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04.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050342

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 03.06.2004 – 4 K 2085/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Finanzrechtsstreit XXX

wegen Erbschaftsteuer

4 K 2085/01

hat der 4. Senat durch XXX

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Strittig ist, ob der als Nachlassverbindlichkeit geltend gemachte Pflichtteilsanspruch verhältnismäßig gemäß § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG zu kürzen ist, wenn zum Nachlassvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften gehören, die nach § 13 a ErbStG teilweise steuerbefreit sind.

Die Klägerin ist neben ihrer Schwester M. W. eine Enkeltochter der am 18. November 1998 verstorben J. W. (Blatt 27 ErbSt-A). Einziges Kind der Erblasserin ist ihr Sohn W. W., der Vater der Klägerin. Im notariellen Testament vom 23. Oktober 1984 (Blatt 7/8 ErbSt-A) enterbte die Erblasserin ihren Sohn und bestimmte die beiden Enkelinnen zu gleichen Teilen zu Erbinnen.

Das Nachlassvermögen umfasst neben Grundvermögen, Wertpapieren, Kapitalforderungen und Schulden auch Betriebsvermögen in Form von Anteilen an der K & Co GmbH und der J. F. Söhne GmbH.

Im Erbschaftsteuerbescheid vom 6. November 2000 (Blatt 125 ff. Rb-A) ging der Beklagte von einem Reinnachlass im Wert von 2.141.948 DM aus. Darin sind die Anteile an den beiden Kapitalgesellschaften im Gesamtwert von 2.240.814 DM nach Abzug des Freibetrags (§ 13a Absatz 1 ErbStG) in Höhe von 500.000 DM und eines 40-prozentigen Bewertungsabschlags (§ 13a Absatz 2 ErbStG) in Höhe von 696.326 DM mit 1.044.448 DM enthalten. Obgleich der Vater seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 2.000.000 DM geltend gemacht hatte (Bl. 88 ff ErbSt-A), berücksichtigte der Beklagte unter Berufung auf § 10 Absatz 6 ErbStG lediglich 932.594 DM und setzte die Erbschaftsteuer auf 145.635 DM fest.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin innerhalb eines Monats Einspruch (Blatt 136 ff. Rb-A) mit der Begründung ein, der Pflichtteilsanspruch sei vollumfänglich abzugsfähig, da die Voraussetzungen der Kürzungsvorschrift nicht vorliegen würden. Außerdem rügte sie die vom Beklagten angestellte Verhältnisrechnung als fehlerhaft.
In seiner Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2001 (Blatt 167 ff. Rb-A) ging der Beklagte nunmehr von einem Reinnachlass in Höhe von 1.598.125 DM aus und minderte die Erbschaftsteuerfestsetzung auf 104.850 DM. Den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch berücksichtigte er dabei in Höhe von 1.476.417 DM. Im übrigen wies er den Einspruch unter Hinweis auf Abschn. R 31 Absatz 2 Erbschaftssteuer-Richtlinien mit dem Argument zurück, § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG gestatte den Abzug von Schulden, die im Zusammenhang mit nach § 13a ErbStG begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften stehen, lediglich im Verhältnis des steuerlichen Wertes der Anteile nach und vor Anwendung des § 13a ErbStG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der am 16. Juli 2001 erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung des Pflichtteils in Höhe von 2.000.000 DM. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor:
Die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der Pflichtteilsschuld sei fehlerhaft, da die Pflichtteilsschuld in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den nach § 13a ErbStG befreiten Anteilen an Kapitalgesellschaften stehe. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne von § 10 Absatz 6 ErbStG liege nach der Entscheidung des BFH vom 21. Juli 1972 (BStBl II 1973 Seite 3) dann vor, wenn die Entstehung der Schuld unmittelbar auf Vorgängen beruhe, die die Anteile an Kapitalgesellschaften betreffen. Beim Pflichtteilsanspruch würde es sich aber um eine Schuld handeln, welche die Anteile an den steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften lediglich mittelbar belaste, da der Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Absatz 1 BGB eine Geldforderung sei, die den gesamten Nachlass und nicht bloß einzelne Nachlassgegenstände belaste. Eine andere Auslegung würde den zivilrechtlichen Grundlagen, die zur Auslegung der Erbschaftssteuer heranzuziehen seien, nicht gerecht werden, da nach dem deutschen Erbrecht keine einzelnen Nachlassgegenstände, sondern Erbquoten übertragen werden, die mit entsprechenden Verbindlichkeiten wie dem Pflichtteilsanspruch belastet seien. Bereits hieraus ergebe sich, dass der Pflichtteilsanspruch sich gegen den gesamten Nachlass richte und damit kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einzelnen Nachlassgegenständen gegeben sein könne. Für einen fehlenden wirtschaftlichen Zusammenhang des Pflichtteilsanspruchs mit einzelnen Nachlassgegenständen spreche zudem dessen Natur als Geldforderung. Eine quotale Kürzung der Pflichtteilsschuld widerspreche daher sowohl dem Wortlaut als auch dem System von Erbschaft- und Erbschaftsteuerrecht.
Systemwidrig sei auch, wenn die Pflichtteilsschuld bei der Klägerin anteilig gekürzt und gleichzeitig der Pflichtteilsberechtigte den vollen Pflichtteilsanspruch ungekürzt zu versteuern habe, da sich dann eine Doppelbesteuerung ergebe. Eine solche Doppelbesteuerung würde der Intention des § 13a ErbStG widersprechen, der gerade vermeiden solle, dass Betriebsvermögen übermäßig mit Erbschaftsteuer belastet werde und aufgrund daraus folgender finanzieller Engpässe verkauft werden müsse und so aus dem Familienbesitz geraten würde.

