetrVG ergebenden Verpflichtungen wahrzunehmen. Dazu gehört gemäß § 108 Abs. 2 BetrVG auch die Pflicht zur Teilnahme an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses. Dass die Arbeitgeberin dies beharrlich ignoriert, stellt einen groben Verstoß iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
c) Der Antrag des Betriebsrats auf Androhung von Ordnungsgeld ist unbegründet. Insoweit war der angegriffene Beschluss auf die Beschwerde der Arbeitgeberin abzuändern.
aa) Die Androhung von Ordnungsgeld kommt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nur für den Fall in Betracht, dass ein Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden.
bb) Vorliegend geht es aber nicht um eine Unterlassungs- oder Duldungspflicht der Arbeitgeberin, sondern jeweils um die Auferlegung einer Handlung (nämlich Teilnahme an monatlichen Besprechungen und an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses) durch gerichtliche Entscheidung. Insoweit käme, wenn die Arbeitgeberin eine durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durchführt, gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 BetrVG allein eine Anhaltung durch Zwangsgeld in Betracht. Im Gegensatz zu § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG kann Zwangsgeld ohne vorherige Androhung verhängt werden.
C.
I. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Für arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren werden gerichtliche Kosten (Gebühren und Auslagen) nicht erhoben (§ 2 Abs. 2 GKG). Eine gesonderte Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten ist wegen der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nicht zu treffen (BAG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 1 ABR 59/06 -, Rn. 11, juris).
II. Gegen diesen Beschluss war die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht für die Arbeitgeberin gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht für den Betriebsrat nicht zuzulassen, weil ein erforderlicher Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (§ 92 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG).
Hinweise
Rechtsbeschwerde wurde eingelegt - Az. beim BAG: 7 ABR 27/23