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02.12.2004 · IWW-Abrufnummer 043075

Landgericht Kiel: Urteil vom 30.09.2004 – 6 O 100/01

Im Falle des Vorliegens von Ausführungsmängeln haftet ein bauleitender Architekt seinem Auftraggeber auch dann mit einer Quote von 50% auf Schadensersatz, wenn der Auftraggeber gleichzeitig das bauausführende Unternehmen ist.

LG Kiel, Urteil vom 30.09.2004 - 6 O 100/01 (nicht rechtskräftig)


In dem Rechtsstreit

....

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel
auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2004
durch den Richter am Landgericht Bunge als Einzelrichter

für R e c h t erkannt:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 106.328,25 ? nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 26.05.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4 %, die Beklagten zu 96%.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin bleibt nachgelassen die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Architektenvertrag geltend.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin führte Anfang der 90iger Jahre ein Bauträgerprojekt am Standort #####-Straße 2 -12 in K. durch.

In einem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Kiel (4 OH 5/97) zwischen der Bauherrin und der Klägerin wurden zahlreiche Mängel am Bauobjekt festgestellt. In jenem Verfahren wurde den Beklagten der Streit verkündet. Die Bauherrin verklagte die Parteien auf Schadensersatz vor dem Landgericht Kiel (4 O 324/99). Mit Urteil vom 15.06.2000 wurden die Parteien verurteilt, an die Bauherrin 243.240,00 DM zu zahlen, und die Klägerin zur Zahlung von weiteren 205.920,00 DM. In der Folgezeit schlossen die Parteien jeweils getrennt Vergleiche mit der Bauherrin. Die Klägerin einigte sich mit der Bauherrin auf eine Zahlung in Höhe von 440.160,00 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 26.5.2000 zur Abgeltung der Gewährleistungsansprüche aus dem oben genannten Bauvorhaben. Diesen Betrag bezahlte sie auch.

Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens stellte der eingeschaltete Gutachter unter anderem folgende Mängel fest:

- Die Tiefgaragen der Gebäude wiesen Durchfeuchtungen auf. Die Kosten für die Mängelbeseitigung sind mit 200.000,00 DM zu veranschlagen. Des weiteren wäre eine funktionsfähige Ringdränage einschließlich Aufgraben und Wiederherstellen der Auslagen geboten. Auch die Kellergaragendecke muss abgedichtet werden, was Kosten in Höhe von 5.920,00 DM verursachen wird.

- Die fehlende Oberflächenabdichtung muss hergestellt werden, und zwar einschließlich sämtlicher Notausgangstreppenanlagen. Auch eine anschließende Neuverfliesung ist erforderlich. Der Kostenaufwand beträgt 30.000,00 DM.

- Weitere 24.240,00 DM sind für das Herstellen einer Abdichtung im Bereich der Garagenrampen und Verblendsockel bis unterhalb des Pflasterbelages notwendig.

- Die Wärmedämmung in den Dachgeschossen wurde unzureichend ausgeführt, so dass keine ausreichende Beheizbarkeit der Aufenthaltsräume gegeben ist. Hier beträgt der anzusetzende Kostenaufwand 180.000,00 DM.

Die Parteien waren im Rahmen des oben genannten Bauvorhabens durch den Architektenvertrag vom 17.10.1993 (Anlage K 1) miteinander verbunden. In diesem Vertrag verpflichteten sich die Beklagten gegenüber der Klägerin, die in § 4 des Vertrages genannten Leistungen zu erbringen. Diese umfassten unter anderem die Grundlagenermittlung, die Vorplanung, die Entwurfsplanung, die Genehmigungsplanung sowie die Ausführungsplanung und außerdem die Objektüberwachung für alle Gewerke einschließlich der Bauhauptgewerke.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten ihr zumindest 50 % des Betrages ersetzen müssten, den sie auf die Gewährleistungsansprüche der Bauherren des genannten Bauvorhabens hätten zahlen müssen. Sie behauptet, sämtliche dargelegten Mängel beruhten auf Bauplanungs- und auch auf Bauaufsichtsfehler der Beklagten. Deren Planung sei völlig unzureichend gewesen und die Dokumentation unvollständig. Die Planungsunterlagen hätten nur den Umfang entsprechend der Anlage K 4 gehabt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an sie 220.080,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26.05.2000 zu zahlen.