Auf R 31 Absatz 2 Satz 1 Erbschaftsteuer-Richtlinien könne sich der Beklagte nicht berufen, da diese Verwaltungsanweisung erst für Erbschaftsteuerfälle gelte, die nach dem 31. Dezember 1998 entstanden seien. Zudem widerspreche die Verwaltungsanweisung dem BFH-Urteil vom 21. Juli 1972. In dieser Entscheidung habe der BFH vor dem Hintergrund des § 77 Absatz 3 BewG 1965 einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Pflichtteil und dem steuerpflichtigen Inlandsvermögen bejaht, nicht jedoch zwischen dem Pflichtteil und dem Gesamtnachlass. Da der BFH für die Nichtabziehbarkeit der Schuld ausdrücklich einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Schuld und dem jeweiligen steuerbefreiten Vermögen verlange, widerspreche die Auffassung des Beklagten der Beurteilung des BFH, wenn nun Schulden, die im Zusammenhang mit dem Gesamtnachlass stehen, nicht abzugsfähig wären.
Dass der BFH von keiner Kürzung der Pflichtteilsschuld ausgehe, zeige ferner sein Vorlagebeschluss vom 22. Mai 2002 (BStBl II 2002 Seite 598). Dort habe er auf Seite 613 als krassesten Fall des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz angesehen, dass der Pflichtteilsanspruch im Zusammenhang mit Erwerb von steuerbegünstigten Vermögen in voller Höhe abziehbar sei.
Im übrigen sei eine Kürzung der Pflichtteilsschuld nicht möglich, da § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG eine bereits beim Erbfall existierende Schuld voraussetze (mit Hinweis auf BFH BStBl III 1962 Seite 535).

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte den Erbschaftsteuerbescheid zweimal geändert. Im ersten Änderungsbescheid vom 13. März 2002 (Bl. 50 PA) wurde der Erbschaftsteuerbescheid in Form der Einspruchsentscheidung in vollem Umfang für vorläufig erklärt. Im zweiten Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 (Bl. 92 ff PA), welcher nach den Erläuterungen ?den Bescheid vom 29.06.01? ändert, ist die Erbschaftsteuer -- ausgehend von einem Reinnachlass von 1.427.999 DM -- auf 92.085 DM festgesetzt worden. Der Pflichtteilsanspruch des Vaters ist darin in Höhe von 1.342.834 DM enthalten; die Berechnung dieses Betrages ist zwischen den Beteiligten unstrittig.

