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27.01.2005 · IWW-Abrufnummer 050217

Landgericht Würzburg: Urteil vom 27.02.2003 – 53 S 859/02

1. Eine Vestibulumplastik nach Nr. 2675 GOÄ ist bei einer implantologischen Versorgung eine eigenständige Leistung, an deren Stelle auch nicht die Nr. 413 GOZ anzusetzen ist.



2. Die Nrn. 2381 und 2442 GOÄ sind nicht Bestandteil einer eventuellen Zielleistung nach der Nr. 411 GOZ, die auch nicht an deren Stelle anzusetzen ist.



3. Die Nr. 2110 GOÄ ist als selbständige Leistung für die Entfernung einer Osteosyntesenschraube berechnungsfähig.


Sachverhalt:

Die Klägerin, eine zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft, nimmt den beklagten Patienten auf Zahlung restlicher Kosten für eine implantologisch-prothetische Versorgung aus abgetretenem Recht in Anspruch. Der Beklagte verweigerte mit Unterstützung seiner privaten Krankenversicherung die Vergütung einer Reihe von GOÄ-Positionen, weil die Behandler nach seiner Auffassung das Zielleistungsprinzip des § 4 Abs. 2 a GOÄ nicht beachtet hatten. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Patienten blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Unstreitig ist zwischen den Behandlern und dem Beklagten ein Dienstleistungsvertrag über eine implantologisch-prothetische Rehabilitation regio 46, 15 und 24 zustande gekommen. Die Behandler haben die Leistungen auch mangelfrei erbracht. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Höhe der Honorarforderung. Sein Hauptargument, die Rechnungsstellung verletzte das Zielleistungsprinzip des § 4 Abs. 2 a GOÄ, hat sich in der Berufungsinstanz nach Einholung eines Sachverständigengutachtens als nicht zutreffend erwiesen. Die Begründung des Gerichts wird nachstehend im Wortlaut wiedergegeben:

Aufgrund der nachvollziehbaren, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen Dr. Dr. K. in dessen schriftlichem Gutachten vom 07.01.2003 sowie aufgrund seiner mündlichen Erläuterungen im Termin vom 27.02.2003 steht für das hier erkennende Gericht fest, dass bei dem Beklagten der Leistungsinhalt einer Vestibulumplastik nach Ziff. 2675 GOÄ voll und ganz erfüllt wurde. Der Sachverständige hat hierzu bekundet, dass mittels einer Poncholappenplastik meist innere Restanteile an verhornter unverschieblicher Gingiva mit einem außen gestielten Weichteillappen präpariert und gehoben wird. Danach seien vestibulär cranial gelagerte Muskelansätze abzupräparieren und nach caudal zu verlagern. Auf eine vestibulär verbliebene blanke Knochenhaus- oder Periostfläche werde nach der Implantatsetzung dann der gebildete Lappen neu adaptiert. Damit habe eine Gewebeverschiebung mit Verlagerung von definierten Strukturen, eine Verlagerung von Band- und Muskelstrukturen und eine Neufixierung von Gewebeanteilen stattgefunden. Der Sachverständige hat dabei eindeutig bekundet, dass dieser Komplex mit eigenständiger Zielsetzung in keiner Hinsicht Teil einer Implantatgebührennummer sei und keine Analogie zur Ziffer GOZ 413 hergestellt werden könne, vielmehr bestehe ein eigenständiger Zielleistungscharakter. So könnten derartige Leistungen auch ohne Implantatsetzung zur Anwendung kommen. Als Beispiel hat er dabei eine hochgradige Alveolaratrophie des zahnlosen Unterkiefers genannt, bei der auch ohne implantologische Konzepte eine Prothesenlagerverbesserung durch Alveolarkammkürzung, Vestibulumplastik, Knochendefektauffüllungen etc. durchgeführt werde.

Der Sachverständige ist des weiteren zur dem Ergebnis gekommen, dass die Abrechnung nach der Leistungsziffer 2381 GOÄ völlig zulässig sei. Da bei dem Beklagten zur Augmentation und Kieferkonturierung Knochenersatzmaterial verwendet worden sie, sei auch eine Abrechnung nach der Ziffer 2442 GOÄ legitim, zumal die behandelnden Ärzte nicht zusätzlich noch die Replantationsziffer 2254 GOÄ berechnet haben. Nach den Bekundungen des Sachverständigen greift der Einwand des Beklagten, diese Maßnahme würde ein Bestandteil der mit der GOZ Ziffer 411 vergüteten Zielleistung darstellen, nicht durch. Vielmehr deckt ? so der Sachverständige ? diese Ziffer den Leistungscharakter nicht ab, da hier nur paradontale umschriebene marginale Defektsituationen an einen natürlichen Zahn ergänzt werden, aber kein rekonstruktiver Effekt präsentiert sei. Auch die Gesellschaft für Paradontologie habe keine Empfehlung ausgesprochen, für Replantationsleistungen die Ziffer GOZ 411 zu verwenden.

Ebenso ist nach den Darlegungen des Sachverständigen nicht zu beanstanden, dass ein Operationszuschlag nach GOÄ 444 vorgenommen wurde, da die Leistungsziffer 2442 GOÄ zu Recht eingesetzt worden sei. Der Sachverständige sah auch die Anwendung der Leistungsziffer GOÄ 441 bezüglich des Lasereinsatzes als GOÄ-konform an.

Weiterhin folgt die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen, dass es sich bei der Entfernung einer Osteosyntheseschraube um eine eigenständige operative Leistung handelt. Bei dem Vorgang wird ein tiefsitzender Fremdkörper aus Weichteilen oder den Knochen entfernt. Das Gericht stimmt dabei dem Sachverständigen zu, dass es sich hier sichtlich um eine eigenständige Maßnahme handelt, da der Mensch ? wie es der Sachverständige trefflich und plastisch formuliert hat ? nicht mit einer Schraube im Körper geboren sei. Im Zuge von Materialplatzierungen im Sinne der modernen heutigen Medizin ist deshalb eine gesonderte Abrechnung völlig einleuchtend und gerechtfertigt. Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist dann auch der Ansatz von Ziffer 442 GOÄ als Zuschlag nicht zu monieren. Es handelt sich dabei um einen völlig eigenständigen Behandlungskomplex mit separater operativer Sitzung, Anästhesie, operativer Leistung und Wundheilungsbehandlung, die im übrigen auch von einem anderen Behandler hätte erbracht werden können.

In der Zusammenfassung bleibt festzuhalten, dass die Liquidation der Zedenten in keiner Weise zu beanstanden ist. Die Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend, plausibel und gehen von den zutreffenden Voraussetzungen aus. Der Sachverständige Dr. Dr. K. hat seine besondere Sachkunde und seine Kompetenz für das zu erkennende Gericht im Hinblick auf die hier umstrittenen Rechnungspositionen besonders dokumentiert. Die Angriffe des Berufungsführers wenden sich gegen die behauptete Nichtbeachtung des Zielleistungsprinzips des § 4 Abs. 2 a GOÄ. Der Beklagte verwechselt hierbei jedoch, was der Sachverständige Dr. Dr. K. in seinen gutachterlichen Ausführungen signifikant herausgearbeitet hat, das therapeutische Ziel mit den eigenständigen Leistungskomplexen der Gebührenordnung. Die Leistungslegenden der GOÄ existieren schon seit langer Zeit und dort sind keine globalen, sondern sehr zielgerichtete und abgegrenzte Beschreibungen formuliert, die dem notwendigen Behandlungsspektrum gerecht werden sollen. Ein Gericht kann deshalb auch nicht ohne Sachverständigenhilfe, wie von dem Beklagten gefordert, eine Aussage zur Rechmäßigkeit der Abrechnung treffen. Vielmehr bedarf es eines umfassenden medizinischen Sachverstandes, die einzelnen Behandlungsabschnitte und deren Zusammenspiel mit weiteren medizinischen Maßnahmen unter die Gebührenziffern einzuordnen. Nachdem dies von dem Sachverständigen im vorliegenden Fall in eindrucksvoller Weise vorgenommen wurde und sich das Gericht dessen Ausführung nach sorgfältiger Überprüfung zu Eigen macht, ist der Beklagte zur Zahlung der noch offen stehenden Honorarforderung verpflichtet. Seiner Berufung muss daher der Erfolg versagt werden.

RechtsgebietZielleistungsprinzipVorschriftenNr. 2110, 2381, 2442, 2675 GOÄ, 411, 413 GOZ

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