Die Beklagten beantragten,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass etwaigen Mängeln an der Bauausführung keine Bauplanungsfehler zugrunde lägen und auch die Bauaufsicht hinreichend gewesen sei. Sie behaupten, dass die Bauaufsicht intensiv wahrgenommen worden sei und zumindest ein- bis zweimal die Woche Baubegehungen stattgefunden hätten. Die Bauplanung sei umfassend gewesen. Inhaltlich habe sie dem Anlagenkonvolut B 4 entsprochen.

Unstreitig rechneten die Beklagten gegenüber der Klägerin mit Schlussrechnung vom 3.11.1995 ab (Anlage B 2). Rechnerisch sind noch 49.5.15,- DM entsprechend 25.316,62 ? zur Zahlung offen. Insoweit erklären die Beklagten die hilfsweise Aufrechnung.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22.01.2003 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Architekten Dipl.-Ing. St. vom 01.03.2004 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist ganz überwiegend begründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten Zahlung in Höhe von 106.328,25 ? nebst Zinsen in I Höhe von 4 % seit dem 26.05.2000 verlangen. Der entsprechende Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 635 BGB a. F.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Beklagten wirklich, wie von der Klägerin vorgetragen, eine unzureichende und lückenhafte Bauplanung vorgeworfen werden kann. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten steht fest, dass die Bauleitung bei der überwiegenden Anzahl der hier erheblichen Mängel nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

Dies gilt zum einen hinsichtlich der Durchfeuchtungen an den Tiefgaragen. Der Sachverständige erklärt ganz eindeutig, dass die Tatsache, dass die gewählte Dickbeschichtung nicht ausreichend ist, einen Fehler der Bauleitung darstellt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen muss angenommen werden, dass aufgrund des Umstandes, dass die Dickbeschichtung in den zeichnerischen Unterlagen nicht übernommen worden ist, die örtliche Bauleitung gehalten gewesen wäre, die durchgeführte Dickbeschichtung zu überprüfen, was wie der Fehler zeigt, offenbar nicht hinreichend geschehen ist. Hier sind unstreitig Mängelbeseitigungskosten von 200.000,- DM zuzüglich weiterer 5.920,- DM anzusetzen.

Auch hinsichtlich der fehlenden Oberflächenabdichtung geht der Sachverständige von einem Versagen den Bauleitung aus, weil nach seiner Einschätzung ein sorgfältiges Abkleben mit einer Spezialfolie die Abdichtung gesichert hätte. Es muss generell davon ausgegangen werden, dass Baumaßnahmen zur Verhinderung von Feuchtigkeitsschäden prekäre Bereiche darstellen, auf die die Bauleitung ihr besonderes Augenmerk legen muss. Allein dieser Fall mit seinem hohen zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten (30.000,- DM) belegt dies.