Die Klägerin beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 26. Mai 2003 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 31.394 DM herabgesetzt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch gemäß § 10 Absatz 6 ErbStG nur eingeschränkt abzugsfähig ist. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:
In seinem Urteil vom 21. Juli 1972 (BStBl II 1973 S. 3) habe der BFH entschieden, dass die Erbschaft durch den Pflichtteilsanspruch in ihrer Gesamtheit wirtschaftlich belastet werde und die Schuld zur Leistung des Pflichtteils nur insoweit auf dem Inlandsvermögen laste, als die Erbschaft zum Inland gehöre. Das habe zur Folge, dass beim Abzug von Pflichtteilslasten § 10 Absatz 6 ErbStG zu beachten sei, wenn Teile des Nachlasses entweder gar nicht oder bloß eingeschränkt der Erbschaftsteuer unterliegen.
Dem stehe nicht entgegen, dass beim Pflichtteilsberechtigten der Anspruch mit dem Nennwert der Besteuerung unterliege und es damit im Ergebnis zu einer teilweisen Doppelbesteuerung komme. Eine vergleichbare Situation ergebe sich bei der Besteuerung des Kaufrechtsvermächtnisses; auch dort würden Erbe und Vermächtnisnehmer unter-schiedlich behandelt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klägerin ist weder dadurch, dass der Beklagte in den Erläuterungen des zweiten Änderungsbescheids vom 26. Mai 2003 einen falschen Steuerbescheid bezeichnet hat, noch durch die anteilige Kürzung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs im Verhältnis der Steuerwerte in ihren Rechten verletzt worden.

I.
Obgleich der gemäß § 68 FGO zum Streitgegenstand gewordene Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 seinen Erläuterungen zufolge den Bescheid vom ?29.06.01?, also den Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ändert, liegt hierin kein Fehler, der zu dessen Nichtigkeit führt.

Nichtig ist ein Verwaltungsakt nach § 125 Absatz 1 AO, sofern er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist. Ob ein derart schwerwiegender Fehler darin liegt, dass der Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 in den Erläuterungen als Änderungsgegenstand den Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung nennt, obwohl dieser Bescheid aufgrund des ersten Änderungsbescheids vom 12. März 2002 in seinen Wirkungen suspendiert ist (St. Rspr.; vgl. dazu z.B.: BFH vom 5. Mai 1992 IX R 9/87, BStBl II 1992 S. 1040), bedarf keiner Klärung.

Verwaltungsakte sind entsprechend § 133 BGB der Auslegung zugänglich (vgl. z.B.: BFH vom 16. Juni 1999 II R 36/97, BFH/NV 2000 S. 170). Für die Auslegung ist maßgeblich, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. z.B.: BFH vom 8. Februar 2001 VII B 82/00, BFH/NV 2001 S. 1003). Nach Maßgabe dieser Grundsätze kommt der Senat im Wege der Auslegung zum Ergebnis, dass der Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 nicht den in seiner Wirkung suspendierten Bescheid vom 29. Juni 2001, sondern den zuletzt geänderten Bescheid vom 12. März 2002 geändert hat.

Zum Erlass des Änderungsbescheids vom 26. Mai 2003 ist es gekommen, nachdem die Klägerin in ihrem Schreiben vom 18. März 2003 (Bl. 74 ff PA) mitgeteilt hatte, dass der Grund und Boden in M, ...str. ... entgegen den bisherigen Angaben in der Steuererklärung Betriebsvermögen sei. Vor diesem Hintergrund muss der Klägerin klar gewesen sein, dass der Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 ausschließlich dazu gedient hat, durch Änderung des Bescheids vom 12. März 2002 dem neu bekannt gewordenen Sachverhalt Rechnung zu tragen und die Nennung des Bescheids vom 29. Juni 2001 nur auf einem Versehen beruht. Dass der Änderungsbescheid vom 26. Mai 2003 von der Klägerin so verstanden worden ist, hat ihr Verfahrensbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.

II.
Ohne Rechtsfehler hat der Beklagte die Pflichtteilslast teilweise dem Abzugsverbot des § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG unterworfen. Soweit er dabei den Anteil des Abzugsverbots nicht aus den Verkehrswerten, sondern aus den Steuerwerten errechnet hat, liegt zwar ein Rechtsfehler vor, der aber die Klägerin nicht benachteiligt, sondern begünstigt.

1. Gemäß § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG sind bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs diejenigen Schulden und Lasten, die mit den nach § 13a ErbStG befreiten Anteilen an Kapitalgesellschaften in -- wirtschaftlichem -- Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht. Vermögensgegenstand und Schulden stehen zueinander in wirtschaftlichem Zusammenhang, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den Vermögensgegenstand selbst betreffen (st. Rspr.; vgl. z.B.: BFH vom 19. Februar 1982 III R 108/80, BStBl II 1982 S. 449; BFH vom 18. Dezember 1990 VIII R 1/88, BStBl II 1991 S. 911; FG Baden-Württemberg vom 22. Januar 2003 13 K 63/99, EFG 2003 S. 1717). Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Schulden nach Entstehung und Zweckbestimmung mit erworbenen Vermögensgegenständen verknüpft sind (vgl. z.B.: BFH vom 25. Oktober 1995 II R 45/92, BStBl II 1996 S. 11), d.h. ohne diese nicht angefallen wären (BFH vom 26. März 2002 VI R 26/00, BStBl II 2002 2. 823), und sie den erworbenen Vermögensgegenstand wirtschaftlich belasten (vgl. z.B.: BFH vom 30. Juli 1997 II R 9/95, BStBl II 1997 S. 635 m.w.N.). So verhält es sich hier.

a) Dass die Pflichtteilsschuld mit der Erbschaft in ihrer Gesamtheit verknüpft ist, folgt aus dem Charakter des Pflichtteilsrechts. Er ist wirtschaftlich ein Ersatz für den Vermögensentgang, der dadurch eintritt, dass ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen ist, und begründet daher zwischen der Schuld zur Leistung des Pflichtteils und der Erbschaft einen wirtschaftlichen Zusammenhang (so ausdrücklich: BFH vom 21. Juli 1972 III R 44/70, BStBl II 1973 S. 3), denn der durch letztwillige Verfügung eingesetzte Erbe kann nicht Erbe werden, ohne dass der Pflichtteilsanspruch entsteht. Hieraus folgt zugleich, dass bei der Berechnung der abzugsfähigen Pflichtteilslast die steuerfreien Nachlassgegenstände auszuklammern sind; damit wirkt sich nur der Teil des geltend gemachten Pflichtteils bereicherungsmindernd aus, der auf den steuerpflichtigen Nachlass entfällt (vgl. z.B.: Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG Stand 2002, Rz 249 zu § 10; Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/ Schuck, ErbStG 2. A. 2004, Rz 143 zu § 10; Ebeling in Kapp/Ebeling, ErbStG Stand Oktober 1999, Rz 170 zu § 10; Weinmann in Moench, ErbStG Stand Oktober 2002, Rz 97 zu § 10; Handzik, Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer, 4. A. 2000, Rz 142 dort unter ´Pflichtteilsanspruch´, Stempel in UVR 2001 S. 136 ff, S. 136 unter I.; H 31 Erbschafteuerhandbuch 2003).

b) Auch belastet die Pflichtteilsschuld die Anteile an den Kapitalgesellschaften wirtschaftlich.

Unbeachtlich ist dabei, dass der Miterbe einen Erbanteil (§ 2032 BGB) und damit lediglich eine ideelle quotale Berechtigung am Gesamthandsvermögen erwirbt (allg. Meinung; vgl. z.B.: vgl. z.B.: Edenhofer in Palandt, BGB, 63. A. 2004, Rz 1 zu § 2033). Für die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs kommt es nämlich nicht entscheidend darauf an, ob eine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht. Maßgeblich ist vielmehr, mit welchem Sachverhalt der Pflichtteilsanspruch verbunden ist (BFH vom 21. Juli 1972 III R 44/70, a.a.O.). Wirtschaftlich gesehen -- und nur hierauf kommt es nach dem Wortlaut des § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG an -- ist der Pflichtteilsanspruch mit jedem einzelnen aktiven und passiven Vermögensgegenstand des Nachlasses unmittelbar und nicht bloß mittelbar verknüpft. Das folgt daraus, dass Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch gemäß § 2311 Absatz 1 BGB der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles ist (vgl. z.B.: Edenhofer a.a.O., Rz 1 zu § 2311).

2. Nur eine derartige wirtschaftliche Betrachtungsweise steht im Einklang mit dem vom Gesetzgeber angestrebten Gesetzeszweck.

a) In der BT-Drucksache VI/3418 Seite 66 heißt es hierzu: ?Es ist nicht einzusehen, weshalb jemand, der bspw. einen befreiten, auf Kredit gekauften Gegenstand mit einem Wert von 100.000 DM erwirbt, die Schulden für diesen Gegenstand in Höhe von 100.000 DM von seinem übrigen Erwerb soll abziehen dürfen. Dies wäre eine ungerechtfertigte Bevorzugung gegenüber demjenigen, der bei einem sonst gleich hohen Erwerb nicht einen gleichen steuerfreien Vermögensgegenstand erwirbt.?

§ 10 Absatz 6 ErbStG bezweckt also -- ebenso wie § 3c EStG -- die Gewährung doppelter Steuervorteile zu vermeiden (vgl. z.B.: vgl. z.B.: FG Düsseldorf vom 28. Mai 2003 4 K 2649/01 Erb, EFG 2003 S. 1259; Weinmann in Moench, .a.O., Rz 92 zu § 10) und ist folglich Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. Gebel a.a.O., Rz 242 zu § 10; Meincke a.a.O., Rz 51 zu § 10; BFH vom 14. November 1986 VI R 209/82, BStBl II 1989 Seite 351 zu § 3 c EStG m.w.N.). Zu einem doppelten Steuervorteil kommt es aber, würde man die Pflichtteilsschuld - wie von der Klägerin begehrt - in voller Höhe gewähren. Entlastet werden die Anteile an Kapitalgesellschaften bereits durch den Freibetrag von 500.000 DM (§ 13a Absatz 1 i.V.m. Absatz 4 Nr. 3 ErbStG 1998) und den verminderten Wertansatz von lediglich 60% (§ 13 a Absatz 2 ErbStG). Weil die Pflichtteilsschuld den gesamten Nachlass belastet, also auch die Anteile an den Kapitalgesellschaften, würde eine ungekürzte Berücksichtigung der Pflichtteilsschuld zu einer nochmaligen Entlastung der Anteile an den Kapitalgesellschaften führen.

b) Dient die anteilige Kürzung der Pflichtteilsschulden mithin der Vermeidung einer Doppelbegünstigung, so zeigt dies, dass hier -- entgegen der Ansicht der Klägerin -- keine systemwidrige Doppelbesteuerung vorliegt. Vielmehr bewirkt die anteilige Kürzung der Pflichtteilsschuld gemäß § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG, dass der Klägerin zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung ein Teil der Vergünstigung des § 13a ErbStG verloren geht (vgl. z.B.: Meincke, a.a.O., Rz 57 zu § 10 a.E.).

3. Die Pflichtteilsschuld in den Anwendungsbereich der Kürzungsvorschrift des § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG einzubeziehen, gebietet zudem der Auslegungsgrundsatz, einfache gesetzliche Regelungen verfassungskonform auszulegen.

a) Wie der II. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 22. Mai 2002 (II R 61/99, BStBl II 2002 Seite 598) im einzelnen näher dargelegt hat, sind die Vorschriften zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage auch und gerade bei den Anteilen an Kapitalgesellschaften gleichheitswidrig ausgestaltet. Den Verstoß gegen Art. 3 GG sieht er in der Kumulationswirkung von einer Unterbewertung der Anteile an Kapitalgesellschaften (durch Übernahme der Steuerbilanzwerte), der Gewährung eines Freibetrags in Höhe von 500.000 DM (§ 13 a Absatz 1 ErbStG), der Gewährung eines Bewertungsabschlags von 40% (§ 13 a Absatz 2 ErbStG) und der Berücksichtigung der Schulden mit ihrem Nominalwert (§ 12 Absatz 1 ErbStG i.V.m. §§ 9 Absatz 1, 12 Absatz 1 Satz 1 BewG). Eine weitere sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung nimmt der II. BFH-Senat in seinem aus dem Kommentar von Moench übernommenen Berechnungsbeispiel unter B. II. 5. b) ferner dann an, wenn der Nachlass mit einem Pflichtteilsanspruch belastet ist und zum Nachlass nach § 13a ErbStG begünstigtes -- Betriebsvermögen (in Form eines Gewerbebetriebs) -- gehört. In diesem besonderen Fall geht er davon aus, dass der Erbe neben dem Freibetrag und dem Bewertungsabschlag die Pflichtteilsschuld zum -- vollen -- Nennwert abziehen könne. Nach Meinung des BFH können die sich daraus ergebenden verfassungswidrigen Folgen nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden, da über § 10 Absatz 1 Satz 2 ErbStG für die Pflichtteilslasten der ungekürzten Abzug mit dem Nennwert eindeutig angeordnet werde (vgl. BFH a.a.O., dort unter B. III. 1. a.E.).

b) Die Aussage, an einer verfassungskonformen Auslegung gehindert zu sein, hat nach Ansicht des erkennenden Senats ihre Gültigkeit ausschließlich beim Erwerb von Betriebsvermögen, da § 10 Absatz 6 Satz 4 ErbStG ausdrücklich auch diejenigen Schulden und Lasten zum Abzug zulässt, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen stehen. Ihre Grenzen findet die verfassungskonforme Auslegung nämlich dort, wo sie mit dem Gesetzeswortlaut oder dem vom Gesetzgeber verfolgten Gesetzeszweck in eindeutigem Widerspruch treten würde. Das kann aber nicht für die vom BFH -- nicht angesprochene -- Frage gelten, ob die Pflichtteilsschuld bei Vererbung von nach § 13a ErbStG teilweise steuerbefreiten -- Anteilen an Kapitalvermögen -- anteilig zu kürzen ist. Denn, wie oben bereits näher dargelegt, gibt es hierfür -- in Abweichung zum Betriebsvermögen -- bei Anteilen an Kapitalgesellschaften in § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG eine gesetzliche Regelung, wonach die Schulden und Lasten, die mit nach § 13a ErbStG befreiten Anteilen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, verhältnismäßig zu kürzen sind. Diese Kappungsvorschrift nicht anzuwenden, hieße, den vom BFH angenommenen Verstoß gegen den Gleichheitssatz noch zu verstärken, obgleich sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach dem gesetzgeberischen Wille eine Gesetzesinterpretation möglich ist, mit der eine nochmalige Begünstigung der ohnehin schon mehrfach begünstigten Anteile an Kapitalgesellschaften vermieden werden kann.

4. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Pflichtteilsschuld und den einzelnen Nachlassgegenständen entfällt schließlich auch nicht im Hinblick auf das Stichtagsprinzip.

Wegen des Stichtagsprinzips (§ 11 ErbStG) muss der wirtschaftliche Zusammenhang zwar bereits beim Erblasser bestanden haben (vgl. z.B.: BFH vom 28. September 1962 III 242/60 U, BStBl III 1962 S. 535). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Schuld durch den Erwerb begründet wird (BFH vom 28. September 1962 III 242/60 U a.a.O.). Und das ist hier deshalb der Fall, weil der Pflichtteilsanspruch gemäß § 2317 Absatz 1 BGB mit dem Erbfall entsteht (ebenso z.B.: Weinmann a.a.O., Rz 97 zu § 10; Schuck a.a.O., Rz 139). Dementsprechend hat der BFH entscheiden, dass der Pflichtteilsanspruch mit der Erbschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang steht und hat es abgelehnt, für die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs auf den Zeitpunkt des Schuldabzugs abzustellen (vgl. BFH vom 21. Juli 1972 III R 44/70, a.a.O.; BFH vom 8. Oktober 2003 II R 46/01, BFH/NV 2004 S. 431 zu § 10 Absatz 5 Nr. 2 und 3 ErbStG).

5. Wie der Anteil des Abzugsverbots zu ermitteln ist, ob nach Steuerwerten (so z.B.: ErbSt-Handbuch 2003 unter H 31; Schuck a.a.O., Rz 143 zu § 10; Kapp/Ebeling a.a.O., Rz 169.2 zu § 10) oder nach Verkehrswerten (Stempel in UVR 2001 S. 136), lässt sich dem Wortlaut des § 10 Absatz 6 Satz 5 ErbStG nicht zweifelsfrei entnehmen. Da sich die Pflichtteilslast anhand der im Zivilrecht geltenden Verkehrswerte bestimmt, hält es der Senat für zwingend, bei der anzustellenden Verhältnisrechnung auf die Verkehrswerte abzustellen. Andernfalls würde die Pflichtteilslast in einem zu geringen Umfang auf die Anteile im Kapitalvermögen verteilt und damit zu einer Begünstigung führen, die mit dem Sinn und Zweck des § 10 Absatz 6 Satz 4 ErbStG nicht im Einklang steht. Ob Vereinfachungsgründe die Übernahme der Steuerwerte rechtfertigen können, bedarf keiner abschließenden Klärung. Hierauf kommt es im Streitfall letztlich nicht darauf an, da der Beklagte seiner Berechnung die für die Klägerin günstigeren Steuerwerte zugrunde gelegt hat und der Senat nicht verbösern darf.

III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.

2. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Absatz 2 Nr. 1 FGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/9231-201.

RechtsgebieteErbStG, BGBVorschriften§ 10 Abs 1 S 2 ErbStG, § 10 Abs 6 S 4 ErbStG, § 10 Abs 6 S 5 ErbStG, § 13a ErbStG § 2311 Abs 1 BGB

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