Schließlich ist es nach den Feststellungen des Sachverständigen auf einen Bauleitungsfehler zurückzuführen, dass die Wärmedämmung in den Dachgeschossen unzureichend ausgeführt ist. Auch hier geht der Sachverständige davon aus, dass ein Ausführungsmangel betroffen ist, den die Bauleitung hätte korrigieren müssen. Im einzelnen geht es darum, dass zur ordnungsgemäßen Wärmedämmung Folienüberlappungen mit Dichtungsbändern hätten abgeklebt werden müssen, was nicht geschehen ist und nach Einschätzung des Sachverständigen einen Kardinalfehler darstellt, der faktisch zur Unbewohnbarkeit der Dachgeschosse führt. Eine Bauleitung ist jedoch gehalten derart neuralgische Arbeitsgänge zu überwachen und deren ordnungsgemäße Ausführung sicherzustellen. Insoweit sind Kosten zur Mängelbeseitigung in Höhe von 180.000,00 DM zwischen den Parteien unstreitig. Der Sachverständige setzt insoweit sogar einen leicht höheren Wert an.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme scheidet allerdings eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der Art und Weise der Abdichtung im Bereich der Garagenrampen und Verblendsockel bis unterhalb des Pflasterbelages aus, denn der Sachverständige hat im Rahmen seines Gutachtens insoweit festgestellt, dass die Bauausführung ordnungsgemäß ist. Nach seinen Ausführungen kann angenommen werden, dass die Abdichtungsmaßnahmen ausreichend sind, da über das Kiessandbett das Oberflächenwasser zum größten Teil in die vorhandenen Rinnen abfließen kann, so dass sich Stauwasser nicht bilden kann. Es war zwar zwischen den Parteien unstreitig, dass ausweislich der Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren auch insoweit ein Mangel gegeben ist, doch ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte anzunehmen, dass sich zumindest die Beklagte das in diesem Punkt für sie günstige Ergebnis der Beweisaufnahme in diesem Rechtsstreit stillschweigend zu eigen gemacht hat, so dass die insoweit angesetzten Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 24.240,00 DM nicht in den Schadensersatz einfließen können.

Durch Addition der oben genannten Beträge ergibt sich, dass die Mängelbeseitigungsmaßnahmen hinsichtlich der streitgegenständlichen Mängel 415.920,00 DM kosten werden. Die Klägerin mache die Hälfte davon geltend, mithin 207.960,00 DM umgerechnet 106.328,25 ?. Dieser Betrag stellt den seitens der Beklagten zu leistenden Schadensersatz dar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin (§ 254 BGB), da sie es war, die gegenüber den Auftraggebern die mangelhafte Bauausführung zu verantworten hatte. Die Mitverschuldensquote ist allerdings mit höchstens 50 % anzusetzen, da die Beklagten sich gegenüber der Klägerin gerade dazu verpflichtet hatten, eine ordnungsgemäße Bauplanung und auch Bauüberwachung sicherzustellen, so dass zumindest eine Schadensteilung angemessen ist, wenn trotz der Bauüberwachung seitens der Beklagten der Klägerin Fehler bei der Bauausführung unterlaufen sind.

Der entsprechende Schaden hat sich auch realisiert, da die Mängelbeseitigungskosten, die die entstandenen Mängel nach sich ziehen, als solche unstreitig sind und die Klägerin aufgrund des mit den Bauherren abgeschlossenen Vergleichs einen Betrag in Höhe von 440.160,00 DM, nebst Zinsen bezahlt hat.

Die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Zahlung des Architektenhonorars greift nicht durch (§§ 387 ff. BGB), denn der entsprechende Vergütungsanspruch ist mangels ordnungsgemäßer Schlussrechnungserstellung noch nicht fällig, denn die mit der Anlage B 2 zu den Akten gereichte Schlussrechnung genügt nicht den Mindestanforderungen der §§ 8, 10 Abs. 2 HOAI. Hier reicht der Hinweis, dass eine Honorarzone hinsichtlich der einzelnen Leistungsphasen weder ermittelt noch dargestellt worden ist. Eine derartige Aufschlüsselung ist auch gegenüber solchen Personen erforderlich, die gewerblich viel mit Bauverträgen zu tun haben, damit diese die Abrechnung überhaupt nachvollziehen können. Es ist nicht notwendig gewesen den Beklagten durch richterlichen Hinweis Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, da sie diese bereits aufgrund der Rüge der Prüffähigkeit der Schlussrechnung seitens der Klägerin mit Schriftsatz vom 03.05.2002 bekommen haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

RechtsgebietVOB/BVorschriftenVOB/B § 4 Nr. 2 Abs. 1